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    Verantwortung des Autors

    Um die Diskussion aus einem anderen Thread hier fortzuführen:

    Ich stelle mich gegen die Meinung, dass es in Bellestristik um den reinen Unterhaltungswert geht.
    Natürlich ist es interessant, über unmoralische, hässliche, niederträchtige Figuren zu schreiben und zu lesen. Natürlich nimmt es den Lesespaß, wenn man die Figuren einschränkt, indem man als Autor mit der Moralkeule kommt. Dennoch liegt es nicht nur, in der Verantwortung des Rezipienten, differenziert an die Inhalte heranzugehen. Der Autor ist es, der seine Meinung verbreitet, und dieser kann dank seines Handwerks oder der Genrezuordnungen auch verdeutlichen, auf welche Art der Leser die Inhalte aufnehmen kann.

    Es ist ein Unterschied, ob sich Gewaltpornografie im Rahmen von Gewaltpornografie oder ob so eine Szene in einem gewöhnlichen Krimi abspielt. (Am besten der Ermittler und die Täterin, und dann ist sie ihm völlig verfallen und alles ist gut …) Es ist eben die Darstellung, wodurch die Handlung oder die Gedanken einer Figur bewertet wird. Und ich bin der Meinung, dass man sich als Autor nicht von dieser Verantwortung drücken kann.

    Nach dem Film Findet Nemo haben Kinder ihre Fische die Toilette runtergespült – mit dem Gedanken, dass sie ihnen die Freiheit schenken. Ich hoffe, dass man erwachsenen Menschen mehr Reflexion und Eigenverantwortung zutrauen kann/soll, dennoch liegt es viel beim Autor selbst, wie er seine Inhalte darstellt. Nicht nur bei Werbung oder Propaganda oder Hetzschriften, sondern auch bei gewöhnlichen (Unterhaltungs-)Romanen.

    Meine Meinung zu diesem Thema hinsichtlich Sexismus habe ich hier kundgetan.

    Pro, Kontra, Gummibaum?
    Wie schreibt ihr? Was wollt ihr für euren eigenen Roman? Was wollt ihr von eurem Leser?

    #2
    Meine Meinung habe ich auch schon in dem anderen Thread breitgetreten, deshalb fass ich mich mal zusammen:
    Ich halte es für die Verantwortung des Autors, dem Leser klar zu vermitteln, warum man sich für dieses oder jenes Setting, Thema, für diese oder jene Figur mit Eigenschaft x, Vorliebe y, Meinung z entschieden hat, und das macht man, indem man es in die Handlung logisch einbettet und dem Leser moralisch eine eigene Wertung erlaubt, die man mehr oder minder lenken kann.
    Bei brisanteren Themen sollte man vielleicht die eigene Meinung nicht aus lauter Toleranz oder vor noch lauterer Intoleranz verstecken.
    Versehentliche Fehlinformationen können harmlos, aber eben auch tragisch oder gefährlich sein. Recherche hilft und gehört zum Handwerk.
    Gewalt und Erotik haben auch in der Belletristik ihren Sinn, als Selbstzweck wären sie eben Pornographie und finden da ein gemachtes Bett oder ähnliches.

    Kommentar


    • Dodo
      Dodo kommentierte
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      VickieLinn Nein, das habe ich da oben nicht weiter aufgedröselt. "Für die Atmosphäre" ist ja eine begründete, sinnvolle Verwendung. (Gerade ich. Ich liebe Lametta bis der Baum umfällt)

      Wenn der Katholiszismus nicht mit der Geschichte (Story, Atmosphäre etc) kollidiert bzw keinen Einfluss hat, würde ich ihn auch ignorieren. Wenn jemand nach mehr Authentizität jammert, dann passiert der geforderte Kirchgang eben off-script.

      Ist ihre Homosexualität denn konfliktstiftend? Wie präsent ist der Konflikt in der aktuellen Geschichte? Welche Bedeutung misst die Protagonistin ihrer Schwester im Rahmen der erzählten Geschichte bei?
      Ansonsten würde ich das während des Schreibens als Backstory für mich behalten. Sollte der Moment kommen, wo die aktuelle Geschichte danach verlangt, kann man es gezielt einbinden bzw eventuell früher andeuten oder raumgreifend schildern.
      Eine Leitlinie hätte ich da nicht. Gefühl und Wellenschlag und Tagesform und Rest des Textes.
      Einer meiner Protagonisten z B hat eine gescheiterte erste Berufsausbildung hinter sich; diese Ausbildung illustriert einen prägenden Charakterzug an ihm; mehr nicht. Mal sehen, ob es am Ende der Überarbeitung drin ist oder nicht ... Weiß ich noch nicht. Aber es ist ja auch als "mein Geheimnis" nicht verloren, sondern fließt vielleicht indirekt in die Charakterbildung der Figur ein. - Und ich schlingere bei noch viel geringeren Fragestellungen.

    • Victoria
      Victoria kommentierte
      Kommentar bearbeiten
      Dodo
      Katholiszismus hat null Einfluss auf meine Geschichte. Aber ein Leser, der diese Gegend kennt, würde sich vielleicht wundern, weshalb alle meine Figuren Atheisten sind.

      Die Konflikte spielten sich in der Vergangenheit ab und werden im Roman selbst nicht behandelt, aber sie haben die Protagonistin schon geprägt. Sie lehnt Homophobie und Xenophobie im generellen sehr stark ab. Wobei ich mir noch gar nicht so intensiv überlegt habe, wer sie zu welchen Anteilen geprägt hat. Da muss ich noch ein bisschen rumpantsen.

