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Freitagsinfusion #26: Blind

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    [Inspiration] Freitagsinfusion #26: Blind

    Hierhin gucken, dahin gucken, Schulter zucken.
    Lächeln, grinsen, Brauen heben.
    Augen weiten, zusammenkneifen und verdrehen.
    Kopf schütteln, zur Seite neigen und überhaupt; nicken!

    Leider bekommen deine Perspektivfigur nichts davon mit, denn sie ist vor kurzem erblindet.
    Schreibt einen Dialog und vermeidet das Offensichtliche. (Bitte kein Dialog, der aus reiner wörtlichen Rede besteht.)


    #2
    Ein Blindflugversuch.

    Seit Beginn der Tour hatte sie kaum unter dem Tuch, das ihre Augen bedeckte, hervorgeluchst, um sich selbst die Überraschung nicht zu verderben, und sie hatte den Eindruck, sich irgendwo auf dem Lande zu befinden. Sie hörte keinen Gegenverkehr, und gelegentlich knirschte es unter den Reifen wie Sand oder Kiesel. Außerdem raschelten immer wieder Blätter gegen das Autofenster. Die Straßen waren eng. Klein. Dichtbewachsen. Wenn Tobias wider Erwarten ein verrückter Frauenmörder sein sollte, war sie geliefert.
    Sie hielten an, ohne dass er rangieren musste. So viele freie Parkplätze konnte es in einer geschlossenen Ortschaft gar nicht geben. „Darf ich das Tuch jetzt abnehmen?“, fragte sie.
    „Nein. Der beste Teil kommt erst.“ Er half ihr beim Aussteigen, kleingerölliger Asphalt kullerte unter ihren Füßen, und drehte sie ein paar Mal im Kreis. Seine Stimme klang neutral, verriet keine Regung. „Du machst das ganz toll.“ Das war eine gruselige Äußerung, falls er wirklich ein verrückter Frauenmörder wäre.
    „Jetzt?", fragte sie.
    Seine Finger strichen sachte über ihre Wange. „Warte einen Moment, bitte. Und nicht schummeln!“
    Sie lehnte sich gegen das Auto, spürte die aufgeheizte Karosserie an ihrem Hintern und die Sonne auf ihrer Haut. Es war angenehm warm, obwohl ein leichter Wind um ihre Nase strich, der den Geruch von Gras und warmen Steinen herantransportierte. Tobias’ Schritte entfernten sich rasch. Leise Stimmen drangen an ihr Ohr, aber sie verstand nichts. Sie verschränkte ihre Arme, legte den Kopf zurück und stellte sich vor, wie der Wind cool in ihren Haaren spielte, während die Sonne sie bronzen anstrahlte. Es wäre natürlich noch cooler, wenn der Schal um ihren Hals flatterte, statt als Augenbinde zu fungieren. Egal. Sie besaß auch für diese Situation Würde und Sex Appeal genug. Sie straffte ihre Schultern. Körperspannung. Man konnte nie wissen, wer zusah.
    Einen kurzen Moment später hörte sie Tobias zurücktraben. Er nahm ihre Hand. „Gleich sind wir da. Du kannst hier nicht stolpern.“ Er schob sie vorsichtig voran. „Und - stop!“
    „Kann ich jetzt gucken?“
    „Gönn’ mir noch dreißig Sekunden Spaß an deiner Ahnungslosigkeit.“ Sie konnte sein Grinsen hören. Ahnungslos. Das konnte man sagen. Seine Hände packten ihre Oberarme. Gleichzeitig trat sein Knie sanft gegen die Rückseite ihres Oberschenkels. „Rechtes Bein hoch, ich halt’ dich, ja, jetzt - pass auf, ist wackelig, aber ich halte dich fest. Prima. Jetzt das linke Bein. Und hinsetzen.“
    Kata rutschte, von seinen Armen fest gehalten, auf einen niedrigen Sitz und streckte ihre Beine aus. Es war kippelig und eng. Die Außenseiten ihrer Arme berührten jeweils eine Wand. Ein Kanu? „Ist das ein Boot?“, fragte sie. Aber sie hörte kein Schwappen, und unter ihrem Hintern fühlte es sich nicht nach Kippeln auf Wasser an. Was war das? Eine Bob-Bahn? Sommerrodelbahn?
    „Nein“, drang seine Stimme von hinten. Offenbar wollte er hinter ihr in das Ding hineinklettern. „Es ist ein Flugzeug.“
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    • Victoria
      Victoria kommentierte
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      Hui! Gefällt mir. Coole Pointe.

    #3

    Gekrümmt saß sie am Schreibtisch. Das Gesicht in Richtung Fenster.
    Unzählige Tränen rannen über ihre Wangen, tropften auf das Manuskript.
    "Susi?", hörte sie eine vertraute Stimme hinter ihr.
    Sie antwortete nicht. Das leise Geräusch von näherkommenden Schritten auf dem Hochflor-Teppich jagte eine Gänsehaut über ihre Arme.
    "Susi? Bist du okay?", fragte Kathi erneut. Ein warmer Hauch streifte Susis Ohr.
    "Natürlich", antwortete sie und beide wussten, dass dieses eine Wort eine riesengroße Lüge war.
    "Natürlich. Alles bestens. So okay, wie es einer erblindeten Lektorin eben gehen kann. Ich kann mir noch nicht einmal die richtigen Tabletten aus dem Medizinschrank nehmen, um das alles zu beenden. Verstehst du? Es ist eine beschissene Einbahnstraße in einen dunklen Tunnel, der viel zu weit in den Tiefen eines zerstörerischen Vulkans endet."
    Stille. Es schien, als würde Kathi nicht mehr atmen. "Verstehe", sagte sie dann zögerlich.
    "Natürlich", sagte Susi resigniert.
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    Zuletzt geändert von magico; 22.05.2018, 08:56.

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    • Victoria
      Victoria kommentierte
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      Die Übung ist eigentlich eine Aufforderung, einen Dialog mit Wahrnehmungen zu füllen, die nicht über die Augen aufgenommen werden – weil es das Einfachste ist.

      Es gibt nur eine einzige Wahrnehmung der Perspektivfigur Jim, und zwar das Schweigen. Der Dialog besteht vor allem aus wörtlicher Rede ... und einen Perspektivfehler. Woher weiß der erblindete Jim, dass sich Frank in Richtung Fenster dreht – zudem auch noch zögerlich?

    • Gast-Avatar
      Gast kommentierte
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      VickieLinn - Tut mir leid. Da war ich wohl nicht ganz bei der Sache. Ich werde es zeitnah ändern.


      EDIT: Erledigt.
      Zuletzt geändert von magico; 22.05.2018, 08:58.
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