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Leserunde #6 - Cyberempathy von E.F. v. Hainwald

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    #31
    Für wie realistisch haltet ihr diese enge Verknüpfung von Exekutive und Judikative? Warum bekommt ein Angeklagter keine Möglichkeit, sich selbst zu verteidigen, sondern wird nur über Charakterzeugen beurteilt?

    In meinen Augen liest es sich sehr schnell wie eine Diktatur der Harmonie, allerdings der falschen, einer betäubenden Harmonie. Die Leute werden mit Empathieterror - so erstrebenswert und überlebenswichtig Empathie auch ist - im Zaum gehalten. Und offenkundig ist es eine hierarchische Gesellschaft. Immerhin können dort wenige Menschen ihre wahren Gefühle verbergen: Alexis zum Beispiel. Seine Räumlichkeiten sind auch nicht durchschaubar, und ein erfolgreicher Geschäftsmann wird er nicht durch besonders viel Mitgefühl geworden sein. Er personifiziert für mich die gefühlskalte Berechnung - wie auch Janica - und Macht. Schön auch die Bank, die den Leuten bis auf die Unterwäsche schaut.
    Die Obrigkeit, wer immer dahinter steckt, braucht keine eigentlichen Gesetze. Zeugen sind manipulierbar, auch und gerade auf der emotionalen Ebene, wie von Rye verkörpert. Rye tut mir wirklich leid. Er wird zum Verrat an Leon missbraucht. Warum der Angeklagte nicht gefragt wird: Wegen der Gefahr eines Gefühl-Kuddelmuddels?
    Es wird mit dem medial verbreiteten Bauchgefühl der Straße schnell geurteilt und "Recht" nicht gesprochen, sondern empfunden. Es ist nah am archaischen Rache- und Verbannungsgedanken. In ihrer Mitte ist diese Gesellschaft mehr als primitiv. Sie stiehlt Individualität - teilt Gefühle, ändert Erinnerungen, macht den Körper durchtauschbar und alles Menschliche beliebig.

    Stört Euch die abstrahierte Sprache mit wenig Eigennamen, oder unterstreicht das für Euch das futuristische Setting?

    Es stört mich im Leseempfinden, weil ich nicht reingezogen werde. Dabei habe ich kein Problem, Bilder vor meinem inneren Auge entstehen zu lassen, ich habe witzigerweise ein sehr konkretes Bild von der Straße, vom Baum und auch von Ryes Werkstatt, um die Beispiele, die In-Genius nannte, aufzugreifen. Es kommt somit nicht das Gefühl auf (ha-ha), dass es schlechter Schreibstil ist, der es nicht schafft, mich an die Figur zu binden, sondern ein Das-soll-so-sein. Das wiederum macht den Stil interessant und neugierig auf das Folgende. Langsam komme ich an Leon heran, aber noch fiebere ich nicht mit der Figur. Es ist eher ein: Ich will's verstehen.
    Die Abstraktion und Entkonkretisierung unterstreicht die hochsterile Gesellschaft, die trotz Emo-Sharing die Gefühle Einzelner einfach überfährt.

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    • Alys II.
      Alys II. kommentierte
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      Dodo, auch ein spannender Gedanke, dass die Leute sich des Machtgefälles gar nicht so sehr bewusst sind. Instiktiv hätte ich gesagt, das geht nicht. In jeder sozialen Situation lotet man doch automatisch aus, ob man dem anderen über- oder unterlegen ist. Und zumindest ist Leon bewusst, dass höhere Ebene gleichbedeutend ist mit schönerer Wohnung. Außerdem gibt es durchaus Klassenunterschiede, zumindest den Reichtum einer Person kann man erkennen.
      Aber es ist natürlich denkbar, dass die Leute so manipuliert sind, dass sie es gar nicht mehr merken. Die Heile-Welt-Droge ist so stark, dass die das Opium für das Volk gar nicht als solches wahrnehmen. Gerade, wenn Gefühle manipuliert werden ... Hm...

    • Dodo
      Dodo kommentierte
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      Alys II. Für bewusst halte ich die Empfindung des Machtgefälles schon, aber ohne unangenehme Konnotation. Ist ja kein Platz für Neid, nur für Ehrgeiz.

    • E.F. von Hainwald
      E.F. von Hainwald kommentierte
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      Dass das Gesicht bei der Verurteilung nur ein Computer ist, der direkt das Urteil fällt - ist eure Interpretation. Warum sollte nicht jemand vorher geurteilt haben und nur auf die vermeintlich erwartete Antwort von Leon (der natürlich die Anschuldigungen abwehrt), auch die korrekte Urteilung hinterlegt haben?

      Wir bekommen die "Angi" als Obrigkeitsbild vorgesetzt. Gesetze macht die aber nicht, das tun andere. Da wir aber sie als Leitbild haben, schimpfen wir auf sie, wenn was gegen den Baum läuft.

      Warum sollte man in der Zukunft noch so ein Leitbild brauchen, wenn es effizienter wäre, dem Volk das "Ziel" zu entziehen und damit eine gewisse Furchtsamkeit und Allmächtigkeit zu suggerieren? Nicht-menschlich = Mächtiger als ich? Damit entziehe ich "Beschuldigten" die Möglichkeit sich zu rechtfertigen und gebe den "Unschuldigen" das Gefühl von perfekter Korrektheit - nur Menschen machen Fehler, oder?
      Leider machten sich manche Religionen dieses Prinzip auch zunutze.
      Zuletzt geändert von E.F. von Hainwald; 14.03.2019, 18:21.

