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Dialekte - Entstehung, Ausprägung, Entwicklung

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    Dialekte - Entstehung, Ausprägung, Entwicklung

    Hier gibt's doch bestimmt ein paar, die Linguistik studiert haben, oder?


    Ich möchte bei meiner Sprache gerne noch etwas tiefer gehen und ein paar Dialekte reinmixen. Jetzt weiß ich natürlich, dass es Bayrisch, Alemannisch, Platt usw. gibt. Ich weiß auch, dass es jeweils nach Süden und Norden hin immer extremer wird, was die Dialekte angeht. Und das Bergregionen nochmal abgeschlossener sind.

    Aber!

    Gibt es irgendeine Regel, nach der sich Sprachen in bestimmten Gebieten verändern? Wenn 3 ein extremer Dialekt ist, 2 mittelmäßig in dieselbe Richtung und 1 die Ausgangssprache, ist es dann immer eine Verbreitung von 1 - 2 - 3? Oder kann es auch sein, dass 1 - 2 - 3 - 2 sich so entwickelt?

    Dann die Veränderung mancher Laute (p zu f ... oder umgekehrt? ) ... Erstens: Gibt es da irgendeine Seite, wo das mal richtig schön knackig erklärt wird? Zweitens: Wovon ist es abhängig, dass sowas passiert? Aus welchem Grund haben die Briten entschieden, dass sie father sagen, die Deutschen sich angeschlossen und Vater gesagt - und Franzosen und Italiener haben gemeint, dass sie père bzw. padre besser finden? Mir ist schon klar, dass da Latein dazwischenliegt, aber dennoch - gibt es irgendwelche Voraussetzungen für solche sprachlichen Veränderungen?

    Am interessiertesten wäre ich ja auch an außerdeutschen Beispielen. Schweden und Norwegen strotzen ja auch nur so von Dialekten. Und im Italienischen gibt es einen Fall (Toskana), wo es anstelle von casa (ausgesprochen kasa) chasa ausgesprochen wird. Ist das eine reine Laune?

    Und - schließlich und endlich: Sind bestimmte Veränderungen nur in die eine Richtung möglich? Neuisländisch wird "Hár" z.B. "Haur" ausgesprochen, man geht allerdings davon aus, dass dasselbe Wort im Altnordischen "Haar" ausgesprochen wurde. Wäre es auch umgekehrt denkbar? Das man von "Haur" auf "Haar" zurückgeht? Selbiges bei p und f usw.?
    Derweilen ist auf dem Feld schon alles gewachsen, bevor die wussten, warum und wie genau es gedeiht. - Franziska Alber

    So nah, so fern.

    #2
    Also in den Sprachentwicklungsgrundlagen hatte ich 'ne 1, danach hab ich das Gebiet aber komplett weggelassen, weil mich Literatur mehr interessiert, wie sehr du dich also auf meine Antworten verlässt, musst du davon abhängig machen^^

    Gibt es irgendeine Regel, nach der sich Sprachen in bestimmten Gebieten verändern? Wenn 3 ein extremer Dialekt ist, 2 mittelmäßig in dieselbe Richtung und 1 die Ausgangssprache, ist es dann immer eine Verbreitung von 1 - 2 - 3? Oder kann es auch sein, dass 1 - 2 - 3 - 2 sich so entwickelt?
    Einzelne Phänomene treten auf und breiten sich dann aus. Zwei verschiedene Phänomene können an zwei verschiedenen Orten auftreten und sich durch die Ausbreitung überschneiden, dann gibt es x+a, x+b und x+a+b. Ich hoffe du hasst Mathe nicht so sehr, dass meine Erklärung zu formelmäßig ist xD
    In Deutschland ist es so, dass sich die erste und zweite Lautverschiebung unterschiedlich stark an der Nord-Süd-Achse (ganz grob) verteilt hat.

