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Anti-Helden, Anti-Schurke: Grau in Grau statt schwarz und weiß?

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    Anti-Helden, Anti-Schurke: Grau in Grau statt schwarz und weiß?

    Da dieses Thema mittlerweile in mehreren Podcasts und Blogs aufgetaucht ist, wollte ich es hier auch mal zur Diskussion stellen. Der Trend, nicht nur in Büchern, sondern auch in Film und Fernsehen, geht ja weg vom Gut gegen Böse hin zu... tja nun... realeren Konstellationen?
    Sowohl Anti-Helden als auch Anti-Schurken erfreuen sich großer Beliebtheit.

    Was haltet ihr von diesem "Trend"? Was fasziniert eurer Meinung nach Leser and solchen Figuren-Typen? Wie gestaltet ihr selbst eure Figuren? Wie weit kann man das Spiel als Autor treiben? Wie böse darf der Protagonist sein, wie sympathisch der Antagonist, bis man seine Leser verprellt?
    Welche positiven und negativen Beispiele fallen euch für Anti-Helden und Anti-Schurken ein?

    #2
    Ich finde diese Figuren facettenreicher und damit interessanter. Einem Helden, bei dem ich von vornherein davon überzeugt werde, dass er eine gewisse Linie nicht überschreiten würde, kaufe ich das nicht ganz ab. Vor allem, wenn sich der Plot dann so hinwindet, dass er unbefleckt aus seinem moralischen Dilemma herauskommt. Ich denke, dass jeder Mensch seine dunklen Seiten hat, und die möchte ich auch in einer Figur kennenlernen, die ich in extremen Situationen begleite.
    Allerdings bin ich der Meinung, dass es ins Genre passen muss. Es ist bestimmt mal ein interessantes Spiel, Märchenfiguren umzuinterpretieren, aber irgendwann sind solche Experimente dann auch abgedroschen. Solche Figuren gehören in eine Welt, die darauf angepasst ist, graue Charaktere zu beherbergen.

    Ich treibe das in meiner Geschichte so weit, dass der moralische Unterschied zwischen Prota- und Antagonist sehr dünn bis nicht vorhanden ist. Der eine greift zuerst zu unfairen Mitteln, aber der andere hat auch am Ende keine Hemmungen. Der Unterschied besteht eher darin, dass sich der Prota prinzipiell in Richtung Hellgrau entwickelt und der Anta ins Dunkelgrau. Zu Beginn ist der Anta möglicherweise sogar noch "heller" als der Prota.
    Prinzipiell befürworte ich es, wenn Antagonisten nicht dämonisiert werden, sondern genauso menschlich (positiv und negativ interpretiert) denken und handeln wie andere Figuren auch. Bei Protagonisten muss man bei den Graustufen vorsichtig sein, damit man nicht in fragwürdige Botschaften abrutscht. Irgendetwas liebens- oder achtenswertes sollten sie auf jeden Fall an sich haben und bewahren.

    Das erste positive Beispiel, bei dem mir es mir bewusst geworden ist, dass ich solche Figuren bevorzuge, war Keie aus den mittelalterlichen Avetiureromanen. Er war der einzige unter all den perfekten Artusrittern, der gerne mal rumgestänkert und dafür auch oft genug die Quittung bekommen hat (okay, Gawain hatte auch so seine Momente. Den mochte ich auch). Die anderen waren farblose, austauschbare Abziehbilder in ihrer Perfektheit, er dagegen war ein Charakter. Vielleicht merkt man, dass ich ihn später als Vorbild verarbeitet habe Jedenfalls ist er nicht sympathisch, weil er das Richtige tut, sondern weil er Grenzen austestet, und für die Folgen auch büßen muss. Trotzdem ist er kein reines Negativbild, sondern ausdrücklich ein durchaus fähiger, vertrauenswürdiger Ritter, was es wiederum glaubwürdig macht, dass er akzeptiert wird.

    Ein positiver Anti-Schurke ist für mich Frank'nFurter aus Rocky Horror Picture Show (und nicht nur weil ich Tim Curry verehre). Letztlich ist er einfach nur ein ... Mensch, der seine Träume hat und versucht, sie zu verwirklichen. Dass er dabei über Leichen geht, macht ihn zum Antagonisten, aber er weckt auch durchaus Sympathien, vor allem, wenn am Ende seine Träume zerplatzen. Die Geschichte gibt dem Zuschauer genug Raum, seine Seite zu betrachten und nachzuvollziehen, lässt ihn seine Gedanken aussprechen, und die sind nicht simpel böse und niederträchtig wie die Solos von so manchem Disney-Antagonisten. Es hilft auch, dass er die Protagonisten auf seine Weise zum Guten (?) beeinflusst, und damit etwas Positives hinterlässt.

