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    #16
    Wenn man von der Ausgangsfrage ausgeht
    Wie kann man einen Sachverhalt so geschickt verpacken, dass es viele auf Anhieb verstehen, aber ohne platt zu werden und ohne Grimassenschneiderei?
    kann man das nicht pauschal beantworten. Es hängt immer vom konkreten Sachverhalt ab, wie viel Information ein Leser braucht, um etwas zu verstehen. Wenn es etwas ist, in das er seine eigenen Erfahrungen einbringen kann, kommt man mit weniger Erklärung aus als wenn es etwas ist, das dem Leser völlig fremd ist. Wenn ich einen Sachverhalt, denn der Leser leicht nachvollziehen kann, trotzdem ausführlich erkläre, dann wirkt das platt. Wenn er keine Chance hat, ihn ohne meine Hilfe zu verstehen, dann darf oder muss ich ihn fester an die Hand nehmen und kann da durchaus auch "Grimassen schneiden", wenn es ihm hilft zu kapieren, worauf ich hinaus will. Das Wichtigste ist, dass es trotz allem Infodump unterhaltsam bleibt und der Leser nicht das Gefühl bekommt, ich halte ihn für doof.

    Wenn ein Leser etwas auf Anhieb versteht, brauche ich es gar nicht erklären. Dann zeige ich ihm den Sachverhalt, und er kann etwas damit anfangen, weil er es kennt. Die meisten menschlichen und zwischenmenschlichen Gefühle dürften darunterfallen. Wenn sich zwei Figuren begegnen und du zeigst, wie sie miteinader umgehen, dann kann man daraus lesen, ob sie ineinander verliebt sind, Angst voreinander haben oder verfeindet sind. Da bringt ein Leser seine Erfahrungen aus seinem leben mit ein und kann die auf die fiktive Situation übertragen. Je weiter du dich von der Erfahrungswelt der Leser entfernst, desto mehr musst du nachhelfen. Wie sehr du dafür ins Detail gehen musst kannst du grob daran ausrichten, wie viel Informationen du selbst bräuchtest.

    Solange die Informationen notwendig erscheinen, dürften sie auch nicht unwillkommen sein. Dazu ist es optimal, wenn du die Informationen dann anbringst, wenn der Leser auch danach fragt. Also nicht zehn Kapitel vorher eine Information präsentieren, die der Leser nicht einordnen kann, und auch nicht drei Kapitel hinterher, wenn der Leser längst den Anschluss verloren hat, sondern genau dann, wenn er sie braucht, um ungehindert durch die Szene zu flutschen.

    Also zur richtigen Zeit und im richtigen Maße Welche das sind, hängt vom konkreten Beispiel ab.
    Poems are never finished.
    Just abandoned.

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      #17
      MIt dem Begriff Infodump sollten wir sparsamer werden, denn er ist eindeutig negativ aufgeladen, viele Infos sind nicht gleich Infodump.

      Ich beziehe mich auf die zweiten Frage: Noch ein Definition von platt könnte sein, dass die Botschaft platt ist- "Familie ist das wichtigste im Leben" oder "Man muss sich nur engagieren, um ein Ziel zu erreichen". Da mag ich ein paar Uneindeutigkeiten lieber. Platt, weil platte Botschaft.

      Zu Gefühlen: Spannend wird es, wenn sich zwei Gefühle überlagern, wenn es nicht eindeutig ist, welches Gefühl überwiegt, beispielsweise die Frau, die ihren Mann liebt, aber sich fürchtet, wenn er betrunken nach Hause kommt. Oder wenn jemand jemanden charmant findet, aber sich darüber ärgert, dass er wieder auf die gleiche Masche hereinfällt.

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        #18
        Milch Ich habe jetzt nach einer Def. von Infodump gesucht und auf die Schnelle das hier gefunden:
        "https://en.wiktionary.org/wiki/info-dump
        Also im Grunde eine geballte Ladung Information. Um noch mal, wie in den Kommentaren, auf Camus zurückzukommen:

        Genau das macht Camus am Anfang der Geschichte, ungefähr so: "Die Handlung spielt in einem kleinen Städtchen namens XY. Stellen Sie sich es so vor: bunte Häuser, nette Menschen. Da drüben ist ein Fluss, in Straße XY wohnt Arzt YZ."
        Er hätte das alles ja auch in eine Handlung miteinbauen können, also in die Geschichte selbst.
        Allerdings wurden diese Infos eben klar als Infos rübergebracht, und nicht als ungewollte, langweilige Aufzählung. Man hat als Leser quasi gleich erkannt: "Okay, ich erhalte nun relevante Basis-Infos", daher hatte ich daran auch nichts auszusetzen.

