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Das Save-the-Cat-Beat-Sheet

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    Das Save-the-Cat-Beat-Sheet nach Blake Snyder

    Wir kennen jetzt schon diverse Strukturen, um unseren Roman in ein ansprechendes Gewand zu kleiden. Manche davon sitzen locker wie eine wallende Sommerbluse, andere straff wie ein Korsett, wieder andere irgendwo dazwischen.

    Welches davon ist nun das Beste?
    Das kommt ganz auf den persönlichen Geschmack an. Manche Autoren brauchen ihren Freiraum und wollen sich so wenig wie möglich an Strukturen anpassen, andere verlassen sich voll und ganz auf das sichere Fallnetz, um auf dem Drahtseil darüber ihre Kunstfertigkeit auszuspielen. Welches System für euch am besten passt, müsst ihr selbst herausfinden.

    Was ist das 15-Punkte-Beat-Sheet?
    Das Beat-Sheet ist eine Erweiterung der 7-Punkte-Struktur und hat seinen Ursprung in der Drehbuchgestaltung. Neben den Druck- und Wendepunkten legt es besonders Wert auf bildgewaltige und eindrucksvolle Momente und Szenen, die dem Zuschauer (oder in unserem Fall: dem Leser) im Gedächtnis bleiben. Es geht um die Momente, die für den Helden bedeutsam sind, die ihn an den Rand des Abgrunds führen – und sogar darüber hinaus.

    7-Punkte-Struktur Beat-Sheet
    Hook Eröffnungsbild
    Setting
    Thema
    Plot turn 1 Das auslösende Moment
    Debatte
    Pinch 1 Plot Point 1
    Midpoint B-Story
    Spiel und Spaß
    Der zentrale Punkt
    Pinch 2 Das Böse rückt näher
    Alles verloren
    Plot turn 2 Der Seele finstrer Nacht
    Plot Point 2
    Resolution Finale
    Finales Bild

    Die Punkte des Hook:
    Das Eröffnungsbild beschreibt die allererste Szene eines Romans. Schon hier kann sich entscheiden, ob der Leser der Geschichte eine Chance gibt oder sie ungelesen zurück ins Regal stellt. An dieser Stelle liegt es an euch, dem Leser zu zeigen, was er von eurem Roman erwarten kann.
    • Lieschen Müller auf der Suche nach der großen Liebe?
    • Ein Alien im Kampf für Gerechtigkeit in der Galaxis?
    • Kommissar Radebrecht auf Mörderjagd?
    Ins Eröffnungsbild gehören das Genre eures Romans sowie eure Hauptfigur.
    Das Setting erfüllt vor allem den Zweck, dem Leser die Welt eurer Hauptfigur zu zeigen. In welchem Umfeld lebt sie, wie sieht ihr Alltag aus? Nur, wenn der Leser diesen Alltag gesehen hat, kann er die einschneidenden Veränderungen, die im späteren Roman auf die Hauptfigur zukommen, als solche erkennen.
    Das Thema stellt die Prämisse eures Romans dar – oftmals ist es genau das, was eurem Helden zu seinem Glück fehlt.
    • Ist Reichtum wichtiger als Freundschaft?
    • Darf ich für meine Ideale töten?
    • Siegt am Ende die Gerechtigkeit?
    Gerade in Filmen wird die Prämisse mehr oder weniger deutlich in den ersten Szenen genannt: Tante Annemarie erzählt unserem Lieschen, dass wahre Liebe ihren Weg findet; der fiese Bankier erklärt dem armen Sparer, dass Geld die Welt regiert.
    So deutlich muss man natürlich nicht werden, aber manchmal ist ein kleiner Wink mit dem Zaunpfahl an dieser Stelle sehr praktisch.

