Mit der Frage, ob man neue Rassen/Wesen für seine Welt erschafft, haben wir uns ja schon hier beschäftigt.
Heute geht es konkreter um die Frage: wie macht man das?
Man kann es sich da recht leicht machen: einfach irgendein Wesen erfinden, und dessen faszinierende, fremde Biologie mit „ist halt so in meiner Welt“ begründen.
Spezies 8472 aus Star Trek hat keine Haut und kann im Vakuum des Weltraums überleben weil… na, die sind Aliens und unterliegen deshalb anderen Naturgesetzen! Rowlings Feuersalamander verbrennen nicht im Kaminfeuer weil… äh… weil sie eben magisch sind. Und Legolas läuft über den Schnee, ohne Abdrücke zu hinterlassen, weil Elfen das eben können. Mir doch egal, warum er dann nicht auch über Wasser wandeln kann. Basta.
Tatsächlich funktioniert diese Herangehensweise sogar erstaunlich gut. Denn in den genannten Beispielen ist es für den Plot überhaupt nicht relevant, warum genau diese Wesen überleben. Im Gegenteil – dass wir es nicht auf Anhieb (und auch nicht nach genauem Nachdenken) verstehen unterstreicht sogar noch ihre mysteriöse Fremdartigkeit.
Allerdings sind auch alle dieser Beispiele Nebencharaktere bzw. sogar nur Hintergrundausstattung. Da lasse ich persönlich viel durchgehen als „ist halt so“. Bei Protagonisten, und solchen Charakteren/Wesen, die häufig auftreten und den Plot wirklich vorantreiben, will ich dagegen einen gewissen Grad an Realismus sehen. Ich mag es überhaupt nicht, wenn der Autor erzwungen kreativ wird und deshalb Wesen erschafft, deren einziger Job darin besteht, sensationell ausgefallen zu sein.
Bei Hauptfiguren fange ich sehr schnell an nachzugrübeln, ob denn diese Wesen überhaupt lebensfähig wären. Und nein, ein feuerspeiender Drache mit 60 m Flügelspannweite wäre nicht lebensfähig. Genausowenig ein gasförmiges Alien. Oder eine 3 m große Spinne.
Will man seine selbsterdachten Kreaturen so realistisch wie möglich schaffen, dann muss man sich über grundsätzliche Fragen Gedanken machen:
- Sind sie vernunftbegabt, und wenn sie kommunizieren, wie tun sie das? Sprache? Telepathie? Gesang?
- Wie funktioniert ihr Stoffwechsel? Brauchen sie Nahrung, Flüssigkeit, Sauerstoff, Sonnenlicht? Scheiden sie Abfallprodukte aus?
- Gibt es eine Form von latentem Leben? (Ein Zustand ohne Stoffwechselaktivität, in dem sie wie tot erscheinen, um dann unter den richtigen Bedingungen zum Leben zu erwachen – gibt es z.B. bei Moosen und Pilzsporen.)
- Wie regulieren sie ihre Körpertemperatur?
- Wie bewegen sie sich? Haben sie überhaupt Extremitäten? Sind sie an einen Standort gebunden? Können sie schwimmen, tauchen, fliegen, und wenn ja – wie?
- Was für Sinnesorgane haben sie? Wie werden die Reize im Körper fortgeleitet, haben sie Hirn und Rückenmark oder eine andere Art von (Zentral)Nervensystem?
- Wie pflanzen sie sich fort? Ist Sex angenehm für sie oder nur zweckdienlich?
- Wie sieht die Evolution bei dieser Spezies aus? Was für Mutationen können auftreten?
Natürlich muss man nicht all diese Details ausgearbeitet haben. Ich finde nur: das, was man dem Leser anbietet, sollte in sich stimmig sein.
Ein Beispiel: es gibt sehr wohl Lebewesen, die blaues, grünes, violettes oder sogar farbloses Blut haben – man kann also einen Vulkanier mit grünem Blut gut erklären. Und auf einem Planeten mit einer anderen Schwerkraft und Atmosphäre als der unseren könnte es gigantische Insekten geben.
Wie handhabt Ihr das?
Macht Ihr Euch überhaupt Gedanken über die Biologie und Physiologie sorgsam selbst entwickelter Spezies, oder darf es für Euch auch gerne das Standard-Alien mit grüner Haut und der gewöhnliche Zwerg sein?
Legt Ihr, was den Realitätsgrad betrifft, verschiedene Maßstäbe an bei Haupt- und Nebencharakteren bzw. Hintergrundausstattung wie Tiere und Pflanzen?
Habt Ihr gerne eine Welt, in der sich Dutzende erfundene Spezies tummeln, oder reicht Euch eine fantastische Rasse als Ergänzung?
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