      Vielleicht hat die Leitlinie auch was mit dem Genre zu tun. Romanzenbäume brechen vielleicht nicht so schnell wie zarte Pflänzchen der hohen Literatur. Welches Genre wäre denn der genannte Roman?

    • Dodo
      Dodo kommentierte
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      Ich schreib keine hohe Literatur. Mein genannter Roman? Das Genre wäre Paläontologen-LiRo.

      Und wegen der Lokalisation: Ich würde mich da nicht verrenken, wenn es für die Geschichte und für Dich egal ist. Wenn Du besonderen Wert auf "Authentizität" und Befriedigung der Leser, die dort einmal durchgefahren sind, legst, dann natürlich ...
      Bezüglich der Backstory: Ich glaube, Du wirst merken, ob und in welchem Ausmaß Du bzw die Story sie als Minimum braucht. Wenn Du dann mehr hineinklatschst, ist es vielleicht auch nicht schlecht.
      Zuletzt geändert von Dodo; 20.01.2018, 10:08.

    #3
    Ich bin dafür, das der Autor weitestgehend bewusst erzählt, also sich seiner Inhalte und Figuren bewusst ist und nicht einfach Wörter aneinander reiht wie auf einem Fließband.
    Generell kann man aber nicht die 100% Hauptverantwortung an den Autor abgeben. Ich denke zwar das er definitiv Verantwortung für die Inhalte seiner Werke hat, aber es ist keine Einbahnstraße. Auf der anderen Seite sitzt ein Konsument/Leser dem man eben auch Verantwortungsbewusstsein und Reflektion zumuten kann (manchen auch nicht).
    Geht ein Buch gründlich schief, da der Autor absolut unachtsam, unreflektiert schreibt, dann hat man die Rezensionen der Leser, die den Autor oder andere Leser hinweisen und/oder beeinflussen kann.

    Man darf auch nicht vergessen, das einem selbst nicht alles was man an Inhalt transportiert bewusst ist, bzw. wie ein Leser das für sich auslegen wird. Man denke nur an die vielen Gedichtinterpretationen in der Schulzeit, wo ein Frühling vom Klassenstreber symbolisch als Kriegsende gedeutet wird o.ä. ... Einiges liegt einfach nicht in meinen Händen.
    Nein das war ich nicht.
    Ach so, das!
    Ja, das war ich.

    Kontakt: administrator@wortkompass.de

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    • Dodo
      Dodo kommentierte
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      Och, aber die Hauptverantwortung würde ich schon dem Autoren zuschustern. Er kann mit seinen Worten durchaus die Rezeption lenken, je nach Gemüt bzw Intellekt des Lesers mehr oder weniger stark. Aber natürlich kann man nicht verhindern, dass irgendwelche Leute Dinge in den Text hineinchiffrieren, die entweder nicht da stehen oder nicht gemeint waren ...

    • weltatlas
      weltatlas kommentierte
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      Nicht die 100% Verantwortung. Hauptverantwortung sicher.

    #4
    Also mal in Kurzversion:
    Ich bin für möglichst wenig Zensur. Es darf ruhig auch mal "kranker" oder "gewagter" sein, weil alles immer eine Sache der Perspektive ist. Würden wir in einer Diktatur leben, wäre ich auch dafür, dass "entartete" Kunst nicht zensiert wird und "kranke" Theorien bestehen dürfen. Wir haben nur das Glück, nicht in einer solchen Diktatur zu leben, und moralisch korrekt auf quasi wirklich "kranke" und "gewagte" Dinge hinzeigen zu können, wobei es auch hier Graubereiche gibt.

    ABER: Es ist auch für mich eine Genre-Frage. Im Erotik-Bereich erlebe ich das leider ständig, dass Gewalt als "BDSM" verkauft wird. Ich finde das ein bisschen feige, denn dass Gewaltfantasien erregen können, ist an sich für mich nichts Schlimmes (teilweise psychologisch/neurologisch ganz einfach erklärbar und ohnehin häufig vorkommend), warum heuchelt man sich oder den Lesern dann irgendein anderes Genre vor? Ich mag Heuchelei nicht.
    Einstellung hin oder her, man sollte dazu stehen. Aber man sollte auch dazu stehen können. Bei zu viel Zensur und Moralaposteltum versteckt man sich dann halt wieder in anderen Genres, weil man leider manchmal bereits durch seine Fantasien zum Täter gemacht wird, und nicht erst durch Bewertung der Taten. Und da ist es dann halt gesellschaftlich einfacher, zu sagen: "Ich lese da einen Thriller, der ist heiß!" als "Ich lese da gerade Gewaltpornographie, die ist heiß!"

    Ich bin zwar schon auch der Meinung, dass man inhaltlich ebenfalls Verantwortung trägt, ich persönlich bin aber eher gegen einseitige "erhobene Zeigefinger" oder Moralkeulen, weil ich so etwas schnell melodramatisch finde (sehr schlimm auch bei manchen Filmen!) und weil ich mir da als Leser etwas veräppelt vorkomme. So als wär ich grundsätzlich ein schlechter, unerleuchteter Mensch, der vom großen Autor auf den rechten Weg gebracht werden muss. Solche Bücher nerven mich relativ schnell. Und ich persönlich traue den Lesern ebenfalls zu, moralisch so weit zu sein, dass sie z.B. wegen meines Romans nicht gleich die nächstbeste Grünhaarige entführen gehen.
    Wobei ich zugeben muss, dass ich bei manchen Szenen ebenfalls überlegt habe, ob die so gehen, weniger wegen der Botschaft, sondern mehr wegen dem "Wie".

