Magie. Unersetzliches Element eines jeden Fantasy-Romans. Magie macht Unmögliches möglich, und gibt dem Autor eine ganze Schatzkiste ungeahnter Plot-Twists in die Hand.
Genau deshalb muss aber Magie auch ihre Grenzen haben. Sonst könnte ja unser Protagonist spätestens gegen Ende von Kapitel 1 mit dem Finger schnippen, den Erzschurken wegzaubern, und wir bräuchten das restliche Buch nicht zu schreiben.
Meist basieren Magiesysteme auf einer Philosophie, einem Aberglauben oder einer Religion (oder gerne auch aus einer Mischung aller dieser Elemente), die dem Leser irgendwie bekannt vorkommt. Amulette und Talismane, Begleittiere und Totemtiere, Voodoo-Puppen, Elementmagie und fliegende Teppiche sind alles gerne genutzte Elemente - was einerseits sehr klischeelastig ist, andererseits dem Leser aber gleich ein Gefühl von Vertrautheit gibt. Manche Autoren vermischen das alles, andere picken sich nur einen Aspekt raus und bauen z.B. ihr ganzes Magiesystem rund um das alchemistische Erschaffen von Talismanen auf.
In den letzten Jahren hat es sich eingebürgert, fiktive Magiesysteme in „hard magic“ und „soft magic“ zu klassifizieren. Diese Benennung erfolgte analog zu „hard sciences“ und „soft sciences“, wobei die „harten“ Wissenschaften solche sind, in denen messbare und objektive Daten eine große Rolle spielen. (Physik, Biologie und Chemie sind also „harte“ Wissenschaften, während Soziologie und Psychologie „weiche“ Wissenschaften sind.)
Soft Magic wird nicht erklärt. Es gibt keine offensichtlichen Regeln oder Grenzen, und die Magie dient vor allem dazu, für den Leser eine möglichst zauberhafte Atmosphäre aufzubauen. Der Leser soll hier einfach staunen dürfen.
„Herr der Ringe“, die „Chroniken von Narnia“ und „Lied von Eis und Feuer“ fallen alle unter die Kategorie Soft Magic. Wir erfahren nie, welche magischen Naturgesetze ermöglichen, dass in Narnia einige Tiere wie Menschen sprechen können. Oder warum Daenerys Targaryen gegen Feuer immun ist. Aber es trägt gewaltig bei zum Flair der entsprechenden Welt.
Hard Magic beruht dagegen auf einem präzisen System mit starren Regeln, die der Leser so gut nachvollziehen kann, dass er die Möglichkeiten und Limitationen der Magie voraussagen kann. Der Leser soll mitdenken können, und genau wissen, wozu die Magier in der Welt in der Lage sind und was sie nicht tun können.
Gute Beispiele für Hard Magic sind alle Serien von Brandon Sanderson (Mistborn, Sturmlicht, Elantis …) und die „Dresden Files“ von Jim Butcher. Oder, um auch mal auf andere Medien als Bücher zu schauen: „Fullmetal Alchemist“. In all diesen Geschichten werden die Kosten und Grenzen der Magie zum plottragenden Element. Alphonse kann nichts Neues erschaffen, ohne dabei eine Sache von gleichem Wert zu opfern.
Natürlich gibt es auch Mischformen: In den „Rad der Zeit“- und „Harry Potter“-Serien z.B. werden viele Aspekte der Magie erklärt, trotzdem gibt es eine große Anzahl an magischen Phänomenen, die der Leser nicht rational nachvollziehen kann.
Brandon Sanderson ging übrigens so weit, dass er für das Schreiben von Büchern allgemein die „Drei Gesetze der Magie“ formuliert hat:
Sandersons Erstes Gesetz:
An author’s ability to solve conflict with magic is directly proportional to how well the reader understands said magic.
(Die Befähigung eines Autors, (Plot-)Konflikte mittels Magie zu lösen, ist direkt proportional zum Leserverständnis dieser Magie.)
In anderen Worten:
Wenn Dein Leser weiß, dass Deine Magier drei getrocknete Erbsen in der Tasche haben müssen, um sich teleportieren zu können, dann kannst Du die Magie auch dauernd vorkommen lassen. Der Leser hat das System verstanden, und wird nie fragen, warum der nackte Magier im Verlies sich nicht einfach herausteleportiert.
Wenn Dein Leser aber nur wenig über Deine Magie weiß, dann solltest Du sie im Plot so spärlich wie möglich vorkommen lassen und sie damit weiterhin schön mysteriös halten. Sonst fragt der Leser nämlich irgendwann: Äh, warum ist Gandalf nicht einfach zum Schicksalsberg geflogen? Der kann doch zaubern!
Sandersons Zweites Gesetz:
Limitations > Power
(Die Grenzen der Magie sind wichtiger/interessanter als ihre Möglichkeiten.)
Deine Elfen können nicht mehr zaubern, wenn sie Alkohol getrunken haben? Dann wird die Kampfszene viel spannender, wenn ihnen jemand vorher heimlich Wein in den Traubensaft schüttet.
Sandersons Drittes Gesetz:
Expand on what you have already, before you add something new.
(Erweitere das, was Du bereits erschaffen hast, bevor Du etwas Neues einführst.)
Damit ist gemeint, dass man sich über die Konsequenzen der eigenen Magie Gedanken machen soll. In Band 1 haben Deine Magier einen Weg gefunden, alle Krankheiten der Welt zu heilen? Dann geh in Band 2 darauf ein, was das mit der Gesellschaft macht. Steht diese Magie nur den Reichen zur Verfügung? Werden dann alle Menschen unsterblich? Was für Auswirkungen hat es auf die Weltwirtschaft, wenn die Aktien der Pharmakonzerne einbrechen? Diese Fragen sind spannender, als wenn Du in Band 2 plötzlich eine neue Superkraft Deiner Magier einführst und sie jetzt auch noch durch die Zeit reisen können.
Entwickelt Ihr eigene Magiesysteme, oder greift Ihr auf "bekannte" Systeme zurück?
Seid Ihr Anhänger von Hard Magic oder Soft Magic?
Was haltet Ihr von Sandersons Gesetzen für den Autor?
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