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Chat-Interview mit Martin Witzgall und Felix Woitkowski (Storyolympiade)

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    Chat-Interview mit Martin Witzgall und Felix Woitkowski (Storyolympiade)

    Liebe User,

    heute ist es so weit. In unserem internen WK-Chat findet unser erstes Interview statt. Die Gäste sind Martin Witzgall (Marty) und Felix Woitkowski (Felix), die Organisatoren der Storyolympiade.
    Ich freue mich, dass sie sich Zeit für unsere User genommen haben, um Fragen rund um die Olympiade, das Leben, das Universum und den ganzen Rest zu beantworten.

    Doch wer steckt hinter Marty und Felix? Vermutlich werden das nur unsere Gäste beantworten können. Um Euch einen ersten beeindruckenden Eindruck zu verschaffen, könnt Ihr Euch über diese Links über unsere heutigen Gäste informieren:

    Martin Witzgall

    Zitat von Marty
    - Wer bist Du?
    Mein Name ist Martin Witzgall aka Marty. Ich bin Webmaster und neben Felix Woitkowski auch noch Co-Organisator der Storyolympiade (http://www.storyolympiade.de). Außerdem mache ich mich in der Vorjury des Wettbewerbs nützlich. Beruflich bin ich in der IT Forensik tätig. Hobbys außer dem eben genannten und Lesen, sind sportliche Aktivitäten, die ich mit meiner Frau betreibe, z.B. MTBen, Klettern und Alpinismus. Außerdem reisen wir gerne. Kommas setze ich leider auch recht gern.

    - Was ist Dein aktuelles Projekt bzw. was schreibst Du?
    Mein aktuelles Projekt ist die Unterstützung für Autoren und Leute die was mit Büchern machen, primär als Webmaster und Forenadmin der Geschichtenweber (http://edition-geschichtenweber.de) und der Storyolympiade. Schreiben tue ich aktuell eher nur Aktenvermerke, Berichte und Gutachten. Daher lasse ich mich gerne von der Phantasie anderer anstecken. Und ich lese verdammt gerne gute Geschichten, die mich bitte etwas von der Realität ablenken!
    Felix Woitkowski

    Zitat von Felix
    Mein Name ist Felix Woitkowski. Hauptberuflich bin ich an der Uni Kassel tätig. Dort zeige ich angehenden Lehrerinnen und Lehrern, wie sie Kindern das Schreiben in all seinen Facetten beibringen können, und unterstütze Studierende beim Verfassen ihrer schriftlichen Arbeiten. Vor über zehn Jahren hat mich die Welt der Literatur gepackt und lässt mich seitdem nicht mehr los. Deshalb verbringe ich auch einen Großteil meiner Freizeit mit wunderbaren, manchmal stressigen Aufgaben: Ich schreibe Kurzgeschichten und Romane, gebe Anthologien heraus, mache fast vergessene Klassiker einem neuen Publikum zugänglich, habe einer Gruppe Studierender dabei unterstützt, ein Theaterstück zu verfassen und auf eine Münsteraner Bühne zu bringen, helfe als Lektor und Korrektor aus, verfasse hin und wieder Rezensionen … und organisiere gemeinsam mit Marty die Storyolympiade.
    Ich wünsche uns allen viel Spaß während des Interviews und bedanke mich an dieser Stelle bei Marty und Felix für Ihre Zusage und Ihre Zeit.
    Danke und willkommen im Wortkompass.
    Nein das war ich nicht.
    Ach so, das!
    Ja, das war ich.

    Kontakt: administrator@wortkompass.de

    #2
    Interview mit Martin Witzgall und Felix Woitkowski – Organisatoren der Storyolympiade



    weltatlas: So, erst einmal herzlich willkommen hier im Chat. Bevor alle Ihre Fragen loswerden können, möchte ich selbst zu den Anfängen der Storyolympiade zurückgehen. Was legte den Grundstein für die Olympiade, woraus entwickelte sich die Idee und, seit wann seid Ihr dabei? (Anmerkung: Marty kam etwas später zum Interview.)
    Felix: Das ist eine Frage, die wir besser Marty stellen sollten. Er ist deutlich länger als ich dabei. Soweit ich weiß, wurde die Storyolympiade von einem Autorenwebring gegründet, der sich vor allem der SF- &; F-Literatur verschrieben hatte. Ernst Wurdack, der später den Wurdack-Verlag gründete und Stefanie Pappon waren Gründungsmitglieder. Die erste Runde (1999) war noch ein reiner Internet-Wettbewerb. Ab 2000 wurden die Siegergeschichten auch gedruckt. Ich war das erste Mal 2004 als Autor dabei. Meine Geschichte „Philodroid“ ist eine meiner beiden ersten Veröffentlichungen. Seit 2008 bin ich als Organisator mit im Team.

