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Faust – Johann Wolfgang von Goethe

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    #16
    Hallo Ihr Lieben,

    wie Traummuschel schon schrieb, wäre es für mich natürlich toll, wenn wir am Anfang anfangen könnten. Denn den habe ich schon gelesen und dann könnte ich mich derweil weiter vorarbeiten. Aber wenn bestimmte Szenen besonders unter den Nägeln brennen, kann ich ja auch die entsprechende Szene einfach lesen. Ich muss ja nicht geradlinig von vorne nach hinten lesen. ;-)

    Ich habe eigentlich keine wirklichen Fragen zu Faust, hätte aber große Lust darüber zu plaudern, wie Ihr die einzelnen Szenen für Euch so empfindet und was Euch daran dichterisch, sprachlich oder inhaltlich fasziniert oder langweilt. Der Faust löst zu meiner Überraschung recht starke Gefühle in mir aus. Gestern z.B. habe ich die Szene in Auerbachs Keller gelesen, und da habe ich einfach nur Abscheu empfunden über diesen Mephisto. Ich kann mich überhaupt nicht mehr erinnern, wie ich den damals zu Schulzeiten wahrgenommen habe. In meinem Grundgefühl hatte ich ihn positiver in Erinnerung. Aber inzwischen bin ich ja auch mit den Themen Magie und Religion so tief verwachsen, dass ich darauf eine viel intensivere und begeistertere, auf der anderen Seite aber kritischere und ablehnendere Perspektive nehme ...

    Naja, wenn wir dann einsteigen, könnte es gut sein, dass ich diesbezüglich noch ins Schwätzen komme. Ich hoffe inständig, ich finde die Zeit dafür! *ganz fest die Hufe drück*

    Tsaphyre
    Das kreative Chaos ist ein Trancezustand angenehmster innerer Verwirrung und seltsam zusammenhangloser Verwunderung. (Tsaphyre Ziegenfuß)

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    • Tsaphyre
      Tsaphyre kommentierte
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      Kelpie, uffz. Ne, da bin ich komplett anderer Meinung. Zerstörung ist zerstörend und nicht erneuernd. Natürlich gibt es Dinge, die zuende sind und nicht künstlich am Leben erhalten werden sollten. Wenn etwas stirbt, dann soll es auch sterben dürfen. Aber Zerstörung ist etwas anderes. Und wirklich, Zerstörung ist Heilung? Da spricht meine Lebenserfahrung eine ganz andere Sprache und mit Krankheiten hatte ich nun wirklich genug zu tun! Heilung gelingt durch Stärkung und Unterstützung, durch Herausfinden, was krank ist, ja, durch Kampf gegen Viren, Bakterien usw., aber das ist in meinen Augen keine Zerstörung, sondern Lebenserhaltung und Genesung! Wenn man das auf andere Themen überträgt, kann es sein, dass Dinge geändert werden müssen und ja, auch Missstände müssen vielleicht komplett beendet werden. Aber insgesamt ist das ein _Konstruktiver_ Prozess, kein _Destruktiver_. In meinen Augen sind solche Situationen, in denen die Zerstörung das einzige wirksame Mittel ist, die Ausnahme. Und daraus entsteht immer noch nichts Neues, es beendet nur etwas, was nicht gut war.

    • Kelpie
      Kelpie kommentierte
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      Zu der Diskussion fällt mir noch so viel ein, deswegen würde ich die auch gerne in unseren Lesekreis verschieben, ja? Ich fänd es schade, hier nur über Kommentare das Thema zu besprechen

    • Tsaphyre
      Tsaphyre kommentierte
      Kommentar bearbeiten
      Kelpie, ja klar, hast Recht. Wobei das Thema für mich teilweise mit sehr viel Schmerz verbunden ist. Ich weiß also nicht, wieviel ich letztendlich in diese Diskussion reingeben mag ...

      Und was Mephisto anbelangt probiere ich immer noch verschiedene Perspektiven aus, um für mich zu begreifen, was für ein Wesen er ist und wie ich ihn bewerten will. Er erscheint mir momentan als eine Mischung vieler unterschiedlicher Aspekte zum Teil aus Religion, zum Teil aus psychischen Dynamiken, zum Teil aus den Kräften, wie sie im Leben nunmal auftreten. Ich fürchte, ich muss da für mich persönlich erstmal einiges auseinander sortieren. Das ist mir ein zu großes Durcheinander im Auftreten dieser Gestalt.

    #17
    Also ich würde sagen wir warten noch ein paar Tage und schauen uns dann mal die 3 Vorszenen an
    Was die Bedeutung des Faust angeht, ist es etwas schwierig das nur für Faust 2 zu beantworten, aber ich geb mir Mühe, darauf im Fazit angemessen einzugehen. Spontan fällt mir dazu ein: Goethe ist nunmal der bedeutendste deutsche Dichter und hat sich wirklich sehr viel Zeit für diesen Stoff genommen. Außer Faust I und II gibt es ja noch den Urfaust und das Fragment. Außerdem ist es bedeutendes Zeugnis der Zeit, da es stark von der politischen Situation beeinflusst wurde. Goethe beschäftigt sich darin mit Religion, Glauben, Vernunft, Politik und Philosophie und gibt ein Werk, das immer wieder neu interpretiert wird. Im Laufe der Diskussion gehe ich da aber noch genauer drauf ein. In Faust II bezieht Goethe auch noch sehr stark die antike Mythologie und Geschichte ein, im Kontrast zu der Walpurgisnacht des ersten Fausts.
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      #18
      Traummuschel die Diskussion kommt sicherlich nochmal auf, aber alles, was du hier genannt hast, überzeugt mich nicht, da das in meinen Augen auch auf einige andere Werke zutrifft ^^
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      • Traummuschel
        Traummuschel kommentierte
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        Vielleicht überzeugt es dich ja noch, wenn wir genauer darauf eingehen. Allerdings finde ich nicht, dass man überhaupt von dem einen wichtigsten überhaupt sprechen kann. Faust ist sicherlich enorm wichtig, aber manch anderes Werk auch.

      #19
      So ihr Lieben
      Wenn ihr nichts dagegen habt, würde ich sagen wir fangen jetzt mal mit den Vorszenen an.

      Was findet ihr an den Szenen besonders relevant?
      Was glaubt ihr, wozu Goethe die Zueignung hinzugefügt hat, die es im Urfaust noch nicht gab?
      Was haltet ihr von der Kunstauffassung des Direktors, Dichters und der lustigen Person? (Ist klar, wer mit der lustigen Person gemeint ist?)
      Erinnert euch der Prolog im Himmel an irgendwas? Wozu soll die Wette gut sein? Wie wird Mephistopheles in dieser Szene charakterisiert?

      Noch ein bisschen Hintergrundwissen an der Stelle: Schiller hat jahrelang darauf gedrängt, dass Goethe Faust I endlich beenden und veröffentlichen soll. Tragischerweise ist er kurz bevor es endlich soweit war, verstorben.
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      • Kelpie
        Kelpie kommentierte
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        Bin da bei Tsaphyre Die Fragen haben sich auch ein bisschen nach Schularbeit angefühlt, einige habe ich ja auch nicht beantwortet, weil sie so auch ziemlich genau in der Schule behandelt wurden und ich es irgendwie unsinnig fand, mein Wissen jemandem zu erzählen, der darüber noch mehr weiß. Ich bin jetzt mal gespannt, wie das weiterläuft, aber es würde mich freuen, wenn es in Richtung Diskussion geht.