        Nerviger finde ich Passagen, wo Infos krampfhaft in die Story an sich eingebettet werden, und dann genau dort, wo sie nicht hinpassen, ungefähr so: "Ein Meteorit raste auf mich zu. Der Himmel wurde schwarz. Ich hatte Panik. Neben mir stand meine Schulkameradin. Sie trug einen gepunkteten Pullover, den ihre Oma ihr getrickt hatte. Ihre Oma strickte immer mit hölzernen Stricknadeln und nicht mit denen aus Plastik. Weil Plastik schadet der Umwelt. Apropos Umwelt: Ich bin ja strikte Mülltrennerin. Früher ja nicht so. Da hab ich in einer heruntergekomenen Gegend gewohnt, weil ich mir mit meinem Arbeitslosgengeld keine neue Wohnung leisten konnte, und da gab es nur einen Mülleimer. Der Meteorit ist eine Strafe Gottes! Weil wir die Erde verschmutzten ..."

        Das jetzt nur gestaucht, solche Infodump-Absätze hab ich häufig schon viel ausführlicher gelesen.

        Natürlich könnte folgende Info beabsichtigt sein:
        -- Die Schulkameradin samt ihrer Oma als geliebte Personen des POV-Charakters, die aber gleich sterben werden.

        Die anderen Infos sind für die beiden letzten Sätze zwar ebenfalls beabsichtigt:
        -- Oma schonte die Umwelt. der POV tut es mittlerweile auch. Er tat es früher aber nicht. Offenbar andere Menschen auch nicht.

        Irrelevant dagegen, zumindest für diesen Absatz:
        -- Arbeitslosengeld

        Aber sowohl die relevanten als auch die mMn irrelevanten Infos hätte man bestimmt an anderer Stelle besser unterbringen können. Und nicht gerade in einer hochdramatischen Szene, wo der POV gleich vom Meteorit erschlagen wird. (Auch wenn das natürlich auch wieder ein beabsichtigtes Stilmittel sein kann, mitten in einer hochspannenden Szene nen Bruch zu begehen ... War aber hier nicht beabsichtigt von mir.)

        Camus hätte an dieser Stelle (am Anfang der Geschichte) wohl einfach den Meteoriten (bzw. die Pest) weggelassen und ganz trocken die Schulkameradin, die Oma, die heruntergekommene Gegend und den Erzähler beschrieben, bevor der Auftakt zum Meteoriten (bzw. zur Pest) begonnen hätte.

        Das ist für mich der Unterschied zwischen gekonnter und nicht gekonnter Infovermittlung. Beides ist lt. Definition wohl "Dump", weil geballte Fakten. Aber da mag ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, von Schreibdefinitionen haben hier andere bestimmt mehr Ahnung.

        Und Dein Problem, Milch, trifft mMn tatsächlich sehr viele Autoren, und es ist ja ein sehr weit gefasstes Problem. Natürlich will man seine Story immer so spannend wie möglich rüberbringen, und vermutlich auch nicht ungewollt plump.
        Zuletzt geändert von Mona; 22.09.2017, 15:03.

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        • Mona
          Mona kommentierte
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          Milch Und das ist für Dich kein Infodump? Warum nicht?

        • Milch
          Milch kommentierte
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          Weil Dump auf Deutsch so etwas wie Abladen, Abkippen oder Depot heißt. Er lädt ja nicht die Informationen ab, sondern gestaltet die Infos bewusst, er zoomt die Leser an das Geschehen heran, er weiß, welche Wirkung er damit erzielt, das ist kein Abladen.
          Daher bin ich vorsichtig mit dem Begriff Infodump. Hier wird er hier zu häufig gebraucht.

        • Mona
          Mona kommentierte
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          Milch So gesehen geb ich Dir recht.

        #19
        Noch ein Definition von platt könnte sein, dass die Botschaft platt ist- "Familie ist das wichtigste im Leben" oder "Man muss sich nur engagieren, um ein Ziel zu erreichen". Da mag ich ein paar Uneindeutigkeiten lieber. Platt, weil platte Botschaft.