    Die Punkte des ersten Plot Turns:
    Im auslösenden Moment erfährt das Setting einen radikalen Bruch. Die Welt verändert sich, der Alltag des Helden gerät außer Kontrolle und zwingen ihn zum Handeln.
    Natürlich ist der Held davon nicht begeistert – wer verlässt schon gerne das behagliche Nest? Daher beschreibt die Debatte diese innere Zerrissenheit. Die Veränderung ist zu einschneidend, um ignoriert zu werden, aber der Held hat Zweifel, wehrt sich dagegen. Wie intensiv diese Stelle zum Tragen kommt, hängt vom Helden ab. Ein mutiger Krieger braucht vielleicht nur ein paar Sekunden, um auf Reisen zu gehen, während Lieschen Müller sich auch nach Tagen nicht traut, ihrem attraktiven neuen Chef in die Augen zu sehen.

    Der erste Pinch / der erste Plot Point:
    Die Hauptfigur entscheidet sich, das Problem aus dem auslösenden Moment anzugehen. Er betritt (physisch oder metaphorisch) eine neue Welt, die das Gegenstück des Settings bildet. Lieschen Müller tauscht ihren Schreibtisch in der hintersten Ecke des Büros gegen die Tanzfläche auf der großen Firmengala, um ihren Chef für sich zu gewinnen. Der Krieger verlässt sein Dorf, um die Prinzessin aus dem Drachenhort zu befreien.
    Ganz wichtig in diesem Punkt ist die Motivation des Protagonisten. Er nimmt große Gefahren auf sich und wagt sich in eine fremde Welt – das tut niemand, der kein Ziel vor Augen hat. Und dieses Ziel sollte auch der Leser kennen, denn nur so kann er den Helden nachvollziehen.

    Die Punkte des Midpoints:
    In der neuen Welt braucht der Held einen Ankerpunkt, irgendetwas, was ihm Sicherheit und einen Rückzugsort bietet. In der sogenannten B-Story trifft der Held auf die Person, die diesen Anker verkörpert – ob es sich nun um einen neuen Freund oder ein Liebhaber handelt, kann frei gewählt werden.
    Der Punkt Spiel und Spaß verkörpert den Kern des Romans – hier geschieht genau das, wofür der Leser dieses Buch gekauft hat. Das Versprechen, das ihm in der Prämisse gegeben wird, wird eingehalten.
    Der Held verfolgt sein Ziel und hat erste Erfolgserlebnisse
    • In einem Krimi erwartet man, dass der Ermittler den Mörder jagt.
    • In einer Romanze erwartet man, dass sich das Paar näher kommt.
    • In einem Sci-Fi-Roman erwartet man, dass unser Alien für die Gerechtigkeit kämpft
    Genau das passiert an dieser Stelle. Das Versprechen des Romans wird eingelöst.
    Doch was wäre ein Roman ohne Rückschläge?
    Der zentrale Punkt ist einer der beiden entscheidenden Wendepunkte im gesamten Roman. Entweder glaubt der Held an dieser Stelle, einen ultimativen Sieg errungen zu haben, oder er scheitert so fatal, dass er nicht erwartet, je wieder aus diesem Tief herauszukommen. Die wirkliche Bedeutung des zentralen Punkts liegt allerdings darin, dass der Weg des Helden eben noch nicht zu Ende ist und er die wahre Lektion erst noch lernen muss.

    Die Punkte des zweiten Pinchs:
    An der Stelle „Das Böse rückt näher“ wird aus dem Wendepunkt plötzlich Ernst: Die scheinbar geschlagenen Feinde rotten sich zusammen und gehen umso entschlossener gegen den Helden vor; Der Held kämpft sich aus seinem Loch und wehrt sich gegen die feindliche Übermacht.
    In beiden Fällen hat sich die Fallhöhe des Helden erhöht. An dieser Stelle muss klar werden, dass ab jetzt jede Entscheidung alles, was der Held bereits erreicht hat, in Gefahr ist und er nicht mehr zurück kann.
    Unser Lieschen Müller geht auf die Intrige ihrer Konkurrentin ein, um den Chef zu erobern. wenn sie scheitert, verliert sie nicht nur ihre große Liebe, sondern auch noch ihren Job und damit ihre gesamte Existenzgrundlage.
    Unser Kommissar kommt dem Serienkiller so nahe, dass er selbst ins Fadenkreuz gerät. Scheitert er, landet er schon bald selbst in der Autopsie.

