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Moralisch fragwürdige Charaktere

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    Moralisch fragwürdige Charaktere

    Dieses Problem beschäftigt mich immer mal wieder. In meinem aktuellen Projekt von den Raubrittern stammen über die Hälfte der Charaktere aus einem "unmoralischen" Kontext (Räuber und Seeräuber; der Protagonist ist gesuchter Meuchelmörder), und auch in anderen Geschichten reizt mich immer wieder der Gesetzlose, der aus der Gesellschaft verbannt wird.

    Ich habe Bücher gelesen, in denen ein rechtschaffener Mann durch irgendwelche Verschwörungen all sein Habe verliert, auf der Straße landet und dann wohl oder übel ein bisschen stehlen muss. Aber natürlich würde er dabei nie jemandem wehtun, niemanden töten, kein Mädchen vergewaltigen, nein, er nimmt sich ein bisschen Geld (lässt dem Bestehlten aber genug, dass es ihm nicht großen Schaden zufügt) und ertrinkt anschließend in seiner Reue.
    Oder aber es ist der Antagonist, der überhaupt keine moralischen Skrupel kennt und anderen um der Grausamkeit willen schadet.

    Ich bin - in literarischer Hinsicht - total fasziniert vom Grausamen, vom Gesetzlosen, von menschlichen Abgründen. Außerdem will ich realistische Charaktere. Ich glaube, dass man auf der (mittelalterlichen) Straße in den allermeisten Fällen aufgrund des Überlebensdrangs jegliche Skrupel verliert. Und ich glaube, dass in einem gewissen Umfeld diese Skrupel herabgesetzt werden ohne dass die Menschen per se schlecht sind.

    So habe gibt es bei mir beispielsweise diese Piraten, die aufgrund ihres Berufes selbstverständlich nicht Philosophen der Humanität sind, sondern verdammt nochmal geldgierig und machtgeil sind, die ohne Probleme über Leichen gehen, die foltern, um ihr Ziel zu erreichen, die die Moral verhöhnen und die natürlich davon überzeugt sind, im Recht zu sein, weil man nur die Wahl hat als reicher Adliger geboren zu werden, als Bauer ausgebeutet zu werden - oder eben selbst das Messer in die Hand zu nehmen.

    Aber ein bisschen unschlüssig bin ich schon, wie sowas beim Leser ankommt. Mord ist ja noch eines, aber interessanterweise habe ich bei Vergewaltigung dann schon den Eindruck, eine Grenze zu übertreten. Natürlich bin ich absolut gegen sexuelle Gewalt, aber aus welchem Grund sollten Männer, die auch sonst kein Problem mit Gewalt haben und die seit Wochen keine Frau mehr gesehen haben, da irgendwelche moralischen Skrupel kennen? Aber wie würden sowas Leser aufnehmen (nicht, dass ich es beschreiben würde, weil meine PoV das aus unterschiedlichen Gründen zum Glück nicht machen würden; aber sie kriegen es ja bei ihren Kollegen mit)?

    Gerade habe ich irgendwo eine Szene, wo PoV 1 beobachtet, wie einer der Nebencharaktere eine Frau aggressiv anbaggert. In der nächsten Szene erzählt jemand anderes, dass der Vater (der das Ganze gesehen hat) diese Männer der Vergewaltigung bezichtigt.
    Tatsächlich war es keine Vergewaltigung, die Frau hatte zwar extrem viel getrunken, aber sie hat ihr Einverständnis gegeben. Das wird aber nicht explizit erwähnt.
    Es ist nur eine sehr kurze Sequenz, auf die auch kein großes Augenmerk gelegt wird, trotzdem bin ich aber unsicher, was Leser davon halten könnten. Ich finde es unrealistisch, wenn der Eindruck entsteht, dass meine Charaktere vor bestimmten Dingen Halt machen, weil wir da moderne Tabus haben, aber andererseits will ich natürlich auch nicht, dass Vergewaltigungen und Co. als profane Praxis rüberkommen, "was man mal machen kann". (Andererseits verurteile ich das ohnehin durch die Sicht eines PoV ... was aber nichts daran ändert, dass der Leser im schlimmsten Fall starken Ekel für Charaktere empfindet, die eigentlich nicht an sich "bösartig" wären ...)

    Was denkt ihr darüber?
    Habt ihr auch skrupellose Charaktere, die sich an keine Moral halten und nicht gerade der Antagonist sind?
    Gibt es in euren Augen Grenzen für die Unmoral eines Protagonisten oder wichtigen Nebencharakters?
    Derweilen ist auf dem Feld schon alles gewachsen, bevor die wussten, warum und wie genau es gedeiht. - Franziska Alber

    So nah, so fern.

    #2
    Tja, was soll ich sagen. Meine Protas sind Söldner, Opportunisten und generell mit niedriger Hemmschwelle ausgestattet und ich plane, dabei auch immer wieder wechselnde Besetzungen in manchen Positionen, um da regelmäßig frischen Wind reinbringen zu können.

    Prinzipiell sollte sich die Skrupellosigkeit und das moralisch fragwürdige Verhalten in einem nachvollziehbaren Rahmen halten und nicht glorifizierend wirken. Grenzen für Unmoral dürfte es wahrscheinlich keine geben, aber ich sollte mich als Autor fragen, bis zu welchem Grad ich so etwas auch vertreten kann und ob ich auf dieses Mittel nur aus Effekthascherei zurückgreife oder ich damit eine Message transportieren will.
    Panta rhei.

