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Feuer und Zorn von Michael Wolff

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    [Rezension] Feuer und Zorn von Michael Wolff

    Der Journalist Michael Wolff erzählt von den ersten Monaten im Weißen Haus unter der Führung Donald Trumps ...

    ... und die sind genau so, wie man sie sich vorstellt: chaotisch, planlos und geprägt von kindlichem Trotz. Keiner, weder seine Mitarbeiter noch Trump selbst, hat auch nur den Hauch einer Ahnung von Politik. Dass man überhaupt die Präsidentschaftwahlen gewonnen hat, ist für alle höchst überraschend, vor allem für Donald Trump, der seiner Frau doch versprochen hatte, nach den Wahlen könne sie wieder ihr gewohntes Leben größtenteils abseits der Medien führen. Was als PR-Aktion begonnen hat, entwickelt sich zu etwas, womit keiner aus dem Wahlkampfteam gerechnet hat: der Regierung eines Landes.

    "Voller Lügen, Entstellungen und Quellen, die nicht existieren." - Donald Trump

    So steht es doch tatsächlich auf dem Buchrücken. Der Rowohlt-Verlag, der das Buch im Eiltempo von sieben Übersetzern ins Deutsche übertragen ließ, wirbt mit diesem Zitat des US-Präsidenten unter den anderen Pressestimmen. Sprechen die bei Rowohlt denn so gut ironisch? Oder ist es ernst gemeint? Immerhin gibt es, außer dem Hinweis des Autors im Vorwort, dass er auch wirklich und ganz echt alles genauso erlebt hat oder man es ihm aus erster Hand erzählt hat, keinerlei Quellenangaben. Nicht einmal er selbst schreibt im Text, wann ihm was und wie zugetragen wurde. Alles liest sich wie ein Roman, und es gibt nichts, aus dem ersichtlich wäre, dass Michael Wolff Interviews geführt hätte oder selbst dabei gewesen wäre.

    "Meine Schilderung der Ereignisse beruht auf Gesprächen die ich (...) mit dem Präsidenten, den meisten seiner Berater (...) sowie mit Leuten geführt habe, mit denen diese engsten Mitarbeiter gesprochen hatten. (...) Kurz nach dem 20. Januar nahm ich eine Art Stammplatz auf einem Sofa im West Wing ein. Seither habe ich mehr als zweihundert Interviews geführt." - S. 13/14

    Das war's auch schon. Das sind die Quellenangaben in Feuer und Zorn. Das und ein

    "Und im Trump Tower sprach ich mit einem redseligen Steve Bannon (...)" - S. 14

    Gegen Ende des Buches gibt es Formulierungen, die darauf hinweisen, dass Wolff tatsächlich ein Interview mit Trumps ehemaligen Chefstrategen, Steve Bannon, geführt hat, alles andere ist jedoch romanartig formuliert und lässt keinen Hinweis darauf zu, wie der Autor genau an seine Informationen gekommen ist. Das hätte ich erstens gerne einfach gehabt, denn so kann, trotz dem, dass man sich als Leser hundertprozentig vorstellen kann, dass alles genau so abgelaufen ist, Donald Trumps Zitat von oben durchaus wahr sein, und zweitens wäre es, meiner Meinung nach, auch einfach ein übersichtlicheres Buch geworden. Überhaupt habe ich mir während des Lesens ab und zu gewünscht, Wolff hätte doch einfach die Interviews abgedruckt.

    Denn das Lesen gestaltet sich als schwierig. Michael Wolff scheint - durchaus zu meiner Freude - ein Fan von endlos langen, verschachtelten Monstersätzen zu sein. Das bin ich auch, und ich finde, dass er ein sehr gutes Talent dafür hat, diese auch lesbar zu formulieren. Aber, wie so vieles im Leben, ist weniger oft mehr. Michael Wolff setzt einen Schachtelsatz an den anderen und gönnt dem Leser kaum eine Verschnaufpause. Keine Frage: ich finde jeden einzelnen dieser Sätze für sich großartig, aber was zu viel ist, ist zu viel und macht das Lesen unglaublich mühsam ...

    ... weshalb ich nach der Hälfte des Buches und einer Pause von etwa sechs Wochen auf das Hörbuch umgestiegen bin.

    Wer sich für dieses Buch interessiert und generell Probleme mit einem verschachtelten Schreibstil hat, dem empfehle ich das Hörbuch, gelesen von Richard Barenberg, der das Ganze wirklich phantastisch vorliest. So hatte ich nicht mehr das Gefühl, als wäre hier irgend etwas zu viel oder mühsam. Mit der richtigen Intonation, einer passenden Geschwindigkeit und dem nötigen Schuss Ironie führt Barenberg, dessen Stimme ich vorher nicht kannte, durch das Chaos von Trumps Regierung. Hätte ich es von Anfang an als Hörbuch gehört, hätte das Buch insgesamt eine bessere Bewertung von mir bekommen.

    Außerdem merkt man dem Buch an, dass es nicht für den ausländischen Markt geschrieben wurde. Jede im Text vorkommende Person wird mit einem Halbsatz vorgestellt, danach muss man wissen, wer wer ist. Viele von Trumps High Society-Kumpels aus New York sind sicherlich namentlich bekannt, doch was genau die machen, weiß man bestimmt, wenn man sein Leben lang von den US-Medien berieselt wird.

    Trotz allem war es ein genauso erschreckendes und fassungsloses Leseerlebnis, wie es der Autor sicherlich beabsichtigt hat. Keiner hat Ahnung, keiner hat politisches Vorwissen. Die ahnungslosen Wahlhelfer, die eigentlich nur dazu da waren, einen Wahlsieg zu verhindern, wurden prompt als Regierungsmitarbeiter eingestellt, egal, auf welchem Posten, und wenn sie Trump nicht nach dem Mund redeten, wurden sie halt gefeuert. Und die Verwandtschaft kommt auch noch an die wichtigsten Job im Land, qualifiziert oder nicht.

    "Wenn man einen Idioten zum Vater hat und wenn ohnehin jeder darüber spricht, dann macht einem das vielleicht sogar Spaß, und das Leben wird zu einer Art romantischer Komödie." - S. 137 (über Ivanka Trump)

    "Hier verlief die Trennungslinie zwischen denen, die aus ausdrücklicher Loyalität gegenüber dem Präsidenten im Weißen Haus waren, und den Fachleuten, die sie hatten engagieren müssen." - S. 286/287

    Fazit: Ja, ich glaube, das ist alles genauso passiert, wie es in diesem Buch steht, und ja, da bekommt man große Angst. Dass ich die Worte "Präsident" und "Trump" noch immer nicht in Zusammenhang bringen kann, ist da noch ein ganz anderes Thema. Trotzdem könnte das Buch durchaus "voller Lügen, Entstellungen und Quellen, die nicht existieren" sein, wie Trump auf dem Buchrücken zitiert wird, denn es gibt praktisch keinerlei Quellenangaben. Zusätzlich überfordert der Autor den Leser mit zwar wirklich gut formulierten Megasätzen, dafür schreibt er aber auch fast keinen unter 10 Wörtern. Schade, dass ich das Hörbuch (auf Spotify) zu spät entdeckt habe, denn das ist eine wirkliche Empfehlung. Von mir gibt es



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