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Sexismus in der Literaturwelt

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  • Ankh
    antwortet
    Da ich noch keine Manuskripte herumgeschickt habe, kann ich da keine eigenen Erfahrungen von Autorenseite anführen. Aber das Experiment von Frau Nichols gibt mir schon zu denken. Es ist ja nicht nur im Literaturbetrieb so, sondern auch in vielen anderen Berufsfeldern, dass Frauen oft weniger ernst genommen werden als Männeroder dass man ihnen einfach nicht zutraut, genauso gut zu sein. Hinzu kommt, dass Frauen weniger dazu erzogen werden (oder möglicherweise von Natur aus nicht so sind), sich selbst gut zu vermarkten. Wenn ein Mann erzählt, was er alles tolles kann und geleistet hat, wird das zumeist positiv aufgenommen und hilft ihm in der Karriere weiter aufzusteigen, wenn eine Frau das tut, wirkt es unangemessen aggressiv. Zusammengenommen kann ich mir gut vorstellen, dass Frauen es schwerer haben, den Fuß in die Tür zu kriegen.

    Bemerkenswert finde ich allerdings, dass es in der Literatur eher genreabhängig zu sein scheint. Bei Fantasy und SciFi dominieren klar die Männer, bei Krimis dagegen scheint es eher ausgewogen zu sein. Ich denke, an diesem Fakt ist Agatha Christie nicht ganz unschuldig. Sie hat bewiesen, dass Frauen großartige Krimis schreiben können, und dieses Misstrauen gegenüber Frauen ist seitdem zumindest im Krimigenre weitgehend vom Tisch. Vielleicht fehlt auch in anderen Genres "einfach" eine Vorreiterin, die den Lesern zeigt, dass auch Frauen prima Science Fiction schreiben können, bevor es für den Rest ein wenig einfacher wird.

    Jetzt kommt das große Aber: Bei diesen Genderdiskussionen (wir hatten es ja auch schon von Protagonistinnen) stelle ich immer wieder fest, dass ich dieselben Vorurteile hege, die ich eigentlich verurteilen sollte. Wie oft habe ich ein Buch in der Hand und denke "uh, von einer Frau. Da kommt bestimmt viel Schmalz drin vor und wenig coole Action." Und wenn wir mal ehrlich sind, dann stimmt es im Schnitt schon. Fantasy von Frauen ist mir meist zu "zauberhaft", dreht sich um schöne Menschen (und Elfen, und Vampire), legt vergleichsweise mehr Wert auf das Gefühlsleben der Personen und enthält überdurchschnittlich viele Beschreibungen von Kleidern. Man sagt ja, man soll schreiben, was man selbst gerne lesen würde, und ich denke, dass Frauen, die Fantasy schreiben, eben "Frauenfantasy" schreiben, und Männer schreiben "Männerfantasy". Und da begeben wir uns in einen Teufelskreis, denn es gibt wohl mehr männliche Fantasyleser, also gibt es mehr (erfolgreiche) männliche Fantasyautoren, also suchen sich die weiblichen Leser entweder andere Nischen (z.B. Urban Fantasy, das mMn eher weiblich dominiert ist) oder entwickeln eine Vorliebe für "Männerfantasy". Einer Neueinsteigerin in dieses System bleibt also nur übrig, "Männerfantasy" zu schreiben oder auf andere Nischen auszuweichen, weil sie in der klassischen Fantasy kaum eine Zielgruppe hat für das, was sie selbst gerne lesen und schreiben würde.

    Das klingt jetzt alles ganz furchbar sexistisch und stimmt auch nicht für jedes Individuum, aber wir sind uns sicher einig, dass Geschmäcker eben verschieden sind. Und Geschmäcker sind unter anderem auch geschlechterabhängig. Von daher wird es keiner Frau helfen, sich ein männliches Pseudonym zuzulegen, wenn sie mit ihrem Buch dann doch eher weibliche Vorlieben bedient. Dagegen könnte es ihr helfen, einen Fuß in die Tür zu kriegen, wenn ihr Stil ohnehin eher dem der männlichen Vertreter des Genres ähnelt, und sie auch eine eher männliche Zielgruppe ansprechen will.

