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Der sympathische Protagonist

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    Der sympathische Protagonist

    Mein aktuelles Dilemma lässt sich ganz gut mit diesem Titel erklären.
    Sympathische Protagonisten. Für viele Leser sind sie ein Muss, um die Geschichte weiterzuverfolgen. Denn: Wenn ich die Hauptfigur nicht mag, warum sollte ich ihre Reise verfolgen wollen? Man muss mit ihnen leiden und sie verstehen können.

    Aber was ist, wenn die Figur Dinge tut / getan hat, die sie auf der Sympathie-Skala weit nach unten fallen lassen? Wie "moralisch flexibel" darf eine Figur sein?

    Ich selbst habe eine Hauptfigur, die Morde begangen hat. Sie hat sehr gute Gründe dafür (sympathische Gründe, da bin ich mir sicher). Man kann nachvollziehen, warum sie es tut und die Art und Weise, wie sie es tut, ist auch nicht besonders grausam. Außerdem sind auch ihre Opfer keine wirklichen Sympathieträger. Und trotzdem: Sie ist und bleibt eine Mörderin, egal, wie man es rechtfertigt. Kann man eine solche Figur trotzdem sympathisch finden?
    Sie ist die Hauptfigur, und da ich einen Ich-Erzähler habe, erlebt man das Ganze aus ihrer Sicht, erfährt also recht frühzeitig die Motive und auch, dass ihr diese Dinge ziemlich zu schaffen machen. Wie seht ihr das: Kann man eine solche Protagonistin trotz ihrer Taten mögen?

    Ich finde die Frage eigentlich ganz spannend, weil man Mörder eigentlich immer sofort für Unmenschen hält. Ein Mord ist ein Mord, zwar gibt es manchmal scheinbar gute Gründe dafür (das Opfer ist selbst ein grausamer Serienkiller zum Beispiel), aber die Tat an sich wird dadurch nicht besser. Am Anfang hatte ich überlegt: Was bringt jemanden dazu, eine Mörderin sympathisch zu finden, mit ihr mitzufühlen oder sie gar zu bedauern? Meine Testleserin (bisher die einzige, weil Schreibbuddy) findet sie sympathisch und kann ihre Handlungen nachvollziehen, aber ich frage mich immer wieder, ob andere Leser das wohl genauso sehen. Ein Protagonist, den die Leser grausam finden, wäre wohl der Supergau. Gerade im Jugendbuchbereich.

    Mich würde eure Meinung dazu interessieren!

    #2
    Du wirst jetzt hier ein oft wiederholtes Zitat lesen: "Ein Protagonist muss nicht sympathisch sein, er muss nur interessant sein."
    Grundsätzlich mag das stimmen, aber ich muss ehrlich sagen, dass ich Bücher mit Protagonisten, die mir sympathisch sind mit viel mehr emotionaler Beteiligung lese und das sind auch die Bücher, die mir in Erinnerung bleiben. Interessant reicht bei mir nur für eine lauwarme Reaktion. Eher intellektuell statt viszeral.

    Falls dir das irgendwie hilft ist hier mal die Liste aus meinem allerliebsten Schreibratgeber mit Tricks, wie man Figuren sympathisch machen kann:

    Mitgefühl ansprechen:
    - Unverdiente Erniedrigung, Ausgrenzung, Ausnutzung, Gewalt etc.
    - Pech, tragische Ereignisse, harte Schicksale
    - körperliche oder mentale Handicaps
    - Momente der Schwäche oder der Verletzlichkeit
    - Verrat oder Betrug
    - Die Figur sagt die Wahrheit, aber niemand glaubt ihr
    - Verlassen werden
    - Einsamkeit
    - Fehler machen und sie bereuen

    Humanistische Werte:
    - Anderen helfen
    - Kinder mögen und von Kindern gemocht werden
    - Tiere mögen und von Tieren gemocht werden
    - Vergebung erteilen
    - Opfer für andere bringen
    - Loyalität, Verlässlichkeit, Verantwortungsbewusstsein und Moral
    - Andere Menschen lieben
    - Von anderen Menschen geliebt werden
    - Sich anderen menschen gegenüber freundlich und liebevoll verhalten

    Bewundernswerte Eigenschaften:
    - Macht, Charisma, Führungsqualitäten
    - Ein cooler Job (Pilot, Chirurg, Spion)
    - Mut
    - Leidenschaft
    - Kompetenz und Expertise
    - Attraktivität
    - Weisheit, Klugheit, Cleverness
    - Ein Sinn für Humor
    - Kindliche Unschuld
    - Rebellen und Exzentriker

    Vielleicht findest du auf der Liste Punkte, die zu deiner Figur passen und die du mehr betonen könntest, als Gegenpol zu den schlimmen Dingen, die sie tut?