    Also, ja, ich finde es immer gut, wenn irgendet etwas Heikles in der Geschichte auch mal in Frage gestellt wird (und wenn es nur ein einziges Innehalten eines Charakters in vierhundert Seiten ist).
    Aber am Wichtigsten finde ich die halbwegs richtige Genre-Zuordnung (oder bei Crossover eben die richtige Mischung).

    Bei Gewaltpornographie ist "Liebesroman" dann wohl fehl am Platz.
    Beim Kannibalen-Arzt versteht man unter "Arztroman" dann wohl auch etwas Falsches.
    "Thriller" fände ich aber für beide Inhalte wieder okay, sofern der Plot auch wirklich Thrill bietet und nicht ausschleßlich Rugemetzel und andere Gewalt.
    (Kennt hier jemand diesen Splatter-Film, wo sich Kuscheltiere gegenseitig abmetzeln? Der ist echt hart! Und erst letztens hab ich "Unten am Fluss" gesehen, nen arg blutigen Zeichentrick, der tatsächlich FSK 6 ist ...)
    Und ich finde, da liegt die Hauptverantwortung: Halbwegs passendes Genre wählen, das nicht vollkommen verherrlichend oder verharmlosend wirkt; evtl. mit Altersempfehlung.

    Mir fielen jetzt auch gerade einige Bands ein, die sich in Grauzonen bewegen, manchmalso zwischen "Verherrlichung" und "Moralkeule", manchmal offenbar selbst nicht genau wissend, was sie mit ihrer Musik nun bezwecken wollen, und dementsprechend konfus sind zum Teil auch die Fans. Und auch wenn der Musikinhalt hart ist -- Ich glaube, dass es auch hier hauptsächlich auf das Genre bzw. auf die Motivation der Bands ankommt.
    Ein ganz anderes krasses Beispiel ist wohl ein Song von Georg Kreisler (den ich hier viell. lieber nicht poste), der als Gewaltgegner und Diktaturgegner einen sehr überspitzten Song rausbrachte, der zumindest auf YT teilweise offenbar nicht als Kritik erkannt wird. Okay, eigentlich sind viele Songs von ihm hart, am lustigsten sind die Songs über mordende Wiener, lol.
    Aber ich schweife ab, wir waren ja bei Büchern.

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    • Mona
      Mona kommentierte
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      Es gibt dazu verschiedene Theorien. Die einen meinen, Kinder können heftigste Filme/Geschichten locker ab, weil sie ohnehin noch ein ganz anderes Denken als Erwachsene besitzen und viele heftige Dinge noch gar nicht einordnen können (sofern sie davon nicht selbst betroffen sind). Die anderen meinen, dass Kinder selbst durch "Hänsel und Gretel" und ähnliche Märchen geschädigt werden können, und dass v.a. Filme noch weitaus schlimmer sind als Bücher (wobei ich letztere Theorie schon viel öfter gelesen/gehört habe und sie auch schlüssiger finde.)
      Deshalb finde ich, dass man tatsächlich aufpassen sollte, was Kinder sehen. Bei Büchern sehe ich es eben auch noch etwas lockerer, weil sie nur die eigene Fantasie anregen und nicht harten Bildern ausliefern
      Es hängt halt eben auch immer von der Persönlichkeitsstruktur und dem Erfahrungsschatz des Kindes ab.

      Und ... Wenn ich mir so Filme angucke wie "Matilda" (okay, kein Disney Film), dann denk ich auch nur: Wie zur Hölle kann man so was 6-jährigen Kindern vorsetzen? Ich mein, ja, auch wenn das Gute siegt, blabla ... Allein die Tortenszene ist doch schon so was von eklig, will man den Kindern damit das Tortenessen abgewöhnen, oder wie? Ich versteh den Sinn nicht ganz, da einiges so dermaßen explizit zu zeigen. Und ich lese gerade, im Lexikon des internationalen Films wird das auch kritisiert ^^.)

    • Dodo
      Dodo kommentierte
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      Wahrscheinlich liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Kinder nicht mit Luftballons und Tütü einlullen, aber auch nicht gerade mit Best of George A. Romero in den Albtraum treiben.
      Traut Kindern ruhig Denken, Philosophieren und Forschen zu. Durch die Nachrichten werden sie ungefiltert mit unschönen Dingen konfrontiert (und Kinder haben Augen und Ohren überall!). Anhand geschickter Filme und Bücher kann man ihnen helfen, die Nachrichten zu verstehen, was bedeutet, dass sie Macht über die Information erlangen. Und damit Ängste ablegen können. Man darf Kinder eben nicht mit Medien allein lassen. Insofern sehe ich bei Geschichten für Kinder die Verantwortung sowohl beim Autoren als auch beim Erziehungsberechtigten. Die Kombi aus schlechtem Buch/Film und schlechten Eltern "schädigt". Man MUSS nichts Sechsjährigen vorsetzen, und wenn Eltern das nicht kapieren, ist nicht der Filmemacher schuld. Der ist schuld an einem schlechten Film für ein falsches Publikum (wieder: FSK bedeutet nicht, dass der Film für die Altersklasse empfohlen - immer Sinne von: ist toll für Kinder - ist; er beinhaltet nur nicht bestimmte No-gos).

    • Mona
      Mona kommentierte
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      Dodo Stimme Dir im Großen und Ganzen zu.

      FSK find ich wie gesagt in vielen Fällen sehr absurd; eigentlich find ich die ganzen Kriterien von FSK und auch USK/PEGI manchmal einfach seltsam.
      Aber solange man nicht jede Verantwortung auf Empfehlungen oder Gesetze schiebt und nicht gedankenlos konsumiert oder nicht konsumiert, ist es dann ja halb so wild.

