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Mittwochsfrage #11: Der Kern des Romans: Die Prämisse

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    Mittwochsfrage #11: Der Kern des Romans: Die Prämisse

    Der Kern des Romans: Die Prämisse

    PraemisseBild.jpg(Bildquelle: pixabay.com)


    Ich will mich heute der „Prämisse“ zuwenden, weil es ein Thema ist, das immer wieder für Definitionsschwierigkeiten und Verwirrungen sorgt – anfangs auch bei mir.

    Ursprünglich assoziierte ich eine „Prämisse“ hauptsächlich mit Philosophiekram (Syllogismus):
    Prämisse 1: Alle WK-User lieben Kaffee.
    Prämisse 2: Mona ist ein WK-User.
    Conclusio: Mona liebt Kaffee.

    Als mich eine Autorin dann mal fragte: „Und, hast du schon eine Prämisse?“, habe ich dementsprechend doof aus der Wäsche geguckt.
    Ich habe dann nachgefragt und recherchiert und dabei völlig unterschiedliche Definitionen erhalten:

    1.) Der Plot-Fokus
    Die Prämisse sei die Reduzierung des gesamten Plots auf einen Satz (Ausgangssituation → Konflikt → Ziel):
    Frodo muss einen verfluchten Ring vernichten, stellt sich dabei fiesen Monstern und befreit letztendlich ganz Mittelerde.

    2.) Der moralische Fokus
    Die Prämisse sei die tiefere Aussage der Geschichte:
    Durch Loyalität und Zusammenhalt kann das Böse dieser Welt besiegt werden.

    3.) Der Charakter-Fokus
    Die Prämisse sei eine Mischung aus Punkt 1 und Punkt 2, im Vordergrund die Charakterentwicklung:
    Frodo widersteht auf seiner Reise fiesen Monstern und besiegt dank Loyalität und Zusammenhalt das Böse dieser Welt.

    Ich für mich habe schließlich Definition 2 gewählt, weil ich diese Definition für meine Romanideen als besonders hilfreich empfinde.
    Allerdings weiß ich auch von Autoren, die sich über Prämissen nicht den Kopf zerbrechen: Die Prämisse sei in der Unterhaltungsliteratur zweitrangig (zumindest, wenn man nach Def. 2 geht).

    Wie definiert ihr eine Prämisse – und findet ihr sie notwendig oder überflüssig?
    Angehängte Dateien
    Zuletzt geändert von Mona; 24.05.2017, 04:03.

    #2
    Das mit der Prämisse ist auch sehr verwirrend.

    Für mich steht die Prämisse als 1-2 Satz Zusammenfassung, die die Geschichte verdeutlicht. (Pitch)
    Krebskrankes Mädchen nimmt an einem midizinischen Experiment teil, das außer Kontrolle gerät. Actionreicher, near Future Sci Fi mit Liebesgeschichte.

    Das, was du unter moralischem Fokus stehen hast, läuft bei mir unter dem Punkt Thema.
    Der ersten Liebe wahrer Kuss ist stärker als das Böse.
    I love deadlines. I like the whooshing sound they make as they fly by.

    Douglas Adams

    Kommentar


    • Mona
      Mona kommentierte
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      Das ist wirklich spannend. Und witzig, dass du den "Pitch" erwähnst. -- Denn ich denk genau umgekehrt: "Wenn es eh schon den Pitch gibt, dann geb ich der Prämisse ne andere Aufgabe".

      Aber natürlich kann man es so wie du auch sehen, find ich. (Übrigens ein schönes Thema )
      Und die Hauptsache ist ohnehin, dass es einem hilft -- ob Thema, Prämisse oder Pitch.

    #3
    Ich sehe das so wie Mona: Die 1-Satz-Zusammenfassung ist der Pitch. Die Prämisse ist für mich die (moralische) Kernaussage, die Moral von der Geschicht', die Erkenntnis, die der Roman vermitteln soll.
    Ich lege die allerdings nicht vorher fest, ich denke, dann würde diese Moral ziemlich mit der Keule kommen. Ich versuche, die Prämisse zu finden, nachdem die Geschichte grob geplottet ist, damit ich die einzelnen Stränge ggf. noch ein wenig danach ausrichten kann. Ich finde es gut, sich darüber Gedanken zu machen, welche Aussage man eigentlich mit seiner Geschichte trifft, und zu überprüfen, ob man sich nicht selbst widerspricht. Nichts ist doofer als ein Roman, auf dessen Klappentext fett steht "nur gemeinsam werden sie es schaffen, den magischen Ring in den Vulkan zu werfen" und beim Lesen stellt sich heraus, dass es der Protagonist auch allein geschafft hätte und der Rest der Ringgemeinschaft nur dumm im Weg rumsteht - doofes Beispiel, bei HdR funktioniert es ja, aber ich hatte schon Bücher in der Hand, wo ich mich gefragt habe, ob dem Autor eigentlich bewusst ist, welches Bild er da gerade vermittelt.
    Poems are never finished.
    Just abandoned.

