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Mittwochsfrage #65: Kritik

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    Mittwochsfrage #65: Kritik




    Wie geht ihr mit Kritik um? (Wie mit konstruktiver, wie mit destruktiver Kritik?)
    Wie selbstkritisch seid ihr bei euren Texten?
    Worauf achtet ihr selber besonders beim Verfassen von Kritik?

    There is no real ending. It´s just the place where you stop the story.
    Frank Herbert

    #2
    Das kommt viel auf meinen eigenen Gemütszustand und die Formulierung der Kritik an. Kritik kann noch so berechtigt sein, wenn sie "schlecht" formuliert ist, bringt sie mich auf die Palme. Umgekehrt kann man ungerechtfertigte Kritik auch so verpacken, dass man glaubt, sie sei eine Hilfe bzw. nett gemeint. Aber ich gehe mal von dem aus, was man eigentlich unter konstruktiver und destruktiver Kritik versteht. Bei konstruktiver Kritik muss ich manchmal durchaus schlucken, weil sie etwas kritisiert, das ich mag oder bei dem ich mir viel Mühe beim Recherchieren gegeben habe. Ich lasse mir Zeit, sie zu verdauen, während es bei Kritik, die ich sofort ohne Zweifel unterschreiben kann, keine Probleme gibt. Das ist dann so ein aha-Erlebnis, das mir die Augen öffnet. Da freue ich mich fast drüber, wenn jemand mir eine solche Kritik gibt. Bei destruktiver Kritik bedanke ich mich, denn ich gehe einfach mal davon aus, dass der Kritiker es nicht aus reiner Bosheit getan hat. Ich denke darüber nach, aber es ist ok für mich, sie zu ignorieren, wenn ich bei dem Standpunkt bleibe, dass sie ungerechtfertigt ist.

    Mir ist es schon bei einer Ausschreibung passiert, dass man zwei Geschichten einreichen durfte. Meine erste Idee gefiel mir gut, aber geschrieben fand ich sie ziemlich lahm. Also schrieb ich eine zweite Geschichte, die ich richtig toll fand. Meine Testleserin bestätigte meinen Eindruck, dass die zweite Geschichte besser ist. Da ich die Möglichkeit hatte, sandte ich beide Geschichten ein. Es wurde die erste Geschichte genommen, nicht die zweite. Ich war völlig perplex. Das ist erst wenige Monate her und ich habe daraus gelernt, meinem Gefühl nicht zu sehr zu trauen. Geschmack spielt eine große Rolle. Also versuche ich nicht allzu kritisch mir gegenüber zu sein. Ich gebe mein Bestes. Mal reicht es, um mich gegen die Konkurrenz zu behaupten, mal nicht. Auch wenn es toll wäre, ich werde es nie schaffen, auch nur für ein Jahr bei jeder Antho vertreten zu sein, bei der ich teilgenommen habe.
    Keine Ahnung, ob es mit diesem Erlebnis zusammenhängt, aber ich bemerke in letzter Zeit, dass ich beim Selbstlektorat ziemlich viel akzeptiere. Ich bin unsicher, ob ich das gut oder schlecht finden soll. Die Zeit wird es zeigen. Vielleicht bin ich aber auch nur mutiger geworden, weil ich bei den letzten Ausschreibungen so viel Erfolg hatte.

    Beim Verfassen von Kritik versuche ich Ich-Botschaften zu benutzen. "Hier würde ich es so formulieren: ..." oder "Hier würde ich den Satz trennen, damit er nicht zu lang wird." Ich versuche, so höflich wie möglich zu schreiben, weil ich den Autoren nicht verletzen will. Aber ich gehe auf jede Kleinigkeit ein, die mir auffällt, egal ob Komma- oder Punktsetzung, Worttrennung, Fehler, Formulierung, Logik oder Reihenfolge, wie die Ereignisse geschehen. Das hat meiner Meinung nach der Autor verdient, sofern er nichts spezielles gewünscht hat. Dafür darf ich eine hoffentlich gute Geschichte als eine der ersten lesen.

    Kommentar


    • Milch
      Milch kommentierte
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      Rechtschreibung und Grammatik finde ich hilfreich.
      Bei der Länge des Satzes sollte man nicht zu formalistisch vorgehen, da kommt es auf die Ordnung an, selbst ein langer Satz kann lesbar sein, siehe Thomas Mann.