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      #3
      Grausamkeit und Brutalität, die nur aus Verrohung und physischen Überlegenheit der Charaktere entspringt, birgt die Gefahr, dass es einen langweiligen Antagonisten erschafft.
      Mord, Verstümmelung, Vergewaltigung, wirkt für ein oder zwei Szenen aufrüttelnd, danach stumpft man ab, es sei den die Leser stehen auf Splatter, Gore oder ähnliches.

      Wenn der Antagonist keine Ziele und Motivation zeigt, die ein gewisses Maß an Verständnis beim Leser erzeugen, entsteht kaum wirkliche Spannung. Die Figur bleibt oft ziemlich eindimensional.
      Zuletzt geändert von Peter; 01.09.2017, 11:37.
      I love deadlines. I like the whooshing sound they make as they fly by.

      Douglas Adams

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        #4
        Tatsächlich sind mir bisher wenige solche Charaktere untergekommen, die tatsächlich vielschichtig aufgebaut sind, daher finde ich sie oft langweilig. Auf Anhieb fallen mir nur die Charaktere aus Fluch der Karibik ein, die tatsächlich Persönlichkeit unabhängig von "ich bin böse" hatten.

        Skrupellosigkeit kommt ja auch irgendwoher, und oft nicht nur von den aktuellen Lebensumständen aka Charakter lebt auf der Straße. Wenn man beobachtet, wie Menschen in Notsituationen reagieren, sieht man meist viel mehr gegenseitige Hilfe als gegenseitiges Ausnehmen/Umbringen/Beklauen. Wir Menschen sind von Natur her auf Gemeinschaft angewiesen. Schon vor tausenden von Jahren haben sich Menschen nachweislich um die Kranken und Schwachen gekümmert, obwohl es damals sicher ein unglaublicher Aufwand war auch nur eine Person mitzufüttern. Es ist daher meiner Meinung nach nicht "normal" skrupellos zu werden nur weil es einem etwas schlechter geht. Da muss mehr dahinter stecken, und das will ich bei solchen Charakteren auch sehen.
        Ein einzelner egozentrischer Charakter ist ok - der Boss einer Bande von Räubern darf auch gerne Mal einfach nur böse sein. Aber wenn alle Charaktere nur skrupellose egozentrische Monster sind, ohne größeren Grund dahinter, dann halte ich das für einerseits unrealistisch und andererseits langweilig zu Lesen.

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          #5
          Warte, da gab's doch kürzliche eine Bootcampübung zu dem Thema *hust*

          Ich denke, du musst dir darüber klar werden, ob DU willst, dass deine Figuren Vergewaltiger sind, und das aus ihrer Perspektive auch überzeugend vertreten kannst. Natürlich wird sie das in den Augen der Leser unsympathischer machen, aber wenn du realistische Piraten willst und keine Disney-Version, dann *sind* ihre Handlungen einfach aus dem Blickwinkel eines normalen Menschen nicht sympathisch. Sie können trotzdem als Personen interessant sein, aber ob ein Leser einen Vergewaltiger sympathisch finden will, wenn er ansonsten ein ganz cooler Typ ist, das muss jeder Leser für sich ausmachen. Du präsentierst zunächst einfach eine Figur, so wie sie ist. Und wenn du nicht gerade glorifizierst, was sie da tun, würde ich auch nicht gleich vorwerfen, dass du ihr Tun verharmlost. Du musst eben die Folgen ebenso realistisch darstellen.

          Wenn dir das zu heiß ist, könntest du auch verschiedene Dunkelgrautöne benutzen. Nicht jeder Pirat muss ein Vergewaltiger sein. Nicht jeder Krieger hat Spaß daran, Leute zu verstümmeln und zu quälen. Es gibt welche (viele?) in der Gruppe, es wird toleriert, aber die Personen, die du als Sympathieträger führen willst, beteiligen sich nicht daran. Ob sie sich nun aus moralischen Gründen zurückhalten oder gerade etwas Wichtigeres zu tun haben, solange du nicht zeigst, dass sie mitmachen, kann ein Leser sich ggf. einreden, dass derjenige ja nicht so übel ist wie seine Kameraden.
          Poems are never finished.
          Just abandoned.

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          • Victoria
            Victoria kommentierte
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            *mithust*

          #6
          Zitat von Kelpie Beitrag anzeigen
          Aber ein bisschen unschlüssig bin ich schon, wie sowas beim Leser ankommt. Mord ist ja noch eines, aber interessanterweise habe ich bei Vergewaltigung dann schon den Eindruck, eine Grenze zu übertreten. Natürlich bin ich absolut gegen sexuelle Gewalt, aber aus welchem Grund sollten Männer, die auch sonst kein Problem mit Gewalt haben und die seit Wochen keine Frau mehr gesehen haben, da irgendwelche moralischen Skrupel kennen? Aber wie würden sowas Leser aufnehmen (nicht, dass ich es beschreiben würde, weil meine PoV das aus unterschiedlichen Gründen zum Glück nicht machen würden; aber sie kriegen es ja bei ihren Kollegen mit)?
          Ich empfinde es immer als ziemlich unrealistische, wenn die schlimmsten Bösewichte in Filmen und Romanen plötzlich Skrupel haben, wenn es darum geht, Frauen sexuell zu belästigen. Wer so hemmungslos geworden ist, dass er mordet und foltert, der wird auch vor Frauen keinen Halt mehr machen und das sollte man dann auch thematisieren.

