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Wie viele (große, wichtige) Plotstränge sind machbar in einer Kurzgeschichte?

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    Wie viele (große, wichtige) Plotstränge sind machbar in einer Kurzgeschichte?

    Ich bastle gerade an einer Kurzgeschichte für eine Ausschreibung (die Bienen von ASP) und wie immer ist es so, dass die Geschichte erstmal zu lang wird - das hat mir zunächst keine Sorgen bereitet, denn ich weiß, dass ich beim Überarbeiten enorm viel kürze. Mein Beitrag für die Storyolympiade ist z.B. problemlos von 27.000 auf 16.000 Zeichen geschrumpft. Als ich neulich keine Lust zum Weiterschreiben hatte habe ich daher überlegt, wo ich zum Kürzen das Messer ansetzen kann. Und dabei ist mir erst richtig aufgegangen: zum ersten Mal schreibe ich eine Kurzgeschichte, die zwei gleichberechtigte Haupt-Plots hat. Die dummerweise nicht mal parallel laufen, sondern chronologisch hintereinander kommen.

    So, und jetzt bin ich verunsichert. Geht das? In einem Roman wäre es kein Problem, da wären es einfach zwei Episoden im Leben des Protas, und die zweite kann nur stattfinden, weil er die erste schon durchlebt hat. Ich bin mir aber nicht sicher, ob es für eine Kurzgeschichte nicht zu viel ist. KGs leben schließlich davon, dass sie eben klar und prägnant sind.

    Die beiden Plots, mit denen ich kämpfe sind:
    1. Prota hat gerade eine bittere Enttäuschung erlebt, und stellt deshalb sein bisheriges Leben auf den moralischen Prüfstand. Er stellt fest, dass er etwas Neues ausprobieren will, und stürzt sich (erfolgreich) darauf.
    2. Besessen von dem, was er neu entdeckt hat, probiert Prota seine Fähigkeiten aus, mit unerwarteten Konsequenzen.

    Eigentlich hatte ich 1 nur als Einstimmung gedacht, damit man den Prota kennenlernt und sich besser in ihn einfühlen kann. 2 ist die eigentliche Story. Jetzt habe ich beim Arbeiten aber gemerkt, dass 1 alleine schon eine gut in sich abgeschlossene Handlung ergibt, es ist eine schöne innere Entwicklungsgeschichte. Ich überlege deshalb, so zu überarbeiten, dass es zwei Geschichten werden statt einer. Irgendwie wäre es aber schade, die Entwicklung rauszukürzen und sich nur auf Plot 2 zu beschränken.

    Deshalb meine Frage: kennt Ihr Kurzgeschichten, die wirklich zwei oder mehr gleichberechtigte Plotstränge behandeln? Könntet Ihr Euch das vorstellen, oder wäre es beim Lesen zu verwirrend?
    Always avoid alliteration.

    #2
    Ich bin kein Kurzgeschichten-Profi (waren bislang nicht meine Stärke), aber was ich in der Theorie über KGs gelernt habe und bislang an veröffentlichten KGs gelesen habe, gab es dabei nie mehr als einen Strang. Mitunter (wenn auch selten) eine längere Zeitspanne, dann aber auch nicht in zwei Strängen unterteilt.
    Verwirrend wäre es vermutlich nicht, aber in meinen Augen (bin aber wie gesagt kein KG-Profi) keine Kurzgeschichte im "konservativen" Sinn.
    Die Frage wäre dann (falls ich damit richtig liege), wie sehr man sich an KG-Vorgaben halten muss/möchte und ob man experimentieller schreiben mag.

    Kommentar


      #3
      Zitat von Alys II. Beitrag anzeigen
      So, und jetzt bin ich verunsichert. Geht das?
      Alles geht, wenn du damit glücklich bist.

      Eine Kurzgeschichte zeichnet sich aber damit aus, dass sie nur einen kurzen Ausschnitt zeigt. Eine (abgeschlossene) Entwicklung ist fehl am Platz, eher werden in der Geschichte Anhaltspunkte gegeben, dass ein Schritt zur Entwicklung getan wird/wurde.

      Als ich nur die beiden "Plots" gelesen habe, dachte ich: Das erste ist kein Plot, es ist bloß die Ausgangssituation, das Thema, die Hintergrundgeschichte. Es fängt damit an, dass eine enttäuschte Figur sich vornimmt, etwas Neues zu wagen. Es ist aber der Anfang, kein eigenständiger Plot.