    weltatlas: Du sagst, Du warst das erste Mal 2004 als Autor dabei, was hat Dich gereizt, Deine Geschichte einzureichen? Und, worum ging es in Deiner Kurzgeschichte?
    VickieLinn: Ich ergänze die Frage: Was hat dich gereizt, als Organisator und nicht als Autor dabei zu sein?
    Felix: Heute gibt es ja mehr Ausschreibungen für Kurzgeschichten, als irgendjemand bewältigen könnte. 2004 sah das noch anders aus. Damals gab es fast nur die Storyolympiade. Ich kam auf eher zufällig auf die Website und war sofort von dem Wettbewerb angetan. Weil ich eine passende Geschichte zum Thema „Es lebt!“ zur Hand hatte, reichte ich sie bald ein. Damals kannte ich mich mit dem ganzen Buch- und Autoren-Wesen überhaupt nicht aus. Alles war neu und spannend und ich wollte einfach den Weg wagen, eine Geschichte von mir einzureichen. Mit viel Glück hat es damals geklappt. In der Kurzgeschichte geht es um einen Androiden, der so einem Menschen gleicht, dass er darüber depressiv wird. Ich weiß nicht, ob ich die Geschichte heute noch einmal schreiben würde, aber ich habe sie gut in Erinnerung.
    (VickieLinn: Das Thema klingt philosophisch.)
    Nach dieser positiven Erfahrung habe ich mehr geschrieben, mehr Geschichten eingereicht. Gleichzeitig gab es immer mehr Kleinverlage, die Ausschreibungen anboten. Als ich immer tiefer in diese Szene eintauchte, bekam ich Lust, selbst Anthologien herauszugeben, habe mit Verlegern Kontakt gesucht und habe einfach immer weitergemacht. Irgendwann fragte mich Ernst Wurdack, mit dem ich über sein Verlagsforum Kontakt hatte, ob ich Lust hätte, die nächste Storyolympiade mit zu organisieren. Weil ich den Wettbewerb gut in Erinnerung hatte, sagte ich zu.

    VickieLinn: Was ist der spannendste Punkt bei der Organisation?
    Felix: Es macht mir einfach Spaß, mich mit Literatur auseinanderzusetzen und mit Autor_innen gemeinsam zu arbeiten, als Leser, Autor, Herausgeber, Organisator, Lektor ... Spannend ist es immer wieder, wie andere Menschen darauf reagieren, was wir im Hintergrund aushecken. Ein besonderer Moment ist für mich immer, wenn die Ausschreibung veröffentlicht wird, immer größere Kreise zieht und Autor_innen darauf reagieren.

    Sophie: Gibt es auch Momente, in denen du weniger Spaß an deiner Aufgabe hast?
    Felix: Ich hoffe immer darauf, dass das Thema gut ankommt, dass nicht doch irgendwer erst kurz davon eine ähnliche Idee für einen Wettbewerb hatte, dass es Schreibende inspirieren kann und wir jede Menge gute Geschichten erhalten. Im Moment ist es noch einmal so spannend, denn in einer Woche erscheint das nächste Buch mit Siegergeschichten und wir präsentieren es auf dem BuchmesseCon in Dreieich. Wer weiß schon, wie es ankommen wird? Das ist richtig spannend. Einen Wettbewerb organisieren macht, ehrlich gesagt, in vielen Teilhandlungen echt keinen Spaß. Das ist harte Arbeit.

    Mona: Die Themen sind nach wie vor im Genre SciFi zuhause, wenn ich das richtig verstanden habe?
    Felix: Die Storyolympiade richtet sich an alle Autor_innen, die phantastische Literatur im weitesten Sinne schreiben. Also SF, Fantasy, Mystery, Horror, Steampunk usw.

    weltatlas: In welchen Teilhandlungen macht die Organisation des Wettbewerbs keinen Spaß?
    Felix: Wenn wir über 200 Einsendungen erhalten, bedeutet das für Marty und mich, dass wir mindestens doppelt so viele E-Mails schreiben müssen. Wir prüfen jede_n Autor_in darauf, ob die Teilnahmebedingungen erfüllt sind, was nicht immer der Fall ist. Wir anonymisieren jede Geschichte, so dass die Jurys nicht erkennen können, von wem sie kommt. Nicht selten schlagen wir uns auch mit Menschen herum, die nicht einschätzen können, wie viel Arbeit in so einem Wettbewerb steckt, sich im Ton vergreifen und viel Zeit in Anspruch nehmen.