          Wenn man schon über Gewalt schreibt, dann sollte man das auch konsequent machen, sonst verklärt man diese nur, und das finde ich schlimmer als den Leser mal ein bisschen zu überfordern.

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            #7
            Es wäre vielleicht auch ganz interessant, wenn ein Charakter sich im Laufe der Geschichte dahingehend entwickelt, dass er diese Praktiken irgendwann in Frage stellt, etwa, als er ein Opfer näher kennenlernt oder auch einfach eine Person dazustößt, die das eben ganz und gar nicht normal findet und verurteilt. Das würde ihn dann etwas sympathischer machen, weil er bereit ist Empathie zu empfinden und dazuzulernen und sich über das, was ihm bisher als normal vermittelt wurde, hinauszuentwickeln.
            Poems are never finished.
            Just abandoned.

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            • Zinnsoldat
              Zinnsoldat kommentierte
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              So was würde ich auch gerne viel öfter lesen, dass eine „böse“ Person sich ändert und dann plötzlich aus ihrer Schublade kriecht, in die sie gesteckt wurde. Ich glaube auch, dass gerade Empathie etwas ist, das man lernen kann.

            • Lael
              Lael kommentierte
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              Zinnsoldat Ja, kann man gewissermaßen auch. Allerdings gibt es auch Störungsbilder, wo dahingehend neuronale Auffälligkeiten bestehen ... da ist das Ganze dann etwas schwieriger (bis nahezu unmöglich). Es ist aber auf Dauer vielleicht langweilig, sich immer nur "darauf auszuruhen", das mag sein.

            #8
            Wenn Gewaltbereitschaft und Gewalttätigkeit aus dem Setting und der Sozialisation der Figuren heraus und für die Handlung begründbar ist, ist es in mA OK, sie darzustellen, auch im Tarantino-Style - graphisch, zeitlupenartig, gore-lastig - wenn es das ist, was Deine Geschichte braucht und Deine Figuren brauchen (wobei ich, wie immer, bestimmte Szenarien absolut indiskutabel fände).
            Ich schließe mich aber Ena an, dass ich nicht glaube und nicht erwarte, dass auch in raubeiniger Umgebung alle Menschen immer Täter oder Opfer sind. Das muss abgewogen und begründet sein. In jedem von uns schlummern ein Pfleger und ein Killer - bei entsprechender (sozial) lebenswichtiger Motivation kommen sie hervor - der Schutz kranker Individuen im Sozialverband oder die rücksichtslose Verteidigung der eigenen Familie als Beispiel. Dass in jedem ein Kinderfolterer oder ein Vergewaltiger lauert, glaube ich dagegen nicht - das geht gegen die Normen eines funktionierenden Sozialverbandes und erschüttert diesen zutiefst. Menschen sind aufeinander angewiesen, und Verhaltensweisen, die den Zusammenhalt sabotieren, werden/wurden sanktioniert (teils mit Strafen, die selbst eigentlich außerhalb des Menschlichen liegen oder lagen). Natürlich gibt und gab es oder kann man Settings vorstellen, wo es mit dem sozialen Zusammenleben schwerst hapert, aber das rechtfertigt nicht die Annahme, dass automatisch jede Figur jeden Skrupel über Bord wirft. Wie weit man seinen Protagonisten da mitlaufen lässt, muss man sich selbst und dem Leser gegenüber begründen.
            Die Frage ist, wie sehr man den Leser mit der Gewaltdarstellung tatsächlich beschäftigt. Das fände ich wichtig, um überhaupt mit der Gewaltdarstellung anzufangen. Soll der Leser z B anfangen zu überlegen, wie schrecklich das Gelesene ist oder wie schrecklich authentisch der Autor dort zugeschlagen hat oder soll er sich fragen, ob und warum er die dargestellte Figur sympathisch finden kann? (Bei "Dexter" z. B. ist der sympathische Killer im Buch prinzipiell viel schrecklicher. Trotzdem drückt man ihm die Daumen. Ich habe echt gegrübelt, wieso. Ich glaube, weil man annimmt, man wäre nicht sein Beuteschema - oder er wäre gar auf des Lesers Seite. Was beides völlig falsch ist.)

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              #9
              Danke an der Stelle schon mal für eure Antworten.

              ThetaHelion

              Grenzen für Unmoral dürfte es wahrscheinlich keine geben, aber ich sollte mich als Autor fragen, bis zu welchem Grad ich so etwas auch vertreten kann und ob ich auf dieses Mittel nur aus Effekthascherei zurückgreife oder ich damit eine Message transportieren will.
              Grundsätzlich stimme ich dir zu, aber ich bin kein Freund von großen Messages und sehe einen Autor auch nicht in der Verantwortung, seinen Roman immer mit einer "Moral von der Geschicht'" auszuschmücken. Ich weiß, dass du es so extrem gar nicht gemeint hast. Es ist einfach nur schwierig, den Spagat zu vollführen zwischen der einfachen Beschreibung eines Geschehnisses und dem erweckten Eindruck, dass man das als Autor glorifiziert bzw. zumindest für unbedenklich hält.