    Über Negativbeispiele müsste ich noch grübeln, da fallen mir gerade keine extremen ein. Oft sind sie einfach mehr oder weniger gut umgesetzt.






    Poems are never finished.
    Just abandoned.

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      #3
      Pauschal gesagt, ist natürlich ein normaler Mensch als Protagonist und Antagonist für mich Normaloleser interessanter als der strahlende Superheld. Ich bin definitiv ein Anti-Helden-Typ. (Es gibt Ausnahmen, der Klischee-Über-Böse "Schwarz" mit Zynismus und Intelligenz darf auch gerne einmal vorkommen, aber er muss dabei irgendeinen restsympathischen Zug tragen, genauso wie der Überschlaue Gute "Weiß", der auch den Leser mit arrogant gekräuselter Oberlippe ansieht - obwohl der schon unter Grau laufen könnte ...)

      Ein Anti-Held/Anti-Schurke ist imA jemand, der sein Päckchen an echten Idiotien und "Wunden" zu schleppen hat, wie jeder von uns, der schließlich über sich hinauswächst oder über das Ziel hinausschießt (wie jeder von uns?). Das ist recht plump und keine Neuigkeit, aber von reinen Herzen habe ich in den letzten Jahren auch nichts gelesen. - Wohl aber genügend von schwarzen Seelen. Vielleicht ist der Antagonist schwieriger sympathisch zu machen als der Held unsympathisch, weil man ihn am Ende zur Strecke bringen muss (kann). Und vor einem schwarzen Hintergrund strahlt eben auch Grau wie Weiß. Wenn der Antagonist richtig böse ist, kommt auch der ergraute Held strahlender daher. Ich finde es interessant, wenn die Leute primär sympathisch erscheinen, und je näher man sie kennenlernt, desto negativer - oder ausgewogener - kommen er/sie/es rüber - wenn zunächst kein eindeutiger Antagonist vorhanden ist, um so besser. Oder, was mir auch gerade en vogue erscheint, der Protagonist wäre im wahren Leben ein Antagonist (z B Dexter Morgan).

      Blöd finde ich einen Anti-Helden, der nur aus Idiotien und "Wunden" besteht, der, wie es immer so schön heißt, "gebrochen" ist - weil ich solch ganz kaputte Typen nicht mag. Rein persönlich, rein emotional, ziehe ich eine Mauer hoch. Vielleicht, weil es unglaubwürdig ist, dass sich ein gebrochener Charakter wieder zusammenpuzzelt. Vielleicht, weil ich ein guter Gegenübertrager bin und mich solche Menschen furchtbar anstrengen. Das brauche ich nicht in meiner Freizeit. (Auch sonst nicht). So ein Typus schreckt mich ab.

      Umgekehrt finde ich auch die Demontage eines vermeintlich schillernden Helden spannend, solange sie glaubhaft ist und am Ende kein Gerippe übrigbleibt, das niemals ein schillernder Held hätte sein können.


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        #4
        Der "Trend" ist genau mein Ding. Ich mag es vor allem, wenn man nicht gleich durchsteigt, wie man die einzelnen Figuren nun zu nehmen hat. Da ist viel Überraschungspotential drin.
        Ich würde auch gar nicht von "Anti-" sprechen, sondern einfach von realeren, nachvollziehbareren Charakteren.
        Aber wirklich neu ist das alles ja auch nicht. Es gibt seit jeher ambivalente Figuren. Der Schwerpunkt hat sich eventuell etwas verlagert, um dem Massengeschmack oder dem, was dazu gemacht wird, gerecht zu werden.

        Wenn eine Geschichte gut und nachvollziehbar ist, dürfen sowohl Protagonist, als auch Antagonist gerne eine ordentliche Portion Boshaftigkeit an den Tag legen. Ich erinnere nur an die ganzen Detektive aus den alten Hard-Boiled-Romanen. Philip Marlowe oder der namenlose Detektiv in Dashiell Hammetts Büchern. Auch in der klassichen Fantasy gibt es mit "Gollum/Smeagol" ein prominentes Beispiel eines Charakters, der weder böse noch gut ist. Wenn es noch klassischer sein soll, sind die tragischen "Helden" aus "Das Phantom der Oper" oder "Frankenstein" zu nennen. (Es gibt noch Unmengen weitere Beispiele.)

