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Mittwochsfrage #16: Wir schreiben für das Leben -- oder?

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    Mittwochsfrage #16: Wir schreiben für das Leben -- oder?

    still-life-449817_640.jpg(Quelle: Pixabay.com)



    "Nicht für die Story -- fürs Leben schreibst du!"
    Okay, dieser Satz, den sich vermutlich fast jeder irgendwann mal anhören musste, geht ein wenig anders.

    Nachdem ich mich längere Zeit mit dem Thema "Literatur als Lebenshilfe" befasst habe, würde mich mal interessieren, ob ihr auch eure eigenen Projekte dafür verwendet, um für euer Leben zu schreiben -- verarbeitet ihr persönlich Erlebtes darin? Konfrontiert ihr euch in euren Romanen bewusst mit euren Ängsten? Oder schreibt ihr für das Leben anderer -- wollt ihr anderen Menschen positive Botschaften mit auf den Weg geben?

    Anders formuliert: Schreibt ihr eine Story der Story wegen, oder wollt ihr mit dem Schreiben Auswirkungen auf euer Leben bzw. auf das Leben anderer erzielen?
    Zuletzt geändert von Mona; 29.06.2017, 10:13. Grund: Bildquelle hinzugefügt

    #2
    Ich kann für mich nur sagen: Ich schreibe der Story wegen. Weil sie raus muss. Wenn ich darin etwas persönlich Erlebtes verarbeite (im Sinne einer Aufarbeitung), dann weiß ich es nicht, ich bezweifle es aber. Für mich ist wichtig, dass der Leser beim Lesen hoffentlich Spaß hat, und wenn er in tiefer gehende Gedanken einsteigt, die ich vielleicht gar nicht bewusst angeregt habe, freut mich das erst recht.

    Belletristische Bücher, die die Welt oder deren User tatsächlich zu irgendwas bewegen, kenne ich auch nicht wirklich. Von den Mode-Selbstmorden nach "Werther" vielleicht einmal abgesehen, und auch da kenne ich die exakten Daten nicht (Welle oder Einzelfälle?). Allerdings habe ich solche Bücher auch noch nie gesucht. Ich bin gespannt, welche Erfahrungen andere User hier haben.

    Ob ausgerechnet fiktionale Literatur Lebenshilfe im allgemeinen vorhalten kann, weiß ich nicht - im Einzelfall mag das funktionieren, aber ein "Therapie"-Roman als solchen kann ich mir nicht vorstellen. Jedenfalls nicht von mir ...
    Ein Buch wie "Leben" ist natürlich wundervoll, aber die Wahrscheinlichkeit, dass ich dort Trost finde, weil ich transplantiert werden müsste, ist zur Zeit jedenfalls eher gering, wie wohl für die meisten in der Bevölkerung. Vielleicht denke ich da aber auch zu konkret und hebe das Werk nicht auf die allgemeinergültige Ebene. Daher erwarte ich auch nicht von einem potentiellen Leser meiner Schreibereien, dass er die höhere Wahrheit darin erkennt (ich freue mich aber, wenn ich sie erkenne).
    Natürlich gibt es aufklärende Literatur, auch Schlüsselromane, Erklärbär-Geschichten, die unterschiedlich aufdringlich unter der allgemeinen Aufmerksamkeit ablaufende Vorgänge oder Algorithmen breit erklären, ohne den Anspruch eines Sachbuchs zu haben. Die vielleicht vielen Menschen die Augen öffnen kann. Aber ich glaube, diese Form Literatur meintest du nicht?

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      #3
      Ich schreibe genau wie Dodo, weil es Geschichten gibt, die aus mir raus wollen. Warum die aus mir raus wollen ist eine andere Frage - ich entscheide mich zwar nicht bewusst dafür, Dinge zu verarbeiten, aber wenn ich mir das dann hinterher durchlese, erkenne ich da schon einige meiner ganz privaten Sorgen und Gedanken wieder.