      • Traummuschel
        Traummuschel kommentierte
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        Tsaphyre Klar, schreibe ich meine Perspektive darauf auch noch. Ich dachte mir nur die literaturwissenschaftliche Perspektive bringe ich als letztes ein, weil ihr erstmal ganz unbeeinflusst sein solltet =)
        @ Tsaphyre Kelpie Die Fragen sollten erstmal nur Impulse geben. Ich werde bestimmt noch ab und zu mal welche einstreuen, aber es soll nicht nach Frage-Antwort-Spiel laufen. Das einzige, was ich gerne weiterhin vielleicht etwas "schulisch" halten würde, ist, dass wir erstmal die Szenen, über die wir reden möchten, in der richtigen Reihenfolge durchgehen und ich euch nach Aspekten die euch noch interessieren frage und diese dann anordne, eben hier moderiere, damit das ganze nicht zu unübersichtlich wird

      • Tsaphyre
        Tsaphyre kommentierte
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        Traummuschel, ein guter Plan! Cool ... Vielen Dank für Deine Mühe.

      #20
      Okay, entschuldige, dass ich so lange gebraucht habe. Ich hoffe, jetzt komme ich endlich mal regelmäßiger dazu, hier zu schreiben.

      Die Vorszenen. Ganz ehrlich - und um Ehrlichkeit ist ja gebeten - die haben mich beinahe am meisten verschreckt. Von einem Autor wie Goethe hätte ich das nicht erwartet. Ich kann zwar den persönlichen Drang verstehen, warum er diese Szenen geschrieben hat, die Zueignung, um nur annähernd zu verdeutlichen, was ihm der Stoff bedeutet; das Vorspiel, vielleicht um die Probleme des Theaters zu verdeutlichen; der Prolog im Himmel, um die eigentliche Geschichte einzuleiten.

      Hierfür war m.E. einzig der Prolog notwendig. Die Zueignung empfinde ich als für den Leser völlig unerlässlich und könnte ebenso gut in ein Nachwort gepackt werden. Das ist für mich ein klassischer Fall davon, dass ein Autor nicht abschätzen kann, dass Dinge, die ihm sehr wichtig sind, für den Leser erst einmal keine Rolle spielen.

      Das Vorspiel gefiel mir am wenigsten. Wir haben das lang und breit in der Schule besprochen, ich erkenne auch an, dass Goethe hier ganz nett dargestellt hat, dass so ein Stück ja tatsächlich nicht einfach auf die Bühne gebracht werden kann, sondern dass jedes Individuum, das mitwirken darf, andere Interessen verfolgt. Das ist an sich interessant, aber ich sehe nicht den Mehrwert, den es für den Faust bringt.

      Und so haben wir all diese Vorstücke, ehe es endlich mal richtig los geht. Ich fand das sehr langweilig und ausbremsend und musste dabei auch an all die Diskussionen über Prologe denken bzw. ganz allgemein darüber, dass man möglichst bald in den richtigen Text einsteigen sollte, da sich der Leser immer wieder neu einlassen muss. Wie gesagt, gerade bei einem großen Autor wie Goethe erstaunt mich, dass er diesen Schritt gewählt hat und ich finde nicht, dass es den Text allein deswegen adelt, weil es eben Goethe gemacht hat, sondern ich bewerte es bei ihm genauso negativ wie ich es bei jedem anderen Autoren gemacht hätte.



      Daher ganz kurz zu deinen Fragen: An den Szenen finde ich nichts plotrelevant, den Prolog einmal ausgenommen, den ich sogar für sehr relevant halte. Aufgrund der anderen beiden Vorprologe nervt er dann allerdings eher und man fühlt sich hingehalten. Ich finde also, dass sein eigentlicher Wert durch die vorangehenden Szenen stark abgeschwächt wird.

      Die Zueignung halte ich wie gesagt nur für einen Versuch von Goethe, dem Leser klarzumachen, wie sehr ihn dieser Text beschäftigt hat und wie viele Jahre er immer wieder damit konfrontiert wurde. Für das Stück an sich halte ich es für irrelevant.
      Derweilen ist auf dem Feld schon alles gewachsen, bevor die wussten, warum und wie genau es gedeiht. - Franziska Alber

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      • Victoria
        Victoria kommentierte
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        Wie ich sehe, sind es ja nicht so viele. Und wenn ihr nicht alle durcheinander diskutiert, könnte es auch hier rein?

      • Traummuschel
        Traummuschel kommentierte
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        VickieLinn hier findet es ja sowieso statt. ich meinte jetzt so Themen, die auch unabhängig von dem jeweiligen Buch relevant sind. Soll ich sie innerhalb des Lesesaals aufmachen, weil es immer noch um Literaturmotive, -themen, etc. geht oder eher woanders? Im Lesesaal wird es dann vielleicht ein bisschen unübersichtlich, oder? (Vielleicht sollten wir in die Richtung mal per PN quatschen?)

      • Traummuschel
        Traummuschel kommentierte
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        Kelpie Aus deiner Antwort schließe ich, dass kein Gesprächsbedarf über das Vorspiel besteht. Das können wir dann auch ruhig lassen, wenn niemand darüber diskutieren möchte. Ich warte noch darauf, ob Tsaphyre es schafft, meine Fragen zu beantworten und dann würde ich gerne auf die Zueignung und den Prolog im Himmel etwas genauer eingehen.

      #21
      Hallo,

      hier kommt endlich auch meine Antwort auf die Fragen: *mehehehehe* Alles klar? In der Ziegensprache lässt sich das recht schnell sagen, aber ich glaube, in der Menschensprache muss ich doch etwas mehr Worte machen. ;-)

      Wenn ich das aus dem letzten Kommentar von Traummuschel richtig verstanden habe, wollen wir auf die einzelnen Szenen nach meinem hiesigen Post erst genauer eingehen? Dann brauche ich eigentlich die Fragen erstmal nicht in der Fülle zu beantworten, wie ich es ursprünglich gedacht habe? Also gut, dann zunächst das, was ich allgemein dazu sagen mag. Ich tue das natürlich aus meiner ganz persönlichen Sicht, die weder literaturwissenschaftliche noch biographische Tatsachen allzu sehr berücksichtigen kann, weil ich mich damit nicht genug auskenne und es ehrlich gesagt jetzt auch ziemlich schwierig fand, auf die Schnelle herauszufinden, wie intensiv sich Goethe wirklich mit magischen Themen auseinandergesetzt hat. Dass er es getan hat, ist unbestritten. Ich weiß aber nicht, ob er das selbst als Magie begriffen hat oder ob er seine eigenen magischen Ansätze nicht in anderen Kontexten gesehen hat, etwa in denen der Naturreligion, Naturwissenschaft und Dichtung.

      Für mich war es jedenfalls sehr spannend, den Faust nach über 25 Jahren wieder zur Hand zu nehmen und aus magischer Perspektive und aus meinen Erfahrungen mit Tiefenpsychologie, Träumen und Religionen heraus zu lesen. Ich empfinde nicht nur die ganzen Vorreden als recht lose aneinander gehängt, sie wirken auch, wie Kelpie es schon schrieb, fast schon als Ärgernis darin, dass sie die Geschichte des Faust nicht wirklich aufgreifen (bis auf den Prolog). Aber wenn ich das Stück aus dieser Perspektive betrachte, dann ist der ganze Faust I mehr oder weniger zusammengstückelt, schwankt ohne Übergänge zwischen mehreren Themen hin und her, ohne dass sich daraus eine erzählte Gesamtgeschichte herauskristallisiert, die für den Leser oder Zuschauer ein Ganzes ergibt.