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    • Bellisa
      Bellisa kommentierte
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      Auf jeden Fall, das gehört zur Story. Und gerade weil ich eine Ich-Erzählerin habe, fände ich es sehr künstlich, wenn sie vor der Leiche stünde und nicht denkt: Ok, das war ich. Generell mag ich es bei Büchern nicht, wenn die Ich-Erzähler-Hauptfigur dem Leser solche Dinge vorenthält. Dass sie nicht beim Frühstück denkt: Oh, ich habe den und den umgebracht - ist natürlich was anderes. Aber wenn die Leiche vor ihr auf dem Boden liegt wird sie wohl oder übel daran denken müssen, dass sie dafür verantwortlich ist.

    • Milch
      Milch kommentierte
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      Man kann ja auch später einsetzen.

    • Bellisa
      Bellisa kommentierte
      Kommentar bearbeiten
      Na klar, nur kann man auf die Art und Weise gleich den Konflikt schön herausstellen und den Leser neugierig machen.

    #3
    Aber was ist, wenn die Figur Dinge tut / getan hat, die sie auf der Sympathie-Skala weit nach unten fallen lassen? Wie "moralisch flexibel" darf eine Figur sein?
    Für mich ist ein Mörder nicht gleich unsympathisch. Natürlich ist es moralisch verwerflich, aber es gibt so viele Gründe dafür und Umstände. Das Konfliktpotenzial ist groß, dass ich schon aus Interesse warum er das tat erst einmal weiterlesen würde und dann kann er sich immer noch zu einem unkonventionellen, aber trotzdem sympathsichen Chara entwickeln. Nur weil jemand einen Mord begangen hat, ist er ja nicht gleich das "Böse in Person" und damit unsympathisch. Das wäre ziemliches Schwarz / Weiß Denken.
    Ich bin der Meinung, du solltest den Leser zeigen, dass er mehr ist als ein Mörder, dass es Eigenschaften an ihm gibt, die besonders liebenswert sind und diese dann bewusst in den Vordergrund stellen. Gerade die nicht aalglatten, nicht immer moralisch korrekten Typen sind nicht nur interessanter und spannender, sondern können bei mir besser im Gedächtnis bleiben.

    Ich selber habe Protas, wo ich das ein oder andere mal gehört habe, dass sie nicht gerade die Sympathieträger sind. Sie sind zwar nicht gleich Mörder, aber was will man tun, wenn sie sich nun mal recht eigensinnig darstellen und ihre Moralvorstellungen, nun ja, nicht ganz den Ideal entsprechen?
    Bei solchen Charas muss sich der Leser teilweise auch etwas länger Zeit lassen, um sie kennenzulernen. Das ist nicht jedermanns Sache. Die einen sagen nach zehn Seiten, der ist unsympathisch, les ich nicht weiter. Das ist Geschmackssache und damit sollte man rechnen.

    Aber ich denke, wenn du ein paar Punkte von Maggis Liste in deiner Geschichte finden kannst, dann ist es doch in Ordnung.

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      #4
      Ich sehe darin eigentlich gar nicht wirklich ein Problem. Wirklich beurteilen kann man das aber erst, wenn man deine Geschichte tatsächlich liest.
      Du sagst, die Gründe werden relativ früh erwähnt. Und dass sie wichtig sind und die "Opfer" keine Sympathieträger. Und ich frage, was unterscheidet deine Protagonistin von jemandem, der im Laufe der Geschichte gegen Unsympathische zum Mörder wird, weil er wichtige Gründe hat? Eigentlich doch gar nichts, gerade wenn du auch früh die Hintergründe dazu einführst. Es gibt so viele Protagonisten, die im Verlauf morden, weil es nötig ist oder warum auch immer und da verliert der Leser meistens auch nicht die Sympathie. Du solltest nur ganz vorn etwas einbringen, das zumindest ein wenig Sympathie aufbaut. Und wenn die Gründe für die Morde ihre Berechtigung haben, können sie eventuell Sympathien sogar verstärken (wie bei denen, die im Verlauf morden), das hängt aber davon ab, was du geplant hast.
      Ich komme aus Ironien.
      Das liegt am sarkastischen Meer.

