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Hautfarben. Wie man sie beschreibt, wenn man sie beschreiben will.

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    Hautfarben. Wie man sie beschreibt, wenn man sie beschreiben will.

    Da Autor*innen nun bewusster mit Diversität in ihren Romanen umgehen wollen, aber es hier und da Unsicherheiten gibt, habe ich (bisher) zwei Blogbeiträge darüber geschrieben.

    Bei Warum Hautfarbe allein nichts aussagt geht es darum, dass man sich bei ethnischer Vielfalt oft zu sehr auf Hautfarben versteift. Pro und Kontra dazu.

    Bei Hautfarben-Guide: Farbnamen werden konkrete Wörter vorgestellt. Dieser Artikel ist eine Übersetzung von dem englischen Blog https://writingwithcolor.tumblr.com/. Dazu gibt es auch einen Guide, in dem erklärt wird, wieso man es mit den Nahrungsmitteln sein lassen sollte.

    Falls ihr Fragen oder Überlegungen habt, lasst es uns hier diskutieren.



    #2
    Ich halte den Begriff Ethnie für problematisch, das heißt Stamm oder Volk. Wer einen deutschen Pass hat und vor allen Dingen hier aufgewachsen ist, ist Ethnie deutsch, egal woher seine Eltern kommen, das wäre der berühmte Migrationshintergrund. Das sagt doch nichts über körperliche Merkmale und Rassismuserfahrungen aus. Ich hoffe, irgendwann wird der Name Öztürk so unhinterfragt deutsch wie Schimanski oder de Maiziere betrachtet.
    Zuletzt geändert von Milch; 14.06.2020, 00:05.

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    • Milch
      Milch kommentierte
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      Ich würde sagen, es hängt mit der Länge der Migrationsgeschichte zusammen, nicht unbedingt mit der Hautfarbe, wobei türkischstämmige Migranten schon sehr helle Haut haben können.

      Und oft scheint mir so, dass sich der Rassismus sich an der Hautfarbe entzündet, sondern eher an der Religion. Man muss nur anschauen, wie oft der Islam pauschal als hintlerwälderisch präsentiert wurde.

    • Victoria
      Victoria kommentierte
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      Was antimuslimischer Rassismus angeht, natürlich. Diese Menschen werden auch durch ihre optischen Merkmale als "muslimisch" zusammengefasst, egal welcher Religion sie angehören. Was jüdische Menschen angeht ist es ähnlich, und noch mal schwieriger, weil einige sich selbst als "weiß" (politisch, nicht biologisch) sehen, andere als white passing, wieder andere als Person of Color.

      Bei Schwarzen oder Braunen (zweites ist mittlerweile auch ein politischer Begriff geworden) ist es tatsächlich die Hautfarbe, die ein großer Faktor spielt. Je dunkler, desto mehr Rassismus kriegen sie ab. (Colorism wäre noch ein anderes Thema.)

    • Milch
      Milch kommentierte
      Kommentar bearbeiten
      Dunja Hyali wird für muslimisch gehalten. Wäre auch keine Schande, wenn sie es wäre.
      Ich habe die Religion als Thema erwähnt, was als Hindernis für eine gefühlte Normalisierung der Namen wie Özdemir gelten könnte, weil ein Gutteil der Menschen den Islam nicht als eine normal deutsche Religion betrachten will und es deswegen etwas länger dauern könnte.
      Aber das ist kein natürliches, ewiges oder gar unüberwindbares Hindernis. Katholiken und Evangelischen waren sich ja auch Jahrhunderte spinnefeind, in manchen Regionen zog sich diese Trennung bis ins 20.Jahrhundert, heute eher kein Problem.

    #3
    Danke für die Links, Victoria. Ich kannte die Artikel zwar schon, finde sie aber in einem Schreibforum eine wichtige Referenz.
    Always avoid alliteration.

    Kommentar


      #4
      Danke. Hilft mir gerade weiter. Mein Hope Cast ist ja sehr bunt zusammengewürfelt.

      I love deadlines. I like the whooshing sound they make as they fly by.