      Witzigerweise habe ich das beim ersten Lesen zu Abiturzeiten gar nicht einmal so empfunden. Das Stück war in meiner Erinnung sehr viel mehr aus einem Guss, als ich es jetzt erlebt habe. Aber heute liegt mein Augenmerk auch gar nicht mehr so sehr darauf, ob das Drama ein Werk ist, das unterhält und Spaß macht, wie die lustige Person (der Schauspieler?) es sich wünscht, oder ob es gesellschaftlichen Erwartungen genügt und einen abwechslungsreichen, für die Bühne in leicht genießbaren Häppchen zubereiteten Plot aufweist, der dem Zeitgeist enspricht und trotzdem etwas Neues bringt, wie der Direktor es verlangt. Ich denke, beides hat Goethe mit seinem Faust I nur teilweise erfüllen können und aus heutiger Sicht gewiss mehr schlecht als recht. Was die Dichtung anbelangt, ist das Werk in meinen Augen an vielen Stellen wunderbar und auf eine sehr bewegende Weise gelungen und hat mir heute wie damals große Freude bereitet.

      Für mich ist Faust I immer noch ein Fragment, obwohl Goethe ihn nach so vielen Jahren als abgeschlossen deklariert und veröffentlicht hat. Er ist nicht rund geworden, nicht nur, was die Geschichte an sich, sondern auch was die magischen Inhalte anbelangt. Und doch sind es die magischen Ansätze, die das Werk für mich zu etwas Beachtenswertem machen. Die Schwierigkeit dieses Stückes liegt meiner Meinung nach darin, dass Goethe hier versucht, sehr sehr viel in ein Werk zu packen: eine unterhaltsame Geschichte, Satire, Gesellschaftskritik, Religionskritik, Naturreligion, Magie, Psychologie, Pansophie. Im zweiten Teil des Faust holt er ja noch weiter aus, aber den habe ich noch nicht gelesen.

      Da es mein Spezialgebiet ist, möchte ich meine Aufmerksam besonders auf die Magie lenken. Gerade hier sieht man, dass Goethe mit Themen gerungen hat, die viel zu groß waren, um sie in ein so kurzes Stück zu packen. Und ich bin der Überzeugung, dass Goethe diese Themen auch gar nicht in der Art durchdrungen und verstanden hat, dass er sie zu einem runden Ganzen hätte verweben können. Eigentlich stellt er genau das ja auch dar: Fausts Ringen um Magie in Verbindung mit Erkenntnis, Lebensfreude und einer tiefen Verbundenheit zur Natur. Faust scheitert daran, aber die Gründe seines Scheiterns bleiben Goethe selbst verborgen, verlaufen sich in einem Wirrwarr, in dem religiöse Motive mit magischen und psychologischen Motiven so sehr verwickelt sind, dass es sehr schwierig wird, darin eine klare Sicht oder einen Überblick zu gewinnen.

      Deswegen, so denke ich, wirken viele Szenen unzusammenhängend und lose aneinander gereiht. Sie enthalten Teilthemen und Teilmotive in komprimierter Form, aber um daraus ein Ganzes zu machen, hätte man die Zusammenhänge herausarbeiten und in eine Geschichte weben müssen. Und dafür ist dummerweise noch dazu ein Drama viel zu kurz. Hätte Goethe seine eigenen Ansprüche auf sein Werk erfüllen wollen (so, wie ich diese Ansprüche wahrnehme und vermute; wie gesagt weiß ich zu wenig darüber, um mehr als einen subjektiven Eindruck zu formulieren), hätte er entweder einen dicken Roman daraus machen müssen oder mehrere Dramen.

      Ehrlich gesagt habe ich mich an vielen Stellen sogar darüber geärgert, wie grob Goethe magische und religiöse Themen anfasst, wie wenig er auf tiefere Zusammenhänge achtet, wie er von einem Inhalt in den anderen stolpert und keine Idee, keinen Gedanken, kein Gefühl wirklich zu einem Ziel führt. Mit Ausnahme vielleicht der Gretchenfigur, damit habe ich mich aber noch nicht so intensiv auseinander gesetzt. Wenn man aber bedenkt, über wie viele Jahre hinweg er immer wieder den Stoff aufgegriffen und ihn weiter bearbeitet hat, wie sehr er damit gerungen hat, dann fühle ich doch einen tiefen Respekt ihm gegenüber. Er hat in einer anderen Zeit gelebt als wir heute, er hat sehr stark auf breites Wissen gesetzt und wirklich darum gekämpft, in die Natur des Lebens einzudringen und sie zu verstehen. Und das sieht man am Faust auch. Ich kann ihm aus dieser Sicht dann gar nicht mehr böse sein, dass er nicht so weit gekommen ist, wie ich es mir gewünscht hätte.

      Jetzt habe ich hier in einem großen Bogen meine Perspektive auf das gesamte Werk dargestellt. Dabei wollten wir doch über die ersten drei Szenen sprechen. Ich habe aber so weit ausgeholt, um verständlich zu machen, dass ich glaube, dass alle drei Szenen für mich wertvoll und wichtig sind, weil ich den Faust I für mich persönlich nicht wirklich als ausgereiftes Bühnenstück verstehe (was die dichterische Kunst auf keine Fall schmälern soll!), sondern als eine Art Plotgerüst, in das Goethe all die Themen reinzupacken versucht hat, die ihm hier wichtig waren. Insofern sind die drei ersten Szenen für mich ein Teil des Ganzen.

      Eine Zueignung ist meines Wissens eine Bezeichnung für eine Widmung, die durchaus auch in Form eines Vorworts dastehen kann. Insofern _hat_ Goethe hier explizit mit der Überschrift gezeigt, dass diese Zeilen nicht direkt mit dem Inhalt des Stückes zu tun haben. Er hat quasi 'Vorwort' darüber geschrieben, nur eben mit einem damals geläufigen Wort. Die Zueignung zeigt sehr schön, wie Goethe nach einer langjährigen Pause den Stoff wieder aufgreift, wieviel ihm daran liegt, wieviel Herzblut er da hineingegeben hat und wieviel er noch hineingeben wird.

      Das Vorspiel deutet an, mit welchen Konflikten Goehte zu kämpfen hatte. So leicht und fast schon belanglos dieses Vorspiel daherkommt, zeigt es doch die Zerissenheit, mit der Goethe an das Stück gegangen ist. Das, was er hier nur oberflächlich ankratzt, ist in meinen Augen ein Thema, das viele Künstler bewegt und das ihnen oft extrem zu schaffen gemacht hat und macht. Wie bei vielen anderen Szenen bleibt es hier nur bei groben Andeutungen eines viel tieferen Geschehens. Und ja, das hat etwas mit dem Fauststoff zu tun. Denn Faust ringt ja ebenso mit den gesellschaftlichen und religiösen Normen, die ihm wie gewaltige Betonklötze im Weg liegen und ihn in eine Welt einsperren, die sein Streben nach der Naturmagie und der tiefen Erkenntnis nicht nur behindern, sondern sogar zerstörerisch dagegen wirken. Goethe bleibt in seinem Vorspiel aber der Verständnisvolle, weil er ja selbst tief in gesellschaftliche Strukturen allgemein und in Bühnenstrukturen speziell integriert war.