    Der Alles-Verloren-Moment bildet den zweiten entscheidenden Wendepunkt und den Gegensatz zum zentralen Punkt. Der Held verliert alles, weil er seine Lektion noch nicht gelernt hat. Die Verzweiflung ist greifbar. In Filmen sieht man oft den sogenannten Hauch des Todes – eine verdorrte Zimmerpflanze, eine Traueranzeige in der Zeitung, der Protagonist auf einer Brücke, von der er sich herunterstürzen könnte …

    Die Punkte des zweiten Plot Turns:
    Die Niederlage aus dem Alles-Verloren-Moment muss verarbeitet werden. Im Augenblick „Der Seele finstrer Nacht“ lernt unser Held die (bittere) Lektion, die in unserer Prämisse angeführt wurde. Diese Erkenntnis ist entscheidend, damit der Held am Ende doch noch triumphieren kann.
    Im Plot Point 2 fließen nun alle Fäden zusammen. Der Held hat seine Lektion gelernt und findet nun mithilfe seiner Erfahrungen, die ihn zum Tiefpunkt geführt haben, sowie der zwischenmenschlichen Bindungen aus der B-Story heraus, wie er seinen Feind bezwingen kann. Er beweist (oder widerlegt) die Prämisse.

    Die Punkte der Resolution:
    Im Finale nutzt der Held seine im zweiten Plot Point entdeckten Fähigkeiten, um seinen Feind zu besiegen und seinen Preis zu erringen. An dieser Stelle könnt ihr es richtig krachen lassen – große Schlachten, Verfolgungsjagden oder einfach nur ultimative Auseinandersetzungen mit dem Gegner. Zeige den Triumph des Helden.

    Der Held hat gewonnen und darf den Preis mit nach Hause nehmen? Sehr gut, dann wird es Zeit für das Abschlussbild. Im Eröffnungsbild haben wir eine Momentaufnahme vom Anfang – unser zukünftiger Held vor seiner Verwandlung. Nun zeigen wir das genaue Gegenteil – unseren gereiften Helden, der wieder in seine Alltagswelt zurückkehren und seinen Erfolg genießen kann.
    "Alles, was wir brauchen, ist Glaube, Vertrauen und Feenstaub."
    (Peter Pan)

    #2
    Ich habe bei dieser Struktur (und auch bei der 7-Punkte-Struktur) immer ein bisschen das Problem, vom "Alles ist verloren"-Punkt wieder "hochzukommen". Wenn Lieschen Müller ihren Job aufs Spiel setzt, dann verliert sie ihn doch im 2. Pinch. Klar kann sie weiterhin um ihre Liebe kämpfen, aber wenn sie am Ende ihren Job doch wiederbekommt, dann fühlt sich der "alles ist verloren"-Moment wie eine Lüge an (war doch gar nicht so dramatisch wie behauptet!), und wenn sie ihn nicht wiederbekommt, bleibt immer die Frage, ob der Sieg das wert war.
    In Filmen wird dieser "alles ist verloren"- Punkt oft mit dem Tod einer Figur verknüpft, die die Geschichte nicht mehr braucht (meist isses der arme Mentor ...). Aber angenommen, ich will den nicht töten, und ich will auch, dass Lieschen Müller am Ende ihren Job noch hat. Ich will kein bittersüßes Ende, sondern einen glanzvollen Sieg. Wie gestalte ich dann diesen Tiefpunkt? Wie kann der Held ultimativ scheitern und kurz drauf trotzdem noch siegen, und zwar so, dass sich das nicht gegenseitig unglaubwürdig macht?
    Poems are never finished.
    Just abandoned.