    #5
    Ich sehe das ähnlich wie Mona.
    Ein Autor ist verantwortlich für das, was er veröffentlicht und dieser Verantwortung muss er sich bewusst sein. Für mich muss er dieser Verantwortung allerdings nicht zwangsweise durch moralische Diskussion innerhalb des Werkes nachkommen. Wichtiger finde ich die richtige Einordnung und die Einstellung des Autors zu seinem Werk.
    Einen Roman, in dem es buchstäblich nur um Splatter und Gewalt geht, sollte nicht als Thriller verkauft werden, auch wenn Thriller sicher mal etwas blutiger sein dürfen. Offene Gewaltpornografie nicht als BDSM oder als Romanze. Ein Autor sollte auf Anfrage eine Missbrauchsbeziehung als solche titulieren und nicht öffentlich verteidigen. Das setzt natürlich eine Auseinandersetzung mit den Figuren und dem Thema voraus. Und das sollte ein Autor, zumindest bei kritischen Themen, vorweisen können.
    Fragwürdige Werke sollten in den gesellschaftlichen Diskurs eingebunden und somit als das benannt werden, was sie sind. So können sie zur Beseitigung von Missständen beitragen oder zur Auseinandersetzung mit diesen dienen.
    (So hat Fifty Shades of Grey viele Leute für Missbrauchsbeziehungen sensibilisiert. Schön wäre natürlich gewesen, wenn die Autorin besagte Missbrauchsbeziehung auch eingeräumt hätte ... )
    Ich denke aber nicht, dass ein Roman zwangsläufig über Moral und Ethik diskutieren muss. Auch flache Darstellungen von Gewalt und Erotik, Klischees und Charakteren, gehören dazu. Literatur wird zwangsläufig jeden Sektor bedienen. Einfach, weil es Menschen mit den genannten Fantasien gibt. Ich finde es wichtig, Diversität zu bewahren und bestimmte Vorlieben nicht zu moralisieren (obwohl auch ich natürlich irgendwo die Grenze ziehe).
    Ich bin der Ansicht, dass der Leser durchaus in der Lage ist, ein Buch kritisch zu betrachten, dass ein vernunftbegabter Mensch in einem stabilen Umfeld nicht Gefahr läuft, unter dem Einfluss bestimmter Darstellungen, eine negative Grundhaltung zu entwickeln oder sich anderweitig tiefgreifend beeinflussen zu lassen.
    Ich fände es auch unverschämt, wenn ein Autor jede moralisch etwas fragwürdige Darstellung kommentieren würde, damit der Leser bloß nicht danach handelt. Leser sollten nicht für dumm verkauft werden.
    Aber ja, ein Autor sollte hinterfragen, was er tut und sich seiner Verantwortung bewusst sein. Er sollte sich gut überlegen, was er vermitteln möchte und ob ihm das gelingt. Er sollte wissen, welches Klientel er bedient oder bedienen will und welchen Zweck ein Werk erfüllen soll. Er sollte aufpassen, keine Propaganda zu formulieren, bestimmte Inhalte nicht zu verherrlichen und mit schwierigen Themen entsprechend umgehen. Aber ich finde, dass man trotzdem den Spielraum möglichst groß lassen sollte, dass auch die Freiheit zur amoralischen Darstellung gewährt werden sollte, ohne das alles immer relativiert werden muss. Denn auch der Leser muss letztendlich verantwortungsbewusst mit dem umgehen können, was er liest.

    Kommentar


      #6
      Ich würde den Beitrag von Chandramukhi genauso unterschreiben.

      Es gibt für alles einen Markt, man sollte nur bitte das Buch eindeutig durch Genrezuweisung, Cover usw kennzeichnen. Ich bin außerdem für zumindest eine deutliche Altersempfehlung auf den Büchern, ich frage mich ernsthaft, warum es das nicht längst gibt.

      Denn derzeit gibt es, wahrscheinlich spätestens durch Shades of Grey losgetretenen, Trend, dass Gewalt, Erniedrigung und Demütigung in Beziehungen bereits in Jugendbüchern Thema sind. Auch, wenn ich mit 14 schon Thriller und Horror gelesen habe, möchte ich diese Hauptsache-er-sieht-heiß-aus-Bücher in dem Alter bei meiner Tochter nicht sehen. Aber kontrolliere das mal, wenn die Cover so schön romantisch sind und es sonst keinen Hinweis gibt.

      Kommentar


      • Chandramukhi
        Chandramukhi kommentierte
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        Das mit den Jugendbüchern ist tatsächlich ein Problem. Ich habe mich vor einiger Zeit mal ein bisschen im Young Adult Genre umgeschaut und unter Anderem ein Buch gefunden, in dem laut Leserrezensionen eine Szene wohl sexuelle Gewalt zeigt. Am Ende kommen die beiden dann zusammen. Das finde ich in Jugendbüchern, die teilweise von 12 bis 14 jährigen gelesen werden, fehl am Platz.

      #7
      Ich habe gerade im anderen Thread einen längeren Beitrag dazu geschrieben, weil ich das Thema hier nicht gesehen habe.

      Grundsätzlich finde ich es wichtig, dass der Autor weiß, was er tut und dass er sich damit auch beschäftigt. Wenn er bestimmte Dinge anspricht, dann sollte er auch ein gewisses Level haben: Beispielsweise finde ich das Thema Pädophilie interessant genug, um es zu beleuchten, traue es mir schreibtechnisch aber nicht zu. Deswegen lasse ich die Finger davon.
      Diese Selbsteinschätzung und Verantwortung erwarte ich vom Autor. Er muss wissen, was er tut.