      Der Prolog im Himmel, da gebe ich Kelpie Recht, ist dann eine Szene, deren Bezug auf die Geschichte inhaltlich klar erkenntlich ist ...

      Meinetwegen müssen wir das Vorspiel auch nicht weiter thematisieren und können uns intensiver mit den anderen beiden Teilen beschäftigen. Über die Zueignung möchte ich schon gerne sprechen, denn die finde ich an vielen Stellen einfach nur wunderschön.

      Tsaphyre
      Das kreative Chaos ist ein Trancezustand angenehmster innerer Verwirrung und seltsam zusammenhangloser Verwunderung. (Tsaphyre Ziegenfuß)

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        #22
        Mit Magie kenne ich mich ja nun nicht so gut aus wie du, Tsaphyre, deswegen wäre mal meine Frage, welche Aspekte der Magie du da gesehen hast? Und weil du schreibst,

        Ehrlich gesagt habe ich mich an vielen Stellen sogar darüber geärgert, wie grob Goethe magische und religiöse Themen anfasst, wie wenig er auf tiefere Zusammenhänge achtet, wie er von einem Inhalt in den anderen stolpert und keine Idee, keinen Gedanken, kein Gefühl wirklich zu einem Ziel führt.
        das finde ich spannend - hast du da ein konkretes Beispiel?
        Derweilen ist auf dem Feld schon alles gewachsen, bevor die wussten, warum und wie genau es gedeiht. - Franziska Alber

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          #23
          Hallo Kelpie,

          naja, Du weißt ja, wie groß gefasst mein Konzept von Magie ist. In meinen Augen handelt so ziemlich das ganze Stück von Magie. Angedeutet werden Alchemie, Naturmagie bzw. Evokation eines Naturgeistes, aber eben auch insgesamt die Suche nach dem tiefen Kontakt und der Kommunikation mit der Natur und die Suche nach der Erkenntnis, was die Welt im Inneren zusammenhält. Das ist vielleicht Geschmacksache, wie man das bewertet, aber für mich sind das magische Themen. Auch die Auseinandersetzung mit Religion und dem Teufel und der Versuch, daraus auszubrechen. Und in diesem Zusammenhang vor allem die Suche und die Begegnung mit eigenen inneren Aspekten, die durch Gesellschaft, Religion und eigene Taten verbannt, verzerrt, verkorkst und dämonisiert sind. Denn der Weg zur Freiheit führt unter anderem durch die eigenen inneren Abgründe und Höllen.

          Alle diese Themen sind letztendlich nur oberflächlich angekratzt. Das ganze Stück ist voller Beispiele dafür. Da ich darauf sowieso mein Augenmerk habe, habe ich natürlich vor, darüber dann in den jeweiligen Szenen mehr zu erzählen. Ein konkretes Beispiel für das in meinen Augen grobe Vorgehen ist Mephisto. Hatte ich erwähnt, dass ich mich über den besonders geärgert habe? Goethe hat da alle negativen Kräfte, alle natürlichen Widerstände, denen man im Leben begegnet, alles christlich Böse, alle 'Höllenaspekte' von Faust usw. hineingepackt. Ich hätte mir da ein etwas differenzierteres Vorgehen gewünscht. So habe ich mich von Szene zu Szene versucht zu orientieren und hatte nach dem Lesen trotzdem ein Gefühl tiefer Verwirrung, weil alles so durcheinander ist. Ich habe den Faust hauptsächlich abends im Bett gelesen und hatte jedesmal wirre, fiebrige Träume, wie man sie manchmal hat, wenn man krank ist. Manchmal wurden die sogar zu Albträumen.

          Es kann natürlich sein, dass sich während unserer Beschäftigung mit den Szenen die Dinge für mich etwas mehr klären, vor allem auch durch Deinen bzw. Euren Input. Vielleicht tue ich Goethe ja auch Unrecht und habe nur selbst keinen Durchblick bzw. Überblick.

          Tsaphyre
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          • Kelpie
            Kelpie kommentierte
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            Du sagst es Vickie bzw. Tsaphyre. Ich hatte zwar keine wirren Träume, aber aufgrund der Undeutlichkeit, die ja allein schon aus dem Versmaß resultiert, fand ich das alles sehr verworren und schwierig. Insbesondere die Walpurgisnacht, deren Sinn sich mir wie gesagt völlig entzieht.

          • Traummuschel
            Traummuschel kommentierte
            Kommentar bearbeiten
            Ich gebe mir Mühe, dass uns gemeinsam ein paar Dinge klarer werden Eure heftige Leseerfahrung finde ich irgendwie interessant, auch wenn ich euch natürlich keine Albträume machen wollte.

          • Tsaphyre
            Tsaphyre kommentierte
            Kommentar bearbeiten
            Traummuschel, Du hast uns ja auch keine Albträume gemacht. Goethe wars! Täter überführt! ;P

          #24
          Zitat von Tsaphyre Beitrag anzeigen
          wollen wir auf die einzelnen Szenen nach meinem hiesigen Post erst genauer eingehen?
          Ich passe mich da fast ganz euch an

          Zitat von Tsaphyre Beitrag anzeigen
          Also gut, dann zunächst das, was ich allgemein dazu sagen mag. Ich tue das natürlich aus meiner ganz persönlichen Sicht, die weder literaturwissenschaftliche noch biographische Tatsachen allzu sehr berücksichtigen kann, weil ich mich damit nicht genug auskenne
          Das ist schon so gedacht. Literaturwissenschaftliche und biographiesche Infos werde ich einsträuen, wann immer es interessant ist. Dafür bin ich ja da

          Zitat von Tsaphyre Beitrag anzeigen
          Ich empfinde nicht nur die ganzen Vorreden als recht lose aneinander gehängt, sie wirken auch, wie Kelpie es schon schrieb, fast schon als Ärgernis darin, dass sie die Geschichte des Faust nicht wirklich aufgreifen (bis auf den Prolog). Aber wenn ich das Stück aus dieser Perspektive betrachte, dann ist der ganze Faust I mehr oder weniger zusammengstückelt, schwankt ohne Übergänge zwischen mehreren Themen hin und her, ohne dass sich daraus eine erzählte Gesamtgeschichte herauskristallisiert, die für den Leser oder Zuschauer ein Ganzes ergibt.

          Für mich ist Faust I immer noch ein Fragment, obwohl Goethe ihn nach so vielen Jahren als abgeschlossen deklariert und veröffentlicht hat. Er ist nicht rund geworden,
          Das finde ich interessant, da ich das überhaupt nicht so wahrnehme. Fausts Geschichte wird natürlich im ersten Teil nicht beendet, eigentlich sogar nur eingeleitet, was nun aus der Wette wird, erfahren wir eigetnlich erst in Faust II. Die zentrale Handlung in Faust I ist die Gretchen-Tragödie. Faust war eine historische Figur des 15./16. Jahrhunderts, das Kindsmörderinnenmotiv ist dagegen typisch für den Sturm und Drang und er wurde Zeuge eines Kindsmörderinnenprozesses gegen Susanna Margaretha Brandt, die ihn zu der Gretchengeschichte inspirierte. Also im Faust I ist die Faustgeschichte eher noch imm Beginn und ein Rahmen. Den eigentlichen Abschluss gibt es erst in Faust II, den Goethe ja bis nach seinem Tod unter Verschluss hielt.
          Frage auch an Kelpie :Soll ich mal eine Zusammenfassung von Faust II posten, in die ihr reinsehen könnt, wenn wir über Aspekte des Gesamtwerkes reden wollen, oder soll wir das einfach möglichst aussparen? Im Detail würde ich Faust II irgendwann später noch mal aufgreifen.
          Ich könnte mir vorstellen, dass es etwas zusammengestückelt wirkt, weil der Faust in einer sehr langen zeit entstand und die gesellschaftliche und politische Situation zu Beginn ganz anders war, als zur Zeit der Veröffentlichung.