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          #5
          Ja, ich bin defintiv auch ein Befürwörter dieses Trendes.
          Bei The 100 gab es einmal ein interessantes Zitat:

          "I tried to be the good guy."
          "Maybe there are no good guys."

          Scribere

          Und so sehe ich das mit den Charakteren auch. Böewichte sind nicht geboren, sie sind gemacht, durch ihre Erfahrungen, ihre Erlebnisse, ihre Glaubenssätze usw. Ich schaue mir also besonders gerne jene Bösewichte, jene Antihelden an und studiere ihre Geschichte.
          (Zb. The Evil Queen in Once upon a time oder jetzt erst grad gelesen Adelina in Young Elites. Adelina ist eig der Prota, hat aber solche massiven Dämonen der Dunkelheit in sich, dass sie immer wieder zu bösen Handlungen tendiert, auch The Evil Queen schwankt immer wieder zwischen Hero-und Villian-Dasein.)
          Da könnte ich noch unendlich viele weitere Charaktere aufschreiben, sei es nur Draco Malfo in Harry Potter. Oder ein Michael Scolfield in Prison Break. Letzter wurde oberflächlich schnell als zu gut beschrieben, aber letzten Endes tut er dann genauso Dinge, die er nie tun wollte, einfach weil es die Situation so erfordert. Im Grunde sind auch wir Menschen nie nur rein gut oder rein schlecht. Und genau das will ich auch lesen. Die Entwicklung, die gedanken, die geschichte, die sie zu dem gemacht haben, die sie nun sind. Da kann der Prota gerne mal mit seiner weißen Weste hadern und der Anta sympathisch werden. Wie gesagt besonders in Serien liebe ich die Antagonisten, weil sie einfach vielschichtiger wirken und die Helden schnell nur zu den reinen eindimensionalen Helden verblassen.

          Natürlich sollte man trotzdem aufpassen, dass man immer noch die Geschichte erzählt, die man erzählen will. Ansonsten kann man gleich die Geschichte des Antagonisten erzählen.
          "Angst schließt das Licht in Dunkelheit ein, Mut ist der Schlüssel." - KH.

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            #6
            Ich mag beides sehr gerne lesen.
            Im Fantasy nehm ich auch gerne mal eine schwarz-weiß Geschichte, wo Held und Bösewicht eindeutig definiert sind. Das macht das Lesen einfacher, ich muss mir keine großen Gedanken dazu machen (in nicht fantastischen Genres finde ich das dann aber zu unrealistisch ). Genau so gerne lese ich aber auch grau-in-grau - vor allem wenn den Protagonisten schemrzlich bewusst wird, dass sie nicht "die Guten" sind. Wenn es richtig gemacht wird, kann großartiges dabei rauskommen.

            Schreiben tu ich eigentlich nur graue Moralität, weil es mir mehr Spaß macht und sich realistischer anfühlt.

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            • Mona
              Mona kommentierte
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              Ja, Protagonisten, die draufkommen, dass sie nicht ganz so gut sind, find ich auch sehr faszinierend!
              Und graue Moralität ist auch spannend.

            #7
            Ich schließe mich der Masse an, die diesen Trend befürwortet. Schwarz-weiß vertrage ich gar nicht (nicht in der modernen Literatur), auch nicht in der Fantasy. Trotz Riesenerfolg konnte ich deswegen weder mit dem Herrn der Ringe noch mit Harry Potter da jemals etwas anfangen (auch wenn bei HP irgendwann versucht wird, Voldemorts Motivationen zu begründen ... aber er war mir dennoch zu böse, um glaubhaft zu sein).

            Es begegnet mir mittlerweile recht häufig, dass in (Fantasy-)Büchern schwarze und weiße Charaktere vorgestellt werden, dann aber im Laufe des Romans versucht wird, diese Grenzen zu verwischen, indem die Antagonisten eine Motivation oder einen eigenen PoV bekommt - das empfinde ich dann aber auch eher als arm.

            Deswegen ist es mir bei meinen Charakteren wichtig, dass es da in keinster Weise ein Gut und Böse gibt, sondern dass sie einfach ihre Ziele verfolgen, die man per se nicht abstempeln kann. Einzig bei meinen Raubrittern ist mein Protagonist eigentlich der Antagonist; also irgendwie der einzige, der moralisch überhaupt keine Skrupel hat. Ansonsten unterscheidet sich die Prota- und Antagonistenseite für mich nur darin, wessen Ziele ich selbst besser finde.
            In meinem derzeitigen Projekt versuche ich aber mit dieser Protagonisten- und Antagonistenseite zu spielen, indem sämtliche Ziele der PoV einander entgegenstehen und alle davon moralisch keine der anderen überlegen ist. Das ist übrigens aber auch das Projekt, bei dem ich den Protagonisten noch nicht ausgemacht habe.
            Derweilen ist auf dem Feld schon alles gewachsen, bevor die wussten, warum und wie genau es gedeiht. - Franziska Alber

            So nah, so fern.