        Zu Gefühlen: Spannend wird es, wenn sich zwei Gefühle überlagern, wenn es nicht eindeutig ist, welches Gefühl überwiegt, beispielsweise die Frau, die ihren Mann liebt, aber sich fürchtet, wenn er betrunken nach Hause kommt. Oder wenn jemand jemanden charmant findet, aber sich darüber ärgert, dass er wieder auf die gleiche Masche hereinfällt.
        Wer formuliert die Botschaft? Es ist doch letztlich der Leser, der etwas hineinphilosophiert, sofern er über die Geschichte etwas nachdenkt. Von daher kann die Botschaft platt formuliert sein oder sehr komplex. Das kleine Kind oder der bildungsferne TV-Junkie wird aus "König der Löwen" (hmpf, Disney mal wieder) die Neuigkeit "Familienzusammenhalt ist das wichtigste" baldowern, jemand anders sieht vielleicht eine Faschismuskritik darin. Beide haben recht, denn beide haben etwas für sich entdeckt. Der eine extrahiert die - vermeintlich - plumpe Botschaft, der andere zieht sich vielleicht Diskussionswürdiges aus den Bildern. Welche Intentionen die Filmemachern hatten, steht dabei gar nicht zur Debatte. Es wird einfach mal als gewünschte Wirkung angenommen.
        Denke, bei Büchern ist das ähnlich. Die Botschaft, die der Leser sich herausliest, spiegelt nicht unbedingt (nur) die Intention des Autors, sondern wird auch durch Bildung und Erlebenswelt des Lesers geprägt. Von daher kann "Platte Botschaft" auch einfach heißen "Platter Leser", weil er sich nicht mehr herleiten konnte oder wollte. Wenn es Spaß macht, kann man aus Trash noch Tiefsinniges herausholen. Oder aus einem zunächst unüberlegt erwähntem Detail könnte eine ganze Parabel werden .

        zu den Gefühlen: Gegenläufige Ziele und Motivationen in einem Charakter machen eine Geschichte erst richtig spannend. Ob die Figur innerlich uneins ist oder sein äußeres Ziel dem inneren entgegengesetzt ist, finde ich dabei gleichwertig, wobei in der ersten Konstellation ein innerer Antagonist am Werk ist, den ich spannend finde.

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        • Milch
          Milch kommentierte
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          Wenn man sich die Macher mal anhört, scheint das oft die Prämisse zu sein, dementsprechend nervig können die Filme sein, ich zähle dazu nicht den König der Löwen.

        • Mona
          Mona kommentierte
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          Milch Was sagen denn die Macher und welche Prämisse meinst Du? Bitte um Details

        • Milch
          Milch kommentierte
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          Schau dir an, was die Macher mancher Animationsfilme zu ihrem Film sagen. Ich meine nicht die Pixarmacher. Aber häufig hört man: "Wir wollen den Kiddies zeigen, dass Freundschaft das allerwichtigste ist." Frag mich nicht nach Namen.

        #20
        Ich muss gestehen, ich habe etwas den Faden hier verloren. So wie ich es verstanden hatte, ging es erst darum, wie ich Infos im Text unterbringe. Und nun sind wir bei der Botschaft, die ein Buch oder Film rüberbringt? Ich fände es ehrlich gesagt schön, wenn wir konkret bei einem Thema bleiben könnten bzw. für neu aufkommende Themen einen extra Thread aufmachen, denn ich kann hier so manchen Gedankensprüngen nicht ganz folgen.
        »Elezeis Blut schien in Aufruhr zu sein und brannte unerwartet kalt durch ihren Körper. Es war ein Gefühl, das nach Zerstörung dürstete.« – Blutgesang

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        • Dodo
          Dodo kommentierte
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          Tjoa. *kratz* Mal Milch fragen?

        • Milch
          Milch kommentierte
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          Ich habe das Thema etwas erweitert, vielleicht weil die erste Frage mir zu klein war.
          Ich weiß nicht, wie viel aktuelle E ihr liest. Bei den heutigen Geschichten fällt mir auf, wie hohe Hürde sie für den Normalleser legen, weil sie kaum spannende Geschichten für den Ottonormalverbraucher erzählen. Sieben Nächte finde ich von der Sprache recht gut, es ist sehr dynamisch, aber einen interessanten Inhalt hat es nicht. Lüschers Kraft finde ich kraftlos.
          Ich mag es aber auch, wenn Geschichten einen doppelten Boden haben, also wenn in einer historischen Geschichte über heutige Genderdebatten philosophiert wird. Eine spannende Geschichte für den Normalleser, ohne das andere zu vernachlässigen, Vielleicht wird das hier deshalb so wirr. Wie kann man da Brücken zwischen beiden bauen?

        • Victoria
          Victoria kommentierte
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          Das Thema mit dem doppelten Boden finde ich auch sehr interessant.
          Ich würde die Themen einfach trennen. Eines von den Themen hat mit dem Handwerk zu tun: Infodump vs. Info. / Wie macht man dem Leser Infos schmackhaft?
          Das andere hat mit Inter- und Hypertextualität zu tun.
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