      Ich kenne es von verschiedenen Autoren (aber auch von mir selbst), dass sie an der Vorgeschichte hängen. Es ist ein wichtiger Entwicklungsschritt, der der Verlauf der "echten" Geschichte bestimmt. Aber so gut wie immer ist es nur die Vergangenheit, die dem eigentlichen Plot nicht vorangestellt werden sollte – nein, bitte auch nicht in den Prolog quetschen, weil man sich nicht davon lösen kann. Ich weiß, wie sehr man an diesen Geschichten hängt und sie am liebsten irgendwo unterbringen möchte. Bisher habe ich aber bei allen betreuten Projekten erlebt, dass es der Geschichte guttat, dass diese Vorgeschichte nicht vorkam.

      Aber es gibt auch einige Ausnahmen, wo ich am Anfang ziemlich skeptisch was und am Ende beeindruckt war, dass der sich der Autor getraut hat, gewagter zu schreiben. Es gibt keine Allgemeinantworten, sondern es hängt von deiner Geschichte und von deiner Erzähltechnik ab.

      Ein Tipp: Guck dir mal an, wer als Herausgeber und Lektor für diese Ausschreibung zuständig ist und welche Geschichten sie unterstützten. Wie schätzt du sie ein? Würden sie eine Kurzgeschichte mit ausgearbeiteter Vorgeschichte wählen? Wie viele Einsendungen wird es in etwa geben? Wie ist der Zeitrahmen, in dem sie die Einseundungen bearbeiten. Viel Arbeit in wenig Zeit bedeutet, dass Geschichten, bei denen man es sich überlegen muss, ob sie nun schlecht oder genial sind, eher auf dem Absagestapel kommen.

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      • Milch
        Milch kommentierte
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        Den ersten Teil der Geschichte kann man in wenigen Worten zusammenfassen: Mit der Insolvenz verlor ich mein Vermögen und mein Mut. Lange Zeit wusste ich nicht, wie ich mich aus dem Loch befreien sollte, bis ich... Nur mal so als Beispiel.

      • Alys II.
        Alys II. kommentierte
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        Klar kann man das - so war es ja auch gedacht. Ich bin eh ein Freund davon, so knapp und kurz wie möglich zu schreiben. - Ich glaube, ich habe mich nicht klar genug ausgedrückt. Was mir hier passiert ist, ist, dass ein Teil, den ich mini-kurz als Hintergrundgeschichte geplant hatte, plötzlich genug Tiefe und Eigenleben entwickelt, dass es wert wäre, ihn auszubauen. Geplant war, ihn drastisch zusammenzukürzen auf maximal 5 Sätze, jetzt merke ich aber, dass die Möglichkeit besteht, ihn sogar zu erweitern. Das bring mich auf die theoretische Frage, ob 2 Plotstränge in einer KG funktionieren können.

      #4
      Zitat von VickieLinn Beitrag anzeigen
      Als ich nur die beiden "Plots" gelesen habe, dachte ich: Das erste ist kein Plot, es ist bloß die Ausgangssituation, das Thema, die Hintergrundgeschichte. Es fängt damit an, dass eine enttäuschte Figur sich vornimmt, etwas Neues zu wagen. Es ist aber der Anfang, kein eigenständiger Plot.
      Da stimme ich Dir 99% zu, denn genau so war es ja auch angelegt: das, was ich jetzt Plot 1 nenne, war nie als relevanter Plot-Teil gedacht, sondern als Ausgangssituation.

      Allerdings kann die Entwicklung einer Person von dem, was er war, hin zu dem, was er wird, schon auch einen Plot abgeben. Solche Geschichten finden sich halt meist mit religiösen Motiven, zumindest fällt mir gerade keine andere ein. Ich erinnere mich z.B. an eine mit quasi null äußerer Handlung, der Prota lag nur überlegend im Bett - die innere Handlung war, dass er als Mörder bereut, und beschließt, sich nun der Religion zuzuwenden. So dröge das auch klingt: es war toll zu lesen.
      Und irgendwie habe ich das Gefühl, dass mir das hier unbewusst gerade auch untergekommen ist: die innere Wandlung meines Prota ist interessanter, als ich vorher gedacht hätte, und würde eine eigene Geschichte hergeben.

      Die Frage, ob eine KG mit zwei Haupt-Plotsträngen funktioniert, interessiert mich ganz unabhängig von der Ausschreibung - die war bloß mein Anlass, wie ich auf das Thema gekommen bin.
      Always avoid alliteration.