      Douglas Adams

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        #5
        Ich habe schon mit größtem Interesse deine Beiträge gelesen, Victoria, und erachte sie als eine wichtige Quelle. Ich tue mich persönlich noch ein bisschen schwer damit, PoC in meinen Figurencast aufzunehmen. Nicht weil ich das nicht wollen würde, sondern weil ich nicht viel über die meisten Kulturen weiß, in denen ihre Wurzeln liegen. Ich will nicht nur eine Figur mit nicht-weißer Hautfarbe im Cast haben, damit ich mich als tolle divers schreibende Autorin rühmen kann, die Figur definiert sich ja nicht über ihre Hautfarbe oder die Struktur ihres Haares. Ich möchte glaubwürdige Figuren haben, die Tiefe besitzen. Als privilegierte weiße deutsche Frau tue ich mich aber schwer, nicht in Klischees zu verfallen oder oberflächlich zu bleiben, wenn ich bspw. eine Figur im Cast habe, die nicht white-passing und in Deutschland geboren ist. Aber was soll ich machen, wenn mir die Figur so einfällt und geschrieben werden will Ich recherchiere in letzter Zeit viel und beschäftige mich mit Alltagsrassismus (nicht erst seit diesem tragischen Vorfall mit George Floyd) und deine Beiträge sind mir dabei immer eine große Hilfe und ein Augenöffner. Ich muss zugeben, dass ich auch schon über weiße Porzellan- oder Alabaster-Haut und schokobraune Haut geschrieben habe. Ohne das eine überhöhend und das andere abwertend zu meinen. Aber nett gemeint ist halt trotzdem scheiße. Deine Beiträge machen mir viele Dinge (stärker oder überhaupt) bewusst und helfen mir, sowohl in der geschriebenen als auch in der gesprochenen Sprache stärker auf versteckte Rassismen zu achten und diese zu vermeiden. Und dadurch, dass ich sensibilisiert werde dafür, kann ich das sogar für meine Figuren in meinen Geschichten verwenden. So wird mir nämlich erst klar, was überhaupt das Problem ist und ich kann es thematisieren in meinen Geschichten. Danke also für diese Artikel und ich freue mich schon auf die nächsten Themen!
        (Ich hoffe, das klang jetzt nicht zu sehr nach Lobhudelei. Ich nehme mir wirklich sehr viel aus diesen Artikeln mit und freue mich, dass mein Verständnis und mein Umgang mit diesen wichtigen Themen dadurch besser und klarer wird.)
        Wartest du dort hinterm Horizont? Schmiegt die Erde sich so müde an das Himmelreich? Sturm zieht auf mit dunkler Wolkenfront. Ganz egal wie schnell ich lauf, der Abstand bleibt doch gleich. Die alte Sehnsucht ist mein einziger Begleiter. Und trotzdem steh ich auf und gehe taumelnd weiter. — ASP, Ziel

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        • weltatlas
          weltatlas kommentierte
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          Ach, du armes Opfer.
          Vielleicht nimmt dich einfach auch niemand aufgrund deiner herablassenden Art ernst? Siehe "Ral-Farben", jetzt der Vergleich mit einem Dackel ... was genau erwartest du denn, wenn Du Dich so abwertend ausdrückst und nicht annehmen _willst_, dass es Deine persönliche Sache ist, wie Du Dich ausdrückst? Und natürlich meinst Du es _nie_ so, wie es dasteht, sondern immer ganz anders. Du möchtest ja dazu lernen, du willst aufgeklärt werden ... hörst aber mit keinem Ohr zu. Im Gegenteil. Du suchst auch kein ersnthaftes Gespräch. Es geht dir lediglich darum zu zeigen, wie sehr du unter Begriffsfindungsschwirigkeiten leidest und wie schwer es offenbar für dich ist umzudenken und kreativ zu werden.
          Meines erachtens geht es dir eben nicht um eine Klärung, sondern schlicht um Deine Weltsicht.

          Wer will, der kann und fragt ernsthaft und ohne stichelndes, herablassendes Verhalten nacht.
          Zuletzt geändert von weltatlas; 14.06.2020, 21:44.