    weltatlas: Ich habe gelesen, dass es 2007/2008 keine Geschichte gab, die die Jury überzeugen konnte. Weshalb? Was war das Thema dieser Olympiade?
    Felix: Die Runde 2007/2008 war ein Sonderfall. Wir glaubten, dass viele Autor_innen nicht nur gute Kurzgeschichten, sondern auch erstklassige Romane auf ihrer Festplatte haben. Deshalb haben wir das Experiment gewagt, einen Romanwettbewerb zu starten. Leider waren wir dabei nicht sehr erfolgreich. Es gab deutlich weniger Einsendungen, nicht alle stammten aus dem phantastischen Bereich (trotzdem hatte mindestens eine Agentur eine Autorin gedrängt, ihr nicht passendes Manuskript einzusenden) und schließlich kamen Jury zu dem Urteil, dass kein Roman unter den Einsendungen sei, den sie guten Gewissens veröffentlicht sehen wollten. Wir haben lange darüber diskutiert und sind schließlich zu dem Schluss gekommen, dass wir lieber keinen Sieger küren, als unsere Maßstäbe zu senken und unser Bauchgefühl zu ignorieren. Dass das bei manchen Autor_innen nicht gut ankam, könnt ihr euch sicherlich denken. Die Romanrunde hatte übrigens kein Thema.
    (VickieLinn: Ich finde die Entscheidung gut, auch wenn sie sicherlich auf Widerstand gestoßen ist.)

    Flossenschwinge: Was waren die zwei schönsten Momente, die Du bisher mit der Storyolympiade erleben durftest?
    Felix: Als ich 2004 als Autor teilnahm, hat die Jury relativ regelmäßig Zwischenstände online gestellt. Immer wenn ich sah, dass ich noch nicht ausgeschieden war, habe ich mich riesig gefreut. Das Lektorat war toll. Aber am schönsten war natürlich die Erfahrung, das erste Mal ein Buch in den Händen zu halten, in dem eine Geschichte von mir ist. Ich habe wochenlang nichts davon erzählt und das Buch dann zu Weihnachten an meine Familie verschenkt, die natürlich vollkommen überrascht war. Auch das war ein toller Moment. Seitdem freue ich mich einfach immer wieder darüber, Ausschreibungen zu verbreiten, Autor_innen dadurch dieselbe Erfahrung zu ermöglichen und selbst das Buch am Ende in den Händen zu halten. Vieles ist mittlerweile Routine, aber Herzblut ist noch immer viel dabei.

    weltatlas: Wenn es schöne Momente gab, gab es sicher auch weniger schöne Momente. Gab es auch Autoren, die die Absage, dass Ihre Geschichte nicht genommen wurde, nicht verstehen konnten?
    Felix: Es gibt immer Menschen, die mit einer solchen Entscheidung besser zurechtkommen als andere. Wenn man viel Zeit, Kraft, Energie und Freude in einen Text gegossen hat und auch nur eine halbwegs passable Geschichte daraus geworden ist, dann ist ja verständlich, dass eine Absage auch weh tut. Bei der Fülle der Einsendungen schaffen wir es leider auch einfach nicht, den Autor_innen eine Rückmeldung zu geben und alle Entscheidungen zu begründen. Das ist leider nicht zu ändern.

    Mona: Was würdest du denn jedem Autor raten, wenn er mitmachen möchte?
    Felix: Ich würde allen, die sich bei uns beteiligen wollen, raten, erstmal Ruhe zu bewahren. Ein Schnellschuss ist selten erfolgreich. Das gilt aber für alle Wettbewerbe. Bitte lest in Ruhe unseren Ausschreibungstext und überlegt, ob ihr und eure Geschichte unsere Vorgaben erfüllen. Bitte überarbeitet eure Texte mehrfach, lest sie euch mehrmals laut vor, gebt sie anderen zu lesen und sprecht mit ihnen darüber. Das erhöht eure Chancen ungemein. Informiert euch über das Umfeld des Wettbewerbs. Bei uns ging das zum Beispiel, indem ihr mal eine der Siegeranthologien in die Hand nehmt und sie aufmerksam lest. Dann könnt ihr ein Gespür dafür bekommen, wie unsere Jurys so ticken, welche Geschichten angenommen werden. Das kann ungemein helfen, nicht um zu plagiieren, sondern um ein Gespür dafür zu bekommen, ob ihr zu uns und wir zu euch passen.

    Mona: Was meinst du mit „Schnellschuss“? Wenn man z.B. einen Text voreilig abschickt?
    Felix: Schnellschuss: Ein voreilig abgeschickter Text ist ein Schnellschuss. Arbeitet mit euren Texten weiter und schickt bitte keine Rohfassungen.

