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Mittwochsfrage #27 Die Seichtigkeit der Leichtigkeit - Ist Witz flach?

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    Mittwochsfrage #27 Die Seichtigkeit der Leichtigkeit - Ist Witz flach?

    Ich las vor einiger Zeit einen Artikel über einen Krimi. Der so anders sei als andere Regionalkrimis, es sei nämlich ein "Country Noir". Düsteres Dorf, AdW, kaputter Prota, finsteres Ende für diesen. Na fein. Mich störte, dass in diesem Artikel quasi alle anderen Regionalkrimis als seicht abgetan wurden. (Ohne dass ich selbst welche lesen oder schreiben würde).

    Unabhängig vom Genre - Ich finde witzig geschriebene Geschichten mit womöglich Happy End nicht automatisch seicht, stehe aber eventuell allein auf weiter Flur? Bitte nicht. (Dass ich nicht vom "Niveau" Mario Barth rede äh äh äh äh äh schreibe, ist hoffentlich klar.)
    Natürlich ist es schwer, witzig über etwas Schlimmes zu schreiben. Es kann auch mal wehtun beim Schreiben und Lesen. Ich meine, dass eine witzige Geschichte erst an Fahrt gewinnt, wenn die Figuren dumme, traurige und schaurige Gedanken und Verhaltensweisen zeigen.

    Erreicht man tiefen Sinn aber nur durch ein hoffnungsloses Ende? Sind Kummer und Unglück Garanten für tiefen Sinn? Sind witzige Geschichten automatisch seicht, ja geradezu "U", und traurige automatisch höherwertig und "E"? Schreibt Ihr E- oder U-Geschichten? Schließen sich U und E aus? Ich setze ja auf Ü.
    Wo würdet Ihr Grenzen sehen? - Bei mir wäre die Grenze überschritten, wenn die Falschen lächerlich gemacht werden.

    Ach, darüber könnte ich mich stundenlang blabla... Aber ich möchte Eure Meinungen lesen!

    #2
    Das erinnert mich an einen Artikel darüber, dass Krimischreiber neuerdings Agatha Christie verpönen, weil da angeblich zu viel heile Welt herrscht und am Ende alles gut wird. Mir scheint, die haben nicht viel von ihr gelesen ...

    Zum Thema: Nein, ich finde nicht, dass ernsthafte Literatur gleichbedeutend sein muss mit ernster bis düsterer Literatur. Ein positives Ende muss nicht bedeuten, dass der Autor ein naives Weltbild hat. Und die Botschaft "alles ist scheiße, da kann man eh nix machen" brauche ich auch nicht, das ist nämlich genauso flach gedacht. Literatur soll den Geist anregen, Dinge auch mal aus einem anderen Winkel zu betrachten, und Humor ist bestimmt nicht der Schlechteste. Es steckt sicher mehr Hirnschmalz darin, aus einer verzwickten Situation ein Happy End zu finden (sofern es nicht durch Maschinengötter herbeigeführt ist), als einfach die Arme in die Luft zu werfen und sich dem Suff hinzugeben. Und wenn ein Autor es dann noch schafft, mich unterwegs zu unterhalten, indem er mehr oder minder feine Dosen Humor einstreut, dann lockt mich das Buch weitaus mehr, als dieses pseudointellektuelle Rumgenöhle von Autoren, die sich für tiefgründig halten, weil sie ihren Weltschmerz zu Papier bringen. Aus der Phase bin ich schon ne Weile raus

    Ich hoffe stark, ich schreibe U. Ich meine, mich würde eh niemand in E einordnen, aber vor allem will ich unterhalten. Wenn ich dann noch jemanden zum Nachdenken anrege, ist das die Kirsche auf dem Sahnehäubchen. Ich baue durchaus Dinge ein, über die man nachdenken kann. Aber ich erwarte nicht, dass allein deswegen jemand zu meinem Buch greift.
    Ich finde die Trennung aber ehrlich gesagt eh bescheuert. Warum soll Ernsthaftigkeit nicht unterhalten? Warum soll Unterhaltung nicht zum Nachdenken anregen? Die besten Bücher, die ich kenne, schaffen beides. Ich habe sowohl Kant als auch Pratchett gelesen, und ich würde jederzeit Letzteren bevorzugen. Nicht, weil er seichter ist, sondern weil er seine Philosophie so verpackt, dass sie mich zum Lachen und zum Weinen bringt.

    Die Grenzen? Ich mag durchaus bösen Humor. Aber er muss treffen. Nicht Fiesheit um der Fiesheit willen, sondern etwas dabei entlarven. Wenn durch den Humor die Wahrheit pfeift, darf er gerne bissig sein; wenn er dagegen stereotyp auf irgendetwas eindrischt und dabei die Wahrheit um der Pointe willen verdreht oder verschleiert, dann kann er noch so lustig sein, dann nervt er mich.
    Poems are never finished.
    Just abandoned.