          Zitat von Tsaphyre Beitrag anzeigen
          die lustige Person (der Schauspieler?)
          Die lustige Person ist ein Schauspieler, ja, aber ein ganz besonderer. Die lustige Person ist quasi der Narr aus der Commedia dell'arte. Es ist quasi keine Rolle, sondern ein Typus, eine Figur auf der Bühne, die für spontane Scherze zuständig war, die zu Goethes Zeiten zumindest teilweise aus dem Theater verbannt wude, weil diese Art von Humor seit der französischen Revolution als unangemessen und unerwünscht galt.

          Zitat von Tsaphyre Beitrag anzeigen
          für die Bühne in leicht genießbaren Häppchen zubereiteten Plot aufweist, der dem Zeitgeist enspricht und trotzdem etwas Neues bringt, wie der Direktor es verlangt. Ich denke, beides hat Goethe mit seinem Faust I nur teilweise erfüllen können und aus heutiger Sicht gewiss mehr schlecht als recht.
          Dazu muss ich zusätzlich zu dem Zeitaspekt, den du ja schon einbringst noch sagen, das Goethe den Faust als Lesestück gedacht hat. Gespielt werden sollte das eigentlich gar nicht. (ist auch schwieirg umsetzbar).

          Zitat von Tsaphyre Beitrag anzeigen
          Was die Dichtung anbelangt, ist das Werk in meinen Augen an vielen Stellen wunderbar und auf eine sehr bewegende Weise gelungen und hat mir heute wie damals große Freude bereitet.
          Das freut mich =) Ich finde die Lyrik auch stellenweise wunderschön =)

          Zitat von Tsaphyre Beitrag anzeigen
          was die magischen Inhalte anbelangt. Und doch sind es die magischen Ansätze, die das Werk für mich zu etwas Beachtenswertem machen. Die Schwierigkeit dieses Stückes liegt meiner Meinung nach darin, dass Goethe hier versucht, sehr sehr viel in ein Werk zu packen: eine unterhaltsame Geschichte, Satire, Gesellschaftskritik, Religionskritik, Naturreligion, Magie, Psychologie, Pansophie. Im zweiten Teil des Faust holt er ja noch weiter aus, aber den habe ich noch nicht gelesen.

          Da es mein Spezialgebiet ist, möchte ich meine Aufmerksam besonders auf die Magie lenken. Gerade hier sieht man, dass Goethe mit Themen gerungen hat, die viel zu groß waren, um sie in ein so kurzes Stück zu packen. Und ich bin der Überzeugung, dass Goethe diese Themen auch gar nicht in der Art durchdrungen und verstanden hat, dass er sie zu einem runden Ganzen hätte verweben können. Eigentlich stellt er genau das ja auch dar: Fausts Ringen um Magie in Verbindung mit Erkenntnis, Lebensfreude und einer tiefen Verbundenheit zur Natur. Faust scheitert daran, aber die Gründe seines Scheiterns bleiben Goethe selbst verborgen, verlaufen sich in einem Wirrwarr, in dem religiöse Motive mit magischen und psychologischen Motiven so sehr verwickelt sind, dass es sehr schwierig wird, darin eine klare Sicht oder einen Überblick zu gewinnen.

          Deswegen, so denke ich, wirken viele Szenen unzusammenhängend und lose aneinander gereiht. Sie enthalten Teilthemen und Teilmotive in komprimierter Form, aber um daraus ein Ganzes zu machen, hätte man die Zusammenhänge herausarbeiten und in eine Geschichte weben müssen. Und dafür ist dummerweise noch dazu ein Drama viel zu kurz. Hätte Goethe seine eigenen Ansprüche auf sein Werk erfüllen wollen (so, wie ich diese Ansprüche wahrnehme und vermute; wie gesagt weiß ich zu wenig darüber, um mehr als einen subjektiven Eindruck zu formulieren), hätte er entweder einen dicken Roman daraus machen müssen oder mehrere Dramen.
          Genau weiß ich das auch nicht, wie sehr sich Goethe mit Magie befasst hat.Was ich dazu aber sagen kann, ist:
          Goethe hatte ein ambivalentes Verhältnis zur Romantik und auch zur Religion. In der Romantik war ein ganz zentrales Thema die Einheit zwischen allen Dingen. Die meisten Romantiker wurden Katholiken verarbeiteten aber auch antike Mythologie in ihren Werken, weil sie eine Einheit aus Wissenschaft, Kultur und Gefühl anstrebten. Eine intensive Beschäftigung mit verschiedenen Mythen und Religionen war also für Autoren dieser Zeit Gang und Gäbe, gleichzeitig hatten sie natürlich bei weitem nicht unsere Quellenlage und diese war auch noch stark kirchlisch beeinflusst. Faust bezieht sich ja nun auf eine historische Figur, um die sich schnell verschiedenste Legenden rankten, mit denen sich Goethe beschäftigt hat.

          Zitat von Tsaphyre Beitrag anzeigen
          Jetzt habe ich hier in einem großen Bogen meine Perspektive auf das gesamte Werk dargestellt. Dabei wollten wir doch über die ersten drei Szenen sprechen. Ich habe aber so weit ausgeholt, um verständlich zu machen, dass ich glaube, dass alle drei Szenen für mich wertvoll und wichtig sind, weil ich den Faust I für mich persönlich nicht wirklich als ausgereiftes Bühnenstück verstehe (was die dichterische Kunst auf keine Fall schmälern soll!), sondern als eine Art Plotgerüst, in das Goethe all die Themen reinzupacken versucht hat, die ihm hier wichtig waren. Insofern sind die drei ersten Szenen für mich ein Teil des Ganzen.
          Kein Problem, die Fragen waren nur Denkanstöße und ich finde deine Perspektive sehr interessant und für uns wunderbar dargestellt.

          Zitat von Tsaphyre Beitrag anzeigen
          Eine Zueignung ist meines Wissens eine Bezeichnung für eine Widmung, die durchaus auch in Form eines Vorworts dastehen kann. Insofern _hat_ Goethe hier explizit mit der Überschrift gezeigt, dass diese Zeilen nicht direkt mit dem Inhalt des Stückes zu tun haben. Er hat quasi 'Vorwort' darüber geschrieben, nur eben mit einem damals geläufigen Wort. Die Zueignung zeigt sehr schön, wie Goethe nach einer langjährigen Pause den Stoff wieder aufgreift, wieviel ihm daran liegt, wieviel Herzblut er da hineingegeben hat und wieviel er noch hineingeben wird.
          Absolut richtig. Da das Wort veraltete ist und es sich auch in den meisten Ausgaben in der Formatierung von den anderen beiden Vorszenen nicht unterscheidet, wirkt das manchmal seltsam.

