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Freitagsinfusion 13/22: Trefft euch

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    Freitagsinfusion 13/22: Trefft euch

    Huch, wo ist denn der Freitag hin? *räusper* Dann ist das hier vielmehr eine Samstagsinfusion … aber sei‘s drum


    Trefft euch mit einem eurer Charaktere, die euch schon am längsten begleiten, auf ein Getränk seiner_ihrer Wahl. Was gibt’s zu trinken? Wo trefft ihr euch? Worüber redet ihr? Schreibt eine kleine Szene.
    Wartest du dort hinterm Horizont? Schmiegt die Erde sich so müde an das Himmelreich? Sturm zieht auf mit dunkler Wolkenfront. Ganz egal wie schnell ich lauf, der Abstand bleibt doch gleich. Die alte Sehnsucht ist mein einziger Begleiter. Und trotzdem steh ich auf und gehe taumelnd weiter. — ASP, Ziel

    #2
    „Setz dich.“
    Mein Gegenüber lässt mich nicht aus den Augen, während ich der Aufforderung nachkomme. Dunkle Augen, die keine Emotionen verraten. Gut, dass ich sitze, aber auch ohne den Größenunterschied schafft er es, auf mich herabzusehen. Erst als er Wein in zwei Kelche füllt und einen davon zu mir schiebt, schleicht sich ein Lächeln auf seine Lippen, das die Augen aber nicht erreicht.
    „Also … hast du endlich Ideen, wie die Geschichte weitergehen kann, oder wird das wieder eine kleine Szene, die nie kanonisch wird?“
    Halb aus Gewohnheit – bei Gesprächen mit ihm reicht er fast immer einen schwachen Wein – und halb, um meine Antwort zu überdenken, trinke ich einen Schluck. Der Wein schmeckt trocken und etwas sauer. Aber was kann ich schon von einem Getränk erwarten, das ich hauptsächlich für das Ambiente eingeführt habe, nicht weil ich es selbst mag? Um zu verhindern, dass er sieht, wie ich das Gesicht verziehe, trinke ich noch einen Schluck.
    „Bitte sag mir, dass es keine Flirtszene wird.“
    Ich huste, schüttle den Kopf, trinke ein paar größere Schlucke, bis sich mein Hals ausreichend beruhigt hat.
    „Ausgezeichnet, ich habe Besseres zu tun. Schmeckt dir der Wein?“
    „Er schmeckt ausgezeichnet.“, wiederhole ich seine Wortwahl. Verdammt, warum habe ich nochmal festgelegt, dass sein Blick so durchdringend ist? Was sagen Weinkenner normalerweise? „Südhang?“
    „Natürlich. Es wäre sonst kaum möglich, den Geschmack des Giftes zu überdecken.“
    „Du hast was!?“
    „Dich vergiftet. Sei nicht so überrascht, es ist schließlich mein Job, böse zu sein.“ Diesmal wirkt sein Lächeln echt. „Keine Sorge, ich habe ein Gegenmittel. Und einige Forderungen.“
    Während ich mich innerlich selbst verfluche, verschränkt er die Finger ineinander und wartet.

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    • Ankh
      Ankh kommentierte
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      Wenn man bedenkt, dass aus seiner Sichtweise du ihm das angetan hast, kann ich seinen Standpunkt durchaus verstehen. Wir Autoren sind die grausamsten Götter ...

    • Coira
      Coira kommentierte
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      Definitiv. Ehrlich gesagt denke ich nicht, dass die Protagonist*innen mich freundlicher behandeln würden, eher im Gegenteil 😶😅

    • magico
      magico kommentierte
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      Schöner Twist, obwohl Gift im Wein auch schon wieder ein Klischee ist, aber gut umgesetzt.