    • Earu
      Earu kommentierte
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      Bei der Länge des Satzes stimme ich dir zu. Es muss jedoch passen. Wenn ein langer Satz effektiv zwei Sätze sind, die nur durch ein Komma statt eines Punktes getrennt wurden, ist es für mich falsch. Ich weise darauf hin, aber ich bestehe nicht auf eine Änderung. Das ist in meinen Augen wichtig. Dem Autor die Möglichkeit zu lassen, selbst zu entscheiden, ob er meiner Meinung folgen oder bei seiner eigenen bleiben will.

      Ich kann jetzt nur vom Hören-Sagen berichten, aber demnach soll Karl May auch Bandwurmsätze geschrieben haben. Ich weiß nicht, ob das Sätze waren, bei denen man statt eines Kommas auch einen Punkt hätte setzen können. Es gibt ja durchaus Schachtelsätze, die so lang werden. Allerdings wurde mir beim Hören-Sagen auch gesagt, dass diese Schachtelsätze unheimlich schwierig zu verstehen waren. Logisch, wenn sich ein Halbsatz auf etwas im vorherigen bezieht und dann ein Halbsatz folgt, der sich auf etwas in dem dazwischen bezieht ... Da verliere ich auch den Überblick und ich zähle mich zu den konzentrierten Leserinnen. Bei so einem abschreckenden Beispiel würde ich vermutlich jeden zweiten Satz zerreißen, weil man aus einem komplizierten Schachtelsatz meiner Meinung nach lieber zwei oder drei einfachere Sätze bildet. Es ist kein Zeichen von Qualität, wenn man denselben Satz aufgrund seiner Länge zwei oder drei Mal lesen muss, um ihn verstehen zu können.

    • Milch
      Milch kommentierte
      Kommentar bearbeiten
      Es ist ein Unterschied, ob man es theoretisch trennen kann oder trennen muss. Manchmal will man dazwischen kein lange Pause. Ich neige aber eher zu kurzen Sätze.
      Die Sätze von Tellkamp sind beispielsweise sehr komplex gebaut.
      .

    #3
    Wie geht ihr mit Kritik um? (Wie mit konstruktiver, wie mit destruktiver Kritik?)

    Konstruktive Kritik:
    Das kommt sehr darauf an, von wem die Kritik kommt. Ist es jemand, von dem ich weiß, dass er/sie schreiben kann, dann kann ich mich gut darauf einlassen. Genauso, wenn jemand inhaltlich etwas bemängelt, für das er einfach ein Experte ist - manchmal weiß man ja selbst gar nicht, was für einen Blödsinn man schreibt. Generell diskutiere ich Plot-Ideen gerne mit meinem Mann, weil der mir da immer gut Konter gibt und gnadenlos Löcher und unlogische Stellen im Plot aufdeckt, oder auch einfach mal sagt, wenn eine Idee zu stereotyp ist.
    Selbstkritisch muss ich gestehen, dass ich manchmal Schwierigkeiten habe, konstruktive Kritik von Leuten anzunehmen, von denen ich finde, dass sie nicht so gut schreiben wie ich. Dabei treffen die auch oft in's Schwarze.

    Destruktive Kritik ist mir eigenlich ziemlich egal. Wenn jemand mir nur ein "Find ich scheiße!" entgegenknallt, ohne sich die Mühe zu machen, eine Begründung anzuhängen... nee, das trifft mich nicht. Manchmal denke ich mir dann zwar innerlich schon, dass er wohl offensichtlich zu blöd war, um meinen ach-so-wundervollen Text zu verstehen, oder ich bin auch innerlich etwas sauer, aber... hey, das Leben besteht aus wichtigeren Dingen.
    Interessanterweise geht es mir bei überschwänglich positiver Kritik ähnlich, also ähnlich darin, dass sie mir eher egal ist. Klar freue ich mich über ein jubelndes "Du musst unbedingt weiterschreiben!" - aber das hebt die Stimmung nur kurzfristig. Eigentlich will ich wissen, was genau dem Leser gefallen hat.

    Wie selbstkritisch seid ihr bei euren Texten?