          Zitat von Tsaphyre Beitrag anzeigen
          Das Vorspiel deutet an, mit welchen Konflikten Goehte zu kämpfen hatte. So leicht und fast schon belanglos dieses Vorspiel daherkommt, zeigt es doch die Zerissenheit, mit der Goethe an das Stück gegangen ist. Das, was er hier nur oberflächlich ankratzt, ist in meinen Augen ein Thema, das viele Künstler bewegt und das ihnen oft extrem zu schaffen gemacht hat und macht. Wie bei vielen anderen Szenen bleibt es hier nur bei groben Andeutungen eines viel tieferen Geschehens. Und ja, das hat etwas mit dem Fauststoff zu tun. Denn Faust ringt ja ebenso mit den gesellschaftlichen und religiösen Normen, die ihm wie gewaltige Betonklötze im Weg liegen und ihn in eine Welt einsperren, die sein Streben nach der Naturmagie und der tiefen Erkenntnis nicht nur behindern, sondern sogar zerstörerisch dagegen wirken. Goethe bleibt in seinem Vorspiel aber der Verständnisvolle, weil er ja selbst tief in gesellschaftliche Strukturen allgemein und in Bühnenstrukturen speziell integriert war.
          Ich finde, wie Goethe die Themen anschneidet aber nicht komplett ausarbeitet, zeigt sehr gut den Kernkonflikt Fausts und auch den Kernkonflikt Goethes Zeit. Das Streben anch der absoluten Erkenntnis, die aber nicht mehr erreichbar ist. Mit der Aufklärung wurde es nahezu unmöglich, ein Universalgelehrter zu sein, da das Weltwissen förmlich explodiert ist.

          Zitat von Tsaphyre Beitrag anzeigen
          Über die Zueignung möchte ich schon gerne sprechen, denn die finde ich an vielen Stellen einfach nur wunderschön.
          Da kann ich dir nur zustimmen <3
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          • Victoria
            Victoria kommentierte
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            Das Streben anch der absoluten Erkenntnis, die aber nicht mehr erreichbar ist
            *hihi* Netter Übergang zum nächsten Buch.

          • Kelpie
            Kelpie kommentierte
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            Das mit der Zusammenfassung kannst du gerne machen.

          #25
          So und wie gewünscht noch meine Antworten.

          Was findet ihr an den Szenen besonders relevant?
          Die Zueignung finde ich besonders schön, aber wichtig finde ich daran auch, wie dem Fauststoff dadurch Gewicht gegeben wird und wie Goethe sich und Faust in Bezug zueinander setzt.
          In dem Vorspiel finde ich die Diskussion über die Kunst sehr interessant. Zumal Goethe selbst sowohl Direktor, als auch Dichter und Schauspieler war.
          Der Prolog im Himmel ist natürlich der fundamentale Rahmen. Der Pakt ist natürlich sehr relevant, aber auch das Verhältnis zwischen Gott und Mephistopheles finde ich an dieser Stelle interessant gestaltet.

          Was glaubt ihr, wozu Goethe die Zueignung hinzugefügt hat, die es im Urfaust noch nicht gab?
          Ich denke, das hat er zum einen getan, um das Gewicht dieses Stoffes für sich und auch im Allgemeinen zu verdeutlichen, aber auch um seine eigene Beschäftigung mit diesem ersten Teil abzuschließen und seinen eigenen faustischen Anteil zu reflektieren. ich weiß nicht genau, wann er die Zueignung geschrieben hat, aber ich könnte mir vorstellen, dass Schillers Tod auch darin verarbeitet wird (oder es passt einfach so gut, dass es so wirkt).

          Was haltet ihr von der Kunstauffassung des Direktors, Dichters und der lustigen Person? (Ist klar, wer mit der lustigen Person gemeint ist?)
          Nun meine Kunstauffassung kennt ihr ja^^ Goethes Kunstauffassung war als Vertreter der Weimarer Klassik, des Sturm und Drang und ein bisschen auch der Romantik, sicher nicht strikt und einheitlich. Daher sehe ich in den drei Positionen nicht nur seine Rollen, sondern auch das sich wandelnde Kunstverständnis zu der Zeit.
          Dazu zitier ich mich mal selbst: Die lustige Person ist ein Schauspieler, ja, aber ein ganz besonderer. Die lustige Person ist quasi der Narr aus der Commedia dell'arte. Es ist quasi keine Rolle, sondern ein Typus, eine Figur auf der Bühne, die für spontane Scherze zuständig war, die zu Goethes Zeiten zumindest teilweise aus dem Theater verbannt wude, weil diese Art von Humor seit der französischen Revolution als unangemessen und unerwünscht galt.

          Erinnert euch der Prolog im Himmel an irgendwas? Wozu soll die Wette gut sein? Wie wird Mephistopheles in dieser Szene charakterisiert?
          Da wollte ich natürlich auf Hiob hinaus. ^^ Ist naheliegend, aber interessant finde ich diesen Aspekt trotzdem, weil Goethe für damalige Verhältnisse nicht besonders religiös war.
          An Mephistopheles Figur finde ich seine letzten vier Zeilen interessant, aber darauf gehe ich noch mal ein, wenn wir bei der Szene sind
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            #26
            Da die Zueignung ja nicht so furchtbar lang ist und hier ganz besonders der sprachliche Aspekt sehr wichtig ist, hier noch mal der Text:

            Zueignung

            Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten,
            Die früh sich einst dem trüben Blick gezeigt.
            Versuch ich wohl, euch diesmal festzuhalten?
            Fühl ich mein Herz noch jenem Wahn geneigt?
            Ihr drängt euch zu! nun gut, so mögt ihr walten,
            Wie ihr aus Dunst und Nebel um mich steigt;
            Mein Busen fühlt sich jugendlich erschüttert
            Vom Zauberhauch, der euren Zug umwittert.

            Ihr bringt mit euch die Bilder froher Tage,
            Und manche liebe Schatten steigen auf;
            Gleich einer alten, halbverklungnen Sage
            Kommt erste Lieb und Freundschaft mit herauf;
            Der Schmerz wird neu, es wiederholt die Klage
            Des Lebens labyrinthisch irren Lauf,
            Und nennt die Guten, die, um schöne Stunden
            Vom Glück getäuscht, vor mir hinweggeschwunden.

            Sie hören nicht die folgenden Gesänge,
            Die Seelen, denen ich die ersten sang;
            Zerstoben ist das freundliche Gedränge,
            Verklungen, ach! der erste Widerklang.
            Mein Lied ertönt der unbekannten Menge,
            Ihr Beifall selbst macht meinem Herzen bang,
            Und was sich sonst an meinem Lied erfreuet,
            Wenn es noch lebt, irrt in der Welt zerstreuet.

            Und mich ergreift ein längst entwöhntes Sehnen
            Nach jenem stillen, ernsten Geisterreich,
            Es schwebet nun in unbestimmten Tönen
            Mein lispelnd Lied, der Äolsharfe gleich,
            Ein Schauer faßt mich, Träne folgt den Tränen,
            Das strenge Herz, es fühlt sich mild und weich;
            Was ich besitze, seh ich wie im Weiten,
            Und was verschwand, wird mir zu Wirklichkeiten.