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        #5
        Ich denke nicht, dass die Morde ein Grund dafür sein müssen, dass die Protagonistin unsympathisch ist. Du hast ja auch gesagt, dass es "gute Gründe" dafür gab und du die Figur darauf ausgerichtet hast, sympathisch zu sein.
        Vielleicht wirfst du mal einen Blick auf die Serie "Dexter". Dexter ist loyal seiner Familie gegenüber, kümmert sich gut um seine Stiefkinder, nachdem die Mutter getötet wurde, und vereint noch einige andere der Punkte, die Maggi oben schon erwähnt hat.
        Außerdem ist er ein Soziopath und Serienkiller. Er zerstückelt seine Opfer, er hat Spaß daran und anschließend versenkt er sie auf dem Grund des Meeres. Aber er tötet fast ausschließlich die bösen Jungs. Trotz seiner Lust am Töten ist er sympathisch. Man folgt ihm nicht nur, um zu sehen, wie er es schafft, nicht erwischt zu werden, oder wie er sich rauswindet, als er aufzufliegen droht. Er ist einfach eine interessante und sympathische Figur durch die Eigenschaften, die ihn auszeichnen und weniger durch seine Taten.
        "You only cry for help if you believe there's help to cry for." - Wentwort Miller

        "How do I know what I think, until I see what I say?" - Howard Tayler

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          #6
          Ich persönlich finde einen Mörder nicht direkt unsympathisch, da es mir erst einmal prinzipiell egal ist ob da wer heiter Menschen tötet. Dementsprechend fände ich das "Dilemma" was du da hast nicht erwähnenswert. Gibt auach durchaus erfolgreiche, sympathische Killer wie zB Dexter, der bereits erwähnt wurde.

          Für mich ist nur wichtig, das die Figur interessant ist und ansonsten logisch. Ist das einzigst interessante an ihr das sie Menschen tötet? Dann ist mir auch die Story egal und der Prota - die Dame hat soviel Potenzial wie ein Goldfisch. Bemitleidet sie sich wegen der Morde selbst a la "Ich will doch gar nicht töten" wird es für mich schnell unglaubwürdig - ich denk mir dann "Jo. Dann mach es nicht oder töte die Typen die dich zwingen und gut ist". Ebenfalls unglaubwürdig wird es bei Soldaten und/oder Polizisten, deren Job bereits enthält, das sie schießen müssen. (Trotzdem sind das nicht zwangsweise unsympathische Menschen ^^)

          Für mich kommt es auf das Gesamtpaket an. Ich persönlich finde tote Menschen nicht schlimm. Ich finde Morde nicht schlimm. Ich finde den Menschen dahinter interessant. Und wenn der so viel Tiefe hat wie ein Goldfisch lese ich nicht weiter. Da ändern deine Morde wenig.

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            #7
            Das wichtigste ist nicht, dass sie mordet sondern warum sie mordet, und Du sagst ja, sie hat gute und nachvollziehbare Gründe, also sehe ich auch kein Problem.

            Wenn der Charakter richtig gut gemacht ist, ist nicht mal das Warum ausschlaggebend. Ich denke da z.B. an Patrick Bateman aus American Psycho. Der hat aus Spaß an der Freude gemordet, und der Charakter an sich war auch bewusst unsympathisch gezeichnet. Trotzdem ist er bis jetzt einer meiner Lieblingsprotagonisten und für andere sicher jemand, an den sie sich - ob gut oder schlecht - erinnern. Muss man halt hinkriegen.

            (Und da wäre dann auch Maggis angedrohter "Ein Protagonist muss nicht sympathisch sein"-Kommentar )

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              #8
              Am wichtigsten finde ich, dass ich den Charakter, seine Gründe und vor allem seine Motivation verstehen kann. Dadurch wird er mir schonmal ein Stückweit sympathisch, auch wenn er vielleicht nicht so der nette Typ ist. Ansonsten hast du ja schon einige gute Tipps erhalten
              »Elezeis Blut schien in Aufruhr zu sein und brannte unerwartet kalt durch ihren Körper. Es war ein Gefühl, das nach Zerstörung dürstete.« – Blutgesang

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                #9
                Danke euch allen, eure Antworten beruhigen mich und geben mir gute Tipps, wie ich das handhaben kann! Ich habe bewusst Figuren entworfen, die sehr "grau" sind und nicht entweder gut oder böse, das ist für mich irgendwie spannender. Bei den Nebenfiguren ist es glaube ich nicht so wichtig wie bei der Hauptfigur, dass man sie sympathisch findet - zumindest habe ich das Gefühl immer als Leser. Und nochmal Danke an Maggi für die Liste, die ist wirklich hilfreich!