    Flossenschwinge: Was macht für Dich eine gute Geschichte aus? Welche drei Kriterien sind Dir am wichtigsten?
    Felix: Gute Geschichte: Ich habe keine drei einfachen Kriterien, die ich als das Rezept für eine gute Geschichte verkünden könnte. Wir stellen immer wieder fest, dass unsere Juror_innen zum Teil sehr unterschiedliche Vorlieben und Ideen haben, was eine gute Geschichte ausmacht, und das ist auch in Ordnung so. Junge Autor_innen glauben manchmal, dass alles an der Idee hängt, aber die Umsetzung ist oft viel wichtiger. Schreiben ist ein Handwerk und dieses Handwerk muss ich lernen und trainieren. Dummerweise sagt es einem nicht genau, wohin die Reise gehen soll. Ich mag unterschiedlichste Geschichten. Atmosphäre ist für mich eher wichtig. Die Geschichte soll mich in den Bann ziehen. Figuren und vor allem Dialoge schaffen Dynamik. Wenn sie gut sind, können auch sie mich mitreißen.
    Was ich nicht mag, sind Geschichten, die uninspiriert einem Trend nachrennen.
    Marty: 1. Interessante Dialoge, die mir Bilder in den Kopf zaubern ohne detaillierte Erklärungen oder Beschreibungen zu benötigen. 2. Humor mit Tiefsinn in einer Idee/Geschichte die mich neugierig macht. 3. Glaubwürdige Protagonisten, mit denen ich mitfühlen kann oder in die ich mich selbst hineinversetzen kann.

    weltatlas: @Marty, dann bekommst Du auch noch mal die Eingangsfrage gestellt: Du bist seit 2000 dabei? Was war für Dich die Motivation die Storyolympiade mit zu organisieren?
    Marty: Ja ich bin seit ca. 2000 dabei. Damals hat mich Ernst Wurdack gefragt, ob ich nicht in der Jury der Storyolympiade mitmachen will. Ich kannte Ernst aus dem Webring, das war ein Link-Verbundsystem, konnte man als Script auf die eigene Homepage basteln. Und dabei haben wir uns irgendwie kennengelernt, aber wie das genau gelaufen ist weiß ich jetzt gar nicht mehr richtig. Die Motivation die Storyolympiade selbst zu organisieren, kam mit Ernsts Entscheidung aufzuhören. Mir ist der Wettberwerb und die Idee des Förderns deutschsprachiger Phantastik einfach wichtig. Und es hat mir Spaß gemacht da mitmischen zu dürfen. Außerdem lese ich gerne Geschichten.

    weltatlas: Wenn Ihr zurück denkt, was sind die Geschichten (2, 3...) an die Ihr Euch noch sehr lebendig erinnern könnt? Die Euch nicht mehr loslassen? Gibt es solche Geschichten? Wenn ja, welche sind es und weshalb ist das so?
    Felix: In der Runde 2011/2012 reichte Manuela Obermeier die Geschichte „Spiel nicht mit den Kellerkindern“ ein und schaffte es auf den neunten Platz. Die Geschichte ist mir in bester Erinnerung, weil sie wunderbar mit der kindlichen Angst vor Kellerräumen spielt, am Ende alles auf den Kopf stellt und das Ganze noch mit einem eingängigen Kinderreim versehen hat. 2004 war eine Geschichte mit dabei, auf deren Namen ich nicht komme, obwohl ich immer mal wieder darüber nachdenke. Sie handelte von zwei vor dem Unheil flüchtenden Hauptfiguren, die irgendwann feststellen, dass ihr Weg umso beschwerlicher wird, desto schlimmer sie sich ihn ausmalen. Denn genau das, von dem sie glauben, dass es sich ihnen in den Weg stellen wird, erscheint auch. Dadurch errichtet die Geschichte eine wunderbare Metaebene. In „Stille“ gibt es Geschichten, die wirklich Stille erzeugen. Über die Jahre haben sich einfach zu viele gute angesammelt.
    Marty: Nicht mehr loslassen wäre vielleicht zu viel gesagt, aber tief bewegt hat mich der Beitrag „Rota“; von Siegfried Dierker. Die Geschichte schaffte es sogar auf den 1. Platz der Storyolympiade von 2003 mit dem Thema „Strahlende Helden“. Ich weiß heute noch, wie mich die Geschichte während des Lesens nicht los ließ und ich zum Ende Gänsehaut bekam und sogar eine Träne wegdrücken musste.

    weltatlas: worum ging es in der Geschichte?@Marty
    Marty: In der Geschichte ging es um einen Bauernjungen in einem mittelalterlichen Setting, der so gerne ein Held, bzw. ritterlich sein möchte, aber zum Ende der Geschichte die harte Realität erfährt und zwar aus erster Hand.