              Peter

              Grausamkeit und Brutalität, die nur aus Verrohung und physischen Überlegenheit der Charaktere entspringt, birgt die Gefahr, dass es einen langweiligen Antagonisten erschafft.
              Mh, das meinte ich nicht. Ich denke nur, dass jemand, der zum Überleben töten muss, irgendwann aufhört, sich da moralische Probleme zu bereiten. Oder zumindest ein Großteil der Menschen. Bzw. wenn du dich in einer Gruppe bewegst, bei der sich die einzelnen Mitglieder gegenseitig hochschaukeln, dann verlierst du auch schnell deine Hemmungen. Und wenn du es nicht tust, dann verlässt du diese Gruppe vermutlich schnell wieder.

              Mord, Verstümmelung, Vergewaltigung, wirkt für ein oder zwei Szenen aufrüttelnd, danach stumpft man ab, es sei den die Leser stehen auf Splatter, Gore oder ähnliches.

              Wenn der Antagonist keine Ziele und Motivation zeigt, die ein gewisses Maß an Verständnis beim Leser erzeugen, entsteht kaum wirkliche Spannung. Die Figur bleibt oft ziemlich eindimensional.
              Ich verstehe, was du meinst; ich muss da an ein Buch denken, das ich kürzlich gelesen habe und wo der Antagonist neben allgemeiner Boshaftigkeit auch noch größte Freude dabei empfand, Menschen so lange zu zerlegen, bis sie irgendwann daran sterben. Beim ersten Mal war man noch angewidert, danach war es irgendwie egal.

              Ich würde da aber einfach mal die Behauptung aufstellen, dass eine Abstumpfung nur dann stattfinden kann, wenn es tatsächlich zur Effektheischerei verwendet wird bzw. so beim Leser ankommt.
              Wobei ich in meinem Fall auch sagen kann, dass ich ohnehin nicht will, dass der Leser mit vor den Mund geschlagenen Händen dasitzt und über die Gewalt entsetzt ist. Es geht mir nur um die Darstellung der Charaktere.



              @Ena

              Auf Anhieb fallen mir nur die Charaktere aus Fluch der Karibik ein, die tatsächlich Persönlichkeit unabhängig von "ich bin böse" hatten.

              Skrupellosigkeit kommt ja auch irgendwoher, und oft nicht nur von den aktuellen Lebensumständen aka Charakter lebt auf der Straße. Wenn man beobachtet, wie Menschen in Notsituationen reagieren, sieht man meist viel mehr gegenseitige Hilfe als gegenseitiges Ausnehmen/Umbringen/Beklauen. Wir Menschen sind von Natur her auf Gemeinschaft angewiesen. Schon vor tausenden von Jahren haben sich Menschen nachweislich um die Kranken und Schwachen gekümmert, obwohl es damals sicher ein unglaublicher Aufwand war auch nur eine Person mitzufüttern. Es ist daher meiner Meinung nach nicht "normal" skrupellos zu werden nur weil es einem etwas schlechter geht. Da muss mehr dahinter stecken, und das will ich bei solchen Charakteren auch sehen.
              Ein einzelner egozentrischer Charakter ist ok - der Boss einer Bande von Räubern darf auch gerne Mal einfach nur böse sein. Aber wenn alle Charaktere nur skrupellose egozentrische Monster sind, ohne größeren Grund dahinter, dann halte ich das für einerseits unrealistisch und andererseits langweilig zu Lesen.
              Ah, Fluch der Karibik ist ein schönes Beispiel. Wobei ich auch da finde, dass die Charaktere relativ verweichlicht gezeichnet wurden. Sowohl Jack Sparrow als auch richtige Bösewichte á la Barbossa tun letztendlich nie etwas wirklich Böses, außer maximal jemandem ein Messer an die Kehle zu halten oder ein bisschen herumzudrohen.
              Bezüglich Skrupellosigkeit und Lebensumständen hängt es allerdings m.E. von der sozialen Gruppe ab. Innerhalb seiner Gruppe besteht große Loyalität und Zusammenhalt, außerhalb der Gruppe nimmt das Verantwortungsbewusstsein und damit auch die Skrupel rasant ab. Das ist eigentlich auch der springende Punkt an der Gewaltbereitschaft, der mich fasziniert: Innerhalb von Familie und Freunden können diese Leute sanft wie Kätzchen sein und im nächsten Moment eiskalt werden.

              An Bosheit an sich glaube ich ohnehin nicht. Deswegen mag ich weder den bösen Antagonisten noch den bösen Anführer einer Räuberbande. Boshaftes Handeln hat immer einen Ursprung, aber das muss nicht immer die schreckliche Kindheit gewesen sein.



              @Zinnsoldat

              Die Perspektive ist neu, kann ich aber gut unterschreiben. Ich habe es nie als verharmlosend betrachtet, wenn man über einen gewissen Punkt nicht hinausgeht, aber eigentlich hast du Recht. Wenn es nicht gerade explizite Gründe dagegen gibt, dann wird ein gewaltbereiter Mensch vermutlich recht schnell gegen Frauen gewalttätig, weil die in vielen Fällen wehrlos sind.