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      #3
      Sowie ich den "All is lost" Moment verstehe, läuft es wirklich auf den Verlust der storytreibenden Ziele hinaus. Der Prota muss wirklich verlieren. "Hit rock bottom and let it actually happen". Keine Wiederauferstehung, keine Jobgarantie, keine Hoffnung auf Rehabilitierung für den Charakter, wie er vor der Katastrophe war.
      Am Ende muss Lieschen ihren glanzvollen Sieg durch die Überwindung ihres zutiefst verankerten (inneren) Konflikt erringen, den dicken inneren Schweinehund - und die äußeren dabei gleich mit - erledigen.
      Es muss durch den kompletten Verlust des Lebenswerten eben die übermenschliche Motivation für den Prota geweckt werden, ein letztes Mal aufzustehen und DOCH zu kämpfen. Wenn sie den Job verliert und nach einem kurzen heuligen Gespräch mit dem Chef eben diesen Job ein paar Seiten später wieder erhält, tja, dann war das nur ein Minor-Plotpunkt und nicht die Katastrophe.
      Die Protagonisten sollen verletzt und verändert aus dem Showdown herauskommen, und dafür braucht es eine große Menge an Aktivierungsenergie und Motivation (jeweils gemessen an der Persönlichkeit des Protagonisten und dem gewählten Genre).
      Es geht in dem Moment um die Notwendigkeit, die "Lektion" zu lernen.

      Kommentar


      • Dodo
        Dodo kommentierte
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        Ankh Er muss die Ziele opfern bzw sein Scheitern eingestehen - und dann den entscheidenden Schritt machen. Das Erreichen der Ziele darf nicht im Vorübergehen mit dem "alten" Charakter passieren, sondern muss richtig was kosten und den "neuen" zum Sieger machen.

      • Ankh
        Ankh kommentierte
        Kommentar bearbeiten
        Aber wenn der "neue, verbesserte" Charakter das Ziel erreicht, dann kann der alte es doch auch nicht endgültig verloren haben?!

        Also entweder der Charakter erreicht es doch noch, weil er jetzt so ein Toller ist, was ich irgendwie gecheated finde, oder der Charakter hat eigentlich zwei Ziele (ein "richtiges", das die Charakterveränderung voraussetzt und ein "falsches", das geopfert werden muss), und dann habe ich immer irgendeine Wertung drin, weil ja das eine besser oder wichtiger für den Charakter sein muss, damit es sich am Ende auch nach Sieg anfühlt. Außerdem finde ich es doof, dass der Charakter sich in Grunde erst für Ziel B entscheidet, nachdem er Ziel A eh verloren hat, denn freiwillig gibt er Ziel A ja nicht auf: "Der Held verliert alles (A), weil er seine Lektion (B) noch nicht gelernt hat."

        Ich habe mich schon eine Weile mit dieser Struktur beschäftigt und verstehe schon, wie das gemeint ist, ich finde es nur irgendwie so ... doof. Es fühlt sich für mich irgendwie an, als gibt man dem Helden nur etwas mit, damit er es unterwegs verlieren kann, weil es *natürlich* ein falsches Ziel ist. Und das ist mir für einen vielschichtigen Charakter in einer komplexen Geschichte einfach zu schwarz/weiß gedacht.

      • Dodo
        Dodo kommentierte
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        Genau! Der alte Charakter wird zum "besseren" gezwungen, das ist die spannende Geschichte. Die Person scheitert insgesamt nicht. Bei einem Happy End.
        Und das Ziel ist nicht "schlecht" oder falsch, sondern erzähltechnisch noch nicht verdient ... Er bekommt kein neues Ziel, sondern überwindet seinen fast fatalen Fehler, WEIL ihn der Verlust von Perspektive (entweder zu Boden nagelt - unbefriedigendes Ende der Geschichte - oder) zum Helden aufschwingen lässt wie Phoenix aus der Asche. "Alles futsch" ermöglicht neuen Glanz. Und der Weg aus dem All is lost-Moment ist die packendste Entwicklung des gesamten Romans.
        Ein Happy End vorausgesetzt. Sonst halt Tragödie.
        Das bedeutet nicht, dass die alten Ziele falsch waren. Mein Prota will Chef werden und seine große Liebe bekommen, aber im All is lost ist beides unwiederbringlich weg - für den alten Prota. Er wird es niemals schaffen. Der neue schon, der den Leser hoffentlich überrascht. Auch wenn es nicht alles in Perfektion zu erreichen ist. Natürlich sollten Tote nicht wieder lebendig werden, falls welche da sind.

