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Weltenfrage #6: Gelebte Religion: Rituale und Traditionen

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    Weltenfrage #6: Gelebte Religion: Rituale und Traditionen

    Weltenfrage #6: Gelebte Religion: Rituale und Traditionen


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    Nachdem wir uns letztes Mal mit dem abstrakten Konzept fiktiver Religionen beschäftigt haben geht es heute um die ganz konkrete Anwendung davon. Wie leben die erdachten Charaktere ihre Religiosität aus? Wird ihr Alltag von starren Traditionen und Regeln beherrscht, oder gilt (um eines meiner Lieblingszitate aus 'Fluch der Karibik' zu bemühen): "It's mostly guidelines"?

    Die meisten Religionen schreiben ihren Gläubigen bestimmte Verhaltensweisen im Alltag vor, und ganz grob kann man diese in zwei Gruppen einteilen: Gebote und Verbote. Diese lassen sich in Romanen natürlich wunderbar verwenden, um etwas Hintergrundflair zu erschaffen. Dass ein Charakter grundsätzlich jedem Bettler ein Almosen gibt, oder kein Fleisch von "unreinen" Tieren isst, lässt sich in einem Nebensatz einbauen.

    Für uns Schreiber interessanter finde ich persönlich die größeren Rituale, die nur zu besonderen Anlässen durchgeführt werden, denn solche Anlässe sind ja dann auch meist im Plot wichtige Punkte und lohnen, ausführlich beschrieben zu werden. Von der Choreographie der anwesenden Personen bis hin zur musikalischen Untermalung, dem erforderlichen Ritualkleid und der Auswirklung, die all das auf die Emotionen der Charaktere hat: Große Rituale können wunderbare große Szenen ergeben.

    Solche Rituale oder Zeremonien gibt es in praktisch allen (echten) Religionen, und in fast allen Religionen findet sich jeder der unten genannten Punkte:
    • Fruchtbarkeitsriten für Menschen
    • Fruchtbarkeitsriten für die Natur und eine erhoffte reiche Ernte
    • Feste, mit denen eine neue Jahreszeit begrüßt oder eine alte Jahreszeit verabschiedet wird
    • Aufnahme eines Kindes (oder Konvertiten) in die Gemeinschaft der Gläubigen
    • Initiationsritus, der den Übergang von Kindheit zu Erwachsenenalter markiert
    • Hochzeit
    • Weihe einer Person für ein der Religion gewidmetes Leben
    • Segnung von Objekten
    • Beistand bei schwerer Krankheit und/oder Sterbebegleitung
    • Totenwache
    • Bestattung
    • Gedenken an Verstorbene

    Ich finde es fast erstaunlich, wie sehr sich diese Rituale bei verschiedenen Religionen gleichen, wenn man sich nicht auf die durchgeführten Handlungen konzentriert, sondern auf den Kernaspekt der Sache:

    Natürlich unterscheidet sich der Fruchtbarkeitsritus der katholischen Kirche (kaum vorhanden: ist reduziert auf einen Satz, der bei der Trauung gesprochen wird und in dem auf die Kinder, die aus der Verbindung hervorgehen werden, eingegangen wird) von den Ritualen, die in manchen neo-heidnischen Glaubensgemeinschaften gefeiert werden (und die bis zu einem echten Geschlechtsakt gehen). Aber der Grundgedanke ist der gleiche: die Fruchtbarkeit der Gläubigen soll gefördert werden, damit die Gemeinschaft der Gläubigen nicht ausstirbt.
    Und genauso ist es eigentlich mit all den anderen religiösen Zeremonien, die irgendwann im Leben einer Person durchgeführt werden.
    Manche führen eine Taufe mit Wasser durch und manche tragen das Kind über ein Feuer – in jedem Fall wird damit ein Neuankömmling in die Gemeinde aufgenommen.
    In manchen Kulturen muss ein Jugendlicher einen Löwen erlegen, und in manchen nur sein Taufversprechen erneuern – aber immer gilt er danach innerhalb der Glaubensgemeinschaft als erwachsen.
    Ein toter Körper mag beerdigt, seebestattet, verbrannt oder von Geiern aufgefressen werden – es ist aber immer ein Ritual, dass den Hinterbliebenen Hoffnung geben und sie in ihrer Trauer auffangen soll.
    Egal ob Erntedank gefeiert wird oder Lughnasadh - die Idee dahinter ist, den Herbst zu begrüßen und Dankbarkeit für die geernteten Gaben zu zeigen.

    Diese Vielfalt in der Realität ermöglicht uns aber auch, in der Fiktion so ziemlich alles zu erfinden, was wir wollen - sofern es in seinem Grundgedanken irgendwie Verwandtschaft mit einem echten, irdischen Ritual hat.
    Bevor ich mit der Recherche für diesen Artikel anfing hatte ich erwartet, bei erfundenen Religionen aus irgendwelchen Büchern (auch Filmen etc.) irgendwo über ausgedachte Rituale zu stolpern, die sich mit keinem realen Ritus vergleichen lassen. Tatsächlich habe ich aber kein einziges gefunden. Fällt Euch eines ein?