              @Ankh

              die Bootcamp-Übung wollte ich eigentlich mal machen. Ich denke, jetzt wäre eine gute Gelegenheit Aber irgendwie passt da der Charakter nicht so recht rein, weil er eh schon mit negativen Zügen überladen ist und er kein PoV ist ... egal?

              Diese nüchterne Betrachtung bestärkt mich gerade. Weil das eigentlich auch mein Ansatz beim Schreiben wäre. Ich meine, klar muss ich nicht schreiben, was ich nicht will und natürlich entstammen alle Szenen meiner Fantasie und damit etwas, was ich beabsichtige, weshalb ich genau genommen diese Gewalt auch weglassen könnte. Aber andererseits haben sich diese Charaktere entwickelt, manche Situationen sind geradezu prädestiniert für gewisse Reaktionen und es würde nicht zum Charakter passen, sich sowas entgehen zu lassen. Aber dann muss es halt auch irgendwie erwähnt werden; es spielt ja eh schon so eine Menge im Off.
              Derweilen ist auf dem Feld schon alles gewachsen, bevor die wussten, warum und wie genau es gedeiht. - Franziska Alber

              So nah, so fern.

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              • Kelpie
                Kelpie kommentierte
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                Es geht mir ja um ein realistisches Setting. Und da ich noch nie grundlos grausame bzw. böse Menschen getroffen habe wie sie gerne in Romanen und Filmen auftauchen, ist das für mich auch immer ein unrealistisches und daher unwahrscheinliches Szenario.
                Dass ich gerne mit skrupellosen Charakteren hantiere, hat was damit zu tun, dass mich interessiert, wie man mit ihnen umgeht. Also nicht ich als Autor, sondern ihre Mitmenschen. Welchen Nerv zapfen sie an, um eben nicht Opfer der Grausamkeit zu werden, sondern stattdessen Sympathien zu bekommen.

                Bei Sparrow hätte ich mir auch weniger Säbelzwetzen als List und Intrigen gewünscht. In meinen Augen wurde sein Potential dafür nicht ganz ausgeschöpft

              • Ankh
                Ankh kommentierte
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                Kelpie du kannst den Charakter gerne im Bootcampthread vorstellen, wir können ja auch diskutieren, wem er so wie er ist sympathisch (genug) ist bzw. wie man ihn ein bisschen positiver rüberbringen könnte, ohne ihn zu verharmlosen.

                Wenn es im Charakter liegt, dass er in einer Situation auf eine bestimmte Weise reagiert, dann lass ihn eben so reagieren. Er ist, wie er ist, und wenn es dich selbst nicht stört, dann ist er auch, wie er sein soll. Vielleicht musst du dich einfach nur von dem Wunsch lösen, dass man ihn kritiklos mögen muss. Ich finde es bei einem Charakter wichtiger, dass er "echt" wirkt und sich selber treu ist, als dass er ein moralisches Vorbild ist, zumal der Charakter, den du meinst, ja auch nicht der Protagonist ist.

              • Kelpie
                Kelpie kommentierte
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                Ich werde ihn dann morgen mal vorstellen.

                Eigentlich muss der Leser ihn gar nicht mögen, er ist absolut kein Sympathieträger. Allerdings brauche ich ihn, und das nicht als nerviges Beiwerk, sondern als einer derjenigen, die am erfolgreichsten ihre Pläne vertreten.
                Naja, dazu dann morgen

              #10
              *vor Lachen vom Stuhl kipp*

              Ehm... Hi *wink*

              Also, ich habe ständig Charaktere, die "moralisch verwerflich" sind. Sie töten, ohne das sie es müssen (Im Gegenteil, ich glaube, Esther wird da so richtig Spaß dran haben). Habe Charaktere die problemlos vergewaltigen würden. Charaktere, die keine Skrupel haben Kinder unter Drogen zu setzen. Charaktere, denen es egal ist, was mit anderen Menschen passiert. Meine Antagonisten sind für gewöhnlich nicht so schlimm, sie ticken halt nur richtig groß aus. Aber meine "guten" Charaktere? Die meisten sind recht anständig. Und dann habe ich auch welche, die deswegen so gut in ihrem Job als "Verhörspezialist" sind, weil sie ihn echt gerne machen. Und das sind bei mir auch oft Hauptcharaktere. Menschen sind halt nicht alle gut und anständig. Und nicht jeder braucht einen Grund, weshalb er gerne Menschen quält, Kinder verschifft um in die Sexsklaverei zu verkaufen oder warum er keine Skrupel hat Menschen zu töten. Sie treffen auf Menschen, die das okay finden, auf Menschen denen es egal ist, auf Menschen, die diese Praktiken verteufeln. Einige stellen sich in Frage. Andere nicht.

              Solange dies nicht als glorifizierend dargestellt ist (zumindest im Großen und Ganzen hinterher), sehe ich damit auch keinerlei Probleme.

              Grenzen habe ich nicht, weder bei Protagonisten noch Antagonisten noch Nebencharaktere. Viele von denen haben eigene Grenzen. Aber die sind individuell. Ich selber aber? Keine. Wie mein Lehrer damals sagte: Moral ist eh immer nur so 'ne Trendsache. Die ändert sich auch je nach Umstand und Zeit.