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      #4
      Mona, ich habe Schwierigkeiten mit der moralischen Prämissen, dass man durch Zusammenarbeit und Loyalität das Böse besiegen kann, weil man mit Zusammenarbeit und Loyalität auch das Gute besiegen kann. Noch furchtbarer finde ich, wenn sich die Macher mit der Formel: "Familie ist das allerwichtigste" brüsten. Klingt gut, ich weiß nicht, ob das immer so stimmt. Meine Philosophie ist etwas komplizierter, suchender und fragender. Die Philosophie und teilweise das Temperament sind das, was beim Autor über Romane hinweg am stabilsten ist, aber daraus kann man ja viele unterschiedliche Geschichte stricken, weswegen ich die Behauptung nicht mag, dass ein Autor eine Geschichte ständig variiert. Ich glaube eher, dass ein Autor seiner Philosophie und teilweise auch seinem Temperament treu bleibt.

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      • Peter
        Peter kommentierte
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        Wieso sollte 'durch Zusammenarbeit und Loyalität kann man das Gute besiegen' nicht auch eine Prämisse sein.
        Kommt nur auf die Perspektive an.

      • Milch
        Milch kommentierte
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        Kann man ja in einem anderen Strang zeigen, dass die Antagonisten zusammenarbeiten, um ihr Ziel zu erreichen.

      • Zwielicht
        Zwielicht kommentierte
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        Eine moralische Prämisse zu einem Roman hat doch aber nicht den Anspruch, eine allgemeingültige Wahrheit zu postulieren. Natürlich kann es genauso gut das Böse sein, das durch Zusammenarbeit und Loyalität besiegt wird, als auch das Gute. "Familie ist das Allerwichtigste" wäre eine großartige Prämisse für einen Mafia-Roman. Es muss nicht "immer" stimmen, aber eben für die Figuren in dieser Geschichte.

      #5
      Ankh
      Moralkeulen kann ich auch nicht ausstehen (erhobene Zeigefinger auch nicht). Aber ich mach mir halt schon Gedanken, wo ich mit meiner Geschichte hin möchte.
      Weiß nicht, ob du "Die Wand" gelesen hast? -- Da geht es um eine einsame, mit Tieren zusammenlebende Frau (lange Geschichte), die am Ende
      +++ Achtung, Spoiler +++
      den einzigen, ihr begegnenden Menschen -- und zwar einen Mann -- umbringt.

      Das wird in den Interpretationen gemeinhin als emanzipatorischer Akt gesehen. Die Tiere sind ihr wichtiger als ein Mann bzw. eine Beziehung mit ihm.

      Ich vermute mal, dass dieser Punkt, dem so viel Bedeutungsschwere eingeräumt wird, der Autorin klar war und er bewusst so gewählt war. Ansonsten hätte die Protagonistin diesen Mann vielleicht schon am Anfang der 2. Romanhälfte getroffen, sich in ihn verliebt, mit ihm Kinder in die Welt gesetzt und auf die Tiere gepfiffen.
      Von daher denk ich, dass es schon hilfreich ist, sich Aussagen bald bewusst zu sein.
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      Man muss ja nicht in jedem Kapitel so fanatisch darauf hinarbeiten, dass es wirklich wie eine Keule oder ein Hammer rüberkommt. Aber gerade auch fürs Romanende find ich es sinnvoll, mir über die Grundaussage oder die Tendenz schon bald Gedanken zu machen.

      Milch

      Ich stimme dir zu und ich mag deinen Einwand.
      Meine Prämisse über Loyalität war nur als Beispiel gedacht und bezog sich auf HDR, weil ich dachte, dass diesen Roman/Film wohl am ehesten jeder kennt
      Philosophie ist ja unendlich fortführbar, also verstehe ich das Suchende und Fragende daran.
      Wie meinst du das, ein Autor variiere ständig seine Geschichte? Das ist mir gerade nicht ganz klar.