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                  #10
                  Vielleicht - kein Jugendbuch, aber mit bösem Protagonisten, der verdammt sympathisch ist - ein Lesetipp: "Des Todes dunkler Bruder" von Jeff Lindsey.(da hätten wir Dexter)
                  Zuletzt geändert von Dodo; 22.09.2016, 09:16.

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                    #11
                    Zitat von Bellisa
                    Ich selbst habe eine Hauptfigur, die Morde begangen hat. Sie hat sehr gute Gründe dafür (sympathische Gründe, da bin ich mir sicher).
                    Sympathische Mordgründe? Ich weiß nicht, ob es so etwas überhaupt gibt. Grundsätzlich sollte es keine Gründe geben, die einen Mord rechtfertigen. Allerdings macht das einen Protagonisten nicht automatisch unsympathisch, sondern lediglich moralisch fragwürdig.
                    Generell mag ich Protagonisten, die eben nicht sympathisch sind. Charaktere die gerne mal mufflig, eigenbrötlerisch und/oder verschlossen sind.

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                    • Bellisa
                      Bellisa kommentierte
                      Kommentar bearbeiten
                      Genau das dachte ich mir auch - einen Mord kann man nicht rechtfertigen, ein guter Beweggrund macht die Tat nicht besser. Auch darum soll es in meiner Geschichte gehen. Aber ich mag auch die etwas fragwürdigeren Figuren, die eben mal nicht total unschuldig und naiv sind.

                    #12
                    Mir persönlich kommt es mehr auf die Darstellung an als auf das, was der Protagonist tut. Man kann auch ernste und moralisch verwerfliche Aktionen mit einem Augenzwinkern betrachten und beispielsweise so ins Absurde ziehen, dass man dem Mörder gar nicht böse sein kann. Den Protagonisten in einem Buch beurteile ich da anders als einen Menschen im realen Leben.

                    Ich würde allerdings nicht allzu sehr versuchen, die Tat moralisch zu rechtfertigen, das könnte falsch rüberkommen. Vor allem in einem Jugendbuch finde ich das dann doch etwas schwierig. In einem Buch für Erwachsene dagegen darf der Protagonist auch gerne mal richtig böse sein, wenn er sonst interessant ist, kann ich mich da gut drauf einlassen.
                    Poems are never finished.
                    Just abandoned.

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                      #13
                      Mir sind auch eher Protagonisten unsympathisch, die krampfhaft auf lieb und nett getrimmt werden. Ich mag halt auch einfach lieber die Muffeligen. Aber das ist sicher nicht der allgemeine Geschmack.

                      Wenn man eben nicht ganz klar den Guten (Polizist) und den Bösen (Mörder) in der Geschichte hat, ist Mord nicht unbedingt ein Garant dafür, dass jemand als unsympathisch gilt, egal, wie man im echten Leben zu so was steht. Wie oft sitzt man vor einem Buch oder dem Fernseher und denkt sich: "Murks den Depp doch einfach endlich ab"? (Also ... geht mir zumindest so *hust* )

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                      • Mona
                        Mona kommentierte
                        Kommentar bearbeiten
                        Ja! Wenn ein Prota so aalglatt "gut" ist, denk ich mir ohnehin bald "Der hat sich so seine Leichen im Keller ..." (wortwörtlich)

                      • Amilyn
                        Amilyn kommentierte
                        Kommentar bearbeiten
                        Mona Ja, und wie doof, wenn sich herausstellt, er hatte doch keine Leichen im Keller und war wirklich einfach nur total nett

                      • Mona
                        Mona kommentierte
                        Kommentar bearbeiten
                        Ja.
                        Ich überlege gerade, ob das dann nicht schon wieder ein Anti-Klischee ist xD.