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      #3
      Ich schreibe ja derzeit eine Krimikomödie Ich hoffe einfach mal, das Ergebnis wird beides schaffen: die Leser zum Lachen bringen (was ja einfach der Sinn einer Komödie ist) und zum Nachdenken (was sicherlich der Sinn einer jeden Geschichte ist, sonst kann man das mit dem Schreiben gleich lassen).

      Bei mir hat sich das übrigens mit dem Komödienanteil einfach so ergeben. Ich wollte etwas schreiben, das vielleicht dem ein oder anderen zeigt: Diese Person (die Protagonistin) gehört zu einer Randgruppe, ist aber ein ganz normaler Mensch. Es geht um eine ernste Sache, es tauchen einige andere Randgruppen-Leute auf, aber man braucht sich nicht vor ihnen zu fürchten. Irgendwie ist mir der Humor reingerutscht, und ich könnte mir vorstellen, dass es bei anderen Geschichten auch so passiert ist. Der Alltag ist ja auch oft unfassbar skurril. Wie oft lacht man sich Jahre später über ein Ereignis kaputt, das in dem Moment einfach furchtbar war?

      Letztendlich müssen aber alle Geschichten unterhalten, sonst legt der Leser sie weg. Wenn ich ein Buch voller tiefgründiger Themen lese, bringt es überhaupt nichts, wenn der Autor es nicht schafft zu unterhalten. Wenn ich eine Komödie lese, bei dem der Humor nicht zündet, ist es egal, ob es ansonsten super-tiefgründig ist. Oder wenn ich eine Komödie lese, die von der Story her nicht viel reißt, ich mich aber halb totlache, finde ich es trotzdem toll (obwohl ich, wie gesagt, glaube, dass jeder mit seiner Geschichte etwas aussagen will, Autoren sind nun mal Künstler ).


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        #4
        Es gibt so etwas wie Ehrlichkeitskitsch, nur weil etwas selbst erlebt ist, muss es nicht gleich gut sein. Manche schaffen es sogar ihre Erlebnisse auf humorvolle Weise ihre Erlebnisse zu verarbeiten, ich erinnere da an "Vom Krebs gebissen", übrigens gutes Buch. Auch Düsterniss kann in Kitsch ausarten, Dunkelkitsch eben. Man darf ja einigen E-Klassikern wie Ulysses und die Physiker von Dürrenmatt ja nicht ihren Humor und ihre Witzigkeit absprechen, selbst die Erfindung der RAF von Witzel hatte Humor.

        Und Literatur, die nicht unterhält oder die nicht jedenfalls jemanden unterhält, ist keine Literatur.

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        • Dodo
          Dodo kommentierte
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          Die Physiker laufen doch sogar unter dem Genre Komödie, oder? Die könnte ich nicht unter E einordnen (mache ich auch nicht, weil ich nicht an so eine strikte Trennbarkeit glaube bzw - wie Du sagst - E immer auch unterhalten muss, damit es überhaupt Literatur ist).

        • Milch
          Milch kommentierte
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          Humor ist eine ernste Sache.
          Auch Komödien können zur E-Literatur gehören, wenn man E als Synonym für Hochliteratur benutzt.

        #5
        Ich find es überhaupt nicht schwer, witzig über Schlimmes zu reden. Ich glaub, ich find es schon zu einfach. Mein Umfeld guckt manchmal etwas seltsam. Beim Schreiben gehts mir ähnlich, daher schreib ich nicht gern ausschließlich nur schlimm. ^^ Meine Lektorin fand diesen Aspekt gut, manche Leser vermutlich nicht so.
        Überhaupt liebe ich tragische Dinge in Humor verpackt. Daher liebe ich auch diverse Ösi-Filme (allen voran "Wanted" und "Der Aufschneider". Beide habe ich schon diversen deutschen Freunden gezeigt. Manche konnten sich mit diesem Humor anfreunden, andere sahen mich ziemlich verstört an und waren nach diesem Filmen recht depri drauf).
        Ich kann selbst nicht genau sagen, was mich daran so reizt. Vielleicht, weil ich es wirklich meistens "tiefgründig" brauche, also schwere Themen, ich aber trotzdem gern mal auch lache . Und hier hab ich dann halt beides in einem.
        Vielleicht, weil ich bissigen Sarkasmus und gesellschaftskritischen Humor liebe. Und, ja, ich liebe (!) auch politisch unkorrekten und schwarzen Humor, besonders im satirischen Bereich, solang er nicht in bösartige Hetze ausartet. Manche schaffen das, manche nicht.
        Humor und Satire hat mit mir auch nicht unbedingt etwas mit lächerlich machen zu tun. Auch dann nicht, wenns "die Falschen" trifft -- btw., wer sind "die Falschen"? Es gibt beispielsweise in der Community behinderter Menschen etliche Betroffene, die sich diskriminiert fühlen, wenn es heißt "Bitte keine Witze über Behinderte!" -- Weil es für sie impliziert, so schwach zu sein, dass sie bloß geschont werden müssen. Daher gibt es bereits Zusammenschlüsse von Betroffenen, die sich bewusst selbst veräppeln.
        Vielleicht ist auch die Frage, wer veräppeln darf, und es kommt anders, wenn ein behinderter Mensch über den Alltag behinderter Menschen lacht, als wenn ein nicht behinderter Mensch es tut. Dann ist aber auch die Frage: Wie viel von mir selbst muss ich als Autor preisgeben, um über heikle Themen lachen zu dürfen?
        Ich finde einfach, es kommt drauf an, wie man etwas vermittelt, und derselbe Witz kann in Szene 1 komplett bösartig und in Szene 5 einfach passend rüberkommen. Oder man muss bloß den Stil verändern, um die gleiche (böööse) Pointe mal harmlos, mal zu krass rüberzubringen.
        Und Humor ist Humor. Wenn ich jeden Spruch oder jeden Witz gegen "meine" Personengruppe (Pädagogin, Studentin, Ex-Piercingträgerin, Ex-"Grufti", usw.) ernst genommen hätte, hätt ich mich schon zig Mal von Brücken stürzen müssen ^^.

