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Weltenfrag #22 - Realismus

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    #16
    Es gibt ja jede Menge wundervoller Bücher, die sich liebevoll mit den Naturgesetzen in Publikumserfolgen beschäftigen. Die Physik von Star Trek, die Physik von James Bond ... Nette Lektüre, aber deswegen macht mir James Bond nicht weniger Spaß. Im Gegenteil. Fiktion ist die Fiktion in Science Fiction, Fantasy die Fantasie in Fantasy (das wollte ich schon immer einmal schreiben).
    Irgendwo muss man eben als Belletristik-Schreiber mal einen Punkt machen und sich stets diesseits des Punktes bewegen, um nicht mit innerer Logik etc zu brechen. Ansonsten müsste man sich konsequenterweise gleich wieder vom Schreiben verabschieden mit den Worten: Meine Figur gibt's ja gar nicht.

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    • Badabumm
      Badabumm kommentierte
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      Hast du Links solcher Bücher? Interessiert mich. Ich habe eines über Physik von Superhelden, in dem groß und breit erklärt wird, dass alles nicht geht. Aber bei Superhelden war das ohnehin klar. Über James Bond-Stunts habe ich mal eine TV-Sendung gesehen (könnte sein, mit Hoëcker), erstaunlicherweise geht doch mehr, als man annehmen möchte, wenn auch nicht exakt in dem Film-Szenario.

    • Dodo
      Dodo kommentierte
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      Lawrence Krauss: Die Physik von Star Trek
      Metin Tolan: Geschüttelt, nicht gerührt
      Metin Tolan: Die Star Trek Physik
      Werner Gruber: Hollywood und die Physik
      Michio Kaku: Die Physik der Zukunft
      ...

    #17
    Die meisten Erfahrungen machen wir ja nicht selbst. Wir sind als Autoren weder Polizisten, noch Astronauten noch Mörder. Wir verlassen uns auf Informationen, die wir heute zumeist aus Wikipedia beziehen (ich habe mit Schülern gearbeitet, die nur die ersten zwei Einträge einer Suche ausgewertet haben, darunter war Wiki meist an Platz 1... Anschließend war für sie die Suche beendet).
    Allerdings verlassen wir uns auch auf Allgemeinplätze. Das muss nicht gleich Raumfahrt oder Westeros sein. Nehmen wir ein total simples Beispiel:

    Frank Müller sieht, dass Wasser unter der Tür von Frau Kasulke hervordringt. Heroisch wirft er sich gegen das Türblatt, bricht durch die Tür und sieht Frau Luise Kasulke regungslos am Boden liegen. Im Badezimmer läuft die Badewanne über; sie hatte sich ein Bad eingelassen. Gottlob kam er noch rechtzeitig und Frau Kasulke überlebt die Herzattacke. Das ist eine einfache Szene, ohne Raumfahrt und Schießerei.

    Gut. Jetzt zu den Fakten: ich habe es noch nie ausprobiert, aber jede Badewanne hat einen Überlauf. Wenn so ein Überlauf nicht funktionieren würde, hätte man ihn sicher nicht in jede Wanne eingebaut, oder? Warum sollte also die Wanne überlaufen und eine Pfütze durch den Türspalt fließen? Im Normalfall fließt da nichts über und es gäbe keine Pfütze. Allerhöchstens hörte man Wasserrauschen. Man muss also zusätzlich postulieren, dass der Überlauf verstopft war.

    Kann ein normaler Mann mittlerer Statur durch die Wohnungstür brechen? Ohne sich die Schulter zu zerschlagen oder sich das Schienbein zu knicken? Kann er eine Tür eintreten? Wir sehen es in jedem Krimi - aber geht das wirklich? Dort sind die Türen präpariert und Glasscheiben aus Zucker. Wahrscheinlich geht es in einigen Fällen, in einigen nicht. Wenn Frau Kasulke einen Riegel davor oder das Türblatt mehrere Schließen hat oder aus Metall ist, wird es nicht gehen.

    Wie lange braucht eine übliche Wanne, um vollzulaufen? Bei mir dauert es bis zur dreiviertel Höhe fast eine Stunde. Bekommt Frau Kasulke gleich am Anfang ihre Herzattacke, wäre es sicher nach eineinhalb bis zwei Stunden (bis die Wanne nämlich merklich überläuft) zu spät für eine Reanimation...

    Ich habe das nur als schnell hingekritzeltes Beispiel gesehen, um zu verdeutlichen, wie sehr wir auf Infos angewiesen sind, die wir nie im Leben selbst überprüft haben. Wir glauben sie dennoch. Und das war ja nun wirklich eine banale Szene.

    Schlagfertigkeit ist etwas, worauf man erst 24 Stunden später kommt.
    Mark Twain

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    • Dodo
      Dodo kommentierte
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      Ich ging eigentlich davon aus, dass wir dasselbe mit vielleicht unterschiedlichen Nuancen meinen. Inhaltsleer, uninteressant, geist- und ideenlos.

      ("Gewöhnlich" ist für mich nicht banal, weil es einige Krankheiten gibt, die das "gewöhnlich" im Namen tragen, die aber höchst bedeutsam sind, von gewöhnlichen Warzen einmal abgesehen).

    • Badabumm
      Badabumm kommentierte
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      Die Bedeutungen „uninteressant“ und „geistlos“ sagen was Verschiedenes aus. Also trifft „banal“ tatsächlich nicht zu. Aber ereignislosen und durchschnittlichen Alltag als „gewöhnlich“ zu bezeichnen, fände ich passend. Ob nun alles, was mit „vulgaris“ betitelt wird, gewöhnlich ist, mag ich nicht beurteilen.

    • Dodo
      Dodo kommentierte
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      Dann verstehen wir Unterschiedliches unter banal. Aber dasselbe unter Logiklücke.

      (Vulgaris ist tatsächlich nicht die Vokabel in den Krankheitsnamen, die ich meinte. Meines Wissens gibt es für diese gar keine griechische oder latinisierte Version der Adjektive, da die WHO und nicht das alte Rom die Klassifikation der Krankheiten herausgibt: Krankheit "xy, NOS" oder "xy, usual type", oder "xy (specific type)".)

    #18
    Noch ein Nachtrag: Recherche gilt übrigens auch und ganz besonders bei Verhaltensweisen von Charakteren. Häufig werden missbrauchte, gestörte oder traumatisierte Protagonisten erfunden. Dann muss deren Psychologie recherchiert werden. Der Realismus betrifft also nicht bloß die "Dinge" und irgendwelche Naturgesetze. Plausibilität gilt auch für Charaktere. Und um zu vermeiden, dass man eine platte "Mary Sue" schreibt oder sich selbst in der Hauptperson idealisiert, ist Faktensuche bei Menschen das A und O in Geschichten. Dazu reicht eben nicht, einfach Eigenschaften wie beim Kartengeben blind zu verteilen, sondern sie müssen "passen". Aber wie reagiert ein traumatisierter Prota, der aus dem Bosnienkrieg zurückkommt..? Wie reagiert jemand, der als Einziger von 167 einen Flugzeugabsturz überlebt hat? Wie reagiert ein Streifenpolizist, wenn er auf ein bewaffnetes 12-jähriges Mädchen schießen muss..? Usw.

    Schlagfertigkeit ist etwas, worauf man erst 24 Stunden später kommt.
    Mark Twain

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