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Ja, es wird endlos, und ich mache ja selbst mit. Unterm Strich verwundert mich dann doch, wie pingelig man die Frage, wie "tief" ein Charakter verfolgt wird, an solchen Kleinigkeiten diskutieren kann. Beim Lesen fällt mir das sicher nicht sofort auf, aber bei der Textanalyse kann man natürlich von Pontius zu Pilatus gelangen und 1000 "Fehler" finden. Da bekommt der Begriff "Dogma" eine schwerwiegende Bedeutung.
In diesem Fall hätte ich doch lieber konkretere und längere Textbeispiele gehabt, z.B. von Geschichten, die gezielt das eine oder andere konsequent durchsetzen wollen. Es steht aber nicht jedesmal im Vorwort: "der Autor möchte die 100%ige Ich-Perspektive einhalten (oder eine andere)", so dass man im Nachherein hineininterpretiert, ob es gelungen ist.
Normalerweise sollte die Schreibtechnik nicht ÜBER dem Inhalt stehen, so dass ich Ausrutscher gerne toleriere. Letztendlich findet Sprache nur im Kopf statt und die imaginären Welten lassen sich niemals 1:1 in die Wirklichkeit übertragen - es gibt immer Zugeständnisse, Assoziationen, Verallgemeinerungen und Fehlinterpretationen. Und jedes Beispiel für ein Argument führt automatisch zum gegenteiligen Beispiel, was dann tatsächlich ermüdend wird...
Schlagfertigkeit ist etwas, worauf man erst 24 Stunden später kommt.
Mark Twain
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Was hier ein wenig übersehen wird, ist, dass in einer personalen (oder Ich-) Erzählsituation nicht eine Ebene konsequent durchgehalten wird. In den aller meisten Fällen wechselt die Tiefe zwischen richtig tief und irgendwie oberflächlich, je nachdem wie die Erzählsituation es gerade braucht. Das ist vollkommen normal.
Zumindest ist das bei mir normal, dass ich zwischen Deep PoV und "normal" PoV wechsle. Deep PoV ist dabei ein direkter Einblick in die Gedankenwelt der Figur und der normale PoV dient dazu, eine Situation leicht verständlich darzustellen.
Ein Beispiel:
Ob Becka schon hier war? Ein bisschen liebevolle Zweisamkeit hörte sich gut an. Einfach gemeinsam unter der Decke kuscheln, sich gegenseitig die kalten Finger halten und Kunststücke mit ihren Atemwölkchen versuchen. Kurz hielt er inne und musste über seine Gedanken den Kopf schütteln. Becka und er lagen einmal mehr im Streit miteinander. Hatten sie sich vom letzten Streit eigentlich bereits wieder versöhnt? Morgen würde er einfach zu ihr hingehen und sich entschuldigen. Morgen erst. Jetzt hoffte er, dass sie bei einer ihrer Freundinnen war, auf dieses Gezeter konnte er gerade mehr als gut verzichten. Seine Kraft für Streit war mit seinem Blut auf dem Parkplatz des Diners geblieben.
Aric stieß die Tür in sein Zimmer auf. Ein kleines Licht brannte bei seinem Bett, Körper wälzten sich darin und Stöhnen füllte den Raum. „… Becka?“, stutzte er.
„Aric!“ Rebecka schreckte hoch, sammelte die Bettdecke um ihren nackten Körper und entblößte den Mann neben ihr. „Aric, was zur Höl… Ich meine, du bist schon zuhause? E-Es ist ni…“, stotterte sie und offenbar fielen ihr nicht die richtigen Worte ein, um die Situation aufzulösen.
Er starrte sie an. Becka lag in seinem Bett. Sie lag nicht nur in seinem Bett – da war sie ziemlich oft – sie lag dort mit einem anderen Mann. Becka, seine feste Freundin, machte in seinem Bett mit einem anderen Kerl rum. Ernsthaft?
„Das hat nichts zu bedeuten, Aric. Ich liebe dich, das weißt du doch.“ Becka schubste den anderen Mann aus dem Bett, in das er definitiv nicht gehörte. „Es ist doch auch gar nichts passiert. Wir haben uns ja kaum angefasst, also, ich meine, so schli…“
„Nicht so schlimm?“, unterbrach Aric ihren lächerlichen Versuch, sich zu erklären. „Du Schlampe! Nicht so schlimm! Was soll die Scheiße? In meinem verdammten Bett? In meinem eigenen verdammten Bett! Hast du sie noch alle?“ Er schrie sie an. Seine Lunge brannte bei jedem Wort. „Bist du besoffen, oder was? Du bringst irgendso'nen Arsch her, fickst den und willst mir erzählen, dass mir das scheißegal sein soll? Du dreckiges Flittchen!“ Fest packte er ihre Schultern und schüttelte sie heftig. Ihr Kopf wackelte vor und zurück, als nickte sie in begeisterter Zustimmung zu jedem seiner Worte. „Dass du irgendwelche Schwänze fremdlutschst, soll mir egal sein? Aber du machst 'ne Riesenszene, wenn mich 'ne Trulla mal nach Feuer fragt? Du bist so eine Scheißheuchlerin! Weißt du das? Weißt du das!“ Er schüttelte sie noch immer und sie nickte noch immer. Wenn ihr der Kopf abfiele, könnte er ihr endlich einen mit mehr Intelligenz antackern.
Man kann das ganze noch kleinschrittiger analysieren, da die Sprünge auch kleinschrittiger sind. Aber zur Illustration, wie sich der Deep PoV mit einem "normalen" personalen Erzähler abwechseln kann (und meiner Meinung nach auch muss), reicht das wohl vorerst.
Außerdem, man achte auf die Beschreibung, was Becka tut. Mit "offenbar" und "definitiv nicht" wird Arics Meinung und Interpretation in die Erzählung eingestreut. Da die Erzählstimme seine Stimme ist, kommt an solchen Stellen seine Meinung ungefiltert durch. Auch das gehört zu solch einem Erzählen dazu: die Meinung und Interpretation über dritte Figuren direkt in den Text zu setzen.Ayo, my pen and paper cause a chain reaction
to get your brain relaxin', the zany actin' maniac in action.
A brainiac in fact, son, you mainly lack attraction.
You look insanely whack when just a fraction of my tracks run.
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Ich würde es nicht mit einer Kameraperspektive vergleichen.
Der personale Erzähler ist ein Ich-Erzähler ohne Ich.
Der auktoriale Erzähler ist allwissend. Ich finde, er sollte auch eine Erzählstimme haben.
Wenn die Haare aus dem Dutt fallen, merkt man es. Genauso merkt man es, wenn man errötet, ohne dass man sieht, dass man rot wird.
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