    Gibt es da irgendeine Seite, wo das mal richtig schön knackig erklärt wird? Zweitens: Wovon ist es abhängig, dass sowas passiert? Aus welchem Grund haben die Briten entschieden, dass sie father sagen, die Deutschen sich angeschlossen und Vater gesagt - und Franzosen und Italiener haben gemeint, dass sie père bzw. padre besser finden? Mir ist schon klar, dass da Latein dazwischenliegt, aber dennoch - gibt es irgendwelche Voraussetzungen für solche sprachlichen Veränderungen?
    Ich finde gerade das:
    http://www.christianlehmann.eu/fundu...schiebung.html
    http://www.christianlehmann.eu/fundu...schiebung.html
    Aber wenn du möchtest, kannst du mir deine Mailadresse geben, dann schicke ich dir die Unterlagen von meinem Seminar damals.
    Die Briten haben das nicht entschieden xD Zwischen Latein zu Deutsch p - f liegt die Lautverschiebung. Deutsch und Englisch haben sich erst danach getrennt, deswegen haben sie die gleiche Lautverschiebung durchgemacht. Später wurde wip im deutschen zu weib und im englischen zu wife, weil die Sprachen unterschiedliche Lautverschiebungen hatten.

    Am interessiertesten wäre ich ja auch an außerdeutschen Beispielen. Schweden und Norwegen strotzen ja auch nur so von Dialekten. Und im Italienischen gibt es einen Fall (Toskana), wo es anstelle von casa (ausgesprochen kasa) chasa ausgesprochen wird. Ist das eine reine Laune?
    Jain, sieh dir dazu mal diese Seite an: http://www.christianlehmann.eu/ling/...hon_wandel.php

    Und - schließlich und endlich: Sind bestimmte Veränderungen nur in die eine Richtung möglich? Neuisländisch wird "Hár" z.B. "Haur" ausgesprochen, man geht allerdings davon aus, dass dasselbe Wort im Altnordischen "Haar" ausgesprochen wurde. Wäre es auch umgekehrt denkbar? Das man von "Haur" auf "Haar" zurückgeht? Selbiges bei p und f usw.?
    Die meisten Veränderungen sind nur in eine Richtung möglich. Nur deswegen können Sprachen wie Indogermanisch rekonstruiert werden.

    Ich hoffe, ich konnte dir ein bisschen helfen
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      #3
      Ich kann Dir keine sprachwissenschaftlichen Tipps geben. Aber wie komplex das Thema selbst auf kleinstem Raum sein kann, mag das Beispiel des Kreises Nordfriesland sein.
      Hier wird Hochdeutsch, Plattdeutsch, Friesisch und Dänisch gesprochen.
      "Platt" ist kein Dialekt, sondern gilt als eigenständige Sprache, innerhalb der es wiederum Dialekte gibt.
      Bei uns lebt noch die eigenständige Sprache "Friesisch". Sie hat allein im Kreis Nordfriesland 7 verschiedene Ausprägungen (Sölring auf Sylt, Oomröng auf Amrum, Ferring auf Föhr usw.)

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      • Gast-Avatar
        Gast kommentierte
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        Nur so zur Info aus Wikipedia: Zur Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen
        In Deutschland

        Die Charta wurde durch die Bundesregierung 1998 ratifiziert und trat am 1. Januar 1999 in Kraft. Durch Hinterlegung beim Europarat verpflichtet sich Deutschland fünf Minderheitensprachen und eine Regionalsprache zu schützen, wobei sich die Maßnahmen auf die Bundesländer beschränken, in denen die Sprache verbreitet ist. Die Minderheitensprachen: Dänisch in den drei Varianten Reichsdänisch, Sydslesvigdansk und Sønderjysk (in Schleswig-Holstein), Sorbisch (Obersorbisch in Sachsen, Niedersorbisch in Brandenburg), Nordfriesisch (in Schleswig-Holstein), Saterfriesisch (in Niedersachsen) und Romanes (geschützt nach Teil 2 seit 1998, erst später Hinzufügung nach Teil 3 in Hessen). Die Regionalsprache Niederdeutsch (in Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein nach Teil 3, in Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt nach Teil 2). Für jede Sprache wurden getrennt und unterschiedlich weitreichende Maßnahmen benannt, über deren Umsetzung die Bundesregierung in Berichten an den Europarat informiert. In den Berichten können auch Vertreter der Sprachgemeinschaften Stellungnahmen anfügen.

      #4
      An Yggdrasils Beispielen sieht man eigentlich deutlich, dass Dialekt ein relativer Begriff ist. Viele Minderheitensprachen die als Dialekt gelten versuchen immer mal wieder den Status einer eigenständigen Sprache zu bekommen, vor allem im romanischen Bereich viel.
      Eine Standardsprache ist im Prinzip nur das, worauf man sich schlussendlich geeinigt hat und was für die offiziellen Bereiche übernommen wurde. Beim Versuch vom Dialekt zur Sprache wird meist mit Wörterbüchern und Literatur begonnen um sich auf eine Schriftlichkeit berufen zu können und es eigenständig zu standardisieren.
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        #5
        Oh Mann, entschuldigt. Habe die Antworten schon längst gelesen und wollte am nächsten Tag antworten und habe es dann komplett vergessen.