    #32
    Ich frage mich, woher Leon die Dreckkrumen an den Schuhen herholt. Ich stelle mir die Welt nicht so vor, als ob da großartig Dreck auf den Wegen und Straßen liegenbleiben könnte, wenn es ja Haussysteme gibt, die hinter einem aufräumen können. Es muss doch ein Leichtes sein, die Umwelt sauber zu halten.
    Grrr, diese Janica geht mir echt auf die Nerven. Ich warte doch nicht mehrere Tage, bis die Polizei hoffentlich die Angelegenheit korrekt klärt, wenn mein Freund mir alles sofort erklären kann. Da muss doch eine gesunde Portion Neugier in ihr stecken, wenn sie auch nur das Geringste für ihn empfindet. Wenigstens merkt er endlich, dass etwas nicht stimmt, aber statt mit ihm zu reden, ist Janica so feige und wendet ihre Fähigkeit, Gefühle zu übertragen, gegen ihn an. Das ist echt mies. Sie macht es sich einfach viel zu leicht.
    Oh oh, wieso bringt ihm Rye sein Zeug vorbei? Will er sich jetzt auch von Leon entfernen? War ja klar. So viel zur Obrigkeit. Alexis hat eben mehr Einfluss und entsprechend auch Möglichkeiten. Garantiert wurden Leons Aufzeichnungen irgendwann entsprechend manipuliert. Und da sich jeder mittlerweile lieber auf Systeme als auf seine eigene Menschenkenntnis verlässt, hält nicht einmal der beste Freund mehr zu ihm.
    Das System des Einkaufens hat sich nicht sonderlich geändert, aber vieles geht jetzt schneller, weil alles automatisch geht. So ein Bezahlsystem im Handknochen ist sicher enorm praktisch, allerdings stelle ich es mir auch sehr anfällig für Hacker vor, weil es ja ständig aktiviert sein muss. Aber ich erwarte hier auch etwas Übles. Leuchtet gleich eine rote Lampe, weil sein Konto/Guthaben gesperrt ist? War ja klar, er ist mittellos, ohne dass es jemand für nötig gefunden hat, ihn darüber vorher zu unterrichten. Das ist gemein und ich finde, dass das auch nicht ganz koscher ist. Wieso gibt es da keine Benachrichtigung? Allerdings ist Leons Reaktion auch nicht ok. Klar, er ist schon seit Tagen angespannt und jetzt kommt auch noch das hier, aber jemand anderen "zahlen lassen" und dann weglaufen, ist doof und wird es ihm nicht leichter machen. Wobei ich jetzt auch nicht mit damit gerechnet hätte, dass das Cybernet die geballte Ladung auf ihn abgibt. Wie kann jemand sein Grundrecht verlieren? Das geht in keinem Rechtsstaat. Selbst diejenigen unter uns, die unser Rechtssystem ablehnen, werden nach unseren Gesetzen so gut behandelt wie jeder andere Mensch. Jedenfalls sollte es so sein. Denen wird dieses Recht nicht abgesprochen.
    Wieso bearbeitet ein Computer Leons "Aussage"? Wieso geht er nicht auf Leons Aussagen ein? Es könnte doch sein, dass Leon die Erinnerungen manipuliert wurden. Dann würde er für etwas bestraft werden, das er gar nicht zu verantworten hat. Darauf muss man doch achten.

    Für wie realistisch haltet ihr diese enge Verknüpfung von Exekutive und Judikative? Warum bekommt ein Angeklagter keine Möglichkeit, sich selbst zu verteidigen, sondern wird nur über Charakterzeugen beurteilt?
    Es erinnert mich ein wenig an den Film mit Silvester Stallone. Äh, hieß der Judge Dredd? Da war man auch Polizist und Richter in einem. Es ist nicht völlig abwegig, aber ich finde dieses Rechtssystem sehr fragwürdig, eben weil es keine Möglichkeit der Verteidigung gibt. Ich verstehe auch nicht, wieso man sich hier nicht selbst verteidigen darf. Will man damit vermeiden, angelogen zu werden, denn das tun schließlich alle Verbrecher? Aber Leon hat mit einem Computer gesprochen. Dem kann es doch egal sein und der hätte Leons Aussage prüfen können.

    "Leon ging den Magnolienblüten-Boulevard entlang bis zur Hintertüre des Thalia, und aß unterwegs ein Xixo. Die neue Sorte mit doppelter Karamellglasur mochte er besonders.", würde sich für mich lebendiger und echter anhören, und ich meine, man erkennt aus dem Kontext, dass Theater und Schokoriegel gemeint sind?
    Stört Euch die abstrahierte Sprache mit wenig Eigennamen, oder unterstreicht das für Euch das futuristische Setting?
    Also ich könnte mit Thalia und Xixo nichts anfangen. Thalia ist ein Buchladen, bei dem ich mich gewundert hätte, wieso Leon zur HIntertür rein will, und Xixo klingt so chinesisch oder japanisch. Doppelte Karamellglasur klingt jedoch seeeeehr verlockend. Gibt es das wirklich? ^^
    Mit dem Magnolienblüten-Boulevard stimme ich mit dir überein. Natürlich hätte es mehr Namen geben können, aber wirklich stören tut es mich nicht. Ich denke über sowas gar nicht nach, wobei ich ja meistens Fantasy in der Vergangenheit schreibe. Da gab es sowas noch nicht.

    Kommentar


    • E.F. von Hainwald
      E.F. von Hainwald kommentierte
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      Die Krumen? Interessanter Gedanke beim Lesen - also auch wenn hier bei uns die Straßen echt verdammt sauber sind - in Tokio waren die NOCH sauberer (das war verstörend, dabei gab es aber auch keinerlei Mülleimer!) - staubsaugen tut den Beton keiner.

    • Earu
      Earu kommentierte
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      Da siehst du mal, wie buchbezogen ich bin. Wer braucht schon eine Muse? Ich bei den hunderten von Ideen in meinem Notizbuch mal nicht. Aber Bücher hab ich nie genug. ^^

      WIESO STAUBSAUGT HIER KEINER DEN BETON!!! Sakrileg! In deiner Geschichte muss alles sauber sein. Die machen doch auch alle auf Strahle- und Saubermann. Nein, tatsächlich hat mich eher gewundert, wie er den Dreck überhaupt an die Schuhe bekommen hat, wenn er Ewigkeiten über der Erde lebt. Das bisschen Erde, in der die Bäume stehen, wird wohl eher vor solchen Randalen, die darin herumhüpfen, geschützt sein. Da oben sollte ein solcher Rohstoff schon richtig viel wert sein. Tja, und sonst ... Welchen Dreck hat er da an den Schuhen?

    • E.F. von Hainwald
      E.F. von Hainwald kommentierte
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      Schlags mal den Stadtverwaltungen vor - wäre ne Idee, danach aber bitte noch Bonerwachs drauf.

      Hmmmmh, also es gibt Staub, Hundescheiße, Kaugummi, Essenreste, abgebröckelte Reste von Sohlen, Beton, Steinchen vom Asphalt ... aber keine Sorge - ab jetzt wirds doch eh dreckiger.
      Zuletzt geändert von E.F. von Hainwald; 14.03.2019, 22:34.

    #33
    Ich schreibe heute schon, weil ich am Wochenende Besuch habe und für die Leipziger Buchmesse rotiere - es steht eine Lesung aus meinem noch unveröffentlichten Roman an und da muss ich noch üben (die Zweite in meinem Leben - ogott, ich will nicht sterben ... *heul*).