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        #5
        Mein Vorschlag wäre, die Geschichte mit den beiden Strängen einfach mal zu schreiben. Wenn sie dann tatsächlich eher zwei eigentändige Geschichten ergibt, kannst du sie ja immer noch trennen. Meiner Erfahrung nach lassen sich solche Unsicherheiten eher in der Praxis (also an einer bestehenden Geschichte) klären, als in der Theorie.

        Wie Mona schon sagte, eine klassische Kurzgeschichte ist es mit zwei Strängen nicht mehr. Aber das bedeutet nicht, dass sie nicht funktionieren kann.
        Poems are never finished.
        Just abandoned.

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        • Alys II.
          Alys II. kommentierte
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          Genau das mache ich auch gerade. Höchstwahrscheinlch wird der "Zweiteiler" dann doch eine Geschichte mit nur einem Haupt-Plot. Trotzdem fasziniert mich - in der Theorie - dennoch die Möglichkeit, zwei Haupt-Plots in eine KG zu packen. Kann doch nicht sein, dass das noch nie jemand gemacht hat? Mir fallen trotzdem keine Beispiele dazu ein.

        #6
        Klar kann man das - so war es ja auch gedacht. Ich bin eh ein Freund davon, so knapp und kurz wie möglich zu schreiben. - Ich glaube, ich habe mich nicht klar genug ausgedrückt. Was mir hier passiert ist, ist, dass ein Teil, den ich mini-kurz als Hintergrundgeschichte geplant hatte, plötzlich genug Tiefe und Eigenleben entwickelt, dass es wert wäre, ihn auszubauen. Geplant war, ihn drastisch zusammenzukürzen auf maximal 5 Sätze, jetzt merke ich aber, dass die Möglichkeit besteht, ihn sogar zu erweitern. Das bring mich auf die theoretische Frage, ob 2 Plotstränge in einer KG funktionieren können.
        Wie schon gesagt wurde: Man macht das nicht.
        Aber unanhängig davon, kann es sein, dass die Geschichte dadurch richtig geil wird. Das ist zwar eher die Ausnahme, aber wenn Stoff, Stil und Erzähltechnik des Autors stimmen, warum nicht?

        … Na gut, warum nicht: Weil man auf der sicheren Seite sein möchte. Weil der Verlag nicht offen (Programm oder Zeitdruck oder Konservatismus) für Experimente ist.

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        • Alys II.
          Alys II. kommentierte
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          Das stimmt. Und ich schreibe natürlich schon so, dass ich denke, meine Geschichten haben eine Chance, genommen zu werden. Aber man schreibt ja nicht nur für den Verlag, sondern auch mal einfach für sich selbst. Mal sehen, was dabei letztlich rauskommt.

        #7
        Ich weiß nicht, ob dies zutreffend ist, aber möglicherweise habe ich so etwas ähnliches geschrieben. (Ich tue mich schwer damit, den Plot einer Geschichte zu sehen.)

        Eine Kurzgeschichte von ~5700 Wörter, in denen zwei Handlungsstränge gleichstark präsentiert werden.
        1. Gegenwart: Protagonist sieht seine Jugendliebe auf dem Sterbebett und versucht mit der Tatsache ihrer Sterblichkeit fertig zu werden (indem er eine Prügelei anfängt)
        2. Vorgeschichte: besagte Jugendliebe (Kennenlernen, Lieben, Schlussmachen)
        Die Geschichte wurde gut aufgenommen und ich denke, dass beides im selben Text funktionieren, liegt an ihrer engen (wenn auch einseitigen) Verbindung: Es macht den gegenwärtigen Schmerz verständlicher, wenn man die Vorgeschichte ihrer Beziehung kennt. Der Text erzählt abwechselnd von der Gegenwart und von der Vorgeschichte, das hält beide Spannungsbögen aufrecht.
        Ayo, my pen and paper cause a chain reaction
        to get your brain relaxin', the zany actin' maniac in action.
        A brainiac in fact, son, you mainly lack attraction.
        You look insanely whack when just a fraction of my tracks run.

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        • Alys II.
          Alys II. kommentierte
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          Das klingt interessant, und ich denke, es geht genau in diese Richtung. Da sind beide Handlungsstränge vertreten, aber mit 5700 Wörtern würde ich es auch noch als Kurzgeschichte klassifizieren (nicht, dass die Länge das einzige Merkmal wäre, aber doch schon ein wesentliches.)
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