    Mona: Gibt es bei den eingesandten Geschichten bestimmte Thematiken, die immer wiederkehren? Wo ihr sagen würdet, dass macht eine phantastische Geschichte aus?
    Felix: Puh, für mich war die Storyolympiade in den letzten Jahren vor allem eine große Tabelle. Aus der Juryarbeit habe ich mich herausgezogen, um die Anonymisierung der Geschichten zu gewährleisten. Deshalb habe ich keinen großen Überblick darüber, was sie wich wiederholt. Allerdings bekomme ich von unseren Juror_innen einiges zu hören. In der aktuellen Runde waren offenbar viele Autor_innen sehr von der Ich-Perspektive der „Tribute von Panem“-Büchern beeinflusst und haben diese mehr oder weniger gut nachgeahmt. Natürlich kommen auch die typischen Fantasy- und ScienceFiction-Settings und Plots immer wieder. Dann kommt es eben auf die Ausgestaltung an und die Frage, ob die Autor_innen in der Lage sind, einen eigenen Zugang zu dem Thema zu finden. Wenn über 200 Geschichten eingesendet werden, stellt sich manchmal auch einfach heraus, dass eine ganz tolle, neue Idee gleich mehrere Autor_innen hatten. Berechenbar ist das halt nie.

    Mona: D.h., Individualität ist besonders wichtig?
    VickieLinn: Meinst du mit „eigenen Zugang zu dem Thema“ was du oben erwähnst hast? Dass die individuelle Umsetzung und der Stil wichtiger sind als die Idee an sich?
    Felix: „Individualität“ könnte falsch verstanden werden und trifft es nicht richtig. Es geht nicht darum, alles Alte abzulegen, sondern einen Zugang zu finden, eine eigene Stimme. Eine solche eigene Stimme kann auf allen Textebenen einen Ausdruck finden, im Thema, der Dramaturgie, der Figuren und vor allem der Sprache. Bitte aber nicht auch in der Rechtschreibung ...
    Marty: Mona, Nun ja, das Thema wiederholt sich natürlicherweise öfters und manche Autoren haben außerdem auch die gleiche Idee umgesetzt. Eine phantastische Geschichte macht im Regelfall ein unerklärliches oder nicht rationales Element in der Geschichte aus, welches nicht nur Nebensache sein darf.

    Flossenschwinge: @Marty: Felix hat erwähnt, dass er keine Geschichten mag, die uninspiriert einem Trend nachlaufen. Welche Kriterien können Dich dazu bewegen, eine Geschichte beiseite zu legen?
    Marty: Was mich recht schnell beim Lesen aussteigen lässt sind: Wirres Zeug, das ich nicht kapiere auch nicht beim dritten Mal Lesen. Langweilige Beschreibungen oder Erklärungen die keine Spannung erzeugen. Übertriebene Figuren und dumme/platte Dialoge.

    Flossenschwinge: Was war die schrillste, lustigste oder bizarrste Geschichte, die in Deiner Zeit bei der Storyolympiade eingegangen ist bzw. die sich bei der Organisation zugetragen hat?
    Marty: Hmm, ich denke bei mir wars die erste Preisverleihung als Co-Moderator auf der großen Bühne des BuchmesseCON, welche ich mir selbst eingebrockt habe ... da war ich verdammt aufgeregt, vermutlich mehr als die Preisträger. Aber warum musste ich auch die blöde Idee haben, dass zu einer Olympiade halt nun auch mal Medaillen und eine Siegerehrung dazugehören ... Tja selbst Schuld.
    Mittlerweile haben wir im Team der Storyolympiade aber eine mutige Moderatorin, Tatjana Stöckler, (meine damalige Co-Moderatorin) und einen bissigen Verleger, Torsten Low, sowie eine Preisverleihungsmanagerin, Martina Sprenger, die sich um das Drumherum auf dem BuchmesseCON kümmert. Petra Hartmann, unsere Pressebeauftragte, steuert mit Interviews und Berichten Informationen bei und ich muss mich dann nur noch um die Medaillen kümmern.
    Felix: Oh, wir hatten einiges. Autor_innen, die vergaßen, dass sie schon Romane veröffentlicht hatten, ein Teammitglied, das immer wieder abtauchte, nur um Wochen später mit neuer E-Mail-Adresse wieder aufzutauchen, als sei nichts gewesen. Vor ein paar Wochen erhielten wir eine E-Mail von jemandem, der sein Bedauern darüber ausdrückte, dass die Storyolympiade schon durch den Namen der deutschen Sprache schade ... das war wirklich bizarr.
    Marty: Ja, diese letzte Mail, das war wohl bizarr. Keine Ahnung, wie und warum dieser Mensch überhaupt auf die Idee kam, uns anzuschreiben.