    Diesmal wird ja rege diskutiert - wobei ich tatsächlich erstaunt bin, dass ihr Markennamen als persönlicher wahrnehmt. Ist es Individualität oder einfach eine gute Leistung unserer Marktwirtschaft, dass ihr sowas als "bezieht mich mehr ein" empfindet?
    Da wir alle unseren horizont erweitern möchten, steuere ich hier mal mehr bei, denn das scheint euch zu bewegen. Meine Leser befürworten diesen "reduzierten" Stil, weil er "leicht" ist trotz der Schwere des Umfangs, und weil es "modern" wirkt - so das Feedback.

    Keine Marken haben bei mir drei Gründe:
    1.) Ich nutze sie privat fast nie - ich gehe "einkaufen", nicht ins "Netto"; ich trinke "Bier", kein "Radeberger"... usw. Außerdem kann ich mir (wie viele andere), Straßennamen eh nicht merken, also ignoriere ich sie schlichtweg. "Am Döner links abbiegen" ist 'ne geile Auskunft; "in die Magnolienstraße einbiegen" oder "am Mustafah-Börek links" heikel für mein Hirn, vor allem, wenn dann noch drei Weitere kommen. Also Persönlichkeit meinerseits und dafür erntete ich auch schon öfter Danke. Also defintiv eine Überlegung wert - außer natürlich eure Leser lieben eure eingebastelten Marken. Jetzt überlege ich, ob Leon vielleicht vor Markensinn strotzen sollte, weil Werbung überall auch prägt, aber Punkt 3 deutet an, warum eben nicht.
    2.) Nicht relevant für meine Geschichte an dieser Stelle. Denn erfinde ich eine Marke, muss ich sie benennen und schlimmstenfalls erklären (da war mir das Setting wichtiger). Außerdem kommt hinzu, dass viele Leser schon genervt sind, wenn zu viele Charakternamen in Romanen sind! Dann noch Straßen und Marken? Hat die Marke Relevanz zur Handlung (z.B. taucht oft auf oder der Job des Prota ist dort - Leon ist jedoch selbstständig), unbedingt rein damit!
    3.) Der Abstand zum Umfeld ist beabsichtigt. Für Leon emotional wichtige Orte beschreibe ich - wie das Theater aussieht, die Bank, der Boulevard, Leons zuhause und Arbeitszimmer. Ryes Labor, Gebäudefarben ist ihm wenig wichtig. Warum er so perfekt selektiert in der Aufnahme und weshalb ich es als notwendig erachte dem Leser das auch mitzugeben, werdet ihr (hoffentlich) später verstehen. Sicher intressiert das einige Leser nullkommagarnicht, aber die stören sich wohl auch dann nicht dran.

    Zum Rest: Ich bin mir gerade unsicher, ob ihr aus Gewohnheit in Leserunden auf eventuelle Logikfehler (Verurteilung so bumsfertigauszeckweg) anspringt, oder ob ihr tatsächlich nur eure spontanen Empfindungen als entspannte Leser mitteilt.
    Ich schaue gerade genau darauf, was ihr ansprecht ... wo ich evtl. was in meiner 500-zeiligen-Plott/Logik-Tabelle ("Schwiegermutter") verkackt habe - bisher darf ich mir den Schweiß beruhigend wegwischen, alles im grünen Bereich. Aber ihr schafft mich trotzdem ganz schön!

    Kommentar


    • Alys II.
      Alys II. kommentierte
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      E.F. von Hainwald, das wird knapp mit der Lesung, Freitag 18.00 haben zumindest einige von uns schon ein Date, und nicht gerade um die Ecke vom Café Eigler. Aber wäre schön, wenn man sich sonst auf der Messe irgendwie trifft.

    • E.F. von Hainwald
      E.F. von Hainwald kommentierte
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      Ich muss auch eher dort sein und daher 17 uhr denke ich schon von der Messe weg - sonst wird das knapp. Außerdem soltle ich vorher irgendwie mal durchatmen und was essen.
      Na vielleicht schaust du/ihr einfach an unserem Stand mal vorbei?

    • Alys II.
      Alys II. kommentierte
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      E.F. von Hainwald, Das mache ich sicher mal. Umgekehrt, wenn Du Dich gerade langweilst, komm bei Burgenwelt vorbei. Da werde ich einen guten Teil der Zeit rumhängen.

    #34
    Ich lese heute schon Kapitel 5. Morgen komme ich wohl nicht dazu, zu kommentieren. Dann beantworte ich lieber morgen nur kurz noch die Fragen.

    Der Aufzug ist mir schon im letzten Kapitel suspekt vorgekommen. Bei der Fahrt nach unten wird es immer dunkler, aber in dem blöden Teil geht echt kein Licht an? Nur die paar StatusLEDs leuchten? Und als dann endlich mal Licht angeht, dann nur flackernd. Hier geht eine Lichtleiste endlich an und ich frage mich ernsthaft, was das soll. Wieso ging die nicht gleich an, als er in den dunkleren Stadtteil kam? Wieso geht dieses Licht erst so verzögert an, nachdem der Fahrstuhl schon eine Weile unten angekommen ist? Und weil es gerade so gut dazu passt: Wieso dauert es so lange, bis die Kapsel aufgeht? Sollte das alles in dieser fortschrittlichen Welt nicht zackiger gehen?
    Leons Reaktion auf die geöffnete Kapsel und den Raum dahinter erinnert mich irgendwie an ein Tier, das aus seiner Transportbox in eine fremde Umgebung kommt. Zögernd, scheu, abwartend, witternd.
    Die anderen Kapseln in diesem Raum irritieren mich. Ist dieser Fahrstuhl eine Einbahnstraße? Irgendwie muss ich gerade an Kondome denken, die man auch nur einmal benutzen kann. (Hinterfragt nicht mein krankes Hirn. Es ist gut zum Geschichten schreiben.)
    Ja, genau, wo kommt der Regen her? Ist das etwa der Wasserfall aus Kondenswasser?
    Leon fragt sich, ob alle in der Unterstadt gefühllos sind. Ich glaube, er lebte bisher in einer gefühllosen Welt und erlebt jetzt erst die geballte Ladung Gefühl. Er ist nur nicht gewohnt, sich nur mit sich selbst zu beschäftigen. Er ist es gewohnt, die Gefühle Anderer zu verarbeiten, aber seine eigenen hat er viel zu gerne verdrängt oder gar nicht bemerkt. Und natürlich muss der seltsame Typ im Cybernet sein. Hat ja noch keiner was von natürlicher Empathie gehört. Leon hat echt viel zu lernen.

    Kommentar


    • E.F. von Hainwald
      E.F. von Hainwald kommentierte
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      Die langsame Fahrt - ich geb zu: Style. Sollte den Stadtaufbau kurz beleuchten. Die Wissenskarte besprachen wir bereits - bei der Lesung habe ich diesen Teil auch stark gerafft. Ich habe das bereits selbst bei dieser Szene bemerkt.