      Ansonsten plädiere ich, wie im anderen Thread breitgetreten, dafür, dass sich der Autor völlig raushalten darf. Ich finde nicht, dass er den Inhalt seines Buches innerhalb des Buches bewerten oder richtigstellen muss, ich finde nicht, dass er moralisieren sollte, ich finde nicht, dass er sich auf anerkannte Meinungen berufen sollte. Solche Bücher landen bei mir ganz schnell auf dem Ablagestapel und sind tatsächlich der Hauptgrund dafür, wenn ich Romane abbreche: Diese ewige Bevormundung, diese ewigen tadellosen Helden, selbst diejenigen, die grausame Fama haben und dann schließlich rumheulen, was sie alles Schlimmes getan haben - mag ich nicht.

      Ein schwieriges Thema ist Shades of Grey, weil ich die Entwicklung, die das Buch angestoßen hat, selbst ziemlich daneben finde. Hätte die Autorin da dazuschreiben sollen, dass es nicht okay ist, was der Typ macht? Inhaltlich scheint es ja tatsächlich v.a. darum zu gehen, eine erregende Geschichte über tollen Sex und "was sich Frauen wünschen" zu schreiben. Wäre es um eine kritische Auseinandersetzung gegangen, dann hätte die psychische Komponente einen größeren Platz bekommen müssen - ohne dass die Prota zwangsläufig ihre Situation richtig analysiert. Reicht doch, wenn es ihr ein bisschen häufiger so richtig schlecht geht und sich ihr Verhalten deutlich ändert.
      Wenn das Ziel der Autorin allerdings nicht war, eine Abhängigkeitsbeziehung mit all ihren Pro und Contras darzustellen, sondern eben nur um tollen Sex und erregende Machtverhältnisse und Gewaltfantasien, dann ist das Problem eben die von Mona und Chandramukhi angesprochene falsche Genrezuordnung. Beziehungsweise - wenn die Autorin keinen Porno schreiben wollte, sondern tatsächlich BDSM - dann hätte sie sich vielleicht man schlau machen sollen, was das ist.
      Wobei ... das hätte sie eigentlich so oder so machen sollen.

      So oder so, ich bezweifle, dass all die jungen Leserinnen, die mir vorgeschwärmt haben, "dass endlich mal jemand sagt, was Frauen sich wünschen!" den Roman irgendwie anders aufgenommen hätten, wenn die Autorin hätte durchklingen lassen, dass sie die Beziehung für ungesund hält. Man ist ja durchaus imstande zu filtern und daher wäre diese Art von Warnung bei den meisten sicherlich im Gehirnmüllkorb gelandet.

      Das Thema Abhängigkeitsbeziehung beschäftigt mich selbst immer wieder, weil ich genau so eine Prota habe. Aber ich kann sie schwer ihre Abhängigkeit erkennen, aber ausharren lassen; und genauso wenig will ich da einen auktorialen Erzähler für einen Satz reinbringen, um dem Leser mal kurz zu sagen, dass die Beziehung übrigens nicht gesund ist.
      Ich denke mir halt: Wenn ein Leser es toll findet, wenn der Mann die Frau ohrfeigt und beleidigt und sie trotzdem von ihrer großen Liebe spricht, dann kann ich diesem Leser auch nicht helfen. Wenn er das in Ordnung findet, dann hat er tiefergreifende Beziehungsprobleme, bei denen ich mit meinem Roman auch nicht mehr helfen kann.
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      Interessant finde ich das von Mona angesprochene Thema Musik. In meinem Genre gibt es da durchaus Gewaltverherrlichung, teilweise sogar Aufhetzung, aber die wenigsten Metaller zünden deswegen gleich eine Kirche an.
      Die Band Eisregen hat ein Album mit Texten herausgebracht, wo selbst ich schlucken musste, obwohl meine Schmerzensgrenze recht weit oben liegt. Neben dem Booklet war allerdings ein Zettel beigelegt, dass das rein fiktive Texte seien und nicht zur Nachahmung bestimmt seien, psychisch labile Menschen sollten das Album nicht hören. Und das fand ich lustig, weil mir kein Mensch sagen kann, dass das irgendetwas an den Texten ändert.
      Derweilen ist auf dem Feld schon alles gewachsen, bevor die wussten, warum und wie genau es gedeiht. - Franziska Alber

      So nah, so fern.

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      • Amilyn
        Amilyn kommentierte
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        Dodo Wobei ich persönlich "American Psycho" total harmlos finde im Vergleich zu so manch anderem. Gut, als es rauskam, mag es noch die Gemüter erhitzt haben, aber im Gegensatz zu dem ein oder anderen Roman, in dem es nur darum geht, dass sich das Paar schnell findet, um möglichst oft und viel Sex zu haben, hab ich da weniger oft die Augenbrauen hochgezogen.
        Könnte ich eigentlich mal wieder lesen, fällt mir gerade so auf

      • Dodo
        Dodo kommentierte
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        Amilyn Die Frage ist ja, ob Du willst, dass Dein Sechsjähriger in der Buchhandlung / heimlich zu Hause eine Leseprobe daraus zu sich nimmt ... (egal, ob Psycho oder SoG-Varianten oder oder )

      • Amilyn
        Amilyn kommentierte
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        Dodo Tja, theoretisch wäre es möglich, dass ein Sechsjähriger mit so einem Buch an die Kasse geht und es bzahlt. Ich hoffe, er wird wenigstens gefragt, ob er das Geld dafür bei seinem Nebenjob verdient hat

      #8
      Es gibt bekanntlich die Kunstfreiheit, aber sie bedeutet nicht, dass man sich nicht der Kritik und der Diskussion stellen muss.