                      #14
                      Wichtig ist, dass die Figur Charakter und eine nachvollziehbare Motivation bzw. einen nachvollziehbaren Ursprung dessen hat.
                      Figuren wie Hannibal Lecter werden auch nicht gerade als unsympathisch gesehen. Es kommt eben drauf an, wie man es umsetzt. Wir hatten im Schreibseminar mal so eine Aufgabe, aus der Perspektive eines wirklich verwerflich handelnden Menschen zu schreiben, aber eben so, dass er als der "Gute" wahrgenommen wird. Das geht alles, wenn man es richtig macht ;-)
                      Gerade die moralische Zwickmühle, dadurch, dass sie gute Gründe hat, aber es trotzdem selbst nicht völlig in Ordnung findet, macht das Konzept sehr interessant, finde ich. Also ich würde wissen wollen, wohin sich die Figur entwickelt.
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                        #15
                        Sie ist und bleibt eine Mörderin, egal, wie man es rechtfertigt. Kann man eine solche Figur trotzdem sympathisch finden?
                        Ja.
                        Aber ich bin auch der Typ, der Antas, die sich wandeln, sympathisch findet.
                        Oh, und als "böser" Prota, der seine Gründe hat, fällt mir v.a. Vera Drake ein (https://de.wikipedia.org/wiki/Vera_Drake). Gott, was hab ich mit dieser Frau mitgelitten! Ich saß heulend vorm Fernseher. Und das, wo sie andere Menschen in Gefahr gebracht hatte -- aber eben aus nicht böswilligen Gründen.

                        Außerdem mag ich generell Charaktere ganz gerne, die nicht nur "gut" oder "böse" sind; wo man dann als Leser evtl. in einem emotionalen Dilemma steckt, wenn man erfährt, dass der sympathische Typ auch seine Schattenseiten hat. Oder umgekehrt, dass der böse Typ auch seine moralischen Prinzipien hat. Ich liebe so was, beim Schreiben wie auch beim Lesen. Weil es in der Realität auch ab und an mal so ist.
                        Man kann auch die Taten von jemandem verurteilen, den Menschen an sich aber trotzdem sympathisch finden. Wenn man sich jetzt "The Crow" hernimmt: Der Prota mordet jetzt ja wirklich nicht gerade zimperlich durch die Gegend. Ich fand ihn aber nie unsympathisch. Vielleicht, weil er eben "nur" Rache übte an den schmierigen Kerlen, die seine Freundin gefoltert hatten. Was nichts daran ändert, dass ich Mord grundsätzlich beschissen finde.

                        Aber gerade als Autor hast du mMn gute Werkzeuge, um den Leser da zu steuern, inwieweit er einen Prota sympathisch oder unsympathisch für seine Taten finden sollte. Bei "The Crow" (Und ich rede da nur vom Film und da auch nur vom 1. Teil), waren es vermutlich folgende Dinge, die mich da beeinflusst hatten:
                        -- Sein liebevoller Kontakt bzw. seine Bindung zu einem Mädchen, um das sich seine tote Verlobte zu Lebzeiten gekümmert hatte
                        -- Die Darstellung von Rückblenden, in denen man sieht, wie krass seine Verlobte gefoltert wurde (da denkt man sich als Zuseher auch nur "Schweine!", und wenn sich der Prota dann Sekunden später rächt, kommt man irgendwie nicht umhin, sich zu denken "Jo, gibs ihm!"
                        -- Die Rückblenden der Liebesbeziehung zwischen dem Prota und seiner toten Verlobten, die dem Zuseher noch mal die Tragik eintrichtern, dass eine so romantische Liebe so grausam beendet wurde (und man denkt sich wieder: "Shit. Schweine!")
                        -- Sein immer wiederkehrender Einsatz für das Leben des Mädchens (wo auch seine Moral zutage tritt)

                        Als Autor hat man mMn ebenfalls die Möglichkeit, es dem Leser schwerer zu machen, jemanden aufgrund seiner Taten zu verurteilen. Wenn man ihn nicht als grundbösen Menschen darstellt, wenn man ihm "gute Gründe" für seinen Taten gibt, und diese Gründe dem Leser irgendwie "einbläut", dann ist das bestimmt machbar. Ich persönlich hab bloß was dagegen, wenn Gewalt verherrlicht wird. Aber man kann eben die Taten doof, aber nachvollziehbar finden. Ist halt oft ne Gratwanderung.


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