        • Dodo
          Dodo kommentierte
          Kommentar bearbeiten
          Badabumm Wir sind nicht hier, um FÜR DICH alternative Ausdrücke zu finden. Wir sind hier, um UNS WEITERZUBILDEN, dank der AUFKLÄRUNGSARBEIT, die BETROFFENE für uns Nicht-Betroffene leisten, obwohl das unsere eigenste Aufgabe wäre, SELBST darüber zu recherchieren. Das Netz ist voll mit Hilfeangeboten für weiße Autor*Innen, die diese Angebote nutzen WOLLEN, und dieser Thread führt zu mehreren solcher wertvollen Quellen, wenn MAN will. Die Ausbeute dieses Threads ist alles andere als mager.
          Da hilft es nichts, sich "angegiftet" darzustellen, das ist das klassische Sich-verstecken eines Austeilers in der Opferrolle, sobald er Gegenwind einstecken muss.
          Ich kann Dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich als weißer Mensch für das schäme, was in dem letzten Absatz in Deinem letzten Kommentar zu lesen ist. Zur Erinnerung
          Da es hier im Faden darum ging, wie man Hautfarben beschreiben könnte, ist das Resultat also ein bisschen mager. Darf man denn schreiben „er war braun wie ein Dackel“ oder ist man damit ganz gewiss wieder diskriminierend? 
          Nur registrierte Nutzer können diesen Inhalt sehen.

          Lösungsmöglichkeiten werden in den Quellen von Betroffenen vorgestellt.
          Zuletzt geändert von Dodo; 14.06.2020, 22:01.

        • Lasjajel
          Lasjajel kommentierte
          Kommentar bearbeiten
          Badabumm, du hast ja noch immer die Wahl, ob du dich dafür entscheidest, auf diese bestimmte Personengruppe Rücksicht zu nehmen oder den bisherigen Schreibstil beizubehalten, der dir emotionaler vorkommt. Du kannst dir sogar sicher sein, dass dieser Schreibstil bei ebenjener Personengruppe sehr emotional rüberkommt. Wenn du es höher schätzt, dass es für dich ästhetisch klingt oder Ähnliches, dann hindert dich daran ja niemand. Möchtest du allerdings wirklich Rücksicht auf diese Menschen, ja es sind Menschen, nehmen, dann kannst du entweder dein persönliches Ästhetikempfinden zurückstellen oder selbst andere Wörter finden. Hier bzw dort sind Vorschläge, die kann man annehmen, muss man aber nicht, wenn sie einem nicht gefallen. Ich habe gehört, dass Autoren mit dem Schreiben zu tun haben und, dass das Schreiben auch mit dem Finden der richtigen Wörter zu tun hat. Vielleicht sind dort Farbnamen, die noch nicht vielen bekannt sind, wenn viele sie jetzt aber vewenden, werden sie bekannter. Es gibt tatsächlich Menschen, die Wörter nachschlagen, wenn sie sie noch nicht kennen und damit ihren Wortschatz erweitern. Das ist auch für schreibende Wesen sicherlich von Vorteil, wenn sie ab und zu ihren Horizont erweitern.Du kannst abwegen, ob du möchtest, dass jeder jedes Wort versteht, was du benutzt, oder ob manche Impulse für neue bekommen und gleichzeitig andere durch die Worte nicht verletzt werden, das ist allein deine Entscheidung.

        #6
        Ich hab es schonmal wo anders gesagt, aber danke für deine Übersetzung (und zusätzlichen Kommentare)!
        Ich habe die letzten Jahre immer wieder diesen Guide im Original vor mir gehabt und meine Haare gerauft, weil ich es einfach nicht elegant ins Deutsche übertragen konnte bzw mir nicht mal sicher war, ob man das einfach so übertragen kann. Freu mich jedenfalls riesig auf deine nächsten Beiträge!

        Kommentar


          #7
          Danke für die Artikel. Ich hatte sie schon vor einer Weile gelesen und bin froh, dass Du sie im Forum nun doch verlinkt hattest.

          Nein das war ich nicht.
          Ach so, das!
          Ja, das war ich.

          Kontakt: administrator@wortkompass.de

          Kommentar


          • Victoria
            Victoria kommentierte
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            Ich bin mir nicht sicher, ob es der richtige Ort ist. Spannende Diskussionen inkl. Gegenmeinungen sind interessant. Gegen Spitzen gegenzuhalten, wie du oben angemerkt hast, ist anstrengend und kräfteraubend.