      Unterhaltung braucht auch Haltung.

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        #9
        Ansonsten plädiere ich, wie im anderen Thread breitgetreten, dafür, dass sich der Autor völlig raushalten darf. Ich finde nicht, dass er den Inhalt seines Buches innerhalb des Buches bewerten oder richtigstellen muss, ich finde nicht, dass er moralisieren sollte, ich finde nicht, dass er sich auf anerkannte Meinungen berufen sollte.
        Ich bin mir nicht ganz sicher, was du mit "raushalten" meinst. Moralisieren oder richtigstellen steht nach dem allgemeinen Konsens in diesem Thread gar nicht infrage. Außer bei den Fabel-Schreiber – falls es sie hier gibt. Aber "raushalten" in dem Sinne, dass der Autor einfach schreibt, was er spannend findet und die Rezeption allein dem Leser überlässt, ist meiner Meinung nach nicht richtig.


        Ein schwieriges Thema ist Shades of Grey, weil ich die Entwicklung, die das Buch angestoßen hat, selbst ziemlich daneben finde. Hätte die Autorin da dazuschreiben sollen, dass es nicht okay ist, was der Typ macht? Inhaltlich scheint es ja tatsächlich v.a. darum zu gehen, eine erregende Geschichte über tollen Sex und "was sich Frauen wünschen" zu schreiben. Wäre es um eine kritische Auseinandersetzung gegangen, dann hätte die psychische Komponente einen größeren Platz bekommen müssen - ohne dass die Prota zwangsläufig ihre Situation richtig analysiert. Reicht doch, wenn es ihr ein bisschen häufiger so richtig schlecht geht und sich ihr Verhalten deutlich ändert.
        Nein, direkt dazuschreiben und den Finger zu erheben, wäre wieder eine Belehrung.
        Ich habe im ersten Beitrag einen Blogartikel gepost. Da geht es genau darum. Gerade in (erotischen) Romanzen passiert es häufig, dass die Darstellung von Fantasien nicht differenziert dargestellt wird. Es ist nicht nur bei Shades of Grey so, sondern bei sehr vielen Büchern in dieses Genres, dass durch die verherrlichende Erzählweise Abwertung, Bevormundung und Straftaten romantisiert werden. Manche wehren sich gegen diesen Vorwurf und behaupten, es sei Eskapismus. Für mich geht es in die Sparte "falsche Genrezuordnung". Propaganda funktioniert ähnlich.

        Es geht nicht darum, dass BDSM oder andere Themen schlecht recherchiert sind. Es geht darum, etwas zu verherrlichen. Wie Amilyn meinte: Bei SoG will es die Protagonistin nicht, aber weil er sie bedrängt, tut sie es trotzdem. Und das wird als "romantisch" verkauft. Darin liegt die Gefahr. Autoritäten haben Einfluss. Medien haben Einfluss. Ein einziges Wort hat Einfluss. Und wer mit seinen Worten in die Öffentlichkeit tritt, soll mal darauf achten, ob er das, was er von sich gibt, auch so sagen will.
        Gewisse Politiker geben Müll von sich. Kann man von allen Menschen erwarten, dass sie selbst differenzieren? Wie viel Verantwortung hat der Politiker für deine Worte? Ein Autor (ebenfalls eine Autorität) erreicht vielleicht nicht so extrem viele Menschen – aber doch schon einige. Und tja, manchen Leute erreichen Romane, Filme, Musik, Videospiele mehr als politisches Gelaber.


        Das Thema Abhängigkeitsbeziehung beschäftigt mich selbst immer wieder, weil ich genau so eine Prota habe. Aber ich kann sie schwer ihre Abhängigkeit erkennen, aber ausharren lassen; und genauso wenig will ich da einen auktorialen Erzähler für einen Satz reinbringen, um dem Leser mal kurz zu sagen, dass die Beziehung übrigens nicht gesund ist.
        Ich denke mir halt: Wenn ein Leser es toll findet, wenn der Mann die Frau ohrfeigt und beleidigt und sie trotzdem von ihrer großen Liebe spricht, dann kann ich diesem Leser auch nicht helfen. Wenn er das in Ordnung findet, dann hat er tiefergreifende Beziehungsprobleme, bei denen ich mit meinem Roman auch nicht mehr helfen kann.

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        Ich denke, dass du diese Figur bzw. die Figurenkonstellation kaputtmachst, wenn du mit einem auktorialem Erzähler moralisiert. Es liegt an deinem Handwerk, deinem Fingerspitzengefühl, es so darzustellen, dass die Protagonistin glaubt, dass dieses ungesunde Verhältnis das Ziel ist. Sie muss am Ende auch nicht geläutert werden, sondern kann in diesem falschen Glauben bleiben. Haust du aber als Autor daneben, kann es passieren, dass es so wirkt, als würdest du diese Beziehung romantisch und als erstrebenswert empfinden und es dem Leser so glauben machen. Und das ist das, was ich bei mehr als einigen (erotischen) Romanzen krisitiere.