    Sehr. Ich achte ja sogar bei meinen Arztbriefen darauf, dass sie stilistisch sitzen, dabei liest der Kollege, der den Brief bekommt, sowieso bestenfalls den letzten Absatz davon...

    Worauf achtet ihr selber besonders beim Verfassen von Kritik?

    Dass sie sachlich ist. Früher habe ich mich noch bemüht, alles nett zu formulieren, aber das bringt (IMHO) nichts, weil man damit die eigene Kritik zu sehr entschäft. Wenn ich etwas nicht sachlich begründen kann, dann sage ich das auch so, also wenn z.B. ein bestimmter Textabschnitt bei mir ein ungutes Gefühl hinterlässt, ohne dass ich sagen kann warum.
    Außerdem achte ich darauf, immer positives und negatives Feedback zu geben, denn man findet in jedem Text gute und schlechte Sachen. Kann sein, dass ein Plotloch drin ist, aber die Stimmung dafür sehr gut getroffen wurde. Oder der Dialog ist hölzern, dafür ist das Aussehen der Charaktere mit wenigen Worten toll heraufbeschworen worden.
    Always avoid alliteration.

    Kommentar


    • Earu
      Earu kommentierte
      Kommentar bearbeiten
      Stimmt, die Kritik begründen zu können, finde ich auch wichtig, zumindest, wenn es nicht offensichtlich ist. Wobei auch das Gefühl viel aussagt. Da merkt man, dass etwas nicht stimmt, kann aber den Finger nicht darauflegen. Auch wenn man als Leser es nicht benennen kann, so kann es dem Autor helfen, davon zu wissen. Da gebe ich dir zu 100 % Recht. Ebenso, dass man sich nicht auf die negativen Dinge konzentrieren sollte. Ich freue mich immer, wenn ich eine Formulierung oder Beschreibung finde, dich so toll ist, dass ich sie loben kann. Davon lernt ein Autor ja auch und kann seinen Stil auf diese Weise formen.

    • Alys II.
      Alys II. kommentierte
      Kommentar bearbeiten
      Ich habe das gelernt aus der Kritik für eine Roman-Rohform, die ich mal geschrieben habe. Das habe ich super-gründlich gearbeitet, jeden Tipp- und Kommafehler herausgestellt, aber eben auch Plotlöcher behandelt, Logikfehler, historisch inkorrekte Sachen... und habe vergessen zu erwähnen, dass ich den Roman eigentlich gerne gelesen habe. Die Autorin hatte nämlich ein total gutes Gespür dafür, die Stimmung und Gefühle der Personen rüberzubringen, und auch in ihre Umwelt konnte ich mich gut hineinversetzen. Da war sie zurecht sauer, dass ich nur negatives aufgezählt habe und damit in ihren Augen einen totalen Verriss geschrieben habe. Dabei hatte mir das Buch doch gefallen.

    #4
    Wie geht ihr mit Kritik um?

    Das hat eine Menge damit zu tun, wie viel ich mit der Kritik anfangen kann. Wenn es etwas ist, das mir gleich einleuchtet und auch einfach zu beheben ist, dann freue ich mich total darüber. Wenn es meinem Bauchgefühl widerspricht, dann denke ich lange darüber nach und versuche ggf., mit dem Kritiker darüber ins Gespräch zu kommen. Dassselbe übrigens auch, wenn ich zwar nachvollziehen kann, worauf er hinauswill, aber keine Ahnung habe, wie ich das besser machen kann. Kommunikation hilft in dem Fall meinem Denkprozess auf die Sprünge, und wenn ich erst einmal eine Alternative habe, dann ist mein Bauchgefühl auch nicht mehr so stur, und ich kann mich entspannter für eine Lösung entscheiden.
    Und dann gibt es natürlich auch mak Kritik, die meiner eigenen Ansicht komplett wiederspricht, und das auch nach 1-2 Tagen Nachdenken noch tut. Da gibt's dann nicken, danken und ignorieren. Nicht bös gemeint, von demselben Kritiker können vielleicht sonst großartige Anregungen kommen, aber manchmal ist es einfach Geschmackssache, und es ist letztlich mein Text.