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      • Ankh
        Ankh kommentierte
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        Den Roman kenne ich nicht. ich weiß auch nicht, wie er entstanden ist. Ich kann mir aber schwer vorstellen, dass die Autorin sich erst vorgenommen hat, eine Geschichte über Emanzipation zu schreiben, und dann erst diesen Plot ersonnen hat. Zumindest bei mir würde es wohl eher so laufen, dass mir der Plottwist als Geschichtenidee einfällt, und ich mir dann überlege, in welchen Kontext ich ihn setzen will, wobei dann sowohl die Prämisse als auch die Rahmenhandlung herauskommt. Das entwickelt sich alles eher gleichzeitig, und solche kreativen Umsetzungen einer Prämisse ergeben sich für mich leichter aus einer Idee, die noch nicht mit einer Botschaft besetzt und damit bereits eingeschränkt ist. Aber ich bin auch kein Plotter, vielleicht ticken die da anders.

      • Milch
        Milch kommentierte
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        Es gibt ja die Behauptung, dass Autoren nur ein Buch schreiben und es ständig variieren, darauf habe ich angespielt.

      #6
      Ich persönlich verstehe unter Prämisse auch, um den verkorksten Ausdruck zu wählen, "die Moral von der Geschicht", also den grundsätzlichen Gedanken, den man mit der Geschichte ausdrücken will. Ob das eine Plattitüde wie "Mama ist die beste" oder ein weltrettendes philosophisches Konstrukt wie "Handelt immer so, dass es ein allgemeines Gesetz sein könnte" ist, ist dabei egal.

      Bei mir würde ich sagen, ja, es gibt eine Prämisse, aber die ist mir erstmal nicht bewusst. Irgendwas treibt ja die Geschichte in mir an und aus mir raus. Letztlich findet die Prämisse irgendwann den Weg an die Oberfläche, und ich könnte sie dort abfischen. Oft sind es auch mehrere, nicht unbedingt gleichwertig, die ich in mein Geschreibsel hineininterpretieren könnte, aber daran liegt es mir gar nicht. Letztlich landet man bei dem, was Schneeregen schon in einem anderen Thread feststellt: Es ist oft dasselbe, über das man schreibt, nur hoffentlich immer anders. Ich finde viel spannender, welche Prämissen ich bei anderen hineininterpretieren könnte (das lernt man im Deutschunterricht, und man erfährt nie, ob man recht hatte ...) und auch, wie unterschiedlich meine Geschichten trotzdem werden. Falls ich ähnliche Prämissen habe.

      Jetzt hat mich weltatlas mal nach meiner Prämisse für mein Gaslampprojekt gefragt - da fiel mir erstmal der Unterkiefer auf die Tastatur. Das heißt, ich denke nun zum ersten Mal echt vorher darüber nach, was sich aus meinem dunklen Hirn-Gespinst für eine Grundaussage herausdeuteln lässt. Und stelle fest - das kann tatsächlich bei im Schlamm steckenden Plotproblemen helfen. (Tut es nur gerade im Augenblick nicht).

      Kommentar


      • Ankh
        Ankh kommentierte
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        Mal einen Schritt zurückzugehen und die ganzen Theorien anwenden, die so herumfliegen, ist tatsächlich eine gute Idee, wenn man nicht weiter weiß. Wenn die Geschichte auch so funktioniert, braucht man sie nicht. Aber wenn sie irgendwo durchhängt, man keine gute Auflösung findet oder ein Charakter störrisch ist, dann hilft es, sich ganz grundlegende Fragen zu stellen: Was ist meine Kernaussage? Wer ist mein Protagonist? Welche Ziele verfolgt er? Was ist seine Wunde? Was ist das auslösende Moment? Wo ist der Wendepunkt? Oder man schreibt einen Pitch oder ein Kurzexposé. Manchmal fällt einem dann wie Schuppen von den Augen, woran es in der Geschichte hapert.

      #7
      Ich sehe das eigentlich auch so, dass die Prämisse die moralische Botschaft, während der Pitch die Ein-Satz-Zusammenfassung ist. Letzteres finde ich durchaus sinnvoll (auch wenn das hier nicht die Frage ist), bei der Prämisse bin ich immer noch unschlüssig. Ich habe bisher noch für keinen Roman etwas derartiges verfasst, weil ich finde, dass das jeder Leser für sich entscheiden muss.
      Beispiel: Bei Harry Potter scheint ja allgemein anerkannt, dass die Prämisse ist, dass die Liebe über alles andere siegt. Ich konnte damit noch nie etwas anfangen, mir ist das zu flach (weil ausgelutscht und zu banalisierend), weswegen ich die Prämisse eher darin sehe, dass man an das Zauberhafte der Welt glauben soll, auch wenn man es nicht sieht (weil man Muggel ist XD).