            Was gefällt euch daran besonders gut? Worüber möchtet ihr sprechen? Legt einfach los
            Wollt ihr was zur Struktur der Verse wissen? Also was für eine Art der Dichtung das ist und so? Oder soll ich mich erstmal zurückhalten?
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            • Milch
              Milch kommentierte
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              Um es mal mit einem Showmaster zu sagen: "Goethe war gut, Mann, er konnte reimen."

            #27
            Ich musste die Zueignung in der Schule auswendig lernen

            Ich weiß nicht ... ganz ehrlich - es berührt mich einfach nicht. Es ist gut gedichtet, sicher, aber mir fehlt da einfach der Funke, der auf mich übergreift. Es ist für mich ein hübsches Gedicht, aber keines, das ich mir zwingend zweimal durchlesen müsste - gut, mittlerweile habe ich es schon viele Male öfter gelesen. Aber im Vergleich zum Erlkönig, um bei Goethe zu bleiben, oder zu anderen Gedichten, die mich regelrecht ergreifen, ist dieses hier einfach ... in meinen Augen schwach. Vielleicht könnte ich der Zueignung mehr abgewinnen, wenn ich Goethes Sehnen dahinter spüren könnte, aber bei mir kommt einfach nichts an. Das ist sicherlich Geschmackssache, aber so empfinde ich das.
            Ich finde, er bleibt in allen Zeilen vage, benennt das Gefühl nicht, spricht von Geistern und "unbestimmten Tönen", von einem Sehnen - wonach genau? - von Gesängen und Widerklang, von Menge und Welt, von Freundschaft und Liebe - aber was davon soll mich packen? Wo soll ich denken "Ich weiß, wie sich das anfühlt"? Es ist viel zu unbestimmt.
            Hinzu kommt, dass ich finde, dass diese vier Strophen eigentlich Tsaphyres gesamte Kritik der Verworrenheit perfekt darstellen. Er geht nicht chronologisch vor, behandelt nicht Thema um Thema in seiner Strophe und endet mit einem Höhepunkt, sondern er erwähnt mal das eine, mal das andere, dann noch etwas Neues, kommt aufs erste zurück und spricht noch etwas Viertes an. Das beeindruckt mich nicht. Da fehlt einfach der packende und sinnvolle Aufbau.

            Natürlich alles nur meine Meinung.
            Derweilen ist auf dem Feld schon alles gewachsen, bevor die wussten, warum und wie genau es gedeiht. - Franziska Alber

            So nah, so fern.

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            • Kelpie
              Kelpie kommentierte
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              Nee, bitte, stress dich auf keinen Fall. Ich habe ja auch lange auf mich warten lassen, weil meine Prioritäten bei meinem Projekt lagen. Sowas geht immer vor, das versteh ich auch. Und wir haben ja keinen Stress

            • Traummuschel
              Traummuschel kommentierte
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              Keinen Stress Zieglein, wir haben Zeit. Wir sitzen hier nicht wartend auf heißen Kohlen. Wenn ich das Gefühl habe, dass es weitergehen sollte, sprechen wir weiter und kommen eben später noch mal darauf zurück. Jeder kann hier schreiben, wann er Zeit und Lust hat, das hier soll Spaß machen

            • Tsaphyre
              Tsaphyre kommentierte
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              Kelpie, Traummuschel, danke, Ihr seid sooo lieb. *snüff* Wirklich, das ist eine große Erleichterung für mich! *Euch mal ganz fest in den Arm nehm und knuddel* (letztendlich mache ich mir selbst immer viel zu viel Druck *Augen roll*)

            #28
            Hallihallo,

            Zitat von Traummuschel Beitrag anzeigen
            Das finde ich interessant, da ich das überhaupt nicht so wahrnehme. Fausts Geschichte wird natürlich im ersten Teil nicht beendet, eigentlich sogar nur eingeleitet, was nun aus der Wette wird, erfahren wir eigetnlich erst in Faust II. Die zentrale Handlung in Faust I ist die Gretchen-Tragödie. Faust war eine historische Figur des 15./16. Jahrhunderts, das Kindsmörderinnenmotiv ist dagegen typisch für den Sturm und Drang und er wurde Zeuge eines Kindsmörderinnenprozesses gegen Susanna Margaretha Brandt, die ihn zu der Gretchengeschichte inspirierte. Also im Faust I ist die Faustgeschichte eher noch imm Beginn und ein Rahmen. Den eigentlichen Abschluss gibt es erst in Faust II, den Goethe ja bis nach seinem Tod unter Verschluss hielt.
            Die Gretchenhandlung ist für mich ja auch stringend, da stimme ich Dir zu. Es ging mir um den Gesamteindruck des Faust I, der für mich eben nicht ein Ganzes ergibt. Das hat nichts damit zu tun, dass Fausts Geschichte am Ende des 1. Teils nicht zuende ist, sondern dass der rote Faden, der ein Drama oder einen Roman zusammenzieht, hier immer wieder durchbrochen wird. So ist jedenfalls mein persönlicher Eindruck. Der ist vor allem dadurch entstanden, weil von Szene zu Szene verschiedene Facetten von Gesellschaft, Religion, Volksmärchen und Magie aufgegriffen werden, ohne dass sie in Bezug zueinander oder in einen größeren Kontext gestellt werden.

            Ich finde, wie Goethe die Themen anschneidet aber nicht komplett ausarbeitet, zeigt sehr gut den Kernkonflikt Fausts und auch den Kernkonflikt Goethes Zeit. Das Streben anch der absoluten Erkenntnis, die aber nicht mehr erreichbar ist. Mit der Aufklärung wurde es nahezu unmöglich, ein Universalgelehrter zu sein, da das Weltwissen förmlich explodiert ist.
            Ja, das meinte ich damit, als ich schrieb, Goethe habe zu viele Themen in das Drama gesteckt. Wenn es nicht mehr möglich ist, all diese Themen in einem Werk unterzubringen, ohne nur kurz auf sie einzugehen oder sie nur anzuschneiden, muss man sich gut überlegen, wie man das organisiert. Wenn man sie Szene für Szene nebeneinander stellt und oben drüber schreibt 'Die Geschichte von Faust, seiner Suche nach Erkenntnis und dem Teufel', reicht das meiner Meinung nach nicht. Das ist aber meine ganz persönliche Sicht darauf. Mir ist wie gesagt klar, dass es extrem komplex ist, die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Themen herauszulösen und darzustellen. Und vielleicht wollte Goethe das ja auch gar nicht.

            Allerdings stellt sich mir dann immer mehr die Frage, was er eigentlich wollte. Er hat ja nicht einfach den Faust-Stoff aufgearbeitet, sondern da unglaublich viele spannende Themen und eben auch die Magie und die Suche nach Erkenntnis reingepackt und darin verwoben. Das ist in den ursprünglichen Faustgeschichten ja gar nicht oder nur ansatzweise da. Wollte Goethe denn tatsächlich darstellen, wie verworren das alles ist und dass es gar nicht möglich ist, diese Erkenntnis zu finden? Wenn ich so darüber nachdenken, dann erscheint mir das eine plausible Antwort. Bleibt aber in der Form für mich doch sehr unbefriedigend. Letztendlich wird Faust dann auch erlöst und kommt nicht durch eigene Kraft und Erkenntnis vom Teufel los, das ist mir bei der Fülle und dem Anspruch des Werkes ehrlich gesagt zu schwach ...

            Für die Zueignung mache ich ein neues Posting. Jetzt mache ich mir erstmal einen Tee.