    Egal was für eine Art von Ritual wir in unseren erdachten Geschichten beschreiben, es kann ein tolles Werkzeug sein, um den Plot voranzubringen und vor allem der Welt und ihren Charakteren Tiefe zu verleihen. Je komplexer das Ritual, umso älter ist seine Geschichte. Die pompöse, durchchoreographierte Taufe eines Thronerben gibt uns viel Platz, die reiche Geschichte seines Staats ohne Infodumping durchschimmern zu lassen. Die Nottaufe eines sterbenden Kindes, das unter dramatischen Umständen geboren wurde, gibt dagegen viel Möglichkeit, Emotionen einfließen zu lassen.
    Trotzdem habe ich bei meiner Recherche für diesen Artikel nur relativ wenige Beispiele für wirklich ausführlich geschilderte religiöse Handlungen in Büchern gefunden. Bei Filmen und Serien wird man schnell fündig – wahrscheinlich, weil sich Ritualszenen gut optisch beeindruckend umsetzen lassen. Und ich frage mich, woran das liegt.
    Gelten solche Szenen niedergeschrieben als langweilig und langatmig? Oder sind sie einfach zu schwer zu schreiben? Ich tendiere dazu, letzteres zu glauben. Wo ich nämlich in der Literatur solche Szenen entdeckt habe, da fand ich sie oft unfreiwillig komisch oder einfach unglaublich blöd.
    Mich würde daher sehr interessieren, wie Ihr das handhabt.

    Beschreibt Ihr Rituale ausführlich?

    Denkt Ihr sie Euch komplett selbst aus, oder holt Ihr Euch absichtlich Inspiration von echten Religionen?

    Nutzt Ihr sie als Element, um den Plot voranzubringen, oder Eure Charaktere zu bestimmten Verhaltensweisen zu zwingen?

    Angehängte Dateien
    Always avoid alliteration.

    #2
    Irgendwann hatte ich mal einen Text eingestellt indem ich ein Totenritual beschreibe. Aber so würde ich es nie in meinem eigentlichen Text beschreiben, da es keine Relevanz hat. Aber das Schreiben selbst hatte Spaß gemacht und es war zum Teil ausgedacht und auch aus einer anderen Kultur entlehnt.

    Mir ist es wichtig plotrelevant zu bleiben. Wäre ein Ritual wichtig, würde ich es erzählen. In meinem Text/Geschichten ist es allerdings unwichtig.
    Nein das war ich nicht.
    Ach so, das!
    Ja, das war ich.

    Kontakt: administrator@wortkompass.de

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      #3
      Ich denke, Rituale wirken deswegen auf der Leinwand besser als im Text, weil sie speziell fürs Zeigen und Sehen ausgelegt sind. Das macht das Beschreiben sicher schwerer.

      Meine Nomadengeschichte beginnt sogar mit einem Ritual, das neue Jahr beginnt und der Schamane betet die Göttin der Zeit an, ihm Zeichen für die Qualität des neuen Jahres zu geben: wird es gut oder schlecht? Wetterkatastrophen? Epidemien? Was man eben so wissen will übers neue Jahr.
      Dazu begibt er sich zu ihrem Heiligen Ort und tanzt sich dort in Trance, um ihre Prophezeiung empfangen zu können. In dieser Vision kann ich dann fast alle Plot relevanten Details über Götter, Mythen und Legenden dieses Volkes einfließen lassen.
      Auszug wie der Schamane in den Trancezustand gerät:
      "Oh weise Tadomes!” Die drei großen Silben verließen seine Lippen, obwohl seine Zunge sich schwer und leicht zugleich anfühlte. Sein Körper tanzte noch immer, obwohl seine Füße kein Gleichgewicht mehr fanden. Er fiel und fiel doch nicht, schlug auf dem Boden auf und stand noch immer. Er streckte sich nach den Sternen und versank tiefer in der Erde. Die Nacht unterm Sichelmond strahlte so hell wie unberührter Schnee. Die Flammen läuteten in seinen Ohren, die Schatten krochen in seine Nase und die drei großen Silben rissen ihn mit sich in ihren farblosen Kosmos.


      Nicht über eine von mir ausgedachte Religion aber vielleicht trotzdem relevant:
      Ich hab mal ein Kurzgeschichte über einen streng katholischen Vampir geschrieben, der dann entsprechend auch die Messe besucht. Man kann sich vorstellen, so ein Vampir hat's schwer, wenn sich das Wein in das Blut Jesu Christi verwandelt *räusper* Ich hab versucht, mich sehr nah an einer echten Messe zu halten, mit den Gebeten, den Bibelversen und wann der Weihrauch durch die Kirche nebelt. Hat Spaß gemacht.
      Ich war aber dennoch sehr froh, dass der Vampir arg fanatisch ist und der Messe nur halb zugehört hat, sodass ich die Monotonie einer katholischen Messe immer wieder durchbrechen konnte.
      Ich denke, dass ist gerade bei geschriebenen Ritualen ganz wichtig: Dass das Ritual "unterhaltsam" ist. Katholische Messen gehören nicht dazu, die sind nicht wirklich unterhaltsam. Predigten dagegen können wahre Publikumsmagneten sein (wie das Mittelalter bewies). Andere christliche Messen können auch sehr unterhaltsam sein, zB im Süden der USA gibt es Gemeinden/christliche Sekten, da geht in der Kirche die Post ab!
      Kommt sicherlich auch auf den Zweck des Rituals an. Ich stelle mir vor, Fruchtbarkeitsrituale sind generell unterhaltsamer als eine Totenwache, jetzt so pauschal über einen Kamm gescherrt.
      Ayo, my pen and paper cause a chain reaction
      to get your brain relaxin', the zany actin' maniac in action.
      A brainiac in fact, son, you mainly lack attraction.
      You look insanely whack when just a fraction of my tracks run.

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