      Und Gleiches ist bei allen anderen Romanen. Ich ignoriere bei sämtlichen Büchern irgendwelche gefühlsduseligen Prämissen von Liebe, Treue oder Ehrlichkeit, weil mich das zutiefst anödet. Und Bücher, bei denen diese Prämisse deutlich hervortritt, die gefallen mir in den seltensten Fällen. Es gibt einige wenige Prämissen, die mir gefallen (Game of Thrones: Wer Macht haben will, darf nicht an Grausamkeit und Lügen sparen), aber grundsätzlich ist es mir lieber, wenn die nicht allzu deutlich hervortreten. Bzw. anders gesagt: Ich glaube, irgendeine Prämisse wird jeder Leser für sich finden ohne dass ich sie als Autor formuliere.

      Anstatt Prämissen zu formulieren, behalte ich im Hinterkopf, was für einer Grundstimmung oder was für einem Gefühl ich den Roman widme. Das hat was mit meinen eigenen Lebensphasen zu tun und macht die Romane für mich so zu etwas sehr Persönlichem. Aber ich gehe davon aus, dass es die Leser in anderen Lebenslagen erwischt und dementsprechend anders wird ihre Deutung sein. Für sie könnte dann Roman XY die Geschichte eines Menschen erzählt, der sich aus seinen Zwängen befreit, während es für mich vielleicht eher die Geschichte von jemandem ist, der alles verliert.
      Übrigens glaube ich, dass die Romane am erfolgreichsten sind, bei denen Intention des Autors und Gefühl des Lesers zusammenstoßen - das ist dann wohl der Zeitgeist, den man trifft.
      Derweilen ist auf dem Feld schon alles gewachsen, bevor die wussten, warum und wie genau es gedeiht. - Franziska Alber

      So nah, so fern.

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        #8
        Game of Thrones: Wer Macht haben will, darf nicht an Grausamkeit und Lügen sparen
        Ich wage zu bezweifeln, dass das die Prämisse von Game of Thrones ist. Darüber eine Aussage zu treffen, bevor die Serie abgeschlossen ist, geht eigentlich sowieso nicht, aber soweit wie die Handlung und die Charakterentwicklung jetzt fortgeschritten sind wird es wohl eher darauf hinaus laufen, wie zerstörerisch und sinnlos das Streben nach Macht ist.
        So düster Game of Thrones auch ist, die lügenden, grausamen, machthungrigen Figuren kriegen ihre Strafe (Joffrey, Cersei, Tywin, Roose, Ramsey). Ich gehe zum jetzigen Zeitpunkt auch davon aus, das Daenerys es genau so ergehen wird.

        Ich ignoriere bei sämtlichen Büchern irgendwelche gefühlsduseligen Prämissen von Liebe, Treue oder Ehrlichkeit,
        Ich mag die. Mein Liebling sind Teamwork Geschichten.

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          #9
          Zitat von Kelpie Beitrag anzeigen

          Ich ignoriere bei sämtlichen Büchern irgendwelche gefühlsduseligen Prämissen von Liebe, Treue oder Ehrlichkeit, weil mich das zutiefst anödet.
          Warum? Ich meine Liebe, Treue, Ehrlichkeit ist ja auch ein großer Bestandteil im normalen Leben
          Und ja, meine derzeitige Prämisse ist auch sowas in die Richtung es gibt immer Hoffnung auch wenn man sie nicht sieht oder so^^

          Ich tue mich aber noch auch sehr schwer mit meinen Prämissen oder allgemein bei anderen Büchern. So wie auch schon bei Harry Potter: jeder wird sich was anderes herausgreifen und jedem wird etwas anderem als am wichtigsten erscheinen.

          "Angst schließt das Licht in Dunkelheit ein, Mut ist der Schlüssel." - KH.