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        • Mona
          Mona kommentierte
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          Ach so, ich verstehe. Also quasi der Täter, der z.B. ein kleines Kind entführt und das alles superlustig findet?
          Würde ich selbst vermutlich auch nicht schreiben. Allerdings find ich, dass es da dann auch wieder darauf ankommt, ob a) der Charakter einfach so krank ticken soll (und das auch so rüberkommt), oder ob b) der Autor damit tatsächlich auch bezweckt, den Leser zum Lachen zu bringen.
          Ich denke, dass a) für manche noch leichter zu akzeptieren wäre als b).

        • Dodo
          Dodo kommentierte
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          Ich spreche dem Autoren ja nicht ab, über die Qualen und das Quälen zu witzeln. Ich will es nur nicht lesen ... im Sinne meiner persönlichen Grenze (weil ich Täter erlebt habe, die so ticken). Und ja, a. ist (wäre) definitiv eher zu akzeptieren.

        • Mona
          Mona kommentierte
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          Sofern es sich um a) handeln würde, würde ich es allerdings nicht als "die Falschen lächerlich machen" betrachten. Es wird dann ja eher die kranke Psyche des Täters bloßgestellt, nicht die Kinder.
          Aber ich verstehe natürlich, dass man über Dinge, die man irgendwie selbst erlebt hat, manchmal nur schwer oder gar nicht lesen kann/möchte. Mir geht es bei manchen Themen auch so.

        #6
        Was in diese Richtung geht und mich sehr stört, ist, dass Happy Ends nicht selten als trivial abgetan werden. Als könne eine Geschichte, die gute ausgeht, nicht tiefgründig sein und andererseits als sei kein Happy End, offenes Ende ein Indikator für besondere Tiefe. Ich kenne sooo viele Bücher/Filme mit gestelltem/billigem offenen Ende, einfach weil Happy End wär ja zu einfach. Manchmal passt es, manchmal nicht. Es muss im Kontext immer Sinn machen, aber das eine ist nicht automatisch tiefgründiger oder bedeutungsvoller als das andere.
        Das Gleiche gilt eben für humorvolle Bücher. Humoristische Auseinandersetzungen mit ernsten Themen können selbstverständlich eine gewisse Tiefe haben. Abgesehen davon, dass ein Kommissar mit finsterer Vergangenheit, Depressionen, einem schlimmen Ende ... auch schon relativ ausgelutscht ist. Kann genauso jeder schreiben, kann genauso bedeutungslos sein. Nur, weil etwas düsterer ist, heißt das nicht, dass es irgendwelchen Ansprüchen gerecht wird. Andersherum heißt "humorvoll" nicht automatisch flach.

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          #7
          Persönlich finde ich, das Humor z.T. schlagkräftiger ist, als Ernsthaftigkeit. Während ich bei Ernsthaftigkeit einschlafe, bevor es ernst wird, hält mich Humor wach. Mal abgesehen davon zeigt Humor doch nur die Fähigkeit der Ernsthaftigkeit des Lebens, den Unzulänglichkeiten, den Schwierigkeiten mit einer gewissen Gelassenheit zu begegnen. Hier findet für mich teils eine größere emotionale Leistung statt, als das Ernste ernst zu betrachten.

          Humor ist Hoffnung.
          Nein das war ich nicht.
          Ach so, das!
          Ja, das war ich.

          Kontakt: administrator@wortkompass.de

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