    Wenn sich das jetzt total gechillt anhört: Kritik kann auch weh tun. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Kritik, die am meisten sticht, oft die ist, die auch recht hat, und die mich weiterbringt, wenn ich auf sie höre. Finger in Wunden und so. Über Kritik, die mir nix nützt, stehe ich glücklicherweise meist drüber, da habe ich inzwischen ein ganz gutes Selbstbewusstsein entwickelt (man muss nur aufpassen, dass es nicht in Überheblichkeit ausartet und man dann auch die gute Kritik hier einsortiert). Und Kritiker, die verletzen, ohne dass sie mich großartig weiterbringen, fallen früher oder später aus meiner Testleserliste.


    Wie selbstkritisch seid ihr bei euren Texten?

    Schwer zu sagen, gibt es da einen Maßstab? Ich habe Phasen, da bin ich mein größter Fan, und Phasen, da finde ich alles Mist. Beide bringen mich nicht wirklich weiter, also versuche ich auf das Level runterzukommen (oder hoch), bei dem man sagen kann "Ist ein guter Ansatz, aber man kann noch mehr rausholen". Wenn Leser was zu kritisieren haben, dann gibt es da eben noch Dinge, die ich verbessern kann, und das will ich dann auch, schließlich will ich, dass auch andere irgendwann größter Fan meiner Texte werden.
    Von Testlesern abgesehen hilft es mir, wenn ich mich dabei beobachte, wie ich den Text zum tausendsten Mal lese. Wenn ich ihn dann immernoch gern lese, dann bin ich glücklich. Wenn ich Stellen am liebsten überspringen würde, dann kann man da noch was verbessern.


    Worauf achtet ihr selber besonders beim Verfassen von Kritik?

    Ich versuche mir zu überlegen, was den Autor am meisten weiterbringen würde. Wenn ein Text eine Menge Probleme hat, dann gehe ich auf die gröbsten ein. Es bringt nix, auf einem Kommafehler rumzureiten, wenn der ganze Absatz umgeschrieben werden müsste. Dann biete ich lieber an, die nächste Version nochmal zu lesen.
    Ich verpacke vieles in ich-Botschaften. Ich nehme die Rolle *eines* Lesers ein und erkläre, wie der Text auf mich wirkt (und dann, wenn möglich, warum). Ich versuche aber klarzumachen, dass das erst einmal eine persönliche Ansicht ist, die nicht der aller Leser entsprechen muss. Ich kann nur sagen, was einen Text für mich besser machen würde. Wenn ich mir nicht sicher bin, worauf ein Autor hinauswill, dann gebe ich einfach wider, wie etwas auf mich wirkt, welchen Eindruck es auf mich macht, und der Autor kann entscheiden, ob es das ist, was er angepeilt hat oder nicht.
    Wenn ich, wie oben schon erwähnt, eine objektive Begründung habe, warum etwas nicht funktioniert, dann erkläre ich die. Das zeigt dem Autor dann erstens, dass ich nicht unbedingt alleine mit dem Problem sein werde, und zweitens gibt es ihm oft schon Ansätze, wie er es beheben kann. Ob jemand prinzipiell Verbesserungsvorschläge haben will, findet man bei der Zusammenarbeit schnell heraus. Gut sind aber immer Beispiele, die der Autor nicht übernehmen muss, aber die verdeutlichen, was ich meine.
    Und last but not least, ich gehe auf die guten Seiten ein. Dabei geht es mir nicht darum, die schmerzhafte Kritik mit Zucker zu überziehen, sondern auch darum, dass der Autor eine Rückmeldung bekommt, was er richtig gemacht hat, und woran er um Himmels willen nicht mehr großartig schnitzen soll. Sätze, bei denen ich gelacht habe, Gesten und Szenen, die ich sofort vor Augen habe, Figuren, die mich berühren oder auf Anhieb sympathisch sind: Wenn es für mich perfekt ist und ich nicht will, dass daran noch etwas geändert wird, dann muss ich auch das sagen!
    Poems are never finished.
    Just abandoned.

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      #5
      Wie geht ihr mit Kritik um? (Wie mit konstruktiver, wie mit destruktiver Kritik?)

      Ich weiß, an wo ich Hilfe (neutraler Blick von außen) brauche und bei welchen Dingen ich dem sicher bin, was ich tu. Das bedeutet, dass ich die Kritik so umsetze, dass es den Text besser macht. Wenn ich merke, dass der Kritiker wirklich Ahnung hat und mir helfen will, ist mir der Ton egal. Da hat mir mal eine sehr gute Autorin rumgekotzt und gesagt, wie genervt sie von einer bestimmten Szene war. Ich hab mich hinter die Tastatur geklemmt, um die Textstelle zu verbessern.

