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    Wir-Perspektive

    Ich habe gerade "Die Shakespeare-Schwestern" von Eleanor Brown gelesen. Das Buch ist in einer sehr seltsamen Perspektiv-Mischung geschrieben.
    Da wird dann eine Szene über eine der drei Schwestern geschrieben, was "sie" gerade macht, und zwischendurch wird ein "wir" und "unser Vater" und "unsere Schwester" eingestreut, und "unsere Schwester" ist dann die Schwester, die man gerade begleitet, sodass das "wir" sehr inkonstant erscheint. Vor allem erschien mir diese Perspektive so unpassend, da die drei Schwestern mental völlig voneinander isoliert waren. Drei Inseln, die in ihren Empfindungen kaum unterschiedlicher hätten sein können.
    Mich jedenfalls hat die Perspektive immer wieder irritiert.

    Habt ihr schon mal etwas in einer Wir-Perspektive gelesen? Kann man das besser machen?
    Was haltet ihr davon? Würdet ihr das ausprobieren?
    Zuletzt geändert von Feuerfeder; 31.03.2017, 13:40.
    Träumend plant der Geist seine eigene Wirklichkeit.
    - Søren Aabye Kierkegaard -

    #2
    Ich kenne das Buch nicht ... Ist es wirklich ein Perspektiv-"Wir" oder das "wir", das wahrscheinlich alle zusammen aufgewachsenen Geschwister verwenden, wenn sie über ihre allgemeine Erziehung und ihre Eltern reden? Wenn ich "meinen" Vater sage, dann nur gegenüber Leuten, die nicht wissen, dass ich auch noch einen Bruder habe - und "wir" natürlich "unsere" Eltern, mit denen "wir immer in unseren Wochenendausflug fuhren".
    Ansonsten stelle ich mir diese Perspektive für einen normalen Menschen bzw. mehrere schwierig bis lachhaft vor. "Wir setzten uns auf den Klositz". Öhm. Majestätisch oder krankenpflegerisch bevormundend?
    In einem Fantasy- oder SciFi-Setting mit Figuren wie den Borg, die einen gemeinsamen Organismus bilden, oder wo das "Ich" unerwünscht und ausgelöscht ist, könnte ich mir das eher vorstellen als in einer RL-Erzählung.

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      #3
      Durchgängig nie. Ich stelle es mir schwierig vor, sie zu schreiben.

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        #4
        Nein, es war schon ein Perspektiv-Wir. Die Schwestern haben zu selten gemeinsam mit jemand anderem als ihren Eltern geredet, als dass das andere hätte zum Tragen kommen können.

        Das sind die ersten Sätze:
        Wir kamen nach Hause, weil wir Versager waren. Das würden wir natürlich nicht zugeben, nicht gleich, nicht vor uns selbst und gewiss nicht vor anderen. Wir sagten, wir seien nach Hause gekommen, weil unsere Mutter krank war, weil wir eine Pause brauchten, eine kurze Pause, bevor wir zu unserem Nächsten Großen Projekt aufbrächen.
        Und hier eine Stelle mit dieser seltsamen Durschmischung;
        Und wie [Cordy] da im Badezimmer auf der Toilette hockte, die Füße auf zersprungenen, morschen Kachelscherben, und die rosige Linie anstarrte, die blass war wie verblichene Druckerschwärze, packte sie das schlechte Gewissen.
        »Viel tiefer kannst du nicht fallen, Cordy, alte Socke«, hörte sie Bean fröhlich sagen.
        »Wie willst du dich um ein Baby kümmern, wenn du dir nicht einmal einen Schwangerschaftstest leisten kannst?« Rose ließ nicht locker.
        Cordy wischte unsere imaginären Stimmen beiseite und begrub den Beweis im Mülleimer. Eigentlich spielte es keine Rolle, sagte sie sich.
        Zuletzt geändert von Feuerfeder; 31.03.2017, 13:59.
        Träumend plant der Geist seine eigene Wirklichkeit.
        - Søren Aabye Kierkegaard -

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          #5
          Hast du das Buch schon fertig? Das klingt für mich als ob es auf jeden Fall eine sehr tiefe, psychologische Bedeutung hat. Vielleicht sind "wir" weitere Persönlichkeiten wie bei einem schizophrenen Menschen?

