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Gutes Füllwort, schlechtes Füllwort

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    Poser Gutes Füllwort, schlechtes Füllwort





    Füllwörter sind das Unkraut der Sprache und sollten vernichtet werden. So lauten viele Schreibstipps. Daher gibt es Listen und Schriftstellerprogramme, damit man jedes einzelne Füllwort aufspüren und beseitigen kann. Doch was bleibt zurück, nachdem man die Landschaft mit hochgiftigem Herbizid besprüht hat? Eine Monokultur – durchdesignt und einheitlich.

    Was sind diese Füllwörter eigentlich?

    Füllwörter heißen eigentlich Modalpartikel und haben wie alle Wortarten eine Existenzberechtigung. Modalpartikel findet man vor allem in der gesprochenen Sprache, da sie dem Sprecher eine Haltung geben, die Aussage verstärken oder abmildern, indirekter und weicher gestalten.

    Manchmal braucht ein Satz eine Modalpartikel, um seine Aussagekraft zu entfalten. Besonders in der wörtlichen Rede, aber auch im Erzähltext, wirkt dadurch die Erzählstimme lebendiger. Dennoch gilt: Keine Figur spricht O-Ton samt allen grammatikalischen Fehlern, regionalen Eigenheiten, Nuscheleien und Interjektionen. Die Figurenrede bleibt eine vereinfachte Abbildung.

    »Und dann ist mir mein Portemonnaie so regelrecht aus der Hand geklaut worden!«

    Der Sprecher möchte seine Empörung betonten. Und es wird wahrscheinlich schwer sein, ihn zu überzeugen, sich von dem »so regelrecht« zu trennen. In seinen Ohren klingt der Satz vollständiger, weil die Menschen in seiner Umgebung so reden und er sich daran gewöhnt hat. Doch »regelrecht« trägt in diesem Falle keine Bedeutung (man kann regelwidrig klauen, nicht regelrecht).

    In der geschriebenen Sprache stören viele dieser Füllwörter, da sie den Text aufblähen (deshalb auch Blähwörter), ohne ihm einen Mehrwert zu geben. Der Autor klingt wie ein überdramatisierender Marktschreier oder so, als würde er sich nicht sicher sein, was er ausdrücken möchte – als würde er die Aussage abschwächen, weil er nicht zu seinem Wort stehen kann.

    Füllwörter weisen auf eine passive Sprache hin; als Autoren wollen wir jedoch eine starke und konkrete Sprache.

    Jetzt wird’s noch mal tricky. Nicht alle Wörter, die von diversen Schreibprogrammen oder Onlinetests als Füllwörter deklariert werden, sind Modalpartikel. Es kann sich um ein Homonym (jedes Füllwort hat Homonyme!) handeln. Das heißt: Die Aussprache und Schreibweise sind zwar gleich, doch das Wörter haben unterschiedliche Funktionen.

    Prüft selbst. Ist es ein vermeintliches Füllwort kann
    • eine Konjunktion (verbindet Sätze),
    • eine Präposition (stellt ein Verhältnis dar),
    • ein Adjektiv,
    • ein Adverb (gibt nähere Angaben) oder
    • eine Modalpartikel /Abtönungspartikel (zeigt die Meinung des Sprechers) sein.


    doch
    Ich habe das Fluchtfahrzeug gesehen, doch habe ich die Farbe vergessen. Konjunktion. Stellt einen Gegensatz dar.
    Nach einigen Überlegungen konnte ich mich doch erinnern. Adverb. Der Sprecher hielt die Aussage zunächst nicht für wahrscheinlich.
    Das sagst du doch nicht, (nur) um eine Zeugenaussage machen zu können, oder? Modalpartikel. Drückt die Hoffnung des Sprechers auf eine Zustimmung aus.
    Was wir doch daraus gelernt haben ist, dass man nicht voreilig aussagen sollte. Modalpartikel.
    .
    noch
    Er kann weder lesen noch schreiben. Konjunktion. Negative Aufzählung.
    Er kann noch nicht lesen. Adverb. Zustand, der möglicherweise bald beendet ist.
    Man wird [doch] noch fragen dürfen. Modalpartikel. Drückt in Aussagesätzen oder [rhetorischen]
    Fragesätzen Empörung, Erstaunen o.”‚Ä. aus (oft in Verbindung mit »doch«).
    .
    einfach
    Das wäre einfach. Adjektiv. Synonym zu »simpel«.
    Das begreife ich einfach nicht. Modalpartikel. Drückt eine [emotionale] Verstärkung einer Aussage, einer Behauptung, eines Wunsches aus.
    Das wäre einfach toll. Modalpartikel wie im obigen Beispiel. Und auch hier schwächt die Konnotation einer Behauptung die Aussage ab. Es könnte also ein Füllwort sein.
    .
    gleich
    Sie hüpfte gleich einem Ball. Präposition. Stellt einen Vergleich dar.
    Die gleichen Rechte Adjektiv. Synonym zu »gleichwertig«.
    Warum nicht gleich so? Adverb. Ausdruck für eine kurze Zeitspanne.
    Was hat er gleich gesagt? Modalpartikel. Drückt in Fragesätzen aus, dass der Sprecher oder die Sprecherin nach etwas eigentlich Bekanntem fragt, an das er oder sie sich im Moment nicht erinnert
    .”‹”‹”‹”‹”‹”‹”‹
    ”‹”‹”‹”‹”‹”‹”‹Während man Konjunktionen, Präposition und Adverbien nicht weglassen kann, ändert eine Modalpartikel „bloß“ die Nuance des Satzes. Sie geben dem Satz das gewisse emotionale Etwas, eine melodische Balance oder sind – wenn schlecht eingesetzt – unnötig. Regelrecht unnötig.

    Sie dir bewusst, wie dein Schreibstil ist. Du bestimmst, ob du einen Kiefernwald anlegst, in dem die Bäume in Reih und Glied stehen, oder ob eine Wildblumenwiese hinter deinem Haus steht. Bist du dir nicht sicher, welche Unkräuter – nein, Wildkräuter! – Vielfalt in deinen Garten bringen und welche deinem Rosenstock die Luft zum Atmen nehmen? Dann stell deinen Text doch in der Textwerkstatt ein und diskutier mit anderen Usern, ob diese Wörter unnötige Füllwörter oder wichtige Modalpartikel sind.

    #2
    Ich finde Füllwörter sehr interessant. Nicht nur, dass man damit eine ganz andere Message rüberbringen kann. Nein! Du kannst damit auch die Perspektive beeinflussen. Stichwort: Deep Point of View.

    Kommentar


    • SaKi
      SaKi kommentierte
      Kommentar bearbeiten
      Das kann man, meiner Meinung nach, sehr gut durch entsprechende Wortwahl und dem, was die Charaktere sagen/denken oder auch nicht. Nur durch eine Aneinanderreihung von "Ich wollte schließlich fast nur auch etwas" kriege ich meiner Meinung nach keine andere Perspektive.

    • Bücherböe
      Bücherböe kommentierte
      Kommentar bearbeiten
      Ich denke es ist ein Unterschied, wenn man ein Füllwort auslässt.Das Noch-Beispiel demonstriert es am besten.

    • Julestrel
      Julestrel kommentierte
      Kommentar bearbeiten
      Ja, man kann mit Füllwörtern einem PoV eine eigene "Sprache" geben, aber man sollte trotzdem sparsam damit umgehen, da der Text sonst schlichtweg schwer oder gar unlesbar wird. Das ist halt wie bei allen stilistischen Mitteln: Gekonnt und gut eingesetzt verbessert es den Text, aber zu viel und die Sache geht nach hinten los.
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