    weltatlas: Was war die schlimmste Geschichte, die Ihr lesen musstet? Bzw. lest Ihr sie dann überhaupt? Oder legt Ihr die Geschichte nach ein paar Zeilen dann weg?
    Felix: Wir sind ein Wettbewerb, der sich an junge Autor_innen wendet, also Menschen mit einem jungen Autor_innenleben, deshalb sollten wir nicht schlecht über Geschichten sprechen, die nicht publikationsreif sind. Was eigentlich ärgerlich ist: Eine viel zu hohe Zahl von Autor_innen liest oder beachtet unsere Wettbewerbsbedingungen nicht. Das ist deshalb ärgerlich, weil wir glauben, dass Autor_innen auch lesen können sollten und jede dieser Einsendungen für uns unnötige Mehrarbeit bedeutet. Deshalb mein dringender Hinweis: Lest die Wettbewerbsbedingungen!

    VickieLinn: @Felix Du arbeitest nicht nur mit jungen Autoren, sondern auch mit Lehrern (und somit auch mit Kindern zusammen). Gibt es einen Unterschied in der Herangehensweise was kreatives Schreiben angeht? Denken Kinder und Erwachsene anders beim Schreiben?
    Felix: Ich arbeite mit Lehramtsstudierenden zusammen, die sich häufig mit Essays und Hausarbeiten herumschlagen müssen und privat oft keine umfangreichen Texte verfassen. Ich versuche immer, bei ihnen etwas Leidenschaft für das Schreiben als Tätigkeit, aber auch als Forschungs- und Unterrichtsgegenstand zu vermitteln. Kreatives Schreiben ist dazu ein guter Weg, denn gerade kreatives Schreiben bedeutet, vorgefestigte Spuren und Muster zu verlassen und möglicherweise gemeinsam mit anderen und sogar mit Spaß etwas eigenes, etwas Neues zu schaffen. Kreatives Schreiben ist aber vielen fremd (geworden) und ich suche nach immer neuen Wegen, wie ich Studierende dazu bringen kann, kreatives Chaos zuzulassen. Wenn das gelingt, gibt es meines Erachtens wenig Unterschiede zwischen Kindern und Erwachsenen. Die einen sind verkopfter, die anderen haben weniger Hemmungen. Das gibt es hier wie dort.

    weltatlas: Wie lange dauert eigentlich die Einigung der Jury?
    Marty: Die Einigung ist eigentlich nicht notwendig, denn alle Jurymitglieder bewerten unabhängig und autonom. Die Wertungen fließen in einer Tabelle zusammen und daraus ergibt sich das Ergebnis. Und zwar sowohl bei der Vorjury, welche alle Beiträge bewertet, als auch bei der Hauptjury, welche am Ende eine Reihung der von der Vorjury als gut genug befundenen Beiträge vornimmt. Nur bei besonders auffälligen Problemen oder Rückfragen bespricht sich die Jury im Projektforum. Üblicherweise wissen die Jurymitglieder während der Juryarbeit nicht, wie die anderen Jurymitglieder abgestimmt haben.
    Durch unsere zwei Jurys versuchen wir möglichst viele und vielfältige Meinungen zu Geltung kommen zu lassen und es ist immer wieder interessant, wie unterschiedlich oder auch wieder ähnlich manche Wertungen ausfallen. Unsere Jurys bestehen übrigens aktuell aus Lesern, Autoren und Lektoren. Wir versuchen jeweils mindestens 5 Vorjury - und 5 Hauptjurymitglieder für jeden Wettbewerb auf die Beine zu stellen. Teilweise konnten wir schon mit jeweils 8 Jurymitgliedern starten. Ab und zu springen uns aber auch wieder Jurymitglieder ab. Die Arbeit ist ehrenamtlich und oft kommt die Realität dazwischen.
    Für die jeweiligen Juryphasen setzen wir Termine. Speziell bei der Vorjury werden die anonymisierten Beiträge, welche wir immer mit der Eingangsnummer nach der Prüfung versehen, in Paketen an die Vorjury versandt. Dann hoffen wir auf zeitnahe Rückmeldung der Vorjury mit ihrer Wertung, damit wir diese vorläufigen Zwischenergebnisse veröffentlichen können. Die Teilnehmer können dann auf der Homepage anhand ihrer von uns zugesandten Eingangsnummer sehen, wie es um ihren Beitrag steht. Beiträge, die unter einem bestimmten Schwellenwert von der Vorjury bewertet worden sind, werden dann auf der Homepage mit einem X gekennzeichnet, was so viel bedeutet, der Beitrag konnte nicht überzeugen und wird sicher nicht in die Hauptjuryrunde weiterkommen.
    Üblicherweise schaffen es aufgrund unserer Schwellenwertregel zwischen 30-40 Beiträge in die Hauptjury Runde.
    Ist die Vorjuryrunde beendet, also von allen Vorjurymitgliedern sind alle Beiträge bewertet worden, dann wird dies auf unserer Homepage bekannt gegeben und die Haupjury nimmt ihre Arbeit auf.
    Die Haupjury entscheidet mit ihrer Wertung über die Reihung der Geschichten. Anhand der Reihung werden natürlich die Sieger ermittelt, aber es wird letztlich auch entschieden welche Geschichten es bis ins Buch schaffen. Die Anzahl der Geschichten, welche es ins Buch schaffen, muss jeweils mit dem Verlag für jedes Buch neu bestimmt werden. Aber irgendwo müssen wir leider immer einen Schnitt machen.