          Ich habe zwar noch nie ein Buch in dieser Form gelesen oder geschrieben, aber zurzeit schaue ich die Serie Borgia und der Papst spricht von sich ja auch immer im "Wir". Insofern kann es schon funktionieren, wenn man die Ich-Perspektive eines Papstes wählt.
          Derweilen ist auf dem Feld schon alles gewachsen, bevor die wussten, warum und wie genau es gedeiht. - Franziska Alber

          So nah, so fern.

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            #6
            Ja, ich hab das Buch durch und ich hab trotzdem keinen Sinn hinter dieser Perspektivewahl erkannt. Bzw. es geht ja um drei Schwestern, die sich sehr unähnlich sind und nicht wirklich mögen, aber trotzdem sehr eng miteinander verbunden sind. Von daher könnte man es so interpretieren, dass durch das "wir" dieses tiefe, irgendwie elementarere Verbundenheit verdeutlicht werden sollte.
            Aber das hat für mich nicht funktioniert. Im Gegenteil, mich hat die Perspektive gestört, weil es mich immer wieder aus dem Lesefluss gerissen hat.

            Trotzdem fand ich es auch interessant und wollte eben wissen, ob da jemand andere Beispiele für kennt oder die Perspektive mal selber ausprobiert hat oder ausprobieren würde.
            Mich reizt es irgendwie nicht genug.
            Träumend plant der Geist seine eigene Wirklichkeit.
            - Søren Aabye Kierkegaard -

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              #7
              Noch ein Beispiel für eine - in meinen Augen funktionierende - Wir-Perspektive ist The Virgin Suicides von Jeffrey Eugenides. Interessanterweise geht es da ebenfalls um (fünf) Schwestern, die in einem von ihren Eltern abgeschotteten Mikrokosmos leben. Nur sind die Schwestern nicht das "Wir", sondern das "Sie". Sie werden von einer Gruppe Teenager-Jungen aus der Nachbarschaft beobachtet / angehimmelt, und einer aus dieser Gruppe ist der Wir-Erzähler.

              Ich kann mich nicht erinnern, dass er dabei überhaupt mal zum Ich wechselt. Ist aber auch schon eine Weile her, dass ich es gelesen habe. Der Junge als Teil des Wir ist auch nicht der Protagonist, sondern der Berichterstatter. Die Schwestern sind die echten Hauptfiguren.

              Ich fand die Perspektive völlig überzeugend und sehr spannend, was die Atmosphäre angeht. Man erlebt die Geschichte als Teil einer Gemeinschaft, die eben tatsächlich nicht aus erwachsenen Individuen besteht und daher auch eher eine Art kollektives Bewusstsein und Gewissen hat - zumindest im Rückblick (Erzählzeit ist Präteritum). Jegliche Aufmerksamkeit gilt den Schwestern, die zwar durchaus als unterschiedlich reif oder schüchtern beschrieben werden ... aber eigentlich sind auch die eine mentale Einheit, die ausschließlich aus dem elterlichen Käfig fliehen will.

              Kann das Buch sehr empfehlen. Der Titel funktioniert hoffentlich als Trigger-Warnung
              and it's not what we think
              rather the opposite
              it's staring at the end of you.

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                #8
                Also ich muss sagen, ich habe noch nie ein Buch gelesen, dass eine Wir-Perspektive hatte. Wusste auch nicht, dass es sowas gibt. Kann mir das auch irgendwie nur schlecht vorstellen - außer halt bei einem Roman in dem der/die Prota Schizophren oder so ist ... aber es wäre schon irgendwie interessant. Da ich aber auch nicht gern in der Ich-Perspektive lese oder schreibe, denke ich nicht, dass ich das je versuchen würde ...