      #4
      Zitat von Ankh Beitrag anzeigen
      Wie gestalte ich dann diesen Tiefpunkt? Wie kann der Held ultimativ scheitern und kurz drauf trotzdem noch siegen, und zwar so, dass sich das nicht gegenseitig unglaubwürdig macht?
      Die Glaubwürdigkeit ist das größte Problem.

      Und das ist das Problem mit diesen Schemata. Die meisten haben ja die Strukturen durch Filme verinnerlicht, dass sie unbewusst anwenden. Problem ist die Glaubwürdigkeit und das Meiden der Klischeefalle.

      Kommentar


      • Milch
        Milch kommentierte
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        Ich plotte nicht.
        Und viele kritisieren diese Einheitsstruktur, weil sie Filme zu berechenbar machen.

        Ich glaube, wir sollten mal wieder über den Inhalt diskutieren.

      • Ankh
        Ankh kommentierte
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        Milch wenn du über etwas diskutieren willst, dann mach doch ein Thema dazu auf. Diskussionen über Inhalte sind auch interessant.

        Ich habe nichts gegen Schemata an sich. Eine Geschichte besteht aus Anfang, Mitte und Schluss, und auch wenn dieses Schema abgedroschen und vorhersehbar ist, würde einer Geschichte ohne Schluss eben doch etwas fehlen. Ich denke nicht, dass die häufige Verwendung und daraus resultierende Berechenbarkeit ein Problem ist, sondern eher, dass zu ausführliche Schemata den Blick von ebenfalls interessante Entwicklungen, die aber nicht ins Schema hineinpassen, ablenken. Sprich: Anstatt dass ich krampfhaft etwas in die Geschichte reinschreibe, was mein Protagonist verlieren kann, will ich mir Gedanken darüber machen, wie ich eventuell den Übergang zwischen 2. und 3. Akt auch spannend gestalten kann, ohne dass er etwas verlieren muss.

      • Milch
        Milch kommentierte
        Kommentar bearbeiten
        Diese Schemata, die hier vorgestellt werden, sind etwas filigraner als nur Anfang, Mitte und Schluss.

      #5
      Ankh Das Problem an deiner Fragestellung ist, dass du jetzt Lieschen eingeworfen hast und dass sie einen Job und ein Liebesleben führt, du aber keine Ziele genannt hast. Job und Liebe sind nicht zwingend die Ziele, die die Figur für die Geschichte verfolgen möchte - vielleicht will sie im Plot auch einem verjährten Mordfall auf eigene Faust nachgehen. Aber nehmen wir mal an, wir schreiben stumpfes Sliece of Life, dann möchte sie in ihrem Beruf die allerbeste sein, wie keine vor ihr war nach ganz oben aufsteigen, und nebenbei läuft's gut in der Liebe. Ist immer noch kein richtiger Plot. Vielleicht ist ihr Liebhaber ja ein Kollege, und sie befindet sich im Zwist zwischen sauber nach oben arbeiten oder heimliche Liebeleien mit dem Kollegen anzufangen, obwohl das gegen ihre Moral ist. So, jetzt haben wir einen Plot (die Qualität sei dahingestellt). Lieschen arbeitet sich also immer weiter nach oben, verliebt sich nach anfänglichen Gewissensbissen in den Bürohengst und es läuft super. Und dann - Pinch 2, alles verloren - der Chef kriegt die Affäre mit, Rauswurf, Loverboy antwortet nicht mehr auf die Nachrichten. Wir erinnern uns, Lieschens Ziel war es eigentlich, eine saubere Karriere zu machen, jetzt hat sie sich aber nebenbei ernsthaft verliebt und an Erwiderung geglaubt. Es gäbe nun mehrere Richtungen, in die es gehen könnte, je nachdem was für eine gute (nicht-/frauenfeindliche xD) Geschichte man schreiben will, aber es wäre eine Möglichkeit, dass sie z.B. merkt, dass sie viel zu sehr nur aufs Arbeiten konzentriert war und sich nun für mehr Lebensfreiheit entscheidet, weil Lieschen gelernt hat, nicht mehr so zugeknöpft zu sein. Außerdem hat sie sich viel zu sehr für einen Job bemüht, an dem sie so oft schlecht behandelt wurde. Also klar, solche Dinge müssten dann im Verlauf der Story schon Platz finden. Aber damit rappelt sie sich wieder hoch, vielleicht lässt sie den Typen und den alten, unterbezahlten Job hinter sich und möchte von vorn anfangen, bei einer besseren Arbeitsstelle.
      So ist sie nicht zurückgekrochen zum Loverboy, hat die Augen über ihr Workerholic-Ich geöffnet und dazugelernt. Sie gibt ihre Karriere nicht auf, doch sie hat Selbstbewusstsein dazugewonnen und wird nicht wieder auf so einen Typen und auf so einen Chef hereinfallen, gleichzeitig hat sie aber auch gelernt, die Zügel ein bisschen lockerer zu lassen und offen für mehr als nur Arbeit zu werden. Die Figur muss also im Erreichen ihres Ziels ordentlich auf die Nase fallen, damit der Lernprozess einsetzt (und weil Drama), es ist realistisch, dass man seine Ziele nicht ohne zu stolpern erreicht. Die gespannten Massen dachten fast, dass Lieschen nun alles verloren hätte, doch sie steht auf, lernt draus und trifft auf dieser Basis die nächste Entscheidung. Es geht nicht darum, nach dem Nasenfall genau am gleichen Punkt weiterzumachen (dann wäre sie zurück zum alten Job). Das ist also keine Opferung, sondern eine Weiterentwicklung.
      Zuletzt geändert von Mohnmuffin; 06.03.2017, 18:36.
      i'm somewhere... you're somewhere... i could go there... but i don't