        Jedes einzelne benutze Wort beeinflusst den Leser. Und das nutzen wir als Autoren ja auch, um Atmosphäre, Bilder zu schaffen, um den Leser emotional zu beeinflussen. Natürlich – wir wollen ja den Leser mitreißen. Ich hab irgendwo gelesen, dass bei Aussagen mit übertragener Bedeutung mehr Hirnregionen aktiv sind, nicht nur der XY-Blabla, sondern auch der Motorkortex. Anscheinend fängt man bei Methapern gleich an zu zucken.
        Jedenfalls wurden Testpersonen mal ein Text über Kriminalität gegeben. Einmal stand da "virus", einmal "beast" als Vergleich für Verbrechen. Bei dem Vergleich mit dem Virus schlugen die Testpersonen soziale Reformen vor, bei dem Vergleich mit dem wilden Tier sollten die Gesetze und die Strafen verschärft werden … ein einziges Wort.



        http://journals.plos.org/plosone/art...l.pone.0016782





        Kommentar


        • Badabumm
          Badabumm kommentierte
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          Link sieht echt interessant aus, aber leider verstehe ich fast nichts. Schade, dass man die Google-Übersetzung ins Deutsche nicht als pdf abspeichern kann; die Übersetzung ist ziemlich gut.

          Erinnerungen und Emotionen sind getriggert und werden durch Schlüsselwörter immer neu generiert. In der Psychohistorie-Forschung werden Tages-Cartoons aus Zeitungen, die bestimmte Ängste und Vorstellungen vermitteln und Symbole benutzen, zur Erforschung der Meinungsbildung und "vorherrschenden Stimmung" benutzt. Z.B. das Symbolbild eines "vollen Boots" in der Flüchtlingsfrage und andere Urängste, dargestellt als Monster oder Allegorien. Auch das verbreitete Vokabular mit Triggerwörtern prägt die Meinung extrem.

        • Victoria
          Victoria kommentierte
          Kommentar bearbeiten
          Badabumm
          Ich hab ein paar Links gefunden, in denen über diese Studie berichtet wird:
          Metaphern als Meinungsmacher
          Wie funktionert die Manipulation durch Sprache?
          Bücherbrett: «Metaphern der Gewalt» Beobachtungen aus dem Wörterkrieg gegen den Terrorismus


          Hast du Quellen zu der von dir genannten Forschung?

        • Badabumm
          Badabumm kommentierte
          Kommentar bearbeiten
          Danke für die Links!

          Es gibt genug Literatur zur Psychohistorie, habe online allerdings nicht viel gefunden

          http://psychohistorie.de/literatur/L...hohistorie.pdf

          Als Hauptquelle: das Jahrbuch für psychohistorische Forschung im Mattes-Verlag, in dem vor allem die Autoren Ludwig Janus, Winfried Kurth oder Roland Heinzel Strömungen anhand von Karikaturen, Fotos oder Börsenkursen (!) erforschen.
          Nr 18 hat z.B. den Titel: "Der Wandel der Identifikationsstrukturen und Beziehungen im Laufe der Geschichte - gesellschaftliche und politische Prozesse verstehen" (echte Wissenschaft ist nur, wenn's lang ist ...)

          Tagungsexposés: http://psychohistorie.de/tagungen/31...ng_Exposes.pdf
          Darin einiges über Geschlechtsidentifikation und vererbbare Traumata.

          Die Psychohistorie, in ihrer Ursprungsdefintion von Isaak Asimov geprägt, beschreibt die Gesetzmäßigkeit größerer Menschenmengen und daraus die Vorhersagbarkeit von Ereignissen. So lassen sich Stimmungen, am deutlichsten sichtbar am 11. Sept. 2001 (negativ) und am Tage des Mauerfalls (positiv), aus bestimmten Hinweisen ableiten. Menschen werden durch solche Ereignisse quasi gleichgeschaltet, was das 3. Reich perfekt auszunutzen wusste.
          Große Gruppen entwickeln eine Eigendynamik, und das hängt nicht nur von punktuellen Ereignissen ab, sondern vor allem von der gemeinsamen Erfahrungs- und Emotionsbasis.

          Lloyd deMause hat daraus ein eigenes Forschungsfeld entwickelt, das die menschliche Gruppendynamik anhand von "Kindheiten" erklären will. Das heißt, dass die Kindheit nicht nur prägend für das Individuum ist, sondern für eine ganze Gruppe, weil Kindheiten immer gesellschaftlich zu sehen sind. Aus der gemeinsamen Kindheit jeder Generation lässt sich also ableiten, wie jede Generation aufgrund von geschichtlichen Ereignissen und vorherrschenden Erziehungsregeln tickt.
          Zuletzt geändert von Badabumm; 22.01.2018, 15:36.

        #10
        Ich bin mir nicht ganz sicher, was du mit "raushalten" meinst.
        Ich schreibe nach der Grundhaltung, dass die Perspektive das A und O ist. Das meine ich damit, dass der Autor sich raushalten soll. Wenn meine Figur zu einer gewissen Haltung tendiert, dann macht es sie unglaubwürdig, wenn ich in irgendeiner Weise wertend eingreife - und wenn es nur der Virus oder das Biest ist Wenn ich über einen geübten Mörder schreibe, der jede Woche jemanden um die Ecke bringt, dann finde ich es unwahrscheinlich, dass ihm bei einem seiner Opfer plötzlich etwas in den Sinn kommt á la "der hatte bestimmt Familie". Wenn ich das als Autor einbringe, um dem Leser Mitleid zu entlocken und ihn damit auf die Schiene zu bringen, dass man die Tat nicht gut findet, dann ist das etwas, was ich mit "nicht raushalten" meine.
        Bei dem Beispiel mit dem Mörder denke ich z.B., dass es in der Geschichte völlig untergehen könnte, dass Mord eigentlich eine Straftat ist. Innerhalb der Geschichte könnte es als einzig richtiger Weg verkauft werden, der Mörder dürfte sich frei dafür aussprechen usw. Das ist ein Thema, wo ich davon ausgehe, dass es wirklich jedem Leser klar sein muss.