            Tsaphyre
            Das kreative Chaos ist ein Trancezustand angenehmster innerer Verwirrung und seltsam zusammenhangloser Verwunderung. (Tsaphyre Ziegenfuß)

            Musenselig Sirenenberauscht - Verborgene Gärten der Sehnenden Lust

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              #29
              Der ist vor allem dadurch entstanden, weil von Szene zu Szene verschiedene Facetten von Gesellschaft, Religion, Volksmärchen und Magie aufgegriffen werden, ohne dass sie in Bezug zueinander oder in einen größeren Kontext gestellt werden.
              Da bin ich mit dir völlig einer Meinung. Gerade gegen Ende, wo das mit Gretchen zu weit ging und Goethe zur Walpurgisnacht ging, war ich nur noch verwirrt. Die Walpurgisnacht hat für mich mit dem Rest überhaupt nichts zu tun und steht da ziemlich zusammenhanglos herum. Und das an einer so wichtigen Stelle, da war ich dann doch irgendwie ... überrascht.

              Aber jetzt will ich dich mal nicht weiter unterbrechen, sondern schaue, was du sonst noch so zu sagen hast ^^
              Derweilen ist auf dem Feld schon alles gewachsen, bevor die wussten, warum und wie genau es gedeiht. - Franziska Alber

              So nah, so fern.

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              • Tsaphyre
                Tsaphyre kommentierte
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                Ja, mit der Walpurgisnacht ist es besonders krass. Und dem setzt der Walpurgisnachtstraum noch ein Krönchen auf. Trunz schreibt dazu, dass Goethe den ursprünglich gar nicht für Faust geschrieben hatte, dann aber keinen geeigneteren Platz dafür finden konnte und ihn halt deshalb dort einfügte ... Aber da sind wir ja noch lange nicht.

              #30
              Sooo, die Zueignung. Im Gegensatz zu Kelpie hat sie mich sofort tief berührt, vor allem am Anfang und am Ende. Und sie ist in meinen Augen alles andere als verworren, sondern sehr klar aufgebaut, nicht nur von der äußeren Struktur her, sondern auch was die Gefühlslogik betrifft. Genau deswegen hat mich das Gedicht gleich gehabt. Allerdings hatte ich auch die Infos aus dem Kommentar von Erich Trunz, die das Ganze durch wenige kleine Fakten sehr leicht aufschlüsseln. Er schreibt, dass eine Tagebuchnotiz Goethes darauf schließen lässt, dass die Zueignung am 24.6.1797 entstand. Zu dem Zeitpunkt hat Goethe nach langer Pause den Faust wieder aufgegriffen. Und zu jener Zeit waren bereits seine Schwester, sein Vater und einige Freunde, mit denen er sich früher über den Fauststoff ausgetauscht hat, gestorben.

              Viele Leute finden es ja blöd, wenn man Gedichte interpretiert, weil das bei ihnen das Gefühl erzeugt, es würde das Gefühl des Gedichts zerpflücken und zerstören. Naja, dass ich als eingefleischte Traumdeuterin an dieser Stelle gänzlich anders fühle, dürfte klar sein. Für mich erschließen sich die Gefühle durch eine intensive Beschäftigung mit einem Traum oder Gedicht erst in ihrer ganzen Tiefe. Um also vielleicht etwas von der Verwirrung zu nehmen, erlaube ich mir, hier das Gedicht in kurze, knappe Stichworte zu übersetzen. (edit: okay, doch nicht so knapp. Das mit den Stichworten habe ich verworfen, weil das doof ist)

              Der Aufbau ist sehr klar: 4 Strophen, jede mit einem eigenen Thema, das aus der vorherigen Strophe hervorgeht, jeweils in vier Zeilen ein in sich geschlossenes Gefühlsbild, macht insgesamt 8 Gefühlsbilder:

              Die Strophen

              1. Begegnung mit dem früheren Werk
              2. Erinnerungen an früher kommen hoch
              3. Reflektion der aktuellen Situation
              4. Wirkung und Erkenntnis

              Die Gefühlsbilder (die ich in eine kleine Geschichte packe, damit es nicht so trocken ist. )

              1a Goethes Blick fiel auf ein Büchlein in einer sonst unbeachteten Ecke seines Regals. "Ach ja, der Faust", dachte er und zog es hervor. Wie aus weiter Ferne schienen die Figuren aus dem Drama aufzutauchen. Sie wirkten verschwommen, in seinem Gefühl konnte er sie nur vage greifen. Ob er wohl noch einmal in diese Traumwelt eintauchen wollte?
              1b Als hätte sich ein Tor aufgetan, kamen die Gestalten aus dem Nebel der Erinnerungen auf ihn zu. Ihre Nähe berührte ihn tief. Plötzlich waren all die Gefühle aus der Jugend wieder da, der ganze Zauber. Er war überwältigt.

              2a Und mit dem Zauber kamen all die Erinnerungen an damals wieder zurück. Es war eine so wundervolle Zeit gewesen, die erste große Liebe, Freunde, mit denen er über Gott und die Welt und natürlich über die Dichtung sprechen und schreiben konnte. War das nicht schön? Wie gern hatte er mit Cornelia und ...
              2b Ach, Cornelia und all die anderen. Das Leben nahm seinen Lauf und Cornelia, der Vater und andere Freunde waren gestorben, viel zu früh. Welch ein Schmerz!

              3a Gerade die, die ihn von Anfang an in seinem Faust begleitet hatten, die für ihn in seinem Gefühl so eng mit diesem Stoff verwoben waren, mit ihnen konnte er jetzt nicht mehr darüber reden. Die wundervolle Zeit von damals war für immer vorbei.
              3b Und was hatte er heute? Er hatte keine engen Freunde mehr so wie früher. Die, die noch lebten, waren verstreut und unerreichbar. Es waren Fremde, die seine Werke lasen, Menschen, von denen er nichts wusste und mit denen ihn nichts verband. Ihr Beifall machte ihm fast schon Angst, der Jubel, der Hipe. Das hatte mit der Freundschaft von damals überhaupt nichts gemein. Goethe fühlte sich einsam.

              4a Er sehnte sich nach der Welt von damals. Er sehnte sich danach, erneut in den Traum von Faust einzutauchen, in jenes zauberische Reich - in seiner heutigen Einsamkeit ein ernstes und stilles, aber freundliches geistiges Reich. Goethe begann zu lesen und fühlte, wie der Wind der Erinnerung aus der Vergangenheit sein Lied herbeitrug. Wie der Klang einer Windharfe umspielte es ihn, zart und unbestimmt, mehr ein Gefühl als ein klarer Gedanke.
              4b Dieses Gefühl drang in sein Herz und überwältigte ihn. Er musste weinen, so brührend, so tief, so weich war es. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie streng und hart sein Herz in den letzten Jahren geworden war. Alles, was er heute hatte, erschien ihm mit einem Mal unbedeutend und weit weg. Denn jetzt fühlte er deutlich, wie wahr, echt und wirklich jenes Reich für ihn hier und heute war. Eine alte, tief empfundene Wirklichkeit war aus der Vergangenheit, aus der Verschüttung in seine Gegenwart gekommen.

              ... so fühle ich es und das berührt mich, Tsaphyre
              Das kreative Chaos ist ein Trancezustand angenehmster innerer Verwirrung und seltsam zusammenhangloser Verwunderung. (Tsaphyre Ziegenfuß)

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