      Warum es weniger fortschrittlich erscheint? Liest du ja nun bald.

    #35
    Kurzer Zwischeneinwurf, weil das Thema oben in den Kommentaren aufkam:

    Soweit ich weiß, sind von den Teilnehmern an dieser Leserunde mindestens 4 auf der Leipziger Buchmesse.
    Wäre es dann sinnvoll, wenn wir vom 21.-24.03. mit dem normalen Rhythmus aussetzen? Zumindest zum Diskutieren, meine ich. Weiterlesen kann ja trotzdem jeder für sich.
    Always avoid alliteration.

    Kommentar


    • Earu
      Earu kommentierte
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      Ich werde auch ohne Laptop unterwegs sein und wohl nicht groß zum Lesen kommen. Da wäre eine Pause eine Erleichterung.

      E.F. von Hainwald Ich werde deine Lesung wohl nicht mitnehmen können, aber vielleicht laufen wir uns tagsüber über die Füße? Würde mich freuen.

    • E.F. von Hainwald
      E.F. von Hainwald kommentierte
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      Das würde mich freuen - vielleicht schaust du die Tage an unsrem Stand vorbei?

    • Earu
      Earu kommentierte
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      Versprochen. Das klappt ganz sicher.

    #36
    Oh, ihr diskutiert ja schon ... Da muss ich mit meiner Antwort mal ein bisschen hinterher bummeln.

    Für wie realistisch haltet ihr diese enge Verknüpfung von Exekutive und Judikative? Warum bekommt ein Angeklagter keine Möglichkeit, sich selbst zu verteidigen, sondern wird nur über Charakterzeugen beurteilt?

    Ich finde es leider nicht so weit hergeholt, dass sich ein Angeklagter dort nicht mal mehr verteidigen darf, wie ich es mir wünschen würde. Und ich gebe offen zu, dass mir das total missfällt und ich die Vorstellung sehr beängstigend finde. Hier in Deutschland muss einem ein Vergehen ja nachgewiesen werden (Die Schuld muss bewiesen werden) und es gilt "Im Zweifel für den Angeklagten", in anderen Ländern muss man die Justiz hingegen davon überzeugen, dass man etwas gar nicht gewesen sein kann (Die Unschuld muss bewiesen werden). Für "die Obrigkeit" scheinen ja keinerlei Zweifel mehr zu bestehen - aber leider erfahre ich als Leserin (noch) nicht, was Leon genau vorgeworfen wird, was mit seinen Daten an die Polizei passiert ist und welche Rolle Alexis dabei spielt. Und es ärgert mich total, dass er nicht sofort die Nachrichten einschaltet!

    Wenn ich über diese Verknüpfung nachdenke, blitzen in mir unweigerlich Bilder von überfüllten Zellen in Gebieten auf, wo Folter an der Tagesordnung steht. Dort wird auch niemand mehr gefragt, was er zu diesem oder jenem Vorfall zu sagen hat, denn dort besitzt das Individuum keine "menschliche Existenz" mehr ... Richtig schlimm.

    Was Janica abzieht, finde ich auch mies. Ihre Art widert mich inzwischen richtig an.
    Keine Ahnung, was sie an seinem Verhalten/"Charakter" bzw. Gefühlen ausgemacht haben will, dass seine "Schuld" beweisen würde.

    Stört Euch die abstrahierte Sprache mit wenig Eigennamen, oder unterstreicht das für Euch das futuristische Setting?

    Wenn du es nicht betont hättest, wäre es mir wohl nicht mal aufgefallen. In meinem Alltag wechsel ich beliebig hin und her, ob ich jetzt "noch schnell einkaufen gehe" oder "nochmal kurz zu dm/Rossmann muss". In deinem Beispielsatz sehe ich das "Xixo" als Eis, d. h. es ist aus dem Kontext durchaus ersichtlich, aber da passe ich mich beim Lesen automatisch dem Autor an. Und dass es in Skyscrape trotz Werbeflut keine Markennamen gibt, spricht für mich dafür, dass diese Dinge für Leon nicht besonders relevant sind und damit kann ich als Leserin gut leben.

    Ich stimme dir aber dahingehend zu, dass ich so nur ein vages Bild der Stadt vor Augen habe. Und das zeigt sich dann tatsächlich auch zum Ende des Kapitels: ich bekomme keinen Zugang zu seiner Irrfahrt und deshalb nervt sie mich. Für mich ist es dort einfach schmutzig, grau, stahlverschlungen und insgesamt Slum-ähnlich. Das Drumherum bringt mir dort nichts.

    Was mich dann jedoch wieder packt, ist Leons Gefühl am Schluss:
    Etwas in ihm war verstummt, etwas, was bisher immer da gewesen war. Es war ein Gefühl, das er noch nie in seinem Leben gefühlt hatte. [...]
    Ich bin allein.
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    Echt toll. Diese Verbindung zu ihm hatte ich übrigens auch, als er überflutet wird und zusammenbricht. (2 wunderbare Absätze!)
    Alles ist Gift. Es kommt nur auf die Dosis an. (Paracelsus)

    Kommentar


    • Dodo
      Dodo kommentierte
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      Jeder Mensch ist anders, und auch der Einzelne reagiert in verschiedenen Situationen unterschiedlich ...
      Ich werde proaktiv, wenn ich das Ausmaß der "Katastrophe" bändigen will, und dazu muss ich wissen, was los ist. Mega-Gau - man sammelt frenetisch Informationen und rennt. Ganz anders, als ich einen geliebten Menschen verlor. Völliger Shutdown. Nichts auf der Welt konnte den Verlust stoppen, alles schien ihn nur zu beschleunigen.
      Ich denke, Leon sieht sehr schnell, dass er verloren hat, egal was er täte. Es spricht für seine Integrität und Naivität, dass er das "Verbrechen" nicht zugibt, und daher die Höchststrafe erhält.

    • In-Genius
      In-Genius kommentierte
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      Meine Verwirrung soll nicht heißen, dass es falsch oder unwahrscheinlich wäre so zu handeln wie Leon. Es irritiert mich nur total, da ich diese aktive Art der Verdrängung von nirgendwoher kenne als aus Büchern/Serien - und da erscheint es mir mehr dramatisches Werkzeug als Persönlichkeitsausdruck.

    • Lael
      Lael kommentierte
      Kommentar bearbeiten
      Das mit der Post ist ein sehr guter Einwand, @Alys II.

