In meiner Rollenspielgruppe spielten wir vor einigen Jahren ein Abenteuer, bei dem die Spielergruppe unter anderem ein mysteriöses Bergwerk in einem Inselgebirge finden musste.
Wir gingen logisch an die Sache ran: Wir waren in einer vollkommen unzivilisierten und nicht erschlossenen Gegend, eine Mine braucht Wasserversorgung – wir müssten also nur dem Fluss stromaufwärts folgen, und schon würden wir die Mine finden. Leider versicherten uns alle Einheimischen, dass es keinen Fluss gäbe.
Also Plan B: Dann suchen wir eben die Straße. Ein Bergwerk, in dem Tonnen von Erz abgebaut werden, braucht eine Versorgungsstraße. Leider fanden wir auch diese nicht.
Plan C: Wir lassen uns hinführen. Auch, wenn wir keinen offiziellen Führer finden – die Minenarbeiter brauchen etwas zu essen. Wir müssen also nur herausfinden, von welchem Markt regelmäßig große Mengen Lebensmittel ins Gebirge geschafft werden, und den Händlern folgen wir dann diskret. Tja, Ihr ahnt es: solche Großlieferungen an Nahrungsmitteln gab es nicht.
Das ganze kostete uns mehrere Spielabende und war unglaublich frustrierend. Als wir die Mine schließlich fanden, war diese quasi im Nichts. Nicht einmal ein Trampelpfad führte dorthin. (Und diese Minenanlage plus umgebender Gebäude war eine kleine Stadt!) Nachdem wir nur zu Fuß dort hin kamen, ist mir bis heute unklar, wie das Erz von der Mine abtransportiert werden soll. Und die Bergleute (immerhin rund 70 Mann) lebten offenbar von Luft und Liebe. Ach ja, einen Bach gab es. Der schien aber nur dort lokal hinter der Küche zu plätschern und führte nirgendwo hin.
Wie es zu dieser ganzen Situation gekommen war, ist klar: Der Autor des Abenteuers hat keinen einzigen Gedanken daran verschwendet, welche Infrastruktur für den Betrieb eines Bergwerks notwendig ist. Ich verstehe, warum. Das Thema ist nicht gerade spannend. Trotzdem ist es beim Weltenbau ein notwendiges Übel, sich damit auseinanderzusetzen. Wie man an dem obengenannten Beispiel schön sieht: schlampige Infrastruktur führt sehr schnell dazu, dass der Leser eine Welt als unrealistisch ansieht.
Bis zu einem gewissen Grad kann das trotzdem funktionieren. Wer erinnert sich an nur eine echte Straße im „Herr der Ringe“? (Ich gebe zu, ich habe hier die Filme vor Augen. Aber ruft sie Euch nochmal ins Gedächtnis: Minas Tirith steht mitten in einer vertrockneten Graslandschaft, und nicht einmal zum Haupttor führt eine Straße. Selbst das gigantische Schwarze Tor von Mordor steht einfach so in der Landschaft herum – Gollum muss Frodo und Sam führen, weil ein Weg dorthin nicht offensichtlich erkennbar ist.) Ich denke, man verzeiht diese Ungenauigkeiten bei Tolkien, weil der „Herr der Ringe“ in anderen Dingen, die Tolkien gut konnte, so toll ausgearbeitet ist. Wer Tolkien liest, der schwelgt in Liedern, Sprache und ansprechenden Landschaftsbeschreibungen.
Obwohl ich ein Fan vom „Herr der Ringe“ bin finde ich aber, dass die Geschichte durch gute Infrastruktur noch gewonnen hätte.
Nehmt als Gegenbeispiel einmal die „Rad der Zeit“-Serie. Hier sind die Trollocs einer der Hauptgegner - eine Art Orks, die Menschen überfallen. Das Komische dabei ist: die Menschen wissen genau, wie lange es dauert, dass ein Heer von Punkt A nach Punkt B marschiert. Sie haben ein gut ausgebautes Straßennetz, schicken Boten aus, und warnen sich gegenseitig. Aber die Trollocs tauchen immer dort auf, wo sie eigentlich gar nicht sein dürften. Sie sind offenbar nicht an normales Reisen über Land gebunden, und genau das ist unerklärlich und verstört die Menschen zutiefst.
Ein anderes, schönes Beispiel finde ich aktuell bei George R. R. Martin, der Infrastruktur sehr bewusst einsetzt. Viele derjenigen, die den Eisernen Thron wollen, haben gute Chancen darauf. Die spannende Frage ist, wer seine Armee in die Nähe der Hauptstadt bringt – und in welchem Zustand diese Armee dann noch sein wird. Ausgezehrt vom Marsch und ausgehungert? Oder geschwächt von wochenlanger Seefahrt auf kleinen Schiffen, mit seekranken Pferden? Und ganz nebenbei steht da noch die Frage im Raum, ob diese große Mauer aus Eis, die seit Jahrhunderten nicht richtig gewartet wurde, gegen den Feind aus dem Norden halten wird.
Macht Ihr Euch bei Euren Romanen Gedanken über Infrastruktur wie Straßen, Wasserwege, Brücken, Energieversorgung, Fernwärme, Busverbindungen u.s.w?
Gibt es in Euren Städten Abwasserwege und Müllentsorgung?
Geht Ihr vielleicht sogar noch weiter und entwickelt Ihr Grundzüge von sozialer Infrastruktur, also Gesundheitssystem, soziale und kulturelle Einrichtungen, Bildungssystem, Sport- und Freizeitanlagen?
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