    Sophie: Gebt ihr euren Jurymitgliedern Kriterien an die Hand, oder entscheidet jeder nach seinen eigenen Vorlieben?
    Marty: Die Vorjury wertet relativ frei prüft aber die Ausschreibungsbedingungen mit. Die Hauptjury prüft nach den Kriterien Inhalt und Ausführung.
    Felix: Die Vorjury hat die Aufgabe, die sehr guten Geschichten aus der großen Zahl der Einsendungen herauszufiltern. Dazu braucht man viel Leseerfahrung, ein gutes Bauchgefühl und keine Scheu vor ehrlichen Wertungen. Die Hauptjury bekommt Kriterien, wie Marty es schon geschrieben hat, aber auch diese Kriterien lassen natürlich viele Freiräume.
    Eine Kurzgeschichte ist ja nun keine Multiple-Choice-Frage, bei der es nur richtige und falsche Antworten gibt.

    VickieLinn: Die Kriterien klingen interessant. Könnt ihr eine nennen oder sind sie geheim?
    Felix: Geheim ist nichts. Tatsächlich müssen die Hauptjuroren die Geschichten nicht nur nach Inhalt (Gefällt mir der Inhalt?) und Ausführung/Stil (Gefallen mir Ausführung und Stil?) bewerten, sondern sie auch in eine Reihenfolge bringen.
    Marty: Früher hatten wir eine Art Sudoku System, dass war echt anstrengend als ich noch in der Hauptjury mitgemacht habe. Jetzt sind wir auf das meines Erachtens einfachere Reihungssystem umgestiegen. Aber das sieht vielleicht nicht jeder Juror so.
    Felix: Das verlangt von den Juror_innen eine sehr intensive Auseinandersetzung mit den Geschichten, die deshalb auch oft mehrmals genau gelesen werden.

    weltatlas: Wie lange bekommen die Juroren dafür Zeit? (Ist es abhängig von der Anzahl der zu bewertenden Geschichten?)
    Felix: Wir stecken alle viel Arbeit in den Wettbewerb, sind aber alles nur Ehrenämtler. Deshalb müssen wir immer einen Mittelweg finden zwischen Machbarkeit und gewünschtem Zeitplan. Die Vorjury hat mehrere Monate Zeit, abhängig von der Zahl der Einsendungen, die Hauptjury in der Regel ein bis zwei. Oft kommt aber einfach auch der ganz alltägliche Lebenswahnsinn dazwischen. Darauf müssen wir Rücksicht nehmen. Über 200 Geschichten, die in der Regel kein Lektorat gesehen haben, zu lesen und zu bewerten – Das schafft niemand einfach mal so nebenher.
    Marty: Da kann ich Felix nur zustimmen, jeder Beitrag hat so um die 6 Normseiten ... das ist schon ne Menge Holz.

    Flossenschwinge: Ich würde noch gern wissen, wo Ihr die (Vor-)Juroren aufstöbert. Kann man sich dafür irgendwie bewerben?
    Marty: Wie wir unsere Juroren bekommen? Wir sprechen sie an.