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                  #9
                  Ich habe diesen Roman nicht gelesen, aber generell könnte ich mir vorstellen, dass der Autor mit der "Wir-Perspektive" (also "Unsere Schwestern") versucht hat, den Leser quasi "mit ins Boot" zu ziehen. (Es ist quasi die Geschichte des Erzählers und somit auch die des Lesers).
                  Wie ich darauf komme: Die "Wir-Perspektive" wird ganz gerne verwendet, um eben Leute wo mitzuziehen. (Politiker in ner Rede: "Wir kriegen das hin!" -- Politiker und Zuhörer sind ein "Team", auch wenn der Herr Meyer von nebenan jetzt kaum mit ihm die Welt retten kann^^; therapeutisch: "Herr Meyer, wir haben heute schon wieder nichts gegessen ... Wir müssen ein bissi mehr essen, wenn wir wieder gesund werden wollen" -- Herr Meyer und Arzt sind ein "Team", auch wenn der Arzt wohl brav gegessen hat ^^.)
                  Allerdings birgt diese Perspektive, zumindest abseits von Romanperspektiven, Schattenseiten.)


                  Ich kann mich jetzt an kein konkretes Romanbeispiel erinnern (abseits von Pluralis Majestatis), aber mir kommt diese Perspektivwahl grad nicht unbekannt vor. Ich glaube, ich habe so was auch schon mal gelesen, und ich glaube, es war irgendwas "Älteres", so in Richtung Märchen oder Sage ...

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                    #10
                    Bei dem Titel dachte ich zuerst an die Nornen-Schwestern und könnte mir das so wirklich gut vorstellen.

                    Von deinem Auszug her scheint es mir allerdings eine seltsame Mischung zwischen Sie-Erzähler und Wir-Erzähler zu sein und ich glaube, das funktioniert nicht gut. Der Bruch zwischen dritter und erster Person scheint mir stärker als der Bruch zwischen Singular und Plural zu sein, sodass man hier zwei komplett verschiedene Erzählstrategien kombiniert. Vielleicht las es sich deswegen merkwürdig(er)?

                    Der Pluralis Majestatis macht wohl keine Schwierigkeiten. Ich denke, die Schwierigkeit eines Wir-Erzählers ist der Plural (der beim Pluralis Majestatis ja nicht gegeben ist, wird er doch als Singular verwendet) und dass die meisten Menschen sich eben nicht als Teil eines so festen Kollektivs sehen, dass sie keine eigene, einzelne Stimme mehr haben. Aber für die Fälle, wo das Sinn macht (z.B. Nornen, Borg, besonders nahe Geschwister etc) stelle ich mir das sehr interessant vor.
                    Ayo, my pen and paper cause a chain reaction
                    to get your brain relaxin', the zany actin' maniac in action.
                    A brainiac in fact, son, you mainly lack attraction.
                    You look insanely whack when just a fraction of my tracks run.

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                      #11
                      Also ich kann mir viele logische Varianten überlegen, wo das Wir angebracht wäre:

                      Der Prota erzählt eine Geschichte in der er selbst Teil einer Gruppe war - Wechsel Ich und Wir Perspektive.

                      Wir zogen nach XYZ, wo wir unser Lager für die Nacht aufschlugen. Meine Aufgabe war es das Feuerholz zu suchen. Ich ging in den Wald ... blabla Danach entfachten wir ein gewaltiges Feuer und brutzelten lecker Würstchen drauf.

                      Der Prota erzählt eine Geschichte in der zwei Parteien vorkommen.

                      Wir rückten voran; unsere Schilder bildeten einen schützenden Wall. Wenngleich sie es mehrfach versuchten, so waren unsere Feinde doch nicht in der Lage, diesen zu durchbrechen. Sie umkreisten uns wie wilde Tiere. Ihre Gesichter waren zu wütenden Fratzen verzogen ...

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