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  • Julestrel
    antwortet
    Ich denke, es gibt zwei verschiedene Themen bzw. Probleme, die man da unterscheiden sollte:

    - einmal, dass man als Frau von der Gesellschaft weniger ernst genommen wird, wenn man schreibt. Selbst von Autorinnen, die vom Schreiben leben können, hört man, dass sie für ihr "Hobby" belächelt werden und sie sich das nur leisten können, weil der Mann in der Familie ja sicher das Geld verdienen würde. Bei Männern wird schreiben deutlich seltener als "nettes Hobby" gesehen.

    - das andere ist das, was der Großteil der Leser erwartet. Eine Frau in der klassischen Fantasy oder bei Thrillern hat es genauso schwer wie ein Mann bei den Liebesromanen. Klar gibt es Ausnahmen und es gibt auch Autoren, die sich hinter einem Pseudonym des anderen Geschlechts verstecken, aber es ist leider einfach so.

    Zu Erstem kann ich aus eigener Erfahrung noch nicht wirklich viel erzählen, da ich da noch keine direkten Erlebnisse hatte. Aber zum Zweiten ... ich weiß, dass mein Buch eine andere Leserschaft angesprochen hat, weil ein Frauenname drauf stand. Und ich weiß auch, dass ich mich ein bisschen wehren musste, weil an ein paar Stellen mein Buch – einfach weil ich eine AutorIN bin –, fast in die "Frauenecke" gesteckt worden wäre. Und ich weiß auch, dass von mir erwartet wurde, dass eine Liebesgeschichte drinnen ist. Weil Frauenname auf Cover

    Ich denke allerdings, dass das keine Probleme, der Literaturszene sind, sondern diese Dinge einfach noch viel zu sehr in der Gesellschaft festsitzen.

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  • Mona
    antwortet
    Ich vermute, dass es ein wenig auf das Genre ankommt, eben weil mit dem Genre auch Erwartungen verknüpft sind, die wiederum gewisse Rollen und Klischees bedienen könnten (z.B.: Sci-Fi-Kram = Technisches Zeug = männlich).

    Die Namens-Problematik fiel mir so noch nicht auf, ich kann es mir aber vorstellen, weil sie nicht nur ein literarisches Problem bzw. nicht nur ein geschlechtliches Problem ist (versuch mal als Kevin, den Musterschüler zu geben -- und dann als Maximilian.)

    Mir fiel nur Folgendes auf: Willst du in (höhere) Literaturkreise, solltest du dich hochschlafen. Ansonsten hast du Pech gehabt. (Ich hab lieber Pech gehabt.)
    Und ich finde es wirklich widerlich, als Autorin eines SM-Romans so häufig auf Anmachen zu stoßen, die wohl jemand, der Liebesromane schreibt, oder die ich auch als Mann, mir nicht in dem Ausmaß anhören müsste. Ich versuch dann, es mit Humor zu nehmen, aber ... ja, was soll ich dazu noch sagen (ohne ausfällig zu werden).

    Ich werde mir trotzdem kein männliches Pseudonym wofür auch immer zulegen. Warum sollte ich? -- Wenn Frauen (oder Männer) sich für ihre Träume verstellen müssen, dann wird man den Sexismus niemals durchbrechen können. Und man verhindert ein Umdenken.

    Eines muss ich aber ganz böse (und subjektiv) sagen: Ich kenne im härteren Erotikbereich keine weibliche Autorin, die es dermaßen sensibel schafft, sich in weibliche Charaktere reinzuversetzen, wie es mein Lieblingsautor zustande bringt . Und das sage ich nicht, weil er ein Mann ist, sondern weil ich die frauenverachtenden, unkritischen Ergüsse mancher Autorinnen ziemlich befremdlich finde.