      Letztlich weiß ich nicht, wie ich reagieren würde. Aber bei Evan hat er die Infos auch eigenständig recherchiert und wenn mir meine _engsten Vertrauten_ nicht mal die Chance geben würden, dass ICH ihnen erklären kann, was passiert ist, wäre ich vermutlich so wütend, dass ich mir wenigstens aus der scheiß Flimmerkiste (Danke, In-Genius ) 'ne Antwort erhoffen würde. Ich hasse es, keine Erklärungen zu haben!! Danach würde ich mich verkriechen. Ich neige allerdings auch nicht zum Substanzmittelmissbrauch, da ich das Zeug sowieso nicht anrühre.

    #37
    Leon ist jetzt ein Frischling in der Unterstadt. Kein Zuhause, kein Geld - aber auch kein Cybernet mehr. Nur seine eigenen Gefühle, damit kann Leon nicht umgehen.

    Was haltet ihr davon, dass ein Leben in der Unterstadt eine Strafe ist? Vielleicht sogar die höchste Strafe? Man wird nicht nur aus der eigenen Gesellschaft herausgeschmissen, sondern in eine andere hineingeworfen und diese andere wird damit ganz klar als weniger wert gekennzeichnet. Passt das zu dieser Welt? Gibt es das auch bei uns?

    In der Unterstadt regnet es, immer und immer wieder. Nur eine technische Schrulle des in sich abgeschlossenen Systems solcher Hochhausmetropolen? Oder Absicht um die Lebenswirklichkeit der Bewohner möglichst trostlos und niederschlagend zu halten?

    "So eine Hilflosigkeit kannst du dir nur in der Oberstadt leisten." Kann man das? Oder ist Leon nicht genau wegen seiner Hilflosigkeit aus der Oberstadt verbannt worden? Ist es notwendig, seinen Körper künstlich zu verstärken, um nicht mehr hilflos zu sein? Ist es überhaupt Leons Wahl hilflos zu sein, oder erzwingt das Cybernet das von den angeschlossenen Menschen?
    Lest bitte Kapitel 6 bis zum 17. März.
    Ayo, my pen and paper cause a chain reaction
    to get your brain relaxin', the zany actin' maniac in action.
    A brainiac in fact, son, you mainly lack attraction.
    You look insanely whack when just a fraction of my tracks run.

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      #38
      Puh, so viele Fragen!

      Was haltet ihr davon, dass ein Leben in der Unterstadt eine Strafe ist? Vielleicht sogar die höchste Strafe? Man wird nicht nur aus der eigenen Gesellschaft herausgeschmissen, sondern in eine andere hineingeworfen und diese andere wird damit ganz klar als weniger wert gekennzeichnet. Passt das zu dieser Welt? Gibt es das auch bei uns?
      Es erinnert mich an früher, als Verbannung eine Strafe war. Damals wurde man manchmal auch irgendwie gekennzeichnet, damit andere Städte den Verbannten nicht aufnahmen. Ohne eine schützende Mauer und einer führenden Hand durch einen Fürsten o. ä. musste der Verbannte über kurz oder lang sterben. Einsamkeit kann ein Mensch nur schwer ertragen. Aber er war durch die Verbannung und ggf. durch die Kennzeichnung als solcher auch vogelfrei. Ein Verbrechen gegen ihn galt nicht als Verbrechen. Ich finde sowas schlimmer als die Todesstrafe oder lebenslange Haft. Dass Leon in diesem Fall in eine völlig andere Welt gelangt, erschwert es für ihn wohl noch zusätzlich. Man stelle sich mal vor, man ist aus seiner Welt verbannt und in der neuen Welt sind zwar Menschen, aber die ticken ganz anders. Unter Menschen allein zu sein, ist noch schlimmer als generell der einzige Mensch im Umkreis zu sein.
      Diese neue Welt wird definitiv durch diese Handlung als geringer gekennzeichnet. Unterstadt klingt ja noch logisch. Sie liegt eben tiefer als die Oberstadt. Damit assoziiert man erst einmal nichts Negatives. Aber wenn man dann mal dort ist und die Zustände sieht ... Ja, in gewisser Weise ist sie weniger wert, weil dort Zustände herrschen wie vor dem Cybernet. Es wirkt nach der geheuchelten Friedlichkeit der Oberstadt erst einmal beängstigend, aber tatsächlich, wenn ich länger darüber nachdenke, dann sind die Menschen, die dort unten nett zu einem sind, viel mehr wert. Dieser Söldner, oder was er darstellen soll, will Leon helfen, obwohl er ihn nur gesehen, nicht einmal gesprochen hat. Das rechne ich ihm hoch an. Mag ja sein, dass die Umstände viele Menschen dort unten von einer der-Stärkere-überlebt-Philosophie überzeugt hat, aber nicht alle sind so.
      Bei uns gibt es solche Situationen auch, nur in anderen Maßstäben. Spontan fällt mir ein, dass ich ein Talent dazu habe, in Fettnäpfchen zu treten und mir dabei sogar noch die größten auszusuchen. Damit verletze ich meine Mitmenschen, obwohl es das Letzte ist, was ich tun will. Es dauert selten länger als ein Jahr, bis man mich aufgrund dessen aus einer Gemeinschaft hinauswirft oder ich mich sogar vorher verkrümele, weil ich merke, dass die Stimmung kippt. Jedes Mal versuche ich, Kontakte mit anderen Menschen zu knüpfen, rede über mein "wundervolles Talent" und erkläre, dass man mit mir dann reden kann. Ich habe echt kein Problem damit, mich zu entschuldigen, wenn ich Mist gebaut habe. Da ist es egal, ob ich das mit Absicht oder ungewollt getan habe. Das ist das Mindeste und zugleich kann ich mich dann erklären, sodass sich herausstellen kann, dass die ganze Geschichte gar nicht so arg ist. Mir wird immer versichert, dass es "mit ihnen" nicht so kommen wird, "weil wir ja alle erwachsene Menschen" sind. Die Bemerkungen dieser Leute, die dann folgen, wenn es mal wieder schief geht, sind wirklich verletzend. Und das passiert jetzt nur, weil ich nicht so angepasst bin.

      In der Unterstadt regnet es, immer und immer wieder. Nur eine technische Schrulle des in sich abgeschlossenen Systems solcher Hochhausmetropolen? Oder Absicht um die Lebenswirklichkeit der Bewohner möglichst trostlos und niederschlagend zu halten?
      Da habe ich ja schon überlegt, ob das dieser Kondenzwasserwasserfall (geiles Wort ) ist. Für eine technische Macke halte ich es nicht. Eher, wenn es wirklich der Wasserfall ist, dass es denn hohen Herren der Oberstadt egal ist, was das in der Unterstadt anrichtet. Leon wusste ja auch nicht, dass es dort z. B. kein Cybernet gibt. Wenn ich nach den Informationen von ihm gehen sollte, müsste es das überall auf der Welt geben, aber hier liegt eine ganze Stadt emotional auf dem Trockenen. Es wäre aber auch möglich, dass da Absicht dahinter steckt, um die Bewohner zusätzlich zu strafen und ihnen das Leben bzw. die Emotionswelt schwer zu machen.