    #3
    "Setz dich doch, Thomas."
    Noch immer stand er, unsicher in der Gegend umherblickend, zwischen der großen Topfpalme und der Karibikbar.
    Seine weiße Fliege mit den roten Punkten wirkte reichlich fehl am Platz, aber ich konnte nicht behaupten, dass sie ihm nicht stünde.
    Schließlich ließ er sich darauf ein und plumpste förmlich auf den Hocker.
    "Danke", sagte er schüchtern. "Musste es unbedingt dieser ...", er überlegte kurz, "... Ort hier sein?"
    Ich nickte ernst. "Was willst du trinken?"
    Als wenn ich die Antwort nicht schon wusste.
    "Eigentlich Hagebuttentee, aber ..."
    Mein erhobener Zeigefinger stoppte die weitere Ausführung seines Satzes. Ich war vorbereitet.
    "Hier an der Bar haben sie den nicht." Ich zwinkerte ihm zu. "Aber drinnen im Restaurant und ich habe uns schon zwei bestellt."
    Sein anfänglich verwunderter Blick, wich freudiger Überraschung.
    "Also ...", begann ich, "... kann ich irgendwas für dich tun?"
    Thomas betrachtete die Tischplatte sehr intensiv. Zählte er die Jahresringe auf dem alten Holz?
    Ich wollte ihn gerade noch einmal fragen, als er aus seiner Lethargie erwachte: "Vielleicht weniger plötzliche Wendungen?"
    Er tat mir fast schon leid, so kläglich brachte er seine Bitte hervor.
    Die Bedienung kam, stellte zwei weiße Tassen, aus den es mächtig dampfte, ab und verschwand wieder im Gewusel.
    "Sorry Thomas, aber das geht nicht."
    Er ließ ein nachdenkliches "hm" hören, das allerdings auch resignierende Zustimmung hätte sein können.
    "Das habe ich schon erwartet", sagte er schließlich und nippte an seinem Heißgetränk. "Danke für Tee." Er lächelte müde.
    "Keine Ursache."
    http://www.wandern-mit-kindern-in-thueringen.de

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    • Coira
      Coira kommentierte
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      Oh nein. Je mehr ich lese, desto mehr Mitleid bekomme ich mit Thomas.
      Ich hoffe er bekommt zumindest einen unverhofften Jahresvorrat Hagebuttentee, er hört sich ziemlich erschöpft an.

    • magico
      magico kommentierte
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      Das lässt sich sicher einrichten. Aber wahrscheinlich braucht er nur einen Halbjahresvorrat, da er ab und zu auch Pfefferminztee trinkt. Für den gewissen Pep im Leben.

    • Coira
      Coira kommentierte
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      Da lässt es jemand so richtig krachen

    #4
    Schweigend gehen wir zwischen den Bäumen hindurch und setzen uns Schulter an Schulter gegen den Stamm eines besonders breiten Baums gelehnt auf den Boden. Ich atme den Duft des Waldes ein, während Thaes einen Schlauch aus seiner Tasche zieht. Er hält ihn mir hin und ihn nehme einen Schluck des gewässerten Weins.
    »Wie geht es dir?«, will ich wissen während er den Schlauch nimmt, worauf er trocken lacht. Sein Blick ist freundlich, aber die Traurigkeit in ihm unübersehbar.
    »Ist es vorbei?«
    »Ist es.«
    »Endlich«, sagt er leise.
    »Es tut mir leid«, erwidere ich ebenso leise.
    »Kann man es eigentlich Schicksal nennen, wenn es von dir kommt?«, fragt Thaes und sieht mich mit einem sonderbaren Funkeln in den blauen Augen, diesem unbeugsamen Lebenswillen in ihm an. Diesmal bin ich diejenige die lacht.
    »Ich weiß nicht.«
    »Ist es wirklich vorbei?«, fragt er wieder und Unsicherheit liegt in seinem Blick.
    »Ja.«
    Er senkt den Blick, betrachtete die Farne und Moose in unserer Umgebung, bevor er den Kopf auf meine Schulter sinken lässt. Einen Arm um ihn legend, halte ich ihn fest und frage mich, ob ich das Richtige getan hab.
    "A writer is a world trapped in a person." Victor Hugo
    "Writing is hard work; it's also the best job I've ever had." Raymond E. Feist
    "Be inspired by others, but when you sit down to write, knock down any walls of doubt, and write like only you can." Lucy Knott

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    • Nachtmahr
      Nachtmahr kommentierte
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      Danke. Sie drückt ganz gut das Wesen der Geschichte aus und was ich für sie bzw. den Prota empfinde. Ich war aber wohl nicht ganz bei der Sache, wie man an gewissen Wortwiederholungen sehen kann (ich sag nichts ohne meinen Anwalt).