          #8
          Super, vielen Dank. Jo, ich tu mich da auch immer noch schwer und bin für jeden Denkanstoß dankbar, für Lösungen natürlich erst recht. Und ich finde, hier ist deiner der richtigsten Orte dafür
          and it's not what we think
          rather the opposite
          it's staring at the end of you.

          Kommentar


            #9
            Also ich finde die Texte extrem hilfreich mein einer Prota und sein Sidekick sind auch POCs und war mir unsicher, wie ich den Teint beschreiben kann, da ich lediglich wusste,dass man Nahrungsmittel nicht als Vergleich heranziehen sollte.
            Wenn man Lösungen finden will, gibt es da zu Hauf welche.
            ~ We know the songs the sirens sang
            See us dream every tale true ~

            T. Holopainen

            Kommentar


              #10
              Ich hatte mich mit dem Thema noch überhaupt nicht befasst und jetzt die Artikel von Vicky gelesen. Ich muss zugeben, dass ich jetzt verunsicherter bin als zuvor. Teilweise, weil darin Begriffe vorkommen, von denen ich noch nie etwas gehört habe. Teilweise, weil ich es gerne richtig machen will, aber mit den Vorschlägen noch nicht warm geworden bin. Dummerweise kommt in meinem nächsten Roman als Nebenfigur eine braunhäutige Frau vor. Ich hatte mir dabei nichts gedacht. Ich hatte einfach nach Bildern von Altenpflegerinnen gesucht, weil ich zwei brauchte. Die dunkelhäutige Frau wirkte charmant und lebenslustig, was mir gefallen hat. Die zweite ist hellhäutig, aber auch nur, weil deren Foto das zeigte, was ich suchte: eine ältere Altenpflegerin mit Erfahrung, die das Pflegepersonal leitet. Vermutlich brauche ich dafür ebenfalls Übung, die auf mich ja zukommt. Umgekehrt verzichte ich in der Regel auf die Beschreibung der Haut oder deren Farbe. Vielleicht ist das auch eine der besten Möglichkeiten. Entweder es anständig und durchgängig beschreiben oder eben gar nicht, sodass sich jeder das vorstellen kann, was er will. Wird erst schwierig, wenn die Figuren helle Haarfarben haben, aber da kann man ja mit Farbe oder Magie nachgeholfen habe.

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              • In-Genius
                In-Genius kommentierte
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                Ich denke, etwas ganz Wichtiges in dieser Diskussion ist:

                Man selbst hat nicht die Deutungshoheit über die eigenen Worte.

                Das, was mein Gegenüber hört, ist genauso wahr und real, wie das, was ich meine. Kommunikation ist, mein Sagen und Dein Hören so nah wie möglich aneinander zu bringen und so Verstehen zu bilden. In Situationen mit marginalisierten Menschen heißt das, mein Sagen zu ändern, wenn mein Gegenüber etwas Verletzendes hört - und das ohne mich darüber zu beklagen, dass mein Gut-Meinen nicht verstanden wurde. Ich muss bei mir selbst überlegen, ob mein Meinen und Sagen in Einklang sind oder nicht. Nur weil ich es gut meine, heißt es nicht, dass ich es gut sage. Und manchmal ist auch gut meinen am Ziel vorbei. Auch das muss hinterfragt werden. Ist mein Gut-Meinen wirklich so gut wie ich denke? Oder ist auch das verletzend für meinen Gegenüber?
                Glücklicherweise gibt es viele gute Aktivisten, die entsprechende Bücher und Podcasts und so weiter zur Verfügung stellen, damit jede*r es nicht nur gut meint, sondern auch gut sagt - und zwar in das Ziel hinein. Sowohl in Bezug auf Rassismus, als auch Sexismus, Klassismus, LGBTQ+-Feindlichkeit und all diese Dinge, wo wir in unserer Kultur ein "Richtig" lernen und nun Neues, Besseres lernen müssen, um unsere Mitmenschen nicht als "die anderen" und damit oft "die falschen" hinzustellen.