        Yggdrasil, auf dich hatte ich ja gehofft Ich habe zwar eher an Schwedisch gedacht, aber das mit den friesischen Sprachen ist mindestens genauso interessant. Ich vermute mal, je unwegsamer das Gelände desto mehr verzerren sich die Sprachen. Im Alpenraum ist das ja stark der Fall und in meinem Umkreis variieren die Dialekte enorm binnen von nicht mal 5 Kilometern. Man kann anhand des Dialektes eigentlich punktgenau feststellen, aus welchem Dorf das Gegenüber kommt.
        Würde das auf Friesland auch zutreffen? Unwegsamkeit, wodurch so etwas entstanden sein kann?


        Traummuschel, wfua, was für ein Wissen
        Aber wenn du möchtest, kannst du mir deine Mailadresse geben, dann schicke ich dir die Unterlagen von meinem Seminar damals.
        Puh, ich glaube, so genau wollte ich es gar nicht wissen xD Ich habe gerade schon mal die ganzen Lautverschiebungssachen abgeschrieben und finde das schon sehr hilfreich und inspirierend. Aber ich behalte das gerne im Hinterkopf. Worum geht's denn genau in den Unterlagen? Um die Lautverschiebungen ganz allgemein?

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        • Kelpie
          Kelpie kommentierte
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          Hm ... vielleicht kannst du es mir ja doch mal zuschicken, dann kann ich mich da durchblättern ... Hast du meine Mailadresse?

        • Gast-Avatar
          Gast kommentierte
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          Ich kann das eher für das Plattdeutsche (in Nordfriesland) sagen: Ja, ich kann hören, ob der Sprecher aus Eiderstedt, Nordstrand oder dem Husumer Raum kommt. Im Husumer Raum kann ich auch die engere Region heraushören, manchmal sogar das Dorf.
          In Schweden sind sehr viele Dialekte und werden sehr ausgeprägt gesprochen, ähnlich wie bayrisch oder sächsisch. Ich bin dort oft in Småland, wo smålänning gesprochen wird. Ein Stockholmer hat über mein Schwedisch geurteilt: Ah, du hast Schwedisch in Småland gelernt! Also spreche ich wohl eher einen schwedischen Dialekt.
          Unser Dorf heißt Mörlunda. Es gibt sogar eine Sammlung (kleines "Wörterbuch") über die dorfspezifischen Wörter, die stark vom Schwedischen, enger: smålänning, abweichen.

          Natürlich hat man auch in Grenzregionen das Norwegische und das Finnische. Klar, die Sprache der Sami im Hohen Norden. Und Südschweden, speziell Skåne und Blekinge, sowie Halland, waren über Jahrhunderte Dänisch geprägt. Die hört man heute deutlich heraus, klingen auch Dänisch. Und auf Gotland hört es sich eher wie "Altnordisch" an.

        • Kelpie
          Kelpie kommentierte
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          Dann muss ich mal nach Gotland

          Aber danke für die vielen Beispiele. Ich habe nur in meinen Skandinavien-Kursen gehört, dass im hohen Norden die Dialekte nochmal viel ausgeprägter. Andererseits hat das Deutsche ja auch wahnsinnig viele Dialekte, ebenso das Italienische. Ich weiß nicht, wie es mit Sprachen wie Spanisch oder Französisch aussieht.

        #6
        Deutsche Dialekte sind ein weites und verzweigtes Feld. Bis zur Erfindung der standarddeutschen Schriftsprache gab es keine Dachsprache, sondern nur ein Dialektkontinuum, das untereinander mal mehr und mal weniger gut verständlich war. Wie es heute noch immer der Fall ist. Mit meinem nordwestdeutschen Regiolekt bin ich an die Ostsee gezogen und stehe manchmal vor einem Sprachwirrwarr mit den Einheimischen. Schlimmer wird es, wenn meine Freundin aus Österreich ihren bairischen Dialekt auspackt. Oder der zugezogene Sachse ein Referat hält, aber die Standardsprache nicht über die Zunge bekommt.