      "So eine Hilflosigkeit kannst du dir nur in der Oberstadt leisten." Kann man das? Oder ist Leon nicht genau wegen seiner Hilflosigkeit aus der Oberstadt verbannt worden? Ist es notwendig, seinen Körper künstlich zu verstärken, um nicht mehr hilflos zu sein? Ist es überhaupt Leons Wahl hilflos zu sein, oder erzwingt das Cybernet das von den angeschlossenen Menschen?
      Ich denke, das sind Vorurteile. Oben hat man die Wölfe im Schafspelz trotz Cybernet nicht erkannt. Unten erkennt man sie auch nicht, aber hier ist man sich sicher, dass es welche gibt. Ich glaube nicht, dass es Leon helfen würde, seinen Körper künstlich zu verstärken. Er braucht wohl eher ganz dringend Nachhilfe in Menschenkenntnis. Die kann ihm ja offensichtlich auch ein Cybernet nicht ersetzen, sonst wäre das mit Alexis und Leons Verurteilung nicht geschehen.
      Leon hat die Vorteile des Cybernet genossen und geschätzt. Er würde es nie als Schwäche ansehen bzw. noch nicht. Es hat meiner Meinung nach auch nichts mit dem Cybernet zu tun. In der Oberstadt rennen so viele verbesserte Menschen herum, die mit wenigen Handgriffen gleich mehrere Menschen umbringen könnten. Sie tun es vielleicht wegen des Cybernet nicht, aber kämen sie in die Unterstadt, würden sie es auch nicht gleich tun, sondern erst, wenn sie begriffen haben, dass hier das Gesetz des Stärkeren zählt.

      Kommentar


      • In-Genius
        In-Genius kommentierte
        Kommentar bearbeiten
        Du hast dein Bildchen geändert. Das lacht einen jetzt an, sehr hübsch^^

        Dass mit der Unterstadt als Strafe hat mich auch ein wenig an die britische Handhabe Australiens erinnert. Das eigene Land war voll, dann hat man einen gewissen Teil der Verbrecher und Bettler nach Australien verschifft - aus den Augen, aus dem Sinn.
        Ich muss auch sagen, die Unterstadt kommt mir gleich viel lebhafter vor. Ich finde Gewalt zwar nicht gut, aber Streitigkeiten gehören doch zum Menschen dazu.
        Ich werd von der Unterstadt auch an ein paar meiner Lieblingsmanga erinnert, das verfärbt meine Brille natürlich

      • Earu
        Earu kommentierte
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        Danke! Wurde Zeit. Ich bin mit meinen sechs fertigen und drei beinahe fertigen Veröffentlichungen ja schon eine Person des öffentlichen Interesses oder so.

        Die Oberstadt hat ja viele tolle Spielereien, aber so wirklich braucht man die gar nicht. Die Unterstadt ist auf das Nötigste reduziert, wobei die immer noch recht fortschrittlich ist. Die Ärztin war ja schon krass mit ihren Spezialbeinen, die Schuhe und Waffen je nach Bedarf imitieren. Ich musste zwischendurch überlegen, ob die überhaupt ein Mensch oder nur ein gut programmierter Roboter ist. Vermutlich ist bei der nur noch das Bewusstsein und nicht einmal mehr das Gehirn echt. ^^

      • In-Genius
        In-Genius kommentierte
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        Ich denke, die philosophische Frage "Was ist ein Mensch?" kommt noch. Das wollte ich uns nicht im ersten Drittel des Buches überfordern

        Ich fand die Ärztin ziemlich scharf (pun intended). Auch die ganzen bunten Menschen in der Unterstadt mit Schuppen und Krallen und bla finde ich sehr cool. Die scheinen voll auszunutzen, was die Technik zu bieten hat. Während die Oberstadt - soweit wir wissen - noch an der menschlichen Form fest hält. Auch etwas, dass im Verlaufe des Buches vielleicht mehr Substanz für eine Diskussion bekommt.

        Ich stelle immer wieder fest: Ich mag solche Setting als Publikum durchaus. Aber selber ausdenken? Puh, da schwirrt mir jetzt schon das Hirn.

      #39
      Was haltet ihr davon, dass ein Leben in der Unterstadt eine Strafe ist? Vielleicht sogar die höchste Strafe? Man wird nicht nur aus der eigenen Gesellschaft herausgeschmissen, sondern in eine andere hineingeworfen und diese andere wird damit ganz klar als weniger wert gekennzeichnet. Passt das zu dieser Welt? Gibt es das auch bei uns?

      Wenn ich danach gehe, wie die Menschen in der Unterstadt (und noch tieferen Ebenen) hausen, denke ich schon, dass sich das wie eine Strafe anfühlen muss. (Die empfundene Höchststrafe wird es wohl v. a. dadurch, dass die Gefühle der anderen nicht mehr spürbar sind.) Hier in Deutschland gibt es ja quasi auch in jeder größeren Stadt Viertel, von denen einem abgeraten wird, weil sie "einen schlechten Ruf" haben und Ghettos/Slums ähneln. (Ganz zu schweigen von den so genannten Dritte Welt-Ländern.) Äußerlich ist die Unterstadt in dem Buch ebenso aufgebaut, wirkt halt lediglich ein bisschen steampunkiger mit dem ganzen Stahl und SciFi durch den Technik-Schnickschnack.

      Gleichzeitig ist der soziale Zusammenhalt in so mancher als "Ghetto/Slum" verschrienen Region größer als Menschen, die sich über Macht und Wohlstand definieren, es jemals in ihrem Leben erfahren werden. Wenn man Land und Leuten relativ vorurteilsfrei und auf Augenhöhe begegnet, erlebt man nicht selten eine ungeahnte Herzlichkeit und Wärme ... (Vielleicht nicht gerade in Acapulco, aber es geht mir auch mehr ums Prinzip als um Einzelne.) Gerade diese können einem mehr bringen als aller Reichtum der Welt.

      Im Hinblick auf das Buch zeigt sich die Unterstadt echt schnell von ihrer hässlichsten Seite - aber Leon erfährt letztlich ja doch unerwartet Hilfe. Die ihn immerhin davor bewahrt, seinen Körper feil zu bieten (gewagte Hypothese: ähnelt durchaus Prostitution, die er zuvor noch ablehnt, wobei die Überlegung ja bestand). Ich bin gespannt, wie sich das entwickelt und ob es für Leon letztlich nicht eher ein Segen sein wird, dass er nicht mehr von diesem Cybernet abhängig ist ...


