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Freitagsinfusion #62: Bedauern

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    Freitagsinfusion #62: Bedauern

    Dein Prota liegt auf dem Sterbebett und denkt über sein Leben nach. Was ist die eine Sache, die er so rückblickend zutiefst bedauert?
    »Elezeis Blut schien in Aufruhr zu sein und brannte unerwartet kalt durch ihren Körper. Es war ein Gefühl, das nach Zerstörung dürstete.« – Blutgesang

    #2
    Sodale, ich habe mir einfach mal einen Schreibimpuls herausgepickt und mal drauflos geschrieben. ^^ Ich fürchte, der Text ist ein wenig melodramatisch geworden ... bedauerlicherweise, haha, ist der Text auch leicht chaotisch ... aber es hat Spaß gemacht. (๑°ê’µ°à¹‘)ï½¥*♡



    Wenn ich die Augen schließe, kann ich die Vögel im Garten des Hospiz zwitschern hören. Du hast das Fenster halb geöffnet, weil du weißt, wie gerne ich den Vögeln lausche und sie an ihrem Gezwitscher unterscheide. Ich muss immer kichern, wenn du ungläubig durch das Fenster starrst und nach den Vögeln suchst, die ich dir aufzähle. Ich weiß doch, dass sie sich für dich alle gleich anhören.

    Schon als Siebenjährige wollte ich Ornithologin werden und du hast den schwierigen Begriff ganz lange mit mir geübt, bis ich ihn immer noch völlig falsch ausgesprochen habe. Trotzdem hast du niemals die Geduld verloren und immer wieder mit mir dieselben Vögel in meinem Bilderbuch angeschaut. Ich hätte mir keinen besseren großen Bruder wünschen können.

    Aber du hättest eine bessere Schwester verdient. Du hast viel für mich geopfert und mir immer beigestanden. Eine Niere hast du mir gegeben und ich habe dir dafür das Herz herausgerissen. Doch davon hast du keine Ahnung. Ich bedauere es sosehr und ein bisschen glaube ich, dass ich verdient habe, zu verschwinden, weil ich dir dein Glück weggenommen habe.

    Dein Glück.

    Schwerfällig öffne ich die Augen und drehe den Kopf leicht nach rechts. „Hey, Prinzessin“, flüstert Micah und streicht mir eine Strähne aus der Stirn. Er hält meine Hand, aber seine Berührung kann ich kaum noch spüren. Mir ist kalt, so unendlich kalt, und mir ist klar, dass ich nicht mehr viel Zeit habe.
    Mama und Papa sitzen auf der anderen Seite. Ich höre Mama leise schluchzten. Es tut mir weh. Sie soll nicht leiden. Nicht wegen mir. Ich bin kein guter Mensch. Aus Angst habe ich so viel Schmerz verursacht, dass ich fast erleichtert bin, nie mehr in einen Spiegel sehen zu müssen. Das schlechte Gefühl frisst mich auf. Manchmal glaube ich, dass nicht der Krebs meinen Körper zerstört hat.

    Du stehst am Fenster, weil du denkst, dass der Platz an meiner Seite nur Micah zusteht. Deine Augen sind rotgeweint und dein Gesicht ist viel zu blass. Nicht nur mir ist das aufgefallen. Aber Michas besorgten Blick hast du ignoriert. Du ignorierst ihn immer, wenn es dir möglich ist. Wenn er dich anspricht, dann legst du eine gefühllose Maske auf, mit der du ihn forttreibst. Sie ist dein bester Schutzmechanismus. Ich weiß das, aber Micah weiß das nicht.
    Micah hat mir gleich gefallen, als du ihn vor einem halben Jahr mit zu uns genommen hast. Er war neu von eurem Handballverein angeworben worden und sollte den verletzten Torwart ersetzen. Mit seinen blonden Locken, der muskulösen Statur und den schokoladenfarbenen Augen ist Micah der Traum aller Frauen. Und er war dein Traum. Das habe ich sofort gemerkt.

    Du hast immer wieder seinen Blick gesucht und auch er hatte nur Augen für dich. Vermutlich habe ich als Einzige begriffen, dass eure Sehnsucht beidseitig war. Ich hätte euch helfen, euch Mut machen können, aber ich tat es nicht. Micah hatte Angst zu dir zu stehen und du bist schüchtern.
    Micah willigte ein, als ich ihn nach einem Date fragte. Er hatte Angst und wollte trotzdem in deiner Nähe sein und ich nutzte das aus. Möglicherweise war ich auch ein klein wenig beleidigt, dass Micah dich wollte und nicht mich. Vielleicht hätten Micah und ich Freunde werden können. Ich bin lustig, hübsch und nett. Eigentlich …

    Es hat dir so wehgetan, als ich mit Micah händchenhaltend beim Sonntagsbrunch unserer Eltern aufgetaucht bin. Wirst du mir verzeihen, wenn ich dir verrate, dass wir uns nur ein paar Mal keusch geküsst haben? Ich habe mich so geschämt und konnte die Farce trotzdem nicht beenden. Dabei habe ich es mir so oft vorgenommen.

    Dann kam die Diagnose. Ich hatte Angst, schreckliche Angst, dass ihr mich verlasst und vergesst, wenn ich Micah für dich freigebe. Ich wusste, dass er viel zu lieb ist, um mich von sich aus zu verlassen, wenn ich dem Tod geweiht bin. Und du bist immer an meiner Seite geblieben, obwohl der Mann, den du liebst, meine Hand gehalten hat.

    Mir ist kalt. Selbst das Atmen fällt mir schwer. Mama schluchzt immer noch. Du hast gesagt dass ich bestimmt als Vogel wiedergeboren werde. Du irrst dich. Böse Menschen werden keine Vögel.

    „Krakel“, hauche ich und meine Stimme klingt fremd und leise. Doch du hörst deinen Spitznamen, den Opa dir gegeben hat, weil du als Kind alles bekrakeln musstest. Du kommst sofort zum Bett und lächelst mich traurig an. Du liebst mich. Das sehe ich in deinen feuchten Augen und mein Tod wird dir sehr wehtun. Ich tue dir immer nur weh, doch ich hoffe, dass ich ein bisschen von dem Schaden, den ich angerichtet habe, wiedergutmachen kann.

    Zwei Briefe liegen auf dem Nachtisch. Einen für Micah, den herzensguten Feigling, und einen für Jan, meinen über alles geliebten, besten, großen Bruder, den das ganze Universum nur einmal zu bieten hat.

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