        Dialekte unterscheiden sich auf allen Ebenen voneinander. Die Phonetik ist natürlich offenbar, die Konsonanten- und Vokalverschiebungen kann man sich gut einprägen und z.B. auch bei Wiki nachlesen für einen konzentrierten Überblick. Dabei gilt grundsätzlich, dass die Verschiebungen nur in eine Richtung stattfinden und meist einen zusammenhängenden geographischen Raum ausfüllen. An den Grenzen, wo sich Verschiebung und Nicht-Verschiebung treffen, gibt es auch Mischformen, z.B. dass in jenem Dorf Merkmal A verschoben ist aber Merkmal B nicht.
        Ebenso schnell zu bemerken sind Unterschiede im Lexikon. Man schaue sich nur an, wo man Berliner, Pfannkuchen und Krapfen sagt für das gleiche Stück Nachtisch. Da muss man echt aufpassen, was man wo bestellt. Gerade die Bereiche für Essen, Körper und Familie verändern sich wenig, weshalb z.B. Familienbezeichnungen auch benutzt werden um verwandte Sprachen zu identifizieren. Wiederum gibt es allerdings Themenbereiche, die aus einem anderen Dialekt importiert sind und die phonetischen Verschiebungen dann nicht mitgemacht haben. Das gilt beispielsweise für viel Vokabular bezüglich der Schifffahrt, das aus dem Niederdeutschen kommt (dank der Hanse) und auch in den anderen Dialekten seine niederdeutschen Merkmale behält, so wie Fremdwörter eben auch lange Zeit brauchen bis sie die gleichen lautlichen Entwicklungen mitmachen wie die einheimischen Wörter.
        Aber auch auf der Ebene der Syntax und Grammatik gibt es teils große Unterschiede zwischen den Dialekten einer Sprache, die z.B. im Falle des norddeutschen Gebiets bis in die Standardsprache hineinragen. Es gibt typische niederdeutsche Satzkonstruktionen, die man noch immer im norddeutschen Sprachraum hören kann, selbst wenn die Sprecher selbst keinen niederdeutschen Dialekt sprechen. Natürlich noch viel ausgeprägter bei den Menschen, die Dialekt und Standardsprache sprechen und gewisse Automatismen ihres Dialektes in ihre Standardsprache übertragen - ganz so wie beim Sprechen einer Fremdsprache.


        Wenn du wirklich mehr über Dialekte erfahren willst, rate ich dir, eine Sprachgeschichte zu lesen. Dialekte entstehen nämlich dadurch, dass Veränderungen nicht überall ankommen, sondern nur hier und da, mal mehr und mal weniger. Für diese Veränderungen gibt es keinen intrinsischen Grund, vermutlich ist es eine Kombination aus Sprachökonomie und individuellen Spracheigenheiten, die zu Trends und schließlich zur neuen Regel werden. Natürlich ist die Sprachgeschichte des Deutschen höchst interessant, aber sehr viel mehr über Dialekte und Sprachentwicklung kann man von den romanischen Sprachen lernen, eben weil die Entwicklung von Latein zu den modernen romanischen Sprachen erstaunlich gut dokumentiert ist. Wo man zum Beispiel lernen kann, dass Italienisch sehr konservativ ist, Französisch sehr progressiv und welche ihrer Dialekte quasi wo auf der Skala stehen, während das Romanische extrem vom Slawischen beeinflusst ist, aber trotzdem einige der Entwicklungen, die sich bereits im Latein anbahnten, mitgemacht hat - obwohl es soweit von den anderen Dialekten/Sprachen entfernt liegt (geographisch gesehen) und obwohl es noch einen zweiten Orientierungspol für die Sprachentwicklung hat.
        Ayo, my pen and paper cause a chain reaction
        to get your brain relaxin', the zany actin' maniac in action.
        A brainiac in fact, son, you mainly lack attraction.
        You look insanely whack when just a fraction of my tracks run.

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        • Kelpie
          Kelpie kommentierte
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          Wow ... Vielen Dank für den ausführlichen Beitrag. Da weiß ich wirklich nicht mehr, was ich noch hinzufügen soll, außer nochmal ein dickes Dankeschön!

        • In-Genius
          In-Genius kommentierte
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          Kein Problem. Muss meinen Master in Linguistik ja auch mal für was Gutes nutzen
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