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              #8
              Bei Beispiel fällt mir sofort ein Buch ein, über dessen Ende ich mich immer noch aufrege. Das ganze Buch war extrem Schwarz-Weiß. Böser Typ der das Land unterjocht, junge Helding, die den besiegen geht, weil es ihr Schicksal war.
              Dann kommt am Ende der Twist, dass der böse Typ ja gar nicht böse ist und eigentlich nur ein hartes Schicksal hatte und so weiter. Also ein klarer Versuch hier eine Sympathie herzustellen und ich denk mir nur: Wollt ihr mich verarschen? Wo ist mein episches Battle. Schlag ihm jetzt einfach den Kopf ab und jut is.

              Also eine Geschichte die von Anfang an Schwarz-Weiß ist, kann nicht mehr mit grau kommen. Entweder sie ist es von anfang an oder eben nicht.
              Genauso langweilig finde ich es, wenn eine Geschichte in der keine Partei wirklich Recht hat, am Ende versucht die Kurve zu kriegen und die Einen dann doch als böse darzustellen, um das Ende zu rechtfertigen.

              Aber ist das wirklich ein Trend? DIe meisten Geschichten, die ich kenne, die eher grau sind, sind schon älter, 90er/2000er. Von Neu habe ich noch nix mitbekommen.

              Bei mir gibts schon ein klassiches Schwarz-Weiß mit Anatagonisten, die schon Gefühle haben, aber auch Protagonisten, die auch unmoralische Dinge tun. Aber nix, das wirklich grau ist.
              Zuletzt geändert von Schneeregen; 22.06.2017, 14:29.

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              • Kelpie
                Kelpie kommentierte
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                Welches Buch ist das, das du oben als Negativbeispiel hernimmst? Nicht zufällig die Drachenkämpferin von Licia Troisi?

              • Schneeregen
                Schneeregen kommentierte
                Kommentar bearbeiten
                Kelpie Doch das. Weil es eben überhaupt nicht funktioniert hat.

              • Kelpie
                Kelpie kommentierte
                Kommentar bearbeiten
                Stimme dir darin zu ^^ Ich fand das Buch ganz okay, aber das Ende ... naja.

              #9
              Zumindest einer meiner Antagonisten ist ebenfalls nicht gänzlich böse und hat auf seine krankhafte Art ein Gewissen und Prinzipien.
              Und meine anderen Charaktere haben ebenfalls so ihre Fehler.
              Lesen tu ich ebenfalls gerne über Charaktere, die nicht schwarz-weiß ticken. Filme/Serien sehe ich darüber auch sehr gerne. Ich will jetzt ncht schon wieder von "Buffy" anfangen ...
              Das liegt einfach daran, dass ich komplette schwarz-weiß-Zeichnungen in den meisten Fällen sehr unrealistisch finde (es sei denn, es handelt sich um einen sehr ausgeprägten Psychopathen, was halt nicht bei allen Bösewichten in Romanen der Fall ist. Und an realen Fällen von krankhaften, namhaften Persönlichkeiten kann man erkennen, dass manche von ihnen auf ihre Weise ihre "guten" Seiten hatten. Macht zwar das Übel, das sie verbreitet haben, nicht wett, aber ... sind eben auch Anteile dieser Personen).
              Weitere Ausnahme sind vielleicht noch Gleichnisse o.ä., wo Charaktere absichtlich plakativ überspitzt dargestellt werden, um eine Botschaft einprägsam zu vermitteln.

              Was mich übrigens besonders fasziniert, das sind "Bösewichte", die dann, wenns brenzlig wird, plötzlich so etwas wie Mitgefühl (oder berechnende Gnade) aufblitzen lassen. Aber natürlich nur, wenn es auch erklärbar ist und passt, und bitte nicht dieses "Bösewicht wird zum Weichei erleuchteten Vorzeigeethiker"-Klischee.
              Zuletzt geändert von Mona; 30.06.2017, 09:37. Grund: Mal wieder schneller gedacht als geschrieben oder so, und mich dan verhaspelt ^^.

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