      Kommentar


      • Ankh
        Ankh kommentierte
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        Dodo Okay, bei einem Verlust, der nicht unwiderbringlich ist, aber dessen Rückgewinnung hart erkauft wird akzeptiere ich, dass der sich auch als "Totalverlust" anfühlt. Mein Prota hat z.B. höhere Karriereziele, die sich in Rauch auflösen, und gibt sich am Ende mit weniger zufrieden, das er dafür umso mehr zu schätzen weiß.
        Aber für mein Gefühl ist nicht genug Raum am Ende, um dieses "hart erkaufen" glaubhaft darzustellen, schließlich sind wir knapp vor Schluss. Bei meinem Prota findet das "hart Erkaufen" daher schon teilweise vor dem Tiefpunkt statt. Was aber widerum bedeutet, dass er nicht alles verliert, sondern was in der Hinterhand hat, was ihm nur noch nicht vollständig bewusst ist.

        Vielleicht meinen wir schon das Gleiche. Ich kann mich einfach nur nicht mit dieser Formulierung anfreunden, dass "alles verloren!!!11" ist, nur damit der Held eine Szene weiter feststellt "oh warte, ich hab ja noch einen viel besseren Plan, der mir theoretisch die ganze Zeit offen gestanden hätte, wenn ich nur die Augen aufgemacht hätte, aber der mir jetzt, da ich ALLES verloren habe, glücklicherweise immer noch zur Verfügung steht."

      • Dodo
        Dodo kommentierte
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        Ankh Im Prinzip ist es so, wie Du sagst. *grins* "Hätte ich früher meinen Schweinehund überwunden, wäre das Buch kürzer und ich hätte im all is lost nicht alles verloren." Nur darf die Auflösung eben halt nicht so offensichtlich sein, dass jeder Leser schon nach einem Drittel sagt: "Ja, aber... warum macht der Idiot nicht dies oder das?" Obwohl sie eben schon früher vorbereitet sein muss.
        EDIT: Das harte Erkaufen beginnt ja auch schon vor dem Tiefpunkt. Immer mehr wird aufs Spiel gesetzt, der Prota zum Handeln gezwungen, obwohl er nicht will, bis ... bis ... oh yeah, er an sich selbst wachsen muss, weil nix anderes mehr da ist.
        Zuletzt geändert von Dodo; 06.03.2017, 20:28.