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                #11
                Moral ist eh immer nur so 'ne Trendsache.
                Das ist es halt, wo ich widerspräche. Ich rede jetzt nicht von Moral im Sinne von Rocklänge oder Gesetzgebung. Sondern von im Menschen inhärentem Verhalten, dass das Überleben der Art sichert. Außerhalb der eigenen Art (und ohne deren Verhaltensmustern) langfristig zu überleben, ist nicht machbar (außer für Individuen, die aber nie das Gros der Population darstellen werden).
                Boshaftigkeit um der Boshaftigkeit willen würde ich in Parodien noch durchgehen lassen. Aber um sie als Charaktere ernstzunehmen, müsste ich wissen, wie sie so weit außerhalb der Gesellschaft landen konnten. Denn das macht sie spannend, nicht ihr dauerhafter Aufenthalt in Psychhausen.

                Kommentar


                • Kelpie
                  Kelpie kommentierte
                  Kommentar bearbeiten
                  Das hängt wahrscheinlich davon ab, wie weit man den Begriff Moral fasst. In allen mir bekannten Kulturen wird Mord nicht geschätzt. Es gibt dagegen Kulturen, in denen Vergewaltigung nur deswegen schlecht ist, weil das den wirtschaftlichen Wert der Frau für ihren Vater herabsenkt (und wo Vergewaltiger, um der Strafe zu entgehen, einfach nur ihr Opfer zu heiraten brauchten). Es gibt Kulturen, in denen der Wert einer Frau ohnehin ganz anders betrachtet wird als bei uns. Toleranz ist ebenfalls reiner Trend: Heute tolerieren wird alles und jede sexuelle Ausrichtung (bis auf Pädophilie und Inzest), vor ein paar Jahrzehnten war es noch nicht einmal verwerflich, einen Juden auf offener Straße zu erschießen. Von religiösen Werten mal ganz abgesehen.

                  In der Hinsicht sehe ich da schon ein gewisses Trendpotential.

                • Dodo
                  Dodo kommentierte
                  Kommentar bearbeiten
                  Kelpie Das jeweilige religiöse Wertesystem modifiziert natürlich das Verhalten und wie es kulturell geahndet wird. Das ist Mode, auf jeden Fall. Auch wenn die Religion seit tausenden von Jahren besteht.
                  Das biologisch verankerte Sozialverhalten des Menschen aber basiert auf Kooperation und gegenseitiger Hilfe, nicht prinzipieller Unterwerfung und Tötung Schwächerer (z B Frauen oder Alter).

                • Ena
                  Ena kommentierte
                  Kommentar bearbeiten
                  Ich sehe es da wie Dodo. Klar gibt es Dinge, die in Kulturen unterschiedliche gehalten werden. Trotzdem gibt es Dinge, die rein evolutionär gesehen notwendig für die Menschen sind und in uns zunächst verankert sind - das heißt nicht, dass wir als Individuen anderes Verhalten lernen können, entweder durch Umstand oder Soziale Verhältnisse.
                  Manche von euch bringen Vergewaltigung auf. In manchen Kulturen wird es fast schon hingenommen, ja. Ich denke aber, dass das gegen unseren natürlichen Trieb geht (zumindest als Teil der Gruppe des Opfers betrachtet, ich denke als Täter ist das nochmal was anderes), denn es hilft dem Artbestand auf lange Sich hin nicht, traumatisierte Frauen und ungeplante Kinder von unverlässlichen Vätern zu haben. Genauso ist es mit Gewalt in Familien - manche Kulturen mögen das akzeptieren, aber jedes Kind, das domestizierte Gewalt sieht wird das erstmal für Scheiße befinden. Erst durch ständiges dem ausgesetzt sein und dem Aufwachsen in einer Kultur, die das als normal erachtet wird das Kind irgendwann das ganze auch als normal ansehen.

                  Was übrigens LGBT angeht, kann man eher davon ausgehen, dass auch hier die Toleranz erst in den letzten paar hundert Jahren verloren gegangen ist und viele Kulturen dem schon lange offen waren/sind.

                #12
                Hm.. moralisch fragwürdige Charaktere.. da muss ich mal überlegen, ob ich auch Charaktere habe, die das nicht sind... Ich würde mal sagen, dass die meisten meiner POV Charaktere nicht gerade der Moral entsprechend handeln, die ich selbst für richtig halte. Manche entwickeln sich von "guten" Charakteren zu "bösen" aber auch Umgekehrtes kommt vor (und gar manch einer durchläuft beide Richtungen). Grenzen für die Unmoral würde ich nicht unbedingt bei denen sehen.. sie sind so unmoralisch wie ich es für nötig erachte, um die Aussage, die ich da hineinlege, ein klein wenig sichtbar zu lassen.

                Dass jemand, der nicht vor Mord zurückschreckt, nicht vor Vergewaltigung zurückschrecken würde, ist, denke ich, nicht unbedingt allgemeingültig. Zumindest denke ich, dass es auf die Gründe ankommen kann, weshalb jemand mordet.

