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Freitagsinfusion 13/21: Finger weg!

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    Freitagsinfusion 13/21: Finger weg!

    Schreibt eine kleine Szene mit Euren Lieblingsfiguren, wie sie am Lagerfeuer sitzen und über das Leben sinnieren. Oder was Ihr eh gerade schreiben wolltet. Lest danach EINMAL drüber und dann lasst es so. Stellt es hier ein. Traut Euch. Rohversionen haben einen eigenen Charme.
    Und dann schreibt an Eurer Story weiter.

    #2
    Schneeflocken fielen durch das Loch im Dach, glitzerten im Schein des Lagerfeuers, bis sie sich zu der Schneedecke gesellten oder in den Flammen verzischten. Samra kauerte in der Hocke und drehte ihren Kopf in den Händen herum. Die gefrorenen Locken knacksten, und feiner Schnee rieselte bei jeder Berührung zu Boden.
    Sie fuhr mit den Fingern über den Schnitt am Hals, dann legte sie den Kopf in ihrem Schoß ab und tastete sich an ihren eigenen, den über den Schultern. Nur um sicherzugehen, das auch wirklich noch alles dran war.
    Es war noch alles dran, und irgendwie machte es schon Sinn. Wenn eine Hand nachwachsen konnte, dann auch ein Kopf. Logisch. Und doch war es ein ausgesprochen befremdliches Gefühl, in selbst in Händen zu halten. So sahen ihre Haare also von hinten aus.

    "Wirf mal her" sagte Valerie von ihrem Platz gegenüber der Feuerstelle.
    "Hier" Samra holte aus, und Valerie hob die Arme zum Fangen, aber statt zu werfen schaufelte Samra mit einer Hand durch den Schnee und pfefferte ihn Valerie durch Feuer ins Gesicht. Leider kam nicht einmal die Hälfte da an, wo ihn Samra am liebsten gehabt hätte.
    Valerie setzte schon zu einer Beschwerde ein, ließ es dann aber bei einem "Ich frag ja nur" belassen. Irgendwie hatte es ihr Spatzenhirn fertiggebracht, einzusehen, dass ihr Anliegen bei Samra nicht auf helle Begeisterung stieß. Dafür zog sie jetzt einen Schmollmund.

    Samra widmete ihre Aufmerksamkeit wieder dem Kopf, doch sie schaffte es nur ein paar Sekunden, dann wanderte ihr Blick wieder zu Valerie zurück. Mein Gott, die schaute immer noch drein als wäre ihr gerade das Leibgericht in eine Pfütze gefallen. Dass die immer so sensibel sein musste.
    "Na gut" murmelte Samra schicksalsergeben und streckte den Arm mit dem Kopf aus. "Aber mach ihn nicht...kaputt."
    Viel war da nicht mehr kaputtzumachen, aber irgendwie hatte Samra eine Ahnung, dass Valerie es trotzdem schaffen würde. Für so etwas hatte sie einfach ein Händchen.
    "Ich bin vorsichtig" versicherte Valerie, noch während sie mit einem Satz über das Feuer sprang. Ein Fuß schaffte es drüber, der andere blieb hängen und schickte einen Funkenstoß gen Himmel. Taumeln ruderte sie mit den Armen, bis sie die Balance wiederfand. Vielleicht war das eben nicht die allerbeste von Samras Entscheidungen.
    Wenig vorsichtig packte Valerie den Kopf am Ohr. Eigentlich hatte Samra vorgehabt, ihn noch kurz festzuhalten, um dann nachdrücklich einen sorgfältigen Umgang zu verlangen, aber so energisch, wie Valerie an dem Ohr zog, war es das beste, einfach loszulassen.

