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Freitagsinfusion #90: Begegnung

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    Freitagsinfusion #90: Begegnung

    Schreibe eine kurze Szene einer potentiell Konflikt-geladenen Begegnung zwischen einer PoC-Figur und einem Alten Weißen Mann (z B Anrempler in der U-Bahn, etc), die Grundlage/MacGuffin/Anfang für einen Roman sein könnte.
    Meide Klischees.

    #2
    Kein Make-up. Natürlich nicht. Natürlich nicht, nachdem sie in der Nacht so gut wie kein Auge zugetan hatte und ihr Gesicht entsprechend nur aus Augenringen zu bestehen schien. Wer brauchte da schon Make-up? Wer brauchte auch Make-up, wenn die Falten immer tiefer wurden und die Farbe der Lippen immer farbloser? Und wer brauchte schon Make-up, gerade jetzt, wo der wahrscheinlich attraktivste Mann der Welt direkt in ihrem Blickfeld saß? Ihn anzusprechen, konnte sie sich so jedenfalls - ha ha - abschminken.
    Andererseits ... wenn er ihr so, wie sie jetzt aussah - blass, übermüdet, langweilig - seine Nummer geben würde, dann wäre sie für ihn interessant. Trotzdem. Ob sie nach so einer Nacht großartig mit ihrem Geist würde glänzen können, wäre natürlich eine andere Frage.
    Aber er sah so gut aus. Nicht wunderschön, das nicht, aber verflixt gut in seinem schwarzen Sakko, das er gar nicht geschäftsmäßig trug, sondern irgendwie locker. Und er saß da auf der Bank im Park, den Fußknöchel auf das andere Bein gelegt, den Ellbogen auf der Rückenlehne, und er las ... irgendwas, das sie nicht erkannte, egal, er las! Ein richtiges Buch! Dann das blonde Haar - sie stand schon immer auf blond. Da hatte sie bisher bei ihren Männern Pech gehabt. Einer war sogar rothaarig gewesen. Natürlich kam es letztendlich nicht auf die Haarfarbe an, aber wenn die auch noch passte, war das doch wie ein Sechser im Lotto, oder etwa nicht? Und er las immerhin ein Buch, einen Roman, so wie es aussah. Was konnte schon schlecht sein an einem Mann, der sich in einem Park Zeit nahm für ein Buch? In seiner Mittagspause vermutlich. Und er war gekleidet wie einer, der gut verdient, das sah man sofort. Jetzt lächelte er über irgend etwas. Du liebe Güte, er lächelte, richtig und ehrlich, dieses Lächeln!
    Gut, sie konnte diese Gelegenheit nicht vorbeiziehen lassen. Ein solcher Mann kam hier nicht alle Tage her, klar, sonst hätte sie ihn im Park ja schon einmal gesehen. Gepfiffen aufs Make-up! Sie würde es jetzt tun. Würde ihn fragen, was er las, gute Idee. Sehr gute Idee. Zweieinhalb Minuten Schlaf und trotzdem wusste sie, wie sie ihn ansprechen würde. Ganz aussichtslos konnte es also nicht sein.
    Je näher sie kam, desto besser gefiel er ihr. Auch nicht selbstverständlich. Und da! Ken Follett! Okay, es war eindeutig Schicksal, dass ...
    ... sich ein älterer Herr im Anzug neben ihn setzte und ihm einen braunen Briefumschlag gab, ohne ihn anzusehen und ohne ein Wort mit ihm zu wechseln?
    Und kaum dass er Briefumschlag den Besitzer gewechselt hatte, stand der Blonde auf. Sein Sakko rutschte dabei hoch. Es entblößte etwas, das im hinteren Bund seiner Hose steckte in dem sich für den Bruchteil einer Sekunde die Sonne spiegelte. Dann drehte er sich von dem Alten weg, noch immer, ohne ihn überhaupt angesehen zu haben, und kam direkt auf sie zu, den Blick auf den Boden gerichtet - und in der Zeit hätte sie etwas tun können, sich hinter einem Baum verstecken oder so, weil sie aus irgendeinem Grund, vielleicht wegen des Etwas' in seinem Hosenbund, das drängende Bedürfnis verspürte, sich hinter einem Baum zu verstecken, sich egal wo zu verstecken -, bevor er aufsah und wusste, dass sie wusste, dass sie viel zu viele Spionagethriller gelesen hatte, um nicht zu wissen, was der Alte ihm gegeben hatte.
    Zuletzt geändert von Amilyn; 17.09.2019, 15:29.

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