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Freitagsinfusion #5: Du bist die Pusteblume von damals …

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    [Inspiration] Freitagsinfusion #5: Du bist die Pusteblume von damals …



    Die beiden sehen sich nach dreißig Jahren zum ersten Mal wieder. Was passiert?

    #2
    Der Mann vor mir an der Kasse dreht sich zu mir um.
    "Hallo Sonja. Kennst du mich noch?"
    Als ich meinen Namen höre zucke ich zusammen. Gerade noch habe ich überlegt, ob ich an alles für die Carbonara gedacht habe. Jetzt sehe ich von meinen Sahnebechern und Zwiebeln auf und mustere ihn. Ein großer Mann, dunkle Haare. Das Gesicht ist mir unbekannt, trotzdem habe ich das dumpfe Gefühl, ihn zu kennen. Ein Name schießt mir in den Kopf. Phillip? Er könnte es sein – ebenso wie jeder andere, den ich seit der Grundschule nicht gesehen habe. Ich fange doch jetzt nicht hier mitten im Edeka an der Kasse an, Namen zu raten ...
    "Ähm, ich, keine Ahnung?", sage ich.
    "Phillip! Wir haben nebeneinander gewohnt."
    "Ja, in der Bachstraße!" Ich schenke ihm ein Lächeln. Gleichzeitig schießen mir peinliche Erinnerungen in den Kopf. Er war der Erste, der mir je gestand, dass er in mich verliebt ist. Ich habe ihn abgewiesen. Weil er immer Sandalen trug, und ich Sandalen hasste. Damals waren wir vier oder so. "Das ist ja lustig dich hier zu treffen! Wie geht's dir?"
    "Ach, ich wohne jetzt drüben neben der Feuerwehr. Verheiratet und zwei Töchter." Biografie in Kurzform. Immerhin hat er eine andere gefunden, dann fühle ich mich doch gleich nicht mehr so schuldig, dass ich ihm damals einen Korb gegeben habe. Wahrscheinlich sind aber auch seine Gefühle für mich inzwischen erkaltet. "Und du?"
    "Ich bin auch verheiratet. Wir wohnen gleich hier ums Eck in der Grombacherstraße."
    "Ja, ich hab dich schon öfter hier im Edeka gesehen."
    Ich sehe ihn erstaunt an. "Und du hast mich nach all den Jahren noch erkannt?"
    "Na klar! Du hast dich gar nicht verändert."
    Ist das jetzt ein Kompliment? "Du dich schon", sage ich. Ich habe das Gefühl, mich entschuldigen zu müssen, dass ich ihn nicht erkannt habe. Nachdem er doch mein erster Verehrer war. "Du hattest früher so Wuschellocken."
    "Ja." Er lacht.
    Dann schweigen wir. Worüber redet man nach 30 Jahren?
    Ich erinnere mich an den Tag, als ich weggezogen bin. Ich habe ihm zum Abschied einen Strauß Pusteblumen geschenkt. Was er wohl damit gemacht hat? Vermutlich die Schirmchen weggepustet, bis alle so verschwunden waren wie ich aus seinem Leben.
    Er ist dran, die Kassiererin scannt seine Einkäufe. Ich bin froh, dass es die peinliche Pause füllt. Ob er die Pusteblumen damals missverstanden hat? Vielleicht hat er sich danach nochmal Hoffnung gemacht.
    Fühle ich mich gerade schlecht, weil ich vor dreißig Jahren einem Vierjährigen das Herz gebrochen habe?
    Phillip bezahlt, packt seine Einkäufe weg und winkt mir zu.
    "Also dann, vielleicht trifft man sich ja noch öfter!"
    "Ja." Ich hebe auch meine Hand und winke. Die Kassiererin scannt meine Zwiebeln. "Bis dann."
    Poems are never finished.
    Just abandoned.

    Kommentar


    • Victoria
      Victoria kommentierte
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      Schöner Dialog! Ich kann mir die Figuren gut mir einem "Hä, was war das denn jetzt?" vorstellen.
      Wie gehts dir? – Ich bin verheiratet.

      Besonders klasse: Weil er immer Sandalen trug, und ich Sandalen hasste.
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