Nachdem ich durch Vickie vor ein paar Wochen oder Monaten gelernt habe, dass man in Romanen nicht mehrere Protagonisten, sondern nur einen haben kann (unabhängig von den POVs) bin ich jetzt kürzlich auf etwas gestoßen, das mich hat stocken lassen. Es ging um ein Sachbuch, das die isländische Sagaliteratur im Mittelalter analysierte. Unter anderem fand dabei ein Versuch stand, die vorhandenen Sagas inhaltlich in verschiedene Gruppen zu unterteilen. Eine Gruppe behandelte jene Sagas, die sich einzig auf einen bestimmten Ort auf Island konzentrieren und dessen Geschichte chronologisch beschreiben - also angefangen mit Familie 1, dann stirbt der Vater und es geht weiter mit seinem Sohn, dessen Sohn, dessen Sohn usw. Nur ist das keine Chronik, absolut nicht, sondern eine erzählte Geschichte, ein epischer Text, eine Art Roman.
Und hier kam mir nun der Gedanke, dass es doch vielleicht gar nicht notwendig ist, die Geschichte von einem Protagonisten zu erzählen, oder? Warum kann eine Geschichte nicht mehrere Protagonisten haben, solange der rote Faden außerhalb einer Figur liegt? Wie in dem Beispiel könnte man doch tatsächlich einen Roman so aufbauen, als sei er eine Familienchronik, man könnte die Geschichte eines Dorfes erzählen oder eines anderen Ortes, beispielsweise dem Blätterdach einer Eiche. Oder den Lauf eines Flusses. Klar - das widerspricht ganz stark unserem modernen Empfinden einer guten Geschichte, aber nur weil etwas dem Zeitgeist nicht entspricht, heißt es ja nicht, dass es per se nicht denkbar ist, oder?
Wie gesagt, diese Saga-Analyse war für mich ein kleiner Augenöffner. Vor allem auch in der Hinsicht, dass Sagas berühmt dafür sind, dass bei einer Geschichte von 300 Seiten erstmal über 50 Seiten nur die ganze Genealogie aufgezählt wird. Selbst in Sagas mit Protagonist kommt dieser also erst ziemlich spät auf. Heutzutage finden wir sowas schrecklich, aber in einer Zeit, in der ein Mensch v.a. über seine Herkunft definiert wurde, kann ich darin durchaus Spannungspotential erkennen (und ehrlich gesagt gehöre ich auch zu dem Schlag Mensch, der an den imaginären Lippen des Geschichtenerzählers hängt, wenn er erzählt, dass Ingvi dort an Land ging und diese Söhne hatte und der älteste einen Sohn und überhaupt und der 5. der Generation war dann der, der nach Amerika aufgebrochen ist und diese Geschichte hier erzählt von Erik, der sein Enkel war ... *puh* Gänsehaut pur).
Und wenn ich mir dann unsere protagonisten-fixierten Geschichten anschaue, dann frage ich mich, was das über unsere Gesellschaft aussagt (ernstgemeinte Frage, die ich hier gerne in den Raum stellen würde).
Und hier kam mir nun der Gedanke, dass es doch vielleicht gar nicht notwendig ist, die Geschichte von einem Protagonisten zu erzählen, oder? Warum kann eine Geschichte nicht mehrere Protagonisten haben, solange der rote Faden außerhalb einer Figur liegt? Wie in dem Beispiel könnte man doch tatsächlich einen Roman so aufbauen, als sei er eine Familienchronik, man könnte die Geschichte eines Dorfes erzählen oder eines anderen Ortes, beispielsweise dem Blätterdach einer Eiche. Oder den Lauf eines Flusses. Klar - das widerspricht ganz stark unserem modernen Empfinden einer guten Geschichte, aber nur weil etwas dem Zeitgeist nicht entspricht, heißt es ja nicht, dass es per se nicht denkbar ist, oder?
Wie gesagt, diese Saga-Analyse war für mich ein kleiner Augenöffner. Vor allem auch in der Hinsicht, dass Sagas berühmt dafür sind, dass bei einer Geschichte von 300 Seiten erstmal über 50 Seiten nur die ganze Genealogie aufgezählt wird. Selbst in Sagas mit Protagonist kommt dieser also erst ziemlich spät auf. Heutzutage finden wir sowas schrecklich, aber in einer Zeit, in der ein Mensch v.a. über seine Herkunft definiert wurde, kann ich darin durchaus Spannungspotential erkennen (und ehrlich gesagt gehöre ich auch zu dem Schlag Mensch, der an den imaginären Lippen des Geschichtenerzählers hängt, wenn er erzählt, dass Ingvi dort an Land ging und diese Söhne hatte und der älteste einen Sohn und überhaupt und der 5. der Generation war dann der, der nach Amerika aufgebrochen ist und diese Geschichte hier erzählt von Erik, der sein Enkel war ... *puh* Gänsehaut pur).
Und wenn ich mir dann unsere protagonisten-fixierten Geschichten anschaue, dann frage ich mich, was das über unsere Gesellschaft aussagt (ernstgemeinte Frage, die ich hier gerne in den Raum stellen würde).
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