                Kommentar


                • Mona
                  Mona kommentierte
                  Kommentar bearbeiten
                  Kelpie Das liegt daran, dass die Dunkelziffer so groß ist und noch immer (zu) häufig darüber geschwiegen wird. Es gibt etliche Frauen, die gar nicht erst zur Polizei gehen, weil:
                  a) es keine Zeugen gab und die Hoffnung, dass das Verfahren aufgenommen wird, zu gering ist und/oder
                  b) die (häufig berechtigte) Angst vor Rache der Täter (Ermordung usw.) zu groß ist und/oder
                  c) das Opfer einfach nur vergessen will und eine Anzeige (samt Gerichtsverhandlungen und sonstigen Folgen) als zu stark retraumatisierend empfunden wird und/oder
                  d) sogar weitere Opfer oder Berater aus diesen Gründen von einer Anzeige eher abraten.

                  Die Zahl an (sexuellen) Straftaten ist also wahrscheinlich noch viel, viel höher, als wir alle annehmen.

                  Und woher generell Gewalt kommt, damit könnte man wahrscheinlich auch ganze Buchbände füllen ... -- Traumata, Fanatismus, gesellschaftliche Probleme/Moral -- Geschlechterrelationen -- sonstige soziologische Aspekte, Fehlfunktionen im Gehirn bzw. psychische Störungen, Triebtheorien, etc. Puh.

                • Kelpie
                  Kelpie kommentierte
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                  Ich habe mal irgendwo die Statistik gefunden, dass jede 3. bis 4. Frau schon mal sexuelle Gewalt erlebt hat (zugegebenermaßen wäre es an der Stelle fraglich, was "sexuelle Gewalt" bedeutet und ob dazu auch Belästigung zählt; da ist der Begriff für meinen Geschmack zu weit gefasst), und jeder 7. bis 8. Mann/Junge ebenfalls.

                  Aber die Statistik hab ich vor langer Zeit mal gefunden, keine Ahnung ob das aktuell ist.

                • Mona
                  Mona kommentierte
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                  Genaue statistische Zahlen habe ich da jetzt auch nicht zur Hand, und ich weiß natürlich auch nicht, wie in diesem Fall "sexuelle Gewalt" definiert wurde. In einigen Statistiken fließen z.B. auch verbale Belästigungen als "psychische Gewalt" mit ein. Oder beispielsweise der Zwang, bei irgendetwas zuzusehen. Ist jetzt keine direkte physische Gewalt, aber dennoch aufgezwungene Taten, also Missbrauch.

                #13
                Für mich gibt es kaum fiktive charakterliche Grenzen bzgl. Moral/Unmoral, weil der Protagonist ja nicht automatisch der Gute sein muss (für Manches bin ich als Leser zwar zu zart besaitet, aber das ist mein Problem und tut hier nichts zur Sache).
                Es ist ja mit dem Protagonisten einfach nur eine Sache der Perspektive -- für den "bösen" Prota ist eben der moralisch "gute" Typ der Böse, der Antagonist.

                Aber eine Bedingung stelle ich meinen eigenen Geschichten und auch anderen, sofern ich sie mögen soll: Ich mag zwar keine erhobenen Zeigefinger, aber ich will auch nicht das Gefühl haben, dass Gewalt vom Autor selbst verherrlicht wird bzw. seine Gewaltverliebtheit der alleinige Hintergrund des Buches ist -- und leider las ich solche seichten Bücher bereits häufiger. Allerdings nicht zu Ende.

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                  #14
                  Ich bin gerade über einen interessanten Artikel gestoßen, der noch ein bisschen was mit dem Thema wie es weiter oben diskutiert wurde zu tun hat. Und zwar ging es darum, dass wissenschaftlich bewiesen ist, dass Folter zur Informationsbeschaffung nicht geeignet ist, sich jedoch die Frage aufwirft, wieso Folterer das nicht wissen/ignorieren.
                  Was bei mehreren Experimenten und Interviews herausgekam, ist dass Folterer psychische Störungen entwickeln und mehr oder weniger ähnliche Symptome entwickeln wie ihre Opfer. Trotzdem verteidigen die meisten Folterer ihre Arbeit.
                  Was ich daran so interessant finde ist, dass diese Menschen, die ihre moralisch fragwürdige Arbeit für gut und notwendig befinden, trotzdem psychische Probleme entwickeln. Ich kann mir vorstellen, dass es Menschen in anderen moralisch fragwürdigen Situationen ähnlichen gehen könnte. Der mordende, vergewaltigende Pirat könnte sich also mit der Zeit eingeredet haben, dass das alles ok ist, und sich dabei nicht bewusst sein, was das in Wirklichkeit mit seiner Psyche anstellt.

                  Falls ihr den Artikel lesen wollt, hier auf Englisch: https://scripttorture.tumblr.com/pos...-torture-being
                  Allgemein kann ich den Blog wirklich für jeden empfehlen, der darüber nachdenkt, Folter in seine Geschichten einzubauen. Sehr interessant, gut geschrieben und meistens mit Quellenangaben die man bei Bedarf noch verfolgen könnte.

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                  • Maggi
                    Maggi kommentierte
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                    "Was bei mehreren Experimenten und Interviews herausgekam, ist dass Folterer psychische Störungen entwickeln und mehr oder weniger ähnliche Symptome entwickeln wie ihre Opfer. Trotzdem verteidigen die meisten Folterer ihre Arbeit."