    • SaKi
      SaKi kommentierte
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      Gefällt mir auch gut, man spürt richtig, dass sein „Schicksal“ ihm einiges abverlangt hat. Aber er scheint dir ja noch wohlgesonnen

    • Nachtmahr
      Nachtmahr kommentierte
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      Hat es und ist er.

    #5
    Claire umklammert die Kaffeetasse mit beiden Händen; das Getränk darin ist schwarz wie die Nacht. Schwarz wie ihre Seele, hätte ich damals geschrieben, aber darüber sind wir längst hinaus.
    »Das war also alles ausgedacht«, sagt sie irgendwann.
    Mein Gesicht spiegelt sich in ihrer Sonnenbrille, meine Kehle ist wie zugeschnürt. Ich habe noch keinen einzigen Schluck von meinem Tee getrunken. Ein öffentlicher Ort, das ist ihre Bedingung gewesen. Deshalb sitzen wir unter dem Sonnenschirm eines Cafés. Trotzdem kommt mir die Welt um mich herum plötzlich klein und zugeschnürt vor, nur auf uns beide fokussiert. Da sitzt sie, Claire mit den vielen Nachnamen, ich konnte mich nie für einen entscheiden. Claire, die gescheiterte Polizeischülerin, die strenge Handlangerin, die Hackerin. Die Frau mit dem streng zurückgebundenen schwarzen Haar und dem blutroten Lippenstift, die nie ihre Sonnenbrille ablegt. Auch vor mir nicht. Gerade vor mir nicht. Sie hat zu viel Angst, dass man ihr wahres Ich erkennt.
    »Ja, das war ausgedacht«, gebe ich zu und kann spüren, wie sie mich durch die verspiegelten Brillengläser mustert. Dann nimmt sie einen Schluck Kaffee und schweigt.
    Ich kann mir vorstellen, was in ihr vorgeht. Es ist nicht unbedingt Wut, nur Ohnmacht und Traurigkeit. Ich bin daran schuld, dass sie immer noch nachts schweißgebadet aufwacht und jedes Mal, wenn sie ihre Wohnung betritt, ihre Pistole in alle Räume richtet. Ich bin der Grund, warum die Tasse in ihrer Hand zittert, obwohl sie früher so eine präzise Schützin gewesen ist. Dabei kann sie froh sein, dass sie überhaupt noch lebt. Aber das sage ich ihr natürlich nicht.
    »Machst du das öfter?«, fragt sie.
    »Hm?«
    »Dir Dinge ausdenken.«
    Es schwingt Verbitterung in ihrer Stimme mit. Ihr Nacken verschwindet hinter dem hohen Kragen ihres Mantels. Ein Schutzpanzer. Sie war eine meiner ersten tragischen Figuren: Intelligent, selbstsicher und immer auf der Seite der Gewinner, aber doch dazu bestimmt, am Ende zu verlieren.
    »Ja. Das mache ich ständig. Und wenn ich ehrlich sein soll, ging es dir im Vergleich zu den anderen noch ziemlich gut.«
    Wieder schweigt sie eine Weile. Dann sagt sie: »Aber jetzt brauchst du mich nicht mehr. Ich bin in Rente.«
    Es ist keine Frage, sondern eine Feststellung.
    »Klar«, erwidere ich. »Du bist mehr als zehn Jahre alt. Damit bist du längst überholt.«
    »Nett«, sagt sie zynisch.
    Noch einmal betrachte ich sie eingehend. Von meinen neuen Plänen erzähle ich ihr lieber nichts. Und vielleicht fällt mir irgendwann sogar noch ein passender Nachname für sie ein.

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    • SaKi
      SaKi kommentierte
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      Klasse Szene! Ich war richtig dabei und dank der eingestreuten Details konnte ich deine Figur schon gut kennenlernen. Würde mich freuen, mehr von ihr zu lesen Und dein Stil gefällt mir

    • magico
      magico kommentierte
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      Ohne Witz: Mir warf sich sofort die Frage auf, wie eine Geschichte um in die Rente geschickte literarische Figuren wohl aussehen würde?

    • Witness
      Witness kommentierte
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      SaKi Danke! Sie stammt aus einem 10 Jahre alten Projekt, das ich heute so nicht mehr schreiben würde, aber sie selbst als Figur verfolgt mich ab und zu immer noch
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