      In der Unterstadt regnet es, immer und immer wieder. Nur eine technische Schrulle des in sich abgeschlossenen Systems solcher Hochhausmetropolen? Oder Absicht um die Lebenswirklichkeit der Bewohner möglichst trostlos und niederschlagend zu halten?

      Ich habe noch nicht verstanden, woher der Regen überhaupt kommt bzw. woraus er besteht (davon ausgehend, dass der Wasserfall weiter oben letztlich nur irgendwelches Kondenswasser ist). Ich hätte ihn nicht als "trostlos und niederschlagend" interpretiert, aber die Assoziation gefällt mir. Für mich war das eher so ein "Da unten funktionieren Wind und Wetter wenigstens noch normal (= naturgemäß)" - vielleicht hoffe ich damit auch nur zu optimistisch


      "So eine Hilflosigkeit kannst du dir nur in der Oberstadt leisten." Kann man das? Oder ist Leon nicht genau wegen seiner Hilflosigkeit aus der Oberstadt verbannt worden? Ist es notwendig, seinen Körper künstlich zu verstärken, um nicht mehr hilflos zu sein? Ist es überhaupt Leons Wahl hilflos zu sein, oder erzwingt das Cybernet das von den angeschlossenen Menschen?

      So, wie sich die Situation in Kapitel 5 darstellt, stimme ich der Aussage zu. Wenn es in der Unterstadt vor Gewalt nur so wimmelt und das Gesetz des Stärkeren gilt, hat man mit Optimierungen eindeutig die Nase vorn (wie man ja auch eindrücklich in den Kämpfen nachlesen kann). Das Cybernet leistet aber noch einen zusätzlichen Beitrag dazu, dass Leon dort unten besonders aufgeschmissen ist: Er wartet in der Gefahrensituation naiv ab, weil er darauf vertraut, dass die anderen seinen Schmerz spüren werden. Die Menschen mögen sich dem Cybernet zwar freiwillig angeschlossen haben, aber das System ist ihnen längst über den Kopf gewachsen.
      Alles ist Gift. Es kommt nur auf die Dosis an. (Paracelsus)

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      • In-Genius
        In-Genius kommentierte
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        Regen ist in der Kunst häufig ein Zeichen für depressive und traurige Gefühle; gerade wenn der Himmel auch grau/dunkel ist. Ich meine mal gelesen zu haben, dazwischen gäbe es einen messbaren realweltlichen Link (zwischen Regen und runterziehenden Gefühlen), aber über die Faktualität dieser Erinnerung kann ich keine Aussage mehr machen. Es würde mich allerdings nicht wundern, wenn anhaltender Regen unseren Hormonhaushalt negativ beeinflusst. Wer weiß.

      • Alys II.
        Alys II. kommentierte
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        In-Genius, Lael, auf jeden Fall kann (kann! muss nicht!) ein Mangel an Vitamin D Depressionen auslösen, und Vitamin D bilden wir, wenn UV-Strahlen auf unsere Haut kommen. Folglich Dauerregen --> weniger UV --> weniger Vit. D --> schlechte Stimmung.
        Den kurzfristigen Effekt, dass sich unsere Laune spontan bessert, wenn nach vielen Regentagen endlich mal wieder die Sonne rauskommt, kennt ja auch jeder von uns.
        Ich nutze beim Schreiben das Wetter auch gerne als Stilmittel, um unbewusste Gefühle und Stimmungen auszudrücken. Deshalb fiel mir der Regen hier auch gleich auf.

      #40
      Leon lernt, dass man manchmal einen Vertrauensvorschuss geben muss, egal ob man sich den Gefühlen des anderen sicher sein kann oder nicht. Meistens nicht.

      Immer wieder hat Leon kleine Gedankenhäppchen, die auf einen großen, letzten Krieg hinweisen. Mit Rade kommen diese mehr in den Fokus, denn dieser ist ein Soldat aus jenem Krieg (vermutlich) und wir erfahren, eigentlich müsste er nach Leons Informationen in den höchsten Etagen in Saus und Braus leben. Noch interessanter: Rade kann so etwas wie sein eigenes kleines Cybernet erstellen.
      Frage: Sind Gefühle eine Waffe?

      Lest das Kapitel 7 bis zum 19. März. Danach gibt es wohl eine kleine LBM-Pause.
      Ayo, my pen and paper cause a chain reaction
      to get your brain relaxin', the zany actin' maniac in action.
      A brainiac in fact, son, you mainly lack attraction.
      You look insanely whack when just a fraction of my tracks run.

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        #41
        Bei Kapitel 6 habe ich wenige Anmerkungen. Teilweise liegt es daran, das die Situationen stimmig bzw. durch vorangegangenes erklärt ist. Ansonsten erinnert es mich an normale Situationen.

        Ich finde den Einfallsreichtum bei den vielen Verbesserungen, die in diesem Kapitel viel deutlicher gezeigt werden als in der Oberstadt, bemerkenswert. Säurehaut, einfahrbare Laserwaffen ... Die Ärztin aus Kapitel 5 geht mir da auch nicht aus dem Kopf. Das war ja eine richtige Kampfmaschine und Rade steht ihr da in nichts nach.
        Leons Entzug hat es in sich, allerdings verstehe ich nicht, wieso der erst so spät kommt. Er ist doch schon eine ganze Weile vom Cybernet getrennt und in diesem Fall gibt es ja keinen Pegel wie beim Alkohol oder bei Drogen, der erst auf ein kritisches Maß sinken muss. Außerdem frage ich mich, wie Rade das macht, dass Leon Gefühle von ihm empfangen kann. Immerhin bringt das Leon auf die Idee, sich das benötigte Maß an Gefühlen selbst zu simulieren. Er kann das ja dank seiner Arbeit. Ist allerdings auch eine Idee, auf die ich nie gekommen wäre. Stutzig macht es mich, dass er Rades Gefühlswelt quasi hacken will, um zu verstehen, wie er drauf ist. Ich bin froh, dass er erkennt, dass das falsch ist, aber neugierig wäre ich auch.

        Sind Gefühle eine Waffe?
        Wenn ich daran denke, was die ersten Versuchskaninchen erlebt haben, dann ja. Ungefiltert oder bewusst beballert mit negativen Gefühlen, das kann kein Mensch auf Dauer aushalten. Jedoch weiß ich aus eigener Erfahrung, dass es dafür nicht einmal eines anderen Menschen bedarf. Man kann sich selbst mit seinen Gefühlen kaputt machen. Da braucht man kein aufgedrehtes Cybernet oder dessen Mangel. Wir Menschen kriegen das auch so ganz gut und vor allem ganz alleine hin.