                    Kognitive Dissonanz. Das man anderen Leuten nicht weh tun soll, ist ein Grundsatz, der uns so ziemlich von Geburt an vermittelt wird. Zudem besitzen Menschen als hochsoziale Rudeltiere auch eine (mal mehr mal weniger ausgeprägte) fest verbaute Empathie (Spiegelneuronen un der ganze Kram). Unterm Strich sind sich Folterer durchaus bewusst, dass das was sie tun falsch ist. Sie tun es aber trotzdem (as den verschiedensten Gründen). Um diesen Wiederspruch, diese Dissonanz (Etwas tun, von dem man weiß, dass man es nicht tun soll) aufzulösen, sucht man sich eine Erklärung, um diesen Wiederspruch abzumindern oder aufzuheben ("So schlimm hab ich ihm ja gar nicht weg getan", "Er hat's verdient", "Ich tue das, um mein Land zu schützen" usw.)

                    https://de.wikipedia.org/wiki/Kognitive_Dissonanz

                  • Ena
                    Ena kommentierte
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                    Maggi ja, damit hat es sicherlich viel zu tun (obwohl sich mir wieder die Frage stellt, wieso man freiwillig so einen Job annimmt). Kognitive Dissonanz ist sicherlich auch für andere "bösartige" Charaktere ein interessantes Thema.

                    Der Satz war auch großteils als Kommentar auf die Diskussion weiter oben gemeint, wo the Frage gestellt wurde, ob Moral nicht nur "Trend" ist. Und ich denke diese Situation stellt ganz gut dar, dass manche moralische Vorstellungen doch sehr verankert in unserer Psyche sind.

                    Achja, weltatlas wegen dem Stanford Prison Experiment: Es gibt sehr viele Wissenschaftler, die die Resultate des Experiments als nicht universell ansehen. Was dort nämlich geschah beschreibt nach vielen Meinungen nämlich nur das Verhalten gelangweilter, privilegierter männlicher Studenten mit höherer Agressionsbereitschaft als der Durchschnitt. Beispielsweise wurde der Test schon dadurch beeinflusst, dass bei der Suche nach Leuten für das Experiment erwähnt wurde, dass es sich um ein Gefängnis-Experiment handelt.
                    Es wurde später ein unabhängiges Experiment durchgeführt, bei dem zwei unterschiedliche Ausschreibungen veröffentlicht wurden und die jeweiligen Bewerber daraufhin einige psychologischen Tests machen mussten. Auf das Gesuch, in dem ein "Gefängnis Experiment" ausgeschrieben war, bewarben sich durchschnittlich aggressivere, weniger empathische und psychisch instabilere Menschen als auf das unspezifizierte Gesuch. Daher kann man davon ausgehen, dass Stanford Prison mit einer anderen Gruppe ganz anders abgelaufen wäre.

                  • weltatlas
                    weltatlas kommentierte
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                    Ena, das ist interessant. So tief habe ich mich damit nicht beschäftigte. Interessante Info, danke.

                  #15
                  Zitat von Lasjajel Beitrag anzeigen
                  Dass jemand, der nicht vor Mord zurückschreckt, nicht vor Vergewaltigung zurückschrecken würde, ist, denke ich, nicht unbedingt allgemeingültig. Zumindest denke ich, dass es auf die Gründe ankommen kann, weshalb jemand mordet.
                  Genauso muss man sich auch die Gründe anschauen, warum jemand vergewaltigt. Klar gibt es die Kreise, in denen es häufiger vorkommt, weil dauerhaft keine freiwillige Partnerin da ist, z. B. im Gefängnis, wo dann zusätzlich noch auf einen Mann zurückgegriffen wird, obwohl der Täter gar nicht homosexuell ist.

                  Aber es geht bei einer Vergewaltigung eben häufig um Macht und darum, dass der Täter möglicherweise bei einvernehmlichen Sex gar nicht erst in Stimmung kommt, und da muss man sich erstmal fragen: "Ist mein Charakter so ein Typ Mensch?" Oder geht er nach Monaten auf See schlicht in ein Bordell? Oder hat ganz klassisch in jedem Hafen eine große Liebe, die auf ihn wartet?

                  Ich denke nicht, dass Vergewaltigung in einem Roman um jeden Preis vermieden werden muss, aber es überschreitet eine Grenze, und gerade dabei finde ich, dass es schon drauf ankommt, was sie aussagen soll bzw wird und ob es zum Charakter passt.

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                  • Amilyn
                    Amilyn kommentierte
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                    Und beim Thema Bordell fällt mir noch ein: es kann da auch noch ganz spannend sein zu sehen, dass eben nicht nur die Männer die moralisch fragwürdigen Charaktere sein müssen, sondern eben auch die Frauen, die sich in Scharen in die Hafengassen stellen, wenn ein Schiff ankommt. Denn es heißt oft eben nicht: oh, die arme Frau muss sich und ihr kleines Kind irgendwie über Wasser halten oder wird vom bösen Zuhälter gezwungen, sondern: hey, da kommt ein Schiff mit sexuell ausgehungerten Männern an, denen sie das Geld aus der Tasche ziehen kann.
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