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            #10
            Dass das jeder Leser entscheiden muss bzw. automatisch aufgrund seiner Interessen heraus liest finde ich einen interessanten Gedanken. Außer Fabeln u.ä. sind die meisten Geschichten ja nicht so geradlinig, da werden durchaus auch mehrere Denkansätze gleichzeitig vermittelt. Selbst wenn das (intendierte) Hauptthema "Freundschaft überwindet alles" ist, kann man aus einer Geschichte wie Harry Potter auch noch andere Lehren ableiten, wie z.B. dass es gefährlich ist, einen Feind einfach totzuschweigen, anstatt sich mit ihm auseinanderzusetzen. Geschichten sind komplex und berühren mehrere Lebensbereiche, daher ist es nur natürlich, wenn sich darin auch mehrere Prämissen finden lassen, manche offensichtlicher, manche eher abhängig von den Interessen und Gedanken des Lesers.
            Poems are never finished.
            Just abandoned.

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            • Dodo
              Dodo kommentierte
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              Eben das finde ich sehr spannend: Welche vermeintliche Prämisse finde ich in anderen Geschichten, was finden andere? Da man sich nicht im Kopf des Autors befindet (der wahrscheinlich sehr überrascht wäre, was jeder Leser in die Geschichte hineininterpretiert), kann man gar nicht entscheiden, welches die EINE Prämisse sein soll. Ich bin ja auch bei meinen Stories überrascht, was ICH darin noch finde.

            #11
            Warum? Ich meine Liebe, Treue, Ehrlichkeit ist ja auch ein großer Bestandteil im normalen Leben
            Ja, schon, aber diese Prämissen wirken oft so moralisierend oder haben (für mich) etwas von Friede, Freude, Eierkuchen. Liebe siegt über alles; am Ende gewinnt die Ehrlichkeit; wahre Treue überdauert auch die schlimmsten Rückschläge ... das sind für mich Prämissen, die einen Wunsch ausdrücken, aber nur dann und wann was mit dem richtigen Leben zu tun haben. Für mich haben die auch den Beigeschmack von Verlogenheit und Übertünchung. Das sind sicherlich total subjektive Interpretationsfragen und ich will damit auch nicht sagen, dass die ganze Welt böse und verdorben ist, aber diese ewigen Prämissen von Gemeinschaft, Liebe und Zusammenhalt nerven mich wirklich übel. Dieses ständige "helft einander", "unterstützt die Armen" usw. wird seit 2000 Jahren wieder und wieder erbrochen und auch wenn das schöne Tugenden sind, empfinde ich das eher, als würde man mir vor dem Abitur nochmal das Addieren beibringen: Ich habe die Botschaft verstanden. Wenn ich eine tolle Prämisse haben will, dann soll sie mir etwas sagen, was ich noch nicht weiß, was mich zum Umdenken bewegt oder was zumindest einen neuen Gedankenansatz in festgefahrene Muster bringt.

            Aber inwiefern eine Prämisse das kann, ist halt auch fraglich, da ich ja wie gesagt der Überzeugung bin, dass Prämissen leserabhängig sind. Sie stehen ja nicht wie ein Titel auf dem Buchdecke.
            Derweilen ist auf dem Feld schon alles gewachsen, bevor die wussten, warum und wie genau es gedeiht. - Franziska Alber

            So nah, so fern.

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              #12
              Nur weil es um Liebe, Ehrlichkeit oder Treue geht, heißt es noch lange nicht: Liebe siegt über alles; am Ende gewinnt die Ehrlichkeit; wahre Treue überdauert auch die schlimmsten Rückschläge. Wenn eine Prämisse "Liebe" enthält, kann es genauso gut heißen: "Liebe macht blind, sodass man nicht merkt, wie man sich selbst/Mitmenschen kaputt macht", "Wenn man sich selbst nicht liebt, funktioniert auch die Liebe zu anderen nicht", "Platonische Liebe ist dem Prota wichtiger als der Partner" … oder "Ehrlichkeit um jeden Preis`? Auch wenn sie jemanden umbringt?"

              Es muss ja nicht immer der Traummann sein, durch die die gebrochene Frau heilt. Es gibt etliche Möglichkeiten, aus den ursprünglichen Bedürfnissen ein interessantes Thema zu machen. Ansonsten wären die Themen "Will Macht/Weltherrschaft" oder "Kämpf gegen Ungerechtigkeit/das System / für Weltfrieden" ebenso klischeehaft und langweilig.

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              • Kelpie
                Kelpie kommentierte
                Kommentar bearbeiten
                Da bin ich völlig einer Meinung mit dir. Letztendlich ist auch ganz vieles reiner Geschmack. Nur in Bezug auf Liebe finde ich irgendwie, dass das Thema prämissenmäßig durch ist, weil es das alles schon so gab - was nicht heißt, dass jede Liebesgeschichte schlecht wird; im Gegenteil. Die Prämisse bricht die Handlung halt auf eine so banale Aussage herunter, dass das nur schwerlich ergreifend sein kann. Das ist das Blöde bei Prämissen und liegt irgendwie auch in der Natur der Sache: Sie formulieren ja etwas möglichst allgemein, sodass es wohl sehr schwierig wird, eine wirklich neue Prämisse zu erfinden (heißt ja: "Liebe kennt keine Grenzen" und nicht "Monika liebt Muhad" - aber letzteres klingt für mich viel konfliktreicher).