      Aber ja, positive Botschaften gebe ich auch mit, natürlich. Ich mache mir Gedanken, was meine Geschichte aussagt und welche Bilder sie vermittelt, und feile ganz bewusst daran herum. Zwar ist das dann am Ende kein Manifest, wie der Leser sein Leben zu leben hat, oder gar ein besonders positiver Ausblick auf die Zukunft, aber gerade in den Dingen, die in "meiner" Zukunft falsch laufen sehe ich Anregungen, was man heute anders machen könnte, damit unsere Zukunft besser aussehen wird. Und umgekehrt sind Dinge, über die heute breit diskutiert wird, in "meiner" Zukunft überhaupt kein Problem und nehmen vielleicht dadurch die Angst davor.
      Ich mache mir auch Gedanken darüber, was es aussagt, wie meine Helden ihre Ziele erreichen. Es ist einfach, alle Gegner umzubringen. Es ist erstrebenswerter, zumindest zu versuchen, vorher mit ihnen zu verhandeln ... Insofern vermittle ich natürlich bewusst Botschaften. Aber die zu vermitteln ist nicht der Anlass, warum ich schreibe.

      Poems are never finished.
      Just abandoned.

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        #4
        Ehrlich gesagt schreibe ich eher, um dem alltäglichen Leben zu entfliehen und wie meine Vorschreiber, weil es Geschichten gibt, die erzählt werden wollen.
        Dass es dabei ab und an zu Überschneidungen mit selbst Erlebtem kommt, ist (glaube ich) normal. Allerdings hoffe ich dabei nicht auf eine Art Therapie. Die habe ich (hoffentlich) nicht nötig.

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          #5
          Ich schreibe, weil die Geschichten aus mir rauswollen. Selbstverständlich enthalten sie Dinge, die ich erlebt habe, aber ich baue sie nicht extra deswegen ein, sondern weil der Plot es erfordert und ich an diesem Punkt eigene Erfahrungen habe oder weil sie einfach passen. Zu meiner Selbstheilung trägt das ganz sicher nicht bei. Im Gegenteil. Die in dieser Hinsicht schwierigsten Szenen waren unglaublich anstrengend, ich bin Situationen durchlaufen, die ich gern meide (wenn ich es auch nicht sollte, aber bislang hat es mir nicht geholfen, sie nicht zu meiden), für die Szene, aber sicher nicht für mich. Für mich war das belastend, aber ich weiß, dass es der Szene zugute kommen wird.

          Eventuell hat es trotzdem einen positiven Effekt auf mich, vielleicht auch nicht. Wenn, dann nicht, weil ich über bestimmte erlebte Themen/Situationen schreibe, sondern weil etwas tue, das mir Spaß macht.
          Ich komme aus Ironien.
          Das liegt am sarkastischen Meer.

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            #6
            Ich verarbeite auch keine autobiographische Sachen in meinen Geschichten. Ich bin gegen die Auffassung, dass man mit Schreiben sein Leben therapiert. Ich wünsche mir mehr Vielfalt und mehr Neugier.

            Ansonsten wäre eine gewisse Philosophie nicht schlecht. Ihr versteht, wie ich es meine.
            Zuletzt geändert von Milch; 28.06.2017, 11:46.

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              #7
              Ich schreibe, weil ich das was mir einfällt teilen möchte. Ich möchte auch die Welt mit Geschichten bereichern, und auch vielleicht Lücken füllen, Leuten Freude bereiten.

              Ich weiß nicht ob Selbsterlebtes da drin steckt, aber mir ist aufgefallen, dass meine Chars große Brüder haben oder selber welche sind, während ich gerne einen gehabt hätte, aber als Einzelkind aufwuchs
              ~ We know the songs the sirens sang
              See us dream every tale true ~

              T. Holopainen

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                #8
                Ich glaube, dem Schreiben geht zunächst einmal eine Faszination für Geschichten und fürs Geschichten erzählen voraus. Als ich klein war und noch nicht des Lesens mächtig, musste meine Mutter mir stundenlang vorlesen. Bald hab ich damit angefangen, mir selbst Geschichten zu erzählen – wiederkehrender Protagonist war ein Hase, wenn ich michr ichtig erinnere.
                In der Grundschule hat eine besorgte Lehrerin meine Eltern zum Gespräch geladen: Die Tochter würde in der Großen Pause mit sich selbst reden. Ja, da hab ich mir Geschichten erzählt! Meine Eltern haben sie dann beruhigt und mir nahe gelegt, dass ich auch mit den anderen Kindern spielen könnte. (Ich war ganz schön seltsam, damals. Eigentlich bin ich's immer noch. )
                Genauso hatte ich ein Faible dafür, kleine, harmlose Lügen aufzutischen. Nicht, um zu hintergehen oder mir irgendwelche Vorteile zu verschaffen – sondern des reinen Vergnügens wegen, eine Lügengeschichte so gut zu erzählen, dass sie für wahr gehalten wird.