                Ich hab's in den Spoiler getan, weil's doch lang ist und mehr meinem eigenen Ego dient, es gesagt zu haben.
                Nun, jemandem "Frohe Weihnachten" zu wünschen, weil man annimmt, dass der andere natürlich Weihnachten feiert, denn was sollte derjenige sonst feiern? Und natürlich muss derjenige etwas feiern, da alle anderen zu dieser Zeit etwas feiern. - Das ist übergriffig. Es ist der "normale" Sprachgebrauch für viele in diesem Land, aber es nimmt eine Einheitlichkeit über alle in Deutschland lebenden Menschen an, die nicht existiert; und sie zwingt diese angenommene Einheitlichkeit auf jeden auf, damit wir alle das "richtige" gleich sind. Es ist nicht meines Gegenübers Verantwortung mir zu erklären, welcher Religion oder Festivität er*sie nachgeht. Das ist seine*ihre private Entscheidung und hat mit mir absolut nichts zu tun. Also ist es respektvoll ein "Frohes Fest" zu wünschen, weil ich dann nicht meine eigenen Annahmen und Vorurteile auf meinen Gegenüber abwälze. Die Annahmen und Vorurteile, dass er*sie sich natürlich der Mehrheitsgesellschaft anpassen muss, um hier unauffällig leben zu können - also natürlich Weihnachten mitfeiern muss, weil es überall im Land hängt und beworben wird und aus dem Radio schallt, weil der Staat Feiertage dafür vorsieht und die Kinder in der Schule das Krippenspiel aufführen. Wenn Weihnachten überall ist, dann wird schon jeder Weihnachten mitmachen. Dass dies ein kultureller Zwang ist, erkennen viele weiße, kulturell christliche Deutsche nicht. Für diese ist Weihnachten "normal" und wer kann schon was gegen Normalität haben? Nicht jeder in diesem Land hat die gleiche Normalität und es ist wichtig im Hinterkopf zu behalten, dass wir auch nicht alle die gleiche Normalität haben wollen. Was Menschen wollen, ist das Recht auf ein freies Leben - was zwar unser Gesetz verspricht, aber die Gesellschaft oft nicht hält. Zum Beispiel wenn man annimmt, dass "Frohe Weihnachten" ein wertfreier, normaler Gruß im Dezember ist. Für manche ist es aber nur eine weitere Erinnerung, dass sie nicht zu Deutschland gehören und hier nicht willkommen sind, weil sie nicht Weihnachten feiern (würden oder wollen) und somit zum "anderen" gemacht werden. Immer "der andere" zu sein im eigenen Land, ist hart.
                Aber auch die Nachfrage beantworten zu müssen, "Feierst du Weihnachten oder nicht, damit ich die richtige Grußformel verwenden kann", ist, denjenigen als "den anderen" hinstellen. Mein Gegenüber muss mir nicht erklären, dass ich ihm*ihr weh tue oder sie*ihn ausgrenze mit einem "Frohe Weihnachten" - es ist mein Verantwortung als Teil dieser Gemeinschaft von vornherein die gut gemeinte "Gleichheit aller Menschen" zu leben und zu den staatlich sanktionierten Feiertagen "Frohes Fest" zu wünschen - und damit jedes Fest zu meinen, religiöse wie nicht religiöse. Als weißer, cis-hetero, kulturell christlicher Mensch in Deutschland liegt die Macht und die Verantwortung hier: Erkennen, wo die eigene "Normalität" meinen Gegenüber als "den anderen" hinstellt und dort eine neue, tatsächlich inklusive Normalität schaffen. Als einzelner Mensch kann ich nur meine eigenen Handlungen ändern. Ich muss aktiv mich selbst ändern und das heißt, alle meine Annahmen, Vorurteile (gute wie schlechte) und Normalitäten hinterfragen und ablegen, meine Handlungen ehrlich untersuchen und meine Sprache auf jedes Wort abklopfen und tatsächlich respektvoll und die Würde meiner Mitmenschen beachtend neu ausbilden.
                Und weil es um die Würde und das Leben unserer Mitmenschen geht, muss es Priorität haben. Sich dabei auf zu wenig Zeit und zu hohen Ansprüchen herauszureden, ist nicht akzeptabel. Wir müssen uns ändern und wir werden dabei Fehler machen, aber es muss jetzt sein, denn wir sind längst zu spät.