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          #42
          Also der Regen hat neben einer stilistischen Komponente, noch eine notwendige für das Setting.

          Stellt euch vor: eine Stadt mit Werbereklamen in der Dämmerung und es regnet. Was macht das mit den Lichtern, der Aussicht? Es flimmert, schwimmt, leuchtet, reflektiert.
          Es wird grau und farbig im selben Moment. Das gibt mir eine Menge Ambiente zur Verfügung. Es kommen noch andere Stilkomponenten hinzu, welche dann wirklich die Handlung hervorarbeiten sollten - da spoiler ich euch natürlich nun nicht.
          Das Settingnotwendige erschließt sich dann später noch.

          Viva la pluie!

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            #43
            Sind Gefühle eine Waffe?

            Ja und nein. Sowohl in der realen Welt als auch in dem Setting von Cyberempathy manipulieren wir bewusst oder unbewusst die Gefühle anderer Menschen, um für uns selbst Vorteile zu erlangen. Es ist Teil unseres normalen sozialen Austauschs, andere Menschen zu einem gewissen Grad an den eigenen Gefühlen teilhaben zu lassen, deren Gefühle zu beachten und manchmal bewusst zu ändern - was nichts schlechtes sein muss! Wer jemand anderen tröstet, der versucht ja auch nichts anderes, als dessen Gefühl "Traurigkeit" zu ändern. Wer aber solche Gefühlsmanipulation bewusst einsetzt, um einem anderen Menschen Leid anzutun, der nutzt die Gefühle als Waffe.
            Always avoid alliteration.

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              #44
              Allmählich komm ich bei der Figur an. In der Figur. Respekt! Der Leser darf erst mit der Figur fühlen, wenn die Figur wirklich zu fühlen beginnt. (Bin ich damit jetzt im Cybernet? *gedankenriesel*)

              Sind Gefühle eine Waffe?
              Gefühle motivieren, zu einer Waffe zu greifen.
              Religiöse Gefühle führen zu schwersten Konflikten und befeuern Kriege. Prostitution lebt von der Sehnsucht nach Berührung, Zuwendung und Lustgewinn.
              Umgekehrt machen Gefühle verletzbar. Andernfalls könnten Kidnappings oder andere Erpressungen, bei denen das Leben geliebter Menschen bedroht wird, nicht funktionieren.

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              • In-Genius
                In-Genius kommentierte
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                Macht vermutlich auch Sinn, dass der Leser erst dann richtig mit der Figur fühlen kann, wenn die Figur auch endlich mal ihre eigenen Gefühle zulässt … Gut auf den Punkt gebracht. Ist mir so stark gar nicht aufgefallen.

              • Alys II.
                Alys II. kommentierte
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                Ist gut beobachtet! Fiel mir im ersten Moment auch gar nicht so arg auf, aber ich habe auch gerade 3 Kapitel in einem Rutsch gelesen und war zu sehr in der Geschichte drin, um sie zu analysieren.
                Wenn das ein abslichtlicher Kunstgriff ist ... Respekt! Das muss man erstmal hinkriegen.

              • E.F. von Hainwald
                E.F. von Hainwald kommentierte
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                Die meisten Leser bemerken solcherlei Kleinigkeiten erst bei einem Re-Read des Romanes - alle Achtung für eure Aufmerksamkeit.
                Bin echt super gespannt, wie ihr die Dinge weiter betrachtet.

                Danke für die Anerkennung meiner Bastelei! Freu mich echt sehr drüber!

              #45
              Kapitel 7 diente vor allem dazu, das Setting in der Unterstadt und die beiden neuen Charaktere Rade und Lux besser kennenzulernen.
              Dabei ist mir aufgefallen, dass die Grundkonstellation von Leons Bezugspersonen gleich ist wie am Anfang des Buches. Wieder haben wir einen Mann und eine Frau in Leons Nähe, und in ähnlichen Funktionen.

              Rade hat die Funktion des besten Kumpels übernommen, die vorher Rye hatte.
              Als Leons Probleme begannen, hat er sich zuallererst an Rye gewandt. Rye sollte ihm sagen, wie es weitergeht, und ihn emotional unterstützen - die klassische Beschützerrolle also. Jetzt in der Unterstadt ist Rade zu Leons Beschützer geworden. Außerdem sind Rye und Rade beide ziemlich technikaffin.

              Lux erfüllt die Rolle der begehrenswerten Frau, die vorher Janica hatte.
              Leon interessiert sich für sie, aber ganz wie es bei Janica war: er wird sie niemals alleine besitzen. Janica hat ihr Innerstes und ihre Emotionen mit ihren Fans geteilt, Lux teilt ihren Körper mit ihren Kunden (und Rade). Und beide, Janica und Lux, sorgen dafür, dass andere Menschen sich besser fühlen - aber sie sind Dienstleisterinnen, die sich dafür bezahlen lassen.

              Wie wirken die Parallelen von Rye/Rade und Janica/Lux auf Euch?

              Was ich auch noch gemerkt habe: ich habe mich beim Lesen sofort für Rade und Lux interessiert. Was ist ihre Hintergrundgeschichte? Was ihre Motivation? Das will ich wissen. Rye und Janica waren mir dagegen egal. Geht Euch das auch so? Wenn ja:

              Welche schreibtechnischen Kniffe stecken dahinter? Wie hat der Autor Rade und Lux interessant ausgestaltet?

              Die nächste Fragerunde zu Kapitel 8 kommt, wegen der Buchmesse-Pause, am 25.03.2019. Bis dahin bitte ich Euch, Kapitel 8 zu lesen.
              Natürlich dürft Ihr, vor allem diejenigen, die nicht zur Messe fahren, Euch gerne schon vorher hier austoben mit Kommentaren, Anmerkungen, Gedanken, Fragen ... soll Euch ja nicht langweilig werden, nur weil einige sich auf der LBM die Schuhsohlen durchlaufen.
              Zuletzt geändert von Alys II.; 19.03.2019, 14:41.
              Always avoid alliteration.

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              • In-Genius
                In-Genius kommentierte
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                Dir fehlt ein Satzende für diejenigen, die nicht zur Messe fahren.

              • Alys II.
                Alys II. kommentierte
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                Ah, danke!!! Mir ist beim Schreiben der PC abgestürzt, und beim flüchtigen Drüberschauen nach dem Wiederherstellen dachte ich, es wäre alles da.
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