      So läuft's optimal.

      Aber Schreiben und Testlesenlassen läuft nicht immer optimal.

      Ich ärgere mich viel mehr als nötig, wenn jemand meine Figuren oder die Inhalte verkennt. Zum Beispiel haben sich einmal Romanfiguren ein Feuerwerk (in Japan macht man das zu Sommerfesten) angeschaut, und ein Testleser meinte, dass es gar nicht sein kann, weil es doch nicht Silvester ist. Oder dass eine Frau doch nicht dies und das könne, und ein Mann doch nicht dies und das mache, und sie doch lieber XY machen sollen … puh. Ich mag keine Stereotypen, und wenn jemand meine Geschichte da reindrücken will, werde ich emotional. (Anders ist es, wenn ein Testleser sagt, dass eine bestimmte Handung nicht zu dem passt, wie die Figur vorher dargestellt wurde.) Es ist okay, wenn ein Testleser sagt, dass er es doof findet, wie sich eine Figur ausdrückt (zu kodderig/kitschig). Es ist für mich weniger okay, wenn mir später gesagt wird: "Du hast es ja immer noch nicht gestrichen", und beim Endfassung lesen schon wieder, dass er es doof findet.
      Jaahaaa, ich hab's kapiert. Ich mag's trotzdem.

      Aber ich denke, dass es okay ist, wenn man bei den eigenen Texten emotional ist. Sie sind ja schon ein bisschen Baby. Ist halt nur doof, wenn man das Baby, nachdem es zu Ende pubertiert ist und das Haus verlässt, wie ein Helikopterelter verteidigt. Damit versperrt man sich Verbesserungen.



      Wie selbstkritisch seid ihr bei euren Texten?

      Ich lektoriere meine eigenen Einkaufszettel.


      Worauf achtet ihr selber besonders beim Verfassen von Kritik?

      Es kostet mich zu viel Zeit, um Füllwort-und-Konjunktiv-2-Kritiken zu verfassen. "Ich fände es angenehmer zu lesen, wenn der Satz weniger passive Ausdrucksweisen enhielte, eventuell könntest du die vielleicht überlegen, ob du den langen Satz in zwei Teile blabla." Manchmal, wenn ich merke, dass der Autor ganz frisch im Geschäft und sehr unsicher ist, tu ich es schon. Ich will ja vor allem motivieren und nicht jemanden fertig machen.

      Am angenehmsten sind mit vertraut-lustige Verhältnisse mit den Autoren. Da kann ich bei einer kitschigen Stelle anmerken "Haste da von Disney plagiiert? XD", und wir beide können gemeinsam darüber lachen. Ich bringe ja auch mal Sätze wie "die Augen klebten an der Autotür" … das lädt doch zu einem lustigen Spruch ein, oder nicht?

      Ich achte aber sehr darauf, den Stil und den Inhalt der Autoren zur Geltung zu bringen. Ich erkläre, wie die Textstelle rüberkommt und welche Änderungen gemacht werden können und welche Auswirkungen sie jeweils haben. Mir ist es auch wichtig, dass der Autor nicht nur einen Verbesserungsvorschlag für eine bestimmte Textstelle erhält, sondern auch das Verständnis für Stilmittel/Erzähltechniken und Wirkung.

      Kommentar


      • Milch
        Milch kommentierte
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        Es ist schon viel verlangt, sich vom ersten Eindruck zu lösen, der immer noch irgendwie im Gedächtnis herumspukt.
        Mit alten Augen liest man noch das Problem, was man mit neuen nicht mehr sieht.

      • Dodo
        Dodo kommentierte
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        Möglicherweise können sich manche vom ersten Eindruck schneller erholen als andere. Ich hab einen Reset-Knopf, obwohl ich merken würde, wenn das alte Problem weiter bestünde.

      • Zwielicht
        Zwielicht kommentierte
        Kommentar bearbeiten
        Öhm. Ich hab das bisher überhaupt nicht als Problem empfunden, einen (überarbeiteten) Text mehrmals zu lesen / den überarbeiteten Text wieder demselben Testleser zu geben. Ich glaube, ich habe auch einen Reset-Knopf wie Dodo. Wenn die Überarbeitung funktioniert, radiert sie die alte Version meistens komplett aus.