                Was die angebliche Umbenennung angeht: Was wäre so schlimm daran, wenn eine Buchhandlung es Lichterfest nennt? Eine Buchhandlung ist nicht die Kirche, das macht Weihnachten für die gläubigen Christen nicht weniger Weihnachten. Was wäre so schlimm daran, wenn der Bürgermeister einer Stadt die Festlichkeiten im Dezember Lichterfest nennt? Er ist nicht die Kirche, das macht Weihnachten für die gläubigen Christen nicht weniger Weihnachten. Einzig wäre, er würde tatsächlich die Regierung und die Kirchen trennen, wie es in unserem Land sein sollte - aber nicht wirklich ist.
                Ich kann dir versichern, die Kirche wird Weihnachten nicht so schnell umbenennen - und das ist die einzige Instanz wo das von Bedeutung ist. Das religiöse Fest Weihnachten hat nur Bedeutung für gläubige Christen. Die kulturelle Praxis der Familienzusammenkunft und des Geschenketauschens der deutschen Mehrheitsgesellschaft kann jeden Namen tragen, weil es keine anderen Hintergrund hat außer "Das ist Tradition, das war schon immer so." Machen wir eben eine neue, bessere Tradition.
                Und nur so am Rande, Weihnachten war nicht immer Weihnachten. Jede religiöse Praxis passt sich den Anforderungen der Gesellschaft an - nicht umgekehrt. Religion beugt sich dem, was die Mehrheit der Gläubigen und Praktizierenden tut und will und wenn dies ist, den Namen zu ändern - warum nicht? Ändert an dem Fest und seinen Bräuchen nichts. Bis wir auch das ändern, wie die letzten zweitausend Jahre zeigen. Bräuche, Traditionen und gesellschaftliche Praxis ist wandelbar und das ist gut so. Das ist wie Sprache: Es muss wandelbar sein und sich anpassen, weil wir Menschen uns ständig wandeln, anpassen und ändern, mit Technik, mit gesellschaftlichen Normen, mit religiöser Praxis, mit Konzepten eines guten Miteinanders - alles ändert sich. Und es liegt in jedem einzelnen von uns es so zu ändern, dass tatsächlich jeder einzelne Mensch in unserem direkten Umfeld und in unserer Gesellschaft sich wahrlich als ein Teil des Ganzen fühlt.
                Nur registrierte Nutzer können diesen Inhalt sehen.
                Zuletzt geändert von In-Genius; 18.06.2020, 09:58.

              • Earu
                Earu kommentierte
                Kommentar bearbeiten
                Ich bin jemand, der sich mit dem Lernen mancher Dinge schwertut. Sprache gehört dazu, wenn es um die feinen Nuancen von Bedeutungen geht, weil ich mittlerweile weiß, dass mir die zuhause teilweise falsch beigebracht wurde. So benutze ich manche Redewendungen falsch, weswegen ich die generell zu vermeiden versuche. Das ist ein Grund, weshalb ich mir erhofft hatte, hier Antworten zu finden. Hier kann man mir Rückmeldung geben, wenn ich etwas falsch verstanden habe. Was ich jetzt verstanden habe, ist, dass dieses Thema eben nicht dazu da ist, das für alle durchzukauen, sondern eher ein Anreiz, um sich durch die bestehende Literatur zu wühlen. Das kann ich akzeptieren und ich werde es versuchen.

              • Alys II.
                Alys II. kommentierte
                Kommentar bearbeiten
                Earu Ich denke, das sind gute abschließende Worte von Dir. Wir alle tun uns schwer damit, neue Dinge zu lernen. Gerade wenn es darum geht, sprachliche Gewohnheiten und Denkmuster abzulegen, die wir von klein auf haben. Keiner von uns will Rassist genannt werden, aber es steckt in uns allen drin. Mir ist das erst kürzlich an mir selbst aufgefallen, als ich beim Aufräumen auf dem Speicher ein altes Kinderbuch von mir gefunden habe. Es ist ein Buch über "Unseren Freund, die Volksrepublik China", das mir ein Onkel aus der DDR geschenkt hat, als ich ca. 6 Jahre alt war. Ich weiß noch, das ich das Buch als Kind total interessant fand und viel darin gelesen habe. Das Buch ist natürlich reine kommunistische Propaganda und Schönfärberei und durchzogen von latentem Rassismus - so nach dem Motto "wie schön, unsere etwas primitiven gelben Freunde haben das Wissen der großen weißen Denker Marx und Lenin übernommen". Erst jetzt, als ich es wieder durchgeblättert habe, fiel mir auf, wie viel von dem, was ich aktuell über die chinesische Kultur zu wissen glaubte, in Wahrheit aus diesem Pamphlet übernommen hatte. Das war ein echter Augenöffner-Moment.
                Wir sind alle Rassisten. Aber wir können uns bemühen, diese Denkmuster abzulegen und auf unsere Wortwahl zu achten. Vieles von dem, was wir sagen, meinen wir ganz anders, als es verstanden wird. Aber gerade da haben wir als Autor*innen den gewaltigen Vorteil, dass wir dank unserer Lektoratserfahrung wissen: es zählt nicht das, was wir meinen, sondern das, wie es verstanden wird. Und im Zweifelsfall müssen wir unsere Worte und Aussagen ändern.