                In der Grundschule begann dann das Aufschreiben der Geschichten; erst ausschließlich für die Eltern und für die Deutschlehrerin, später auch für meine Klassenkameradinnen, die eine Fortsetzungsgeschichte von mir in eigens angelegten Ordnern gesammelt haben.

                Ich empfinde mich wie ein Schwamm, der alles Mögliche aufsaugt. Durch das Schreiben, durch die Geschichten, die ich erzähle, kann das produktiv und kreativ verarbeitet und "rausgelassen" werden: eigene Erfahrungen, aber auch Dinge, die ich von anderen gehört oder irgendwo aufgeschnappt habe und die dann – rekombiniert – Material für neue Geschichten bilden. Daher bin ich auch von einer Art selbsttherapeutischen Dimension des Schreibens überzeugt.
                In der Vergangenheit hab ich ein, zwei Mal versucht, mit dem Schreiben aufzuhören (auch, weil ich mit dem Resultat nicht zufrieden war). Ich hab's nicht geschafft, ich bin immer wieder zum Schreiben zurückgekehrt.

                Den Lesern geben wir mit unseren Geschichten Bilder und Botschaften an die Hand. Deshalb finde ich es wichtig, in meine Geschichten "Messages" zu verweben, hinter denen ich stehe und die ich anderen mitgeben möchte. Das hat mit Verantwortung zu tun. Das, was wir schreiben, sind halt nicht bloß "Geschichten". Darauf bestehe ich – vielleicht gerade auch deswegen, weil ich so genannte "triviale" U-Litertaur schreibe. Jede Geschichte kann in den Köpfen anderer wirken.

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                • Milch
                  Milch kommentierte
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                  Ich weiß nicht, ob Messages ein Kriterium für hohe Literatur ist. Hohe Literatur zeichnet sich durch Stilwillen, Spielerischkeit, Mehrdeutigkeit, Vielschichtigkeit und gesellschaftlicher Relevanz aus. All das kann auch in der Fantasy oder Krimi passieren.

                • Lacerta
                  Lacerta kommentierte
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                  Milch Mit dem letzten Part meines Beitrags beziehe ich mich auf solche Leute, die meinen, U-Literatur habe "nur" zu unterhalten (und das oft abwertend meinen). Finde ich eben nicht: Auch (oder gerade!) U kann/muss/soll bilden. Das habe ich mit Messages gemeint.
                  Schön finde ich es, wenn U-Autoren in ihren Texten E-Elemente einbauen, indem sie innovativ sind, stil-technisch Wagnisse eingehen etc. Ich unterscheide lieber zwischen U- und E-Literatur als zwischen "hoher" und "niedriger", weil letztere Bezeichnungen einen deutlich wertenden Charakter haben.

                • Milch
                  Milch kommentierte
                  Kommentar bearbeiten
                  Meistens gehören sich Genre wie Krimis oder Fantasybereich in den U-Bereich, aber nicht zwangsläufig. Genre ist kein generelles Kennzeichen für E oder U.