    Valerie ließ sich mit ihrer Beute neben Samra in die Hocke sinken und befühlte den Kopf. Wenn es befremdlich gewesen war, ihn in Händen zu halten, so war es noch weitaus befremdlicher, Valerie daran herumgrabschen zu sehen.
    "Könntest du nicht..."
    "Tschuldigung"
    Mit einem Ploppen zog Valerie den Finger aus dem Ohr.
    "Danke."
    "Keine Ursache"
    Samras musste reflexartig blinzeln, als Valerie im Auge herumstocherte.
    "Ihh. Glitschig."
    "Das ist ein Auge, ja."
    "Eklig, aber faszinierend."
    "Ja, das haben Augen so an sich. Wenn du jetzt vielleicht die Flossen da rausnehmen würdest."
    Aber Valerie hatte schon das Interesse verloren und zog stattdessen die Oberlippe hoch.
    "Jaja, die Zahnpflege. Ich hab dir immer gesagt die kostet dich noch den Kopf."
    "Mit dem Ellbogen stieß sie Samra in die Rippen.
    "Den Kopf, verstehst du? Verstehst du?"
    Samra ignorierte den Ellbogen.
    "Verstehst du?"
    Samra konnte den Ellbogen nicht mehr ignorieren.
    "Ja. Ich verstehe das."
    "Weil der ab ist."
    "Ja."
    "Ja."

    Eine Weile sagte Valerie nichts mehr, und Samra nutzte die Chance, in Ruhe ein wenig ihre Gedanken ordnen zu können. Mit Valerie war das nicht immer so einfach.

    Sie legte den Kopf, den richtigen, an dem nicht gerade herumgegrabbelt wurde, in den Nacken und fing mit dem Mund Schneeflocken. Warum jemand sie getötet hatte, war ihr mittlerweile mehr als nur egal. Warum gerade der Kopf war schon ein wenig interessanter, aber auch nicht wirklich relevant. Aber dass er komplett nachwuchs...
    Hieß das, wenn sie einen Finger verlor, würde irgendwann daraus eine zweite Samra wachsen? Warum waren dann nicht schon ganze Samraarmeen aus den Haaren in ihrer Bürste geboren? Oder waren sie das vielleicht schon?
    Den Kopf immer noch im Nacken, wanderte ihr Blick zum Kleiderschrank. Was für Heerscharen ihrer selbst hatte sie schon unbewusst auf die Menschheit losgelassen? Aber dann müsste es in der Stadt nur so von Samras wimmeln.
    "Sag mal Val, ist dir letztens jemand begegnet, der so ausgesehe hat wie ich?"
    "Du siehst ziemlich normal aus." Etwas schmatzte, aber Samra wollte lieber nicht wissen, für was der Kopf jetzt schon wieder herhalten musste. "Eigentlich bist du überhaupt nichts besonderes. Jemand wie doch gibts an jeder Straßenecke."
    Uff. Immerhin ehrlich. Trotzdem, das konnte man auch netter sagen.
    "Ich meine, genau so wie ich. Ein zweites ich."
    "Glaub nicht."
    "Du glaubst? Wie kann man... "
    Es hatte ja doch keinen Sinn.

    Etwas knackte, und jetzt schielte Samra doch wieder zum Kopf, gerade als Valerie eine ganze Hand im Mund versenkte.

    "Was zum Geier machst du da?"
    "Angeblich ist es unmöglich, eine Faust in den Mund zu bekommen, aber ich glaube, das ist ein Mythos."
    Die Lippen bekamen schon Risse, was tat sie ihrem armen Kopf da an?
    "Ich glaube, ich probier das mal bei dir aus!"
    "Ja also..." murmelte Valerie. Plötzlich so kleinlaut?
    "Ja also? Und nimmst du jetzt deinen halben Unterarm da wieder raus?"
    "Ich würde ja..."
    "Nein!"
    Nein, das war jetzt nicht wahr! Samra hatte sich immer für tollpatschig gehalten, aber Valerie war in dem Bereich absolut unschlagbar. Wie überlebte eine Diebin, die über ihre eigenen Füße stolperte?

    "Ich fürchte doch. Mein Armreif hart sich irgendwo in den blöden Backenzähnen... Und jetzt..."
    Valerie zog ein paarmal, der Kiefer knirschte ungesund. Samra zwang sich, ruhig zu atmen. Dann machte sie sich auf die Suche nach dem Öl.