              #11
              Male Gaze
              (Begriff aus dem Film, auch in Literatur verwendet)

              Male Gaze – Lexikon der Filmbegriffe
              Male Gaze – Feminismus 101

              Der bestimmende männliche Blick [= gaze] projiziert seine Phantasie auf die weibliche Gestalt, die dementsprechend geformt wird. In der Frauen zugeschriebenen Rolle als sexuelles Objekt werden sie gleichzeitig angesehen und zur Schau gestellt, ihre Erscheinung ist auf starke visuelle und erotische Ausstrahlung zugeschnitten, man könnte sagen, sie konnotieren ‚Angesehen-werden-Wollen‘.“ Diese These versucht Mulvey anhand der Struktur klassischer Hollywood-Filme zu belegen.
              Vielleicht kennst du es ja, wenn eine Frauenfigur so geschrieben ist, dass man sich denkt, dass es dich sicherlich ein Mann geschrieben hat. Am schlimmsten ist es bei Frauenperspektiven: "Ich lief die Treppen hinunter und bei jedem Schritt wogen meine Brüste und meine zarte Haut rieb am Spitzenstoff meines transparenten BHs."

              Das gibt es auch für als "White Gaze".

              Cis
              (lateinisch cis- ‚diesseits‘)
              Abkürzung für cisgeschlechtlich / cisgender. Das Gegenteil von transgeschlechtlich/transgender.

              Hetero
              (griechisch ‚anderes/ungleich‘)
              Abkürzung für heterosexuell.

              White Supremacy
              (englisch, „weiße Vorherrschaft“)

              White Supremacy – Wikipedia
              White Supremacy – Bundeszentrale für politische Bildung
              White Supremacy – Zeit Online

              Gibt es im "Kleinen" (Pflaster, Strumpfhosen, Make-up wird vor allem für Weiße gemacht) als auch im Großen (politisches Diskurse, Entscheidungen …)

              ____

              Und dann ein paar Begriffe, die sich in bestimmen Kreisen/Blasen festgesetzt hat. An LOL oder ROFL haben sich auch die meisten deutschsprachigen Leute gewöhnt, denke ich mal. Mit Englisch lässt es sich in weniger Buchstaben ausdrücken. Das ist auf SoMe (daran man man sich wahrscheinlich auch gewöhnt) ganz praktisch. (6 Zeichen für cringe, 38 Zeichen für die Fußnägel)
              • pun intended – der Wortwitz war gewollt
              • to cringe – schaudern/sehr peinlich finden/da rollen sich einem die Fußnägel hoch

              Kommentar


                #12
                Danke für den Artikel Victoria

                Ich fand ihn sehr hilfreich und informativ.

                Ich glaube, wenn man selbst von etwas nicht betroffen ist, ist es sehr schwer sich vorzustellen, wie es sich für Betroffene wirklich anfühlt. Man kann versuchen, sich in sie hineinzuversetzen, aber es wird nie das gleiche sein, wie es selbst zu empfinden/ zu erleben.
                Daher ist es wichtig gut zuzuhören, und zu akzeptieren und zu glauben, was Betroffene darüber erzählen.
                Das betrifft jegliche Diskriminierung, sei es aufgrund der Hautfarbe, der sexuelle Orientierung, einer Behinderung (schreckliches Wort...), etc.

                Weil das so sensible Themen sind, würde ich mir persönlich (bis auf das Thema "Behinderung") bisher nicht zutrauen sie in einem meiner Projekte zu thematisieren, weil ich damit (bis auf das Thema "Behinderung") keine persönliche Erfahrung gemacht habe.