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  • Ena
    antwortet
    Da ich auch aus anderen Brachen solche "Experimente" gesehen/davon gehört habe wie die von Catherine, und die Reaktionen auch dort positiver auf männliche Namen waren und negativer auf weibliche, würde ich sagen, dass das eher ein allgemeines Gesellschaftliches Problem ist, an dem wir noch zu arbeiten haben. Obwohl ich das Gefühl habe, dass dieser wahrscheinlich eher unterbewusste Sexismus in Amerika stärker verbreitet ist als hier in Deutschland.

    ich würde aber nicht so weit gehen und es "frauenfeindlich" nennen.
    Es ist eher etwas angelerntes, unterbewusstes, würde ich meinen. (Ähnliches passiert ja auch Leuten mit ungewöhnlichen Namen oder ausländischer Herkunft, die werden Studien und Versuchen zufolge häufiger in eine Schublade geschoben als solche mit "modernem" Namen.) Als Kind wird den Jungen gesagt: spiel nicht mit Puppen; aber Mädchen werden als cool bezeichnet, wenn sie mit Autos spielen - so lernt man ja schon früh, dass "männlich" besser ist als "feminin". So wollen sich Jungs dann vielleicht auch nicht als uncool outen, wenn sie plötzlich ein Buch lesen, das eine Frau geschrieben hat. Aus dem Grund sollte Rowling damals ja auch einen "neutralen" Namen annehmen mit der Begründung: "Jungen wollen nichts von Frauen lesen, und Mädchen ist es egal, wer das Buch geschrieben hat".
    Aber ich bin mir sicher, dass dieser Trend immer mehr abnimmt und mit den nächsten Generationen (hoffentlich) ganz verschwinden wird.

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  • weltatlas
    hat ein Thema erstellt Sexismus in der Literaturwelt.

    Sexismus in der Literaturwelt



    Irgendwie beschäftigt mich das Thema aus mehreren Gründen. Es wurde hier zum Teil schon bei der Pseudonymsuche angesprochen bzw. es klang an. Als Frau legt man sich vielleicht doch besser ein männliches Pseudonym zu, um im High-Fantasy bzw. Sci-Fi-Bereich mehr Leser zu erreichen, oder um generell ernster genommen zu werden?

    Heute stolperte ich über ein Zitat von Zoe Beck: „Frauenliteratur wird mit Anspruchslosigkeit gleichgesetzt.“ Eine Aussage von Kathrin Weßling, Frauen schrieben seichte Unterhaltungsliteratur, unterstreicht noch einmal diese Aussage.
    Schreibt ein Mann ein Liebesroman ist er einfühlsam. Schreibt eine Frau einen Liebesroman, muss sie achtgeben nicht in der Klischeeecke zu landen.
    Catherine Nichols führte 2015 ein Experiment durch. Sie reichte ihr Manuskript an 50 Verlage. Einmal unter ihren Namen und einmal unter einem männlichen Pseudonym. Unter ihrem Realnamen erhielt sie 2 Zusagen, unter dem Pseudonym ganze 17. Doch nicht nur das fiel ihr auf, auch der Umgang mit dem Text sei sehr verschieden gewesen.
    Als Catherine erhielt sie Aussagen zurück wie: „Schöne Schreibe. Aber der Protagonist wirkt wenig couragiert.“ Als Mann ging der Verlag mehr ins Detail und wohl auch respektvoller mit dem Manuskript um. „Die Urteile über mein Werk, die so fest zu stehen schienen wie die Wände in meinem Haus, hatten sich als bedeutungslos erwiesen. Mein Text war nicht das Problem, das Problem war ich – Catherine.“
    Gibt es eine „Gynobibliophobie“ der Literaturbranche? Bereits 1998 prangerte die Autorin Francine Prose, die unterschiedlichen Erwartungen an die Texte männlicher und weiblicher Autoren an. Die US-Organisation Vida hat kürzlich wieder eine Studie veröffentlicht, der zufolge die Literaturkritik und Preisvergabe immer noch von männlichen Autoren und Kritikern dominiert wird.

    Natürlich sind das Schlagworte und auch gezielt ausgewählte Zitate. Aber dennoch scheint es mir eine frauenfeindliche Tendenz in der Literaturszene zu geben.
    Was sind Eure Gedanken und vielleicht auch Erfahrungen dazu? Vielleicht wiedersprecht Ihr dem ja auch?

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