    weltatlas: Seit 2013 arbeitet Ihr mit dem Verlag Torsten Low zusammen, wie kam es dazu?
    Felix: Eigentlich war die Storyolympiade mit Ernst Wurdack und seinem Verlag fest verbunden. Allerdings kam Ernst irgendwann an den Punkt (er hatte gute Gründe), dass er keine Kurzgeschichten mehr veröffentlichen wollte. Deshalb haben wir uns auf die Suche nach einem neuen Zuhause gemacht. In der digitalen Welt haben wir ein solches im Forum der Geschichtenweber gefunden, was die Bücher anbelangte, einigten wir uns schnell mit einem neu gegründeten Verein zur Förderung phantastischer Literatur. Dieser Verein brachte 2012 „Masken“ heraus. Leider stellt er bald darauf seine Vereinsaktivität ein. Torsten Low, der auch im Vorstand des Vereins war, hat uns daraufhin das Angebot gemacht, dass wir in seinem Verlag unterkommen. Torsten Low setzt sich seit Jahren sehr aktiv für die deutschsprachige phantastische Kurzgeschichte ein und ist deshalb einfach der beste Partner, den wir haben können. „Masken“ ist mittlerweile bei ihm zu erwerben, zwei Jahre später erschienen „Stille“ und in einer Woche der neuste Band „Labyrinthe“. Torsten Low ist fast jedes Wochenende auf einer anderen Veranstaltung mit Verlagsstand und Lesungen vertreten. Wenn ihr ihn seht, sprecht ihn unbedingt an. Seine Leidenschaft für das Büchermachen und die phantastische Literatur ist sehr ansteckend!

    weltatlas: Als Abschluss möchte ich noch wissen, wie die aktuelle Olympiade lief? Was waren Eure persönlichen Highlights (oder kommen die noch?) und was lief nicht so gut?
    Felix: Ich habe den Eindruck, dass die aktuelle Olympiade recht rund lief, ich aber aufgrund meines Berufs manchmal einfach zu wenig Zeit hatte. Deshalb ist es gut, dass wir ein Team sind und gerade Marty oft einspringt, wenn ich nicht kann. Ich freue mich einfach auf die Buchpräsentation am nächsten Samstag, Autor_innen von uns zu treffen und das Buch in der Hand zu halten.
    Marty: Für mich wird es ebenfalls der Moment sein, wenn ich das Buch zum ersten Mal in Händen halten darf. Das ist immer ein echt cooler Moment. Außerdem wird es für alle Teilnehmer, das Team, dem Verleger sicher noch ein tolles Erlebnis sich auf dem BuchmesseCON zu treffen und auszutauschen. Ganz zu schweigen von unserer kleinen Preisverleihung auf der Hauptbühne um 16h. Im Übrigen hatte auch ich den Eindruck, dass der letzte Wettbewerb „Labyrinthe“ 2015-2016 ziemlich gut lief. Wir hatten von Anfang an einen Verleger. Danke, Torsten! Die Einsendungen kamen zahlreich. Die Jurys arbeiten termingerecht. Ich konnte den Verlag und Felix für ein meiner Meinung nach super passendes Cover von Lothar Bauer gewinnen. Ja, lief echt cool.

    weltatlas: Wie wurde eigentlich das Thema gewählt? Labyrinthe?
    Marty: Unsere Themen erarbeiten wir uns jeweils nach dem letzten Wettbewerb in unserem Projektforum im Forum der Edition-Geschichtenweber. Nach dem Motto nach dem Wettkampf ist vor dem Wettkampf dürfen die Team Mitglieder Vorschläge machen über welche dann abgestimmt wird.
    Bei den Themen hat es sich über die letzten Wettbewerbe ergeben, dass wir meist vieldeutige Schlagwörter bevorzugen. Wir wollen ein möglichst breites Ideenspektrum einfangen mit unseren Wettbewerben.

    weltatlas: Kein zu starres Thema, damit breitgefächerte Texte eingehen, sozusagen?
    Marty: Genau, und das Genre der Phantastik steuert das übrige dazu bei.

    weltatlas: Eine Letzt Frage habe ich dann noch: Eure Bücher gibt „nur“ als gebundene Ausgabe? Was ist mit eBooks? Würdet Ihr sie auch so veröffentlichen?
    Marty: Diese Entscheidung trifft der Verlag. Wir bzw. ich selbst habe nichts gegen eBooks. Ich lese sogar die von mir zu bewertenden Beiträge meist auf einem eBook-Reader. Da mir diese Frage auch schon von anderer Seite gestellt worden ist habe ich Torsten Low gefragt, wie es denn für Labyrinthe aussieht. Torsten meinte dazu, ja durchaus möglich, aber erst in einem Jahr.

    Vielen Dank für das Interview.
    Zuletzt geändert von weltatlas; 29.10.2016, 18:39.
    Nein das war ich nicht.
    Ach so, das!
    Ja, das war ich.

    Kontakt: administrator@wortkompass.de

    Kommentar


      #3
      Ebenso noch mal danke für das sehr angenehme Interview!

      Hat sonst noch jemand nicht besprochene Fragen, Anregungen oder Gedanken?

      Lieber Gruß
      Marty

      Kommentar

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