                Ich hätte da noch ein Frage bezüglich der Beschreibung der Hautfarbe, für meine Geschichte.
                Soweit ich weiß, und es verstanden habe, ist "brown" im Englischen ein gebräuchlicher und nicht diskriminierender Ausdruck.
                Auf Deutsch kann "braun" sowohl "brown" als auch "tan" (im Sinne von sonnengebräunter weißer Haut) meinen.
                Ich habe eine Szene, in der einer meiner Protas eine Frau mit brauner Haut beschreibt, und würde es gerne richtig machen.
                Da "Sie hatte wunderbar braune Haut" mir zu sehr nach sonnengebräunt klang, dachte ich an
                "Ihre Haut hatte einen wunderbaren Braunton"
                bin mir aber unsicher.
                Dieses Bild käme ganz gut an die Figur heran, die mir vorschwebt, und ich würde auch gerne ihre Frisur richtig beschreiben
                Link zu pinterest
                Ich kenne den englischen Ausdruck "natural hair" hätte aber keine Ahnung was ein geeigneter Begriff im Deutschen wäre.
                Angehängte Dateien
                Ich arbeite dran ...

                Kommentar


                • weltatlas
                  weltatlas kommentierte
                  Kommentar bearbeiten
                  Kommt es nicht auch auf den gesamten Kontext an? Innerhalb eines Kontextes kann man einem Wort auch eine gewollte Bedeutung geben. Ich denke, dass man kein allgemeingültiges Wort für alles finden kann, deshalb wäre es doch sinnvoll generell umsichtig und refelktiert zu schreiben, da auch ein gefundenes Wort schnell in die euphemistische Tretmühle geraten, und alleinstehend mit der Zeit negativ gewertet werden kann.

                • Lasjajel
                  Lasjajel kommentierte
                  Kommentar bearbeiten
                  Das stimmt, je nach Kontext, wird man wohl immer entscheiden müssen, was man wählt und selbst ein "gutes" Wort kann, wenn es dann z.B. exessiv von jenen benutzt wird, die absichtlich verletzen wollen, zu einem Wort werden, das alles andere als "gut" ist.

                • weltatlas
                  weltatlas kommentierte
                  Kommentar bearbeiten
                  Genau, das war mein Gedanke.

                #13
                Danke für die Links, die sind sehr hilfreich.
                Ich habe zu dem Thema eigentlich so einiges zu sagen, allerdings müsste ich dafür weiter ausholen und über meine persönlichen Erfahrungen sowohl mit unabsichtlicher subtiler Ausgrenzung (allerdings nicht aus rassistischen Gründen und immer noch mit mehr Privilegien, das soll also kein "Ich weiß wie das ist" sein) als auch mit meinen eigenen racial biases erzählen, und ich hab da grad nicht die Zeit für und weiß auch nicht, ob es wirklich etwas Neues beiträgt oder einfach nur Mittelungsbedarf meinerseits ist.
                Deshalb belasse ich es jetzt dabei, dass es für mich wie für alle anderen natürlich auch noch ein Lernprozess ist, dass wir alle irgendwelche Vorurteile haben und uns das nicht zu schlechten Menschen macht und nicht unsere Schuld ist. Wir können nichts dafür, was uns anerzogen wurde und immer noch von Medien, unserem Umfeld, etc vermittelt wird. Wir sind aber durchaus verantwortlich dafür, wie wir damit umgehen, wenn wir darauf hingewiesen werden oder sowas bei uns selbst bemerken, und ob wir überhaupt offen dafür sind, solche Vorurteile bei uns zu erkennen und daran zu arbeiten. Es geht ja nicht darum, sich oder andere niederzumachen oder irgendwen als bösen Nazi oder white supremacist zu bezeichnen - das tut und denkt hier auch niemand (denke ich). Es geht nur darum, zu erkennen, dass man nicht perfekt ist und anderen Menschen mit Empathie und Respekt zu begegnen. Dazu gehört auch eine empathische und respektvolle Reaktion darauf, wenn man jemanden aus Versehen verletzt - das tun schätze ich die meisten bei nicht-rassistischen versehentlichen Verletzungen und Grenzüberschreitungen auch.
                There are many ways to make music.

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