      • Gast-Avatar
        Gast kommentierte
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        Jede Hauptfigur braucht ein WANT und ein NEED. Das want ist das äußere, das need das innere Bedürfnis. Ein Beispiel: Ein erfolgloser Rennfahrer will ein Rennen gewinnen (sein want), aber vor allem, will er, dass sein Vater auf ihn stolz ist (sein Need, sein Defizit). Want und need können sich entsprechen, aber auch widersprechen, was wiederum Stoff für Figurenentwicklung gibt.

      #6
      MMn sollte man sich immer in Erinnerung rufen, dass diese Schemata, egal wie detailiert, nur Vorschläge sind, keine Zwangsjacke. Bewährte, aber nicht obligate Erzählstrukturen.
      Also keine Scheu vor Variationen oder unkonventioneller Erzähltechnik. Ich persönlich finde sie sehr hilfreich, eine Geschichte von Anfang bis Ende zu erzählen.
      Und selbst unkonventionelle Filme, z B 21 Grams oder Memento funktionieren nur, weil der Zuschauer den konventionellen Aufbau der Story kennt, erwartet, sucht und findet.
      Wenn ein Element durch etwas Eigenes ersetzt ist oder mit anderer Bedeutungsschwere betrachtet wird, ändert es nichts daran, dass eine zusammenhängende Story - auch wenn nicht unbedingt chronologisch, wenn man wie in den o. g. Filmen mit dem sonst eher lahmen Mittel Rückblende arbeitet - abgeliefert werden sollte.

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      • Gast-Avatar
        Gast kommentierte
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        Drehbuchautoren sollten Rückblenden sparsam einsetzen. Sonst verraten sie ihren Dilettantismus. In meinem Drehbuch, an dem ich momentan arbeite (Arbeitstitel: "Niemals vergessen, niemals vergeben") geht es um eine Jüdin, die erfährt, dass der KZ-Peiniger noch lebt. Sie will ihn töten. Zu Beginn erzähle ich ihr Trauma, dass sie seit dem Alter von 4 Jahren hat (mit ansehen zu müssen, wie die Mutter vergewaltigt und ermordet wird), und das ihr Verhältnis zu den Deutschen bestimmte. Am Ende wird sie begreifen, dass Rache keine Lösung ist. Ich habe nur fünf Szenen als Rückblende eingesetzt, um ihren Background zu erzählen.

      #7
      Wenn ich es richtig erfasse, fahren wir schon eine Linie, was den Pinch 2 angeht. Das Problem ist die Art und Weise, wie Snyder diesen Beat beschreibt?
      Ich sehe "All is lost" als "All is lost, denkt sich der Protagonist, doch wenn er sich zusammenreißt und auch bereit ist, etwas zu opfern, kann er die Situation vielleicht doch noch wuppen, aber das weiß der Prota in diesem Moment noch gar nicht". Nur ist der kurze Titel dramatischer und einprägsamer. Ähnlich wie "NIE HÖRST DU MIR ZU!". XD
      Es muss die Waage zwischen Dramaturgie und Glaubwürdigkeit gefunden werden, wobei die Schwelle bei den verschiedenen Genres, aber auch zwischen Film und Buch anders liegen.

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      • Gast-Avatar
        Gast kommentierte
        Kommentar bearbeiten
        Bei der Heldenreise ist das der Punkt, wo der Held an der Schwelle des Todes (körperlich oder seelisch) steht, um wieder "neu geboren" zu werden.

      #8
      Als Drehbuchautorin kenne ich natürlich das Modell, wie viele andere. Das Thema wird zum Beispiel in "Chinatown" gleich zu Beginn (ich glaube bei Szene drei oder vier) verraten, indem der Protagonist, der Privatdetektiv Gilles zu einem Klienten sagt, dass man "reich sein muss, um mit einem Mord davon zu kommen". In meinem Drehbuch "Knips es aus" über drei Menschen, sagt die Mutter einer der Hauptfiguren, dass sie hoffe, ihre Tochter findet, wonach sie sucht (es ging darum, ihren Glauben mit ihren homosexuellen Gefühlen zu vereinbaren, und am Ende erkennt die Tochter, dass sie sich entscheiden muss). Ob man das Thema direkt oder indirekt anspricht, wichtig ist, dass dem Leser/Zuschauer bewusst sein muss, um was es geht.

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