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      #3
      "Wahrheit oder Pflicht?"
      "Wahrheit." Feist hatte nur einmal den Fehler gemacht, Pflicht zu wählen, und immer noch Sand in der Ritze. Die anderen durften gerne ihre Testosteronlevel gegeneinander messen, er würde hier mit seiner Bierdose sitzen bleiben, seine Gitarre stimmen und später das Schlimmste verarzten.
      "Bei welchem Lied musst du regelmäßig heulen?", fragte Kid lauernd.
      "Vincent von Don McLean", antwortete er, ohne zu zögern. Der Vorteil bei dem Spiel war, dass man praktisch schon gewonnen hatte, wenn mal erst einmal die Lebensphase überwunden hatte, in der einem Wahrheiten peinlich waren. Und genug Bier hatte, um die Momente zu genießen, wenn die anderen sich bei ihren Pflichtaufgaben zum Affen machten.
      "Kenn ich nicht", sagte Scratch. "Worum geht's da?"
      "Maler bringt sich um, weil niemand die Schönheit in seinen Werken versteht."
      Scratch schnippte sich ein ungeröstetes Marshmallow in den Mund. "Klingt nach dem Emo-Gejammer jedes Künstlers jemals seit Menschengedenken."
      "Vielleicht. Aber nicht jeder von denen war Vincent van Gogh und hat Bilder gemalt, die heute Millionen wert sind."
      "Stimmt, die sind ziemlich teuer", mischte sich Yokai ein. "Wir haben daheim vier oder fünf davon."
      Stille trat ein. Feist rutschte fast die Bierdose aus der Hand.
      "Ihr habt 'vier oder fünf' van Goghs daheim?", fragte Tier schließlich langsam.
      "Ja. Sind tatsächlich sehr schön. Ist noch was von den Putenwürstchen da?"
      Tier griff neben sich, ohne den ungläubigen Blick von Yokai abzuwenden, und reichte die Würstchenpackung weiter. "Wie kommt ihr an 'vier oder fünf' van Goghs?!"
      "Meine Mutter sammelte Impressionisten", erklärte Yokai in einem Tonfall, der etwa so unbedarft klang wie 'Meine Mutter häkelt Topflappen.'
      Kid gab einen Laut von sich, der entfernt an ein Wort erinnerte.
      "Bitte?"
      "Wieviele?", brachte Kid etwas deutlicher hervor. "Impressionisten ihr habt, meine ich?"
      Yokai antwortete nicht gleich, aber man sah, dass es hinter seiner Stirn arbeitete, während er pedantisch ein Würstchen auf seinen Stock spießte.
      "Fünf Säle", sagte er schließlich. "Ich schätze, es sind nicht ganz hundert Bilder."
      "Hundert", widerholte Kid baff.
      "Nicht ganz", widerholte Yokai bescheiden. "So gefragte Bilder sind schwer zu bekommen."
      "Ist es nicht ein Drama", stimmte Tier zu. "Jedesmal, wenn ich mir einen Rembrandt kaufen will, ist es das Gleiche."
      Der Sarkasmus flog meilenweit über Yokais Kopf. "Ich denke nicht, dass dein Gehalt für einen Rembrandt reicht."
      "Warum spielst du uns das Lied nicht mal vor?", wandte Kid sich schnell an Feist, bevor das Gespräch in eine Grundsatzdiskussion über Kapitalismus abgleiten konnte.
      "Weil er sich nie traut, 'Pflicht' zu wählen", ätzte Scratch.
      "Weil ihr immer so bescheuerte Aufgaben erfindet", gab Feist zurück.
      "Du versuchst es ja nicht einmal."
      "Warum sollte ich?"
      "Weil du singen willst", stellte Scratch fest. "Und du erst darfst, wenn du gefragt wirst."
      "Okay. Fein. Beim nächsten Mal dann. Wer ist dran?"
      "Ich." Scratch griff nach der Flasche, gab ihr Schwung und wer hätte es gedacht, der Hals zeigte schon wieder auf Feist, als sie stehen blieb.
      "Wahrheit oder Pflicht?", fragte Scratch grinsend.
      Feist sah ihn lange an. Scratch bewahrte eine Pokermiene. Aber schließlich guckte er bedeutungsvoll auf Feists Gitarre.
      "Schön. Pflicht", ergab Feist sich schließlich.
      In Scratchs Gesicht blitzte ein Grinsen auf.
      "Siehst du den Baum dort hinten?"
      Feist hätte ihn am liebsten erwürgt.
      "Und siehst du die Frisbee da ganz oben im Baum?"
      Feist stellte seufzend die Gitarre beiseite und erhob sich schwerfällig. Warum nur fiel er jedes Mal auf diese miesen Tricks herein?
      Während er auf den Baum zutrottete, hörte er hinter sich das Zischen von vier Bierdosen, die geöffnet wurden.

      Poems are never finished.
      Just abandoned.

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