              #13
              eine wirklich neue Prämisse zu erfinden
              Braucht das wer? Also ich nicht. Die Leser offenbar auch nicht, wenn man sich so anguckt, welche Bücher in letzter Zeit mega erfolgreich waren.

              Irgendwie finde ich das schon traurig, dass oben besprochene Prämissen tatsächlich als verlogen oder nervig wahrgenommen werden. Vielleicht bin ich naiv, aber für mich ist das kein Wunschdenken, sondern Grundsätze nach denen ich lebe und auch fühle. Ich glaube anders würde ich meinen Job auch nicht aushalten.

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                #14
                Verlogen finde ich die genannten Prämissen auch nicht. Aber ich glaube, ich kann ein bisschen nachfühlen, was Kelpie nervt. Ich selbst bin eigentlich durchaus ein Prinzipienreiter, und ich lebe auch recht stark nach meinen Prämissen im RL (manchmal wohl zu stark). Ich mag außerdem Bücher, Filme, Handlungen, ... mit tieferen Aussagen. Ich bin symbolikverliebt, usw. Wenn es ein Autor schafft, mich zum Nachdenken anzuregen, oder mir eine moralische Sache vor Augen zu führen, find ich das toll.
                Aber: Ich hasse erhobene Zeigefinger. Die führen bei mir häufig eher zu ner Trotzreaktion. Ganz schlimm, wenn der Autor seine Meinung als die einzig gute darstellt und andere als schlechtere Menschen dastehen lässt. Meintest du das, Kelpie?
                Wenn eine Prämisse aber gut verpackt ist, oder an sich packend ist, dann kann man gerne mit moralischen Dingen kommen. Das beste Beispiel ist für mich "Die Pest" von Camus, wo es eigentlich die ganze Zeit um Liebe, Nächstenliebe und Solidarität geht. Der darin handelnde Arzt ist zum Glück kein melodramatischer supertoller Schnulzenarzt, das Setting ohnehin recht hardcore, sodass ich eher berührt als genervt war.
                Auf der anderen Seite habe ich mir vor ein paar Monaten einen ach so tollen Anti-Holocaustfilm reingezogen. Normalerweise nimmt mich dieses Thema so mit, dass ich solche Filme meistens nur 10min sehen kann (und als wir an der Uni monatelang die Ethik im 3. Reich durchnehmen mussten, bekam ich Depressionen). -- Besagter Holocaustfilm hatte mich aber so gut wie gar nicht berührt. Das lag neben der mMn miesen Regie vor allem auch an der plakativen Moralkeule und Tränendrüsentaktik, die mMn schon fast hochstilisiert wurde. Besonders am Ende war ich davon schon arg genervt.
                (PS: Ich finde aber auch ganz simple Prämissen in "einfachen" Geschichten mitunter nett umgesetzt. Es muss ja nicht immer superkomplex sein. Zumal man manchmal ohnehin die grundlegendsten Dinge vergisst ...)

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                  #15
                  Ich glaube, der Punkt ist, dass die alltäglichste Prämisse großartig umgesetzt werden kann – dabei kann das Setting, die Charaktere und der Plot tatsächlich "neuartig" sein oder zumindest eine gelungene Kombination aus bekannten Versatzstücken, die das ganze zu etwas Besonderem und Ungewöhnlichen machen.

                  Und gegen eine schlechte Umsetzung hilft dann auch die abgefahrenste Prämisse nichts.

                  Außerdem glaube ich nicht, dass eine simple Prämisse bedeutet, dass die Story nicht komplex sein kann.



                  Witzig ist, dass Maggi die Teamwork-Prämisse angesprochen hat – die ist tatsächlich auch mein Favorit. Und die Prämisse meines Machwerks (das hochkomplex sein wird, wenn es geschrieben ist.).
                  and it's not what we think
                  rather the opposite
                  it's staring at the end of you.

                  Kommentar


                  • Mona
                    Mona kommentierte
                    Kommentar bearbeiten
                    Danke. Du hast es für mich auf den Punkt gebracht
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