      #6
      Wie geht ihr mit Kritik um? (Wie mit konstruktiver, wie mit destruktiver Kritik?)
      In erster Linie freue ich mich darüber. Immerhin gab es einen Menschen, der sich meiner Geschichte angenommen, Zeit investiert und im besten Fall seine ehrliche Meinung dazu geschrieben hat.
      Destruktive Kritik habe ich bisher nicht gelesen, oder empfinde solche nicht als destruktiv - da hat ja jeder sein eigenes Sensibilitätsstellrädchen, meins scheint auf recht unempfindlich eingestellt zu sein. Ein pauschales "Blöd" hat mir allerdings auch noch niemand an den Text geschrieben. Das wäre dann wohl eine Kritik, die ich entweder überlesen würde oder mit dem Blödmann erörtern würde. Da ich aber mehrere Testleser habe und ich weiß, das würde niemand von ihnen so umsetzen, werde ich mich wohl auch nicht mit "Blöd" auseinandersetzen müssen.
      Ich mag lustige Anmerkungen, gern ironisch und wenn ich den Menschen dahinter kenne, auch gern zynisch - sofern es konstruktiv bleibt. Niemand braucht sich bei mir großartig zu verbiegen.

      Ich nutze Kritik um mein Schreiben zu entwickeln, bisher klappt das wunderbar und ich bin sehr dankbar!!!!

      Wie selbstkritisch seid ihr bei euren Texten?
      Leider sehr, nein zu selbstkritisch. Trotzdem werfe meine Texte gern als salmonellenverseuchte Rohversion meinen Lesern vor die Augen - da bin ich hemmungslos. Warum Salmonellen? Wenn ich zuvor 3 Monate an der Szene rumgefrickelt habe (und das könnte ich) würden mich negative Kritiken tatsächlich härter treffen. Das ist wie beim Zahnarzt - der Zahn hört auch nicht auf zu eitern, wenn ich noch 3 Monate warte, dann können sie gleich ne Wurzelbehandlung machen und fertig ists. Aber, ich schreibe gerade an der Frage vorbei.
      Also, ich bin zu selbstkritisch. "Zu" bedeutet, das es mich zeitweise blockiert zu schreiben.

      Worauf achtet ihr selber besonders beim Verfassen von Kritik?
      Auf Ehrlichkeit, eine Begründung meiner Kritik und das ich dem Autor vermittle, das ich bei Rückfragen gesprächsbereit bin. Außerdem achte ich auf mögliche Testlesevorgaben - ist gewünscht nur Logik zu behandeln, dann mache ich das und nichts anderes, außer ich werde darum gebeten.
      Nein das war ich nicht.
      Ach so, das!
      Ja, das war ich.

      Kontakt: administrator@wortkompass.de

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        #7
        Wie geht ihr mit Kritik um? (Wie mit konstruktiver, wie mit destruktiver Kritik?)
        Konstruktive Kritik ist wohl das beste, was einem passieren kann. Punkt. Meine Testleser sind sehr konstruktiv, ohne besserwisserisch oder aufdränglerisch zu sein. Ich glaube, da gab's schon einiges zu lachen.
        Destruktive Kritik ist unsachlich und sollte einem den Buckel runterrutschen. Mir ist bislang auch kein destruktiver Kommentar von Seiten meiner liiiieben Testleser untergekommen. Gleichwohl kenn ich es aus (seltenen und vergangenen) beruflichen Situationen, und ich muss zugeben: ich trenne es von der "kritisierten" Leistung, ich nehm's gleich persönlich.

        Wie selbstkritisch seid ihr bei euren Texten?
        Schon.
        Aber erst einmal muss da was stehen, was ich beäugen kann, deswegen fange ich frei Schnauze an.

        Worauf achtet ihr selber besonders beim Verfassen von Kritik?
        Konstruktiv sein, ohne vorschreiben zu wollen. Mich selbst nicht zu wichtig nehmen. Der Text gehört jemandem anders, der anders denkt und schreibt als ich. Ich versuche mich an Lesbarkeit, Logik, Langeweile und Lachreiz zu orientieren. Oder an dem, was der andere gerade speziell wissen will . Wichtig: begründen, motivieren, (gemeinsam ablachen), ehrlich sein.