                #9
                Ich denke es ist ein bisschen von beidem. Einerseits muss die Geschichte einfach raus, um der Geschichte Willen. Andererseits denke ich schon, dass ich in gewisser Weise etwas von mir darin verarbeite.
                Zumindest meine ersten Geschichten stammten aus Tagträumen, aus was-wäre-wenn, mit jemandem wie mir als Charakter im Zentrum. Eine (die ich in ein Nicki-Notziheft geschrieben und tatsächlich mit meinen Schulfreundinen geteilt habe) war auf meinen damaligen ersten Celebrity-Crush zurückzuführen, und ich wollte eine Geschichte schreiben in der das Mädchen mit dem Superstar Schauspieler zusammenkommt. Die Charaktere hatten andere Namen und leicht abgeänderte Persönlichkeiten aber letztendlich war es eine Geschichte über mich und Johnny Depp Vielleicht sollte ich die mal wieder rauskramen und über mich selbst lachen...
                Mittlerweile schreibe ich sowas nicht mehr (zumindest nicht mehr bewusst), die Charaktere sind nicht mehr Leute aus meinem echten Leben und haben mit meinem echten Leben auch nichts zu tun. Sie wollen erzählt werden, weil sie etwas zu erzählen haben, nicht weil ich meine Fantasien damit ausleben will. Andererseits steckt in jedem einzelnen Charakter auch ein kleines bisschen von mir selbst mit drin.

                Therapeutisch ist es aber ganz und garnicht. Ich fühle mich gut beim Schreiben, aber während Abitur und etwa zwei bis drei Jahre danach habe ich überhaupt nicht geschrieben, und mein Leben hat sich dadurch nicht sonderlich verändert.

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                • Mona
                  Mona kommentierte
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                  Du und Johnny Depp? Ach wie süß! (Ich hab auch mal so ne ähnliche Story geschrieben. Aber über wen, verrat ich nicht, hihihi ...)

                • Ena
                  Ena kommentierte
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                  Ich hatte zahllose Poster von dem Typ Ich glaube in der Geschichte hieß er dann "Jacky Swan" oder so XD

                #10
                Bei mir ist es beides denke ich.
                Auf der einen Seite wollen die Geschichten raus, die Idee, die Fantasy, die ich anderen näher bringen und auf das Papier bannen möchte.
                Aber auf der anderen Seite habe ich auch schon mal gezielt versucht, vergangene Ereignisse in Büchern zu verarbeiten, bin bisher aber immer daran gescheitert, es ist einfach zu schmerzhaft sich in einem solchen Maße damit auseinanderzusetzen, zumal ich beim Schreiben auch sehr viel auf Emotionen setze. Aber ich bringe gerne Erlebnisse oder Charakterzüge, vergangenes in meine Charas ein, das passiert ganz automatisch und ist denke ich auch normal, dennoch gefällt es mir aber auch sehr gut Sachen umzusetzen, die so gar nichts mit meinem eigenen Leben zu tun haben.
                Was das Schreiben als Therapie anbelangt, so kann ich dazu sagen, dass ich mein letztes Buch als ene Art Therapie für mein eigenes Wohl ansehe. Ich hatte zu der Zeit starken Liebeskummer und habe diesen dann im Roman verarbeitet. Und es war wirklich sehr befreiend, sich all diesen ganzen Schmerz usw von der Seele schreiben zu können. Das heißt, klar, es war schmerzhaft, seine Gefühle in Form der Charas und der Geschichte wiederzugeben, aber es hat mir geholfen, ein Stück weit damit besser umzugehen und "es rauszulassen."
                Daher ist das denke ich immer situationsbedingt.
                Allerdings schrecke ich bei solchen Sachen wie Mobbing davor zurück, da zu autobiografisch zu schreiben, weil das ja immer noch andere lesen und dann wissen, dass mir das so passiert ist und ich das dem Publikum dann preisgebe. Wie gesagt als Therapie kann das Schreiben funktionieren, war aber nie mein reiner Grund fürs Schreiben und ist auch stark gefühlsabhängig. Man sollte versuchen möglichst positiv durchs Leben gehen zu können und das kann man, wenn man so autobiografisch schreibt, vielleicht nicht mehr.
                "Angst schließt das Licht in Dunkelheit ein, Mut ist der Schlüssel." - KH.

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                  #11
                  Ich bin sogar sehr froh, dass meine Geschichten wenig mit meinem eigenen Leben zu tun haben. Inspiration ist das eine, wirkliche Parallelen das andere. Mir tut es gut, dass meine Charaktere eben doch so verschieden von mir sind und ihre Probleme lenken mich sogar eher von meinen eigenen ab. Denn wenn ich mich in einen Charakter hineinversetze, dann sind das seine Probleme und ich kann auf diese mit sehr guter Distanz blicken.

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