        Kommentar


          #8
          Mit konstruktiver Kritik komm ich – mittlerweile – gut klar. Bin sogar richtig dankbar dafür, wenn mir jemand etwas zeigt, was ich verbessern kann. Schließlich soll das Endergebnis ja das Gelbe vom Ei werden Vorschläge, WIE ich etwas verbessern kann, sind natürlich sehr willkommen (vor allem auf Plot-Ebene), sofern das nicht in der Definition von konstruktiv schon impliziert ist.

          Destruktive Kritik wirft in meinen Augen meistens ein schlechteres Licht auf den Kritiker als auf das Kritisierte. Viele destruktive Kritiker (auf Amazon o.ä.) sind einfach Profilneurotiker, die mindestens einmal am Tag was runtermachen müssen, damit die Welt ihre Stimme gehört hat. *ignore*

          Selbstkritisch ist gar kein Ausdruck. Ich kann ja nicht mal ein einziges Kapitel als Rohfassung runterschreiben, ohne jeden Satz permanent zu optimieren. Ich KANNS wirklich nicht. Ich check auch jede E-Mail und jeden Facebook-Kommentar vorm Abschicken, und editiere sofort, wenn dann doch ein Fehler drin ist. Gnnn.

          Beim Verfassen von Kritik achte ich auch auf Ich-Botschaften. Ich finde das enorm wichtig, denn erstens bin ich keine Literatur-Päpstin, zweitens ist vieles Geschmackssache, und drittens macht halt der Ton die Musik. Kritik muss wohlwollend rüberkommen, damit sie ANkommt. Das heißt nicht, dass ich irgendeinen Kritikpunkt nicht ausspreche! Aber ich sag halt "Der Satz passt für mich nicht" ... anstatt "Das ist scheiße". Das sind im Schnitt so zwei bis drei Wörter mehr, die man pro Anmerkung investiert, also echt_kein_Ding.

          Allerdings: Wenn man sich gut kennt und in nem längeren Textarbeits-Prozess steckt, finde ich das nicht mehr wichtig. Wenn grundsätzlich klar ist, dass dem Kritiker echt was daran liegt, den Text zu verbessern, darf ruhig auch rumgerotzt und -gemotzt werden. Egal, auf welcher Seite der Kritik ich gerade stehe.


          Dass ich meine Kritikpunkte begründe, ist klar. Sonst isses ja keine konstruktive Kritik. Und ja, zu einer vollständigen Kritik gehören auch die positiven Aspekte. Der Autor sollte ja das Gefühl kriegen, dass es sich lohnt, die Kritik umzusetzen.
          and it's not what we think
          rather the opposite
          it's staring at the end of you.

          Kommentar


            #9
            Ich versuche über kritische Aussagen zu meinen Texten ehrlich nachzudenken. Das geht manchmal besser als an anderen Tagen, versteht sich. In meinen Augen ist das wichtigste, wie der Text beim Leser ankommt und wenn er etwas "doof" findet, dann muss ich schauen, ob das so soll oder nicht. Natürlich tut's manchmal weh, wenn die Kritik Recht hat, aber dann muss ich eben in den sauren Apfel beißen.
            Destruktive Kritik ist mir noch nicht unter gekommen, soweit ich wüsste.

            Selbstkritisch bin ich in der Tat, aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Wenn der Text für mich fertig ist, ist er fertig, ob ich dann noch Fehler finde oder nicht. Aber es ist oft ein viel zu langer Weg zu diesem Punkt zu gelangen. Manchmal kann ich 'ne halbe Stunde nur mit einem Satz verbringen, weil ich nicht das richtige Verb finde. Das ist schon frustrierend.

            Selbst versuche ich meine Kritik präzise und verständlich zu schreiben. Ich gebe vorher gleich an, dass nichts böswillig gemeint ist, damit ich mich in der Kritik selbst um Höflichkeit nicht zu sehr bemühen muss. Ich will ehrlich mit dem anderen sein und ihn verstehen lassen, warum sein Text so bei mir angekommen ist. Außerdem versuche ich zu schreiben, was mir beim Lesen durch den Kopf geht an guten wie an schlechten Dingen oder einfach triviale Assoziationen - als Autor will man ja bestimmte Dinge im Kopf des Lesers wecken und so kann das ein bisschen geprüft werden. Halt, wie die Stimmung ankommt, ob wer sympathisch ist, ob's witzig ist und all diese Dinge. Da weiß ich als Testleser natürlich häufig nicht, soll das so oder nicht, das muss der Autor wissen.
            Ich erkläre, was Lesbarkeit fördert und wo mir der Text Fragen aufwirft und warum - oder auch warum er keine aufwirft und es vielleicht sollte.
            Wenn ich Verbesserungsbeispiele gebe, die vor allem mit Stil zu tun haben, dann betone ich immer "Ich würde das so schreiben", gerade wenn sich der Stil eklatant von meinem unterscheidet. Ich will niemandem meinen Stil aufzwingen, aber manchmal weiß ich eben keine bessere Antwort. Aber ich denke, als Denkanstoß ist das immer noch hilfreich.
            Ayo, my pen and paper cause a chain reaction
            to get your brain relaxin', the zany actin' maniac in action.
            A brainiac in fact, son, you mainly lack attraction.
            You look insanely whack when just a fraction of my tracks run.

            Kommentar


            • weltatlas
              weltatlas kommentierte
              Kommentar bearbeiten
              Ich erkläre, was Lesbarkeit fördert und wo mir der Text Fragen aufwirft und warum - oder auch warum er keine aufwirft und es vielleicht sollte.
              Vor allem den zweiten Teil finde ich klasse.

            #10
            Wie geht ihr mit Kritik um?

            Kommt ganz auf die Kritik drauf an. Wenn sie gut gemeint ist, nehme ich sie eher an, als wenn der Kritiker nur etwas zum Kritisieren sucht und alles rot anstreicht. Solche Menschen ernstzunehmen fällt mir irgendwie schwer. Kritik sollte auch begründet sein. Ich hasse nichts so sehr, wie wenn jemand sagt "Dieser Text gefällt mir nicht", und auf die Frage "Warum?" nur mit einem "So halt" oder "Weiß nicht" antwortet. Mit Kritik sollte man arbeiten können. Schlechte Kritik ist für mich, wenn man damit nicht arbeiten kann.
            Was ich auch hasse, ist, wenn man einer Person einen Text zum durchlesen gibt und alles, was zurückkommt, ist ein "passt schon so". Man weiß genau, dass dieser Person etwas nicht passt, sie sich aber nicht sagen traut, was.

            Wie selbstkritisch seid ihr bei euren Texten?

            Sehr. Der Spruch "Man ist sich selbst der größte Kritiker" trifft auch mich eins zu eins zu. Wenn ich ein Kapitel fertiggeschrieben habe, lese ich es immer ein paar Mal durch und finde immer etwas, was ich besser schreiben hätte können. Ich brauche immer einige Zeit Abstand, um meine geistigen Ergüsse objektiver betrachten zu können. (Bestes Beispiel ist der Anfang eines Buches, den ich vor einem halben Jahr geschrieben habe. Ich habe das Projekt abgebrochen, weil mich das Thema nicht mehr interessiert hat und ich diesen Text langweilig gefunden habe. Vor ein paar Tagen habe ich mir alles (seit damals das erste Mal) wieder durchgelesen. Ich habe kein einziges Mal aufgeschaut und mir beim Schluss gedacht "Da geht's nicht weiter. Warum geht's da nicht weiter?"

            Worauf achtet ihr selber besonders beim Verfassen von Kritik?

            Dass sie ernst gemeint ist. Und begründet. Wenn ich Kritik verfasse, was eigentlich selten vorkommt, achte ich immer darauf sie so zu verfassen, wie ich sie bekommen möchte.

            Lg Alvias
            Man sagt, dass ein Buch Einblick in das Innerste des Autors gibt ... wenn das stimmt, möchte ich mit mir nichts mehr zu tun haben.

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            • Zwielicht
              Zwielicht kommentierte
              Kommentar bearbeiten
              @passt schon so: Kenn ich! Und ich glaube demjenigen sogar, dass es „schon passt“. Nur: Darum gehts mit nicht. Es soll GUT sein, nicht „passen“. Ist echt schwierig, das manchen Lesern klar zu machen.
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