        Bei Themen, die reine Meinungssache sind (sagen wir mal: Ist Umweltschutz wichtig?) finde ich ebenfalls, dass man sich raushalten dürfen sollte. Wenn mein Prota nichts davon hält, dann muss ich ihm nicht zwangsläufig eine Grüne entgegenstellen, die mit ihm diskutiert. Ich vertrete eine klare Meinung dazu, aber was der Leser denken will, sei ihm überlassen.

        Bei Themen, die dagegen gefährlich sind oder bei denen man Leute schnell aufs Glatteis führen kann, stimme ich schon zu, dass der Autor ein Augenmaß auf ein gewisses Gegengewicht legen sollte. Beispielsweise ein Roman aus Sicht eines jungen Mannes, der radikalisiert wird und in den Dschihad ziehen will. Da fände ich irgendetwas angebracht, was die Ideologie hinterfragt, einfach weil es dort eh schon eine gefährdete Zielgruppe gibt, die man damit ungut beeinflussen könnte. Oder Romane, die sehr spezifisch sind, etwa historische Romane oder Chemiekrimis/-thriller. Da kann man vom Leser nicht erwarten, dass er das Wissen von sich aus mitbringt und muss dementsprechend vorsichtig damit sein, was man z.B. dazuerfindet.
        Derweilen ist auf dem Feld schon alles gewachsen, bevor die wussten, warum und wie genau es gedeiht. - Franziska Alber

        So nah, so fern.

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        • Victoria
          Victoria kommentierte
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          Ah, okay. Ich verstehe, wie du es meinst.

          Ich finde, dass der sich Autor aus der Erzählstimme halten sollte, aber nicht aus dem Stoff.
          Und neutral kann man nicht wirklich schreiben. Selbst ein Bericht oder eine Faktensammlung ist nicht neutral. Es müsste ja keine heftigen Vergleiche wie "Virus" oder "Biest" sein. Scheinbar neutrale Synonyme, Wortstellung, Aufbau des Textes sind schon subjektiv. Und auch die Auswahl der genannten Fakten ist subjektiv.
          Man muss nicht neutral schreiben, weil es eben nicht geht. Aber man sollte schon wissen, welche Wirkung es auf den Rezipienten hat.

        • Kelpie
          Kelpie kommentierte
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          Da bin ich völlig bei dir.
          Die Unterscheidung von Erzählstimme und Stoff finde ich auch gut.

        #11
        Ich finde, dass der Autor bei Kinder- und Jugendliteratur eine hohe Verantwortung trägt, die manchen Autoren leider nicht ganz bewusst zu sein scheint.
        Wenn ich zurückblicke kenne ich einige Kinderfilme, -bücher und -serien, die ich für die angegeben Altersgruppe sehr unpassend finde.
        Ich habe selber auch einige Kindergeschichten geschrieben und war immer vorsichtig was ich, wie schreibe und was nicht. Mir war es, wichtig den Kindern Freude zu bereiten, nicht sie zu gruseln und mindestens eine kleine Botschaft mit einfließen zu lassen. Dort habe ich gemerkt, wie schwierig das ist. Man kann nie wissen, wie ein Kind die Handlung für sich sieht.
        Auch bei Jugendliteratur würde ich mir etwas mehr Verantwortungsbewusstsein seitens des Autors wünschen. Ich habe nicht viele Jugendbücher gelesen, aber den Eindruck bekommen das dort gerne heikle Themen gar nicht oder meiner Ansicht nach „falsch“ behandelt werden. Beispielsweise habe ich mal ein Jugendbuch gelesen, wo die Hauptfiguren sehr viel geraucht (nicht nur Tabak) und getrunken haben. Dies wurde nur als schönes geselliges Erlebnis beschrieben und hatte gar keine Folgen. Auch zum Ende des Buches gab es dort keinerlei Umdenken. Ich finde dort, sollte der Autor etwas mehr sensibilisieren und nicht auch noch verherrlichen.

        Beim eigenen Schreiben (abgesehen von den Kindergeschichten) muss ich allerdings gestehen, dass ich mir dieser Verantwortung nicht so bewusst war. Ich finde bei Literatur für Erwachsene, muss man nicht immer auf die Moral achten. Für manchen Leser ist ein Unterhaltungsroman, eben nur zur Unterhaltung da. Außerdem vertrete ich auch die Meinung, dass man den meisten erwachsenen Lesern den „Umgang“ mit der Handlung des Buches zutrauen kann.
        Ich habe im Bezug auf die Moral in Geschichten mal meine alten Texte durchgesehen und festgestellt, dass ich in sehr vielen schon eine Botschaft, Moral oder Ähnliches mit eingebaut habe. Teilweise finde ich dies auch notwendig, damit die Geschichte stimmig ist.
        Bei meiner neusten Idee für eine Kurzgeschichte habe ich übrigens eine sehr starke Botschaft, wie ich finde. Würde ich diese weglassen, würde die Geschichte für mich keinen Sinn mehr machen und mich als Leser am Ende fragend zurücklassen.

        Ich würde also sagen, dass die Verantwortung des Autors bei Kinder- und Jugendliteratur sehr wichtig ist, bei Büchern für Erwachsene aber nicht im Fokus liegt. Dennoch haben die eigenen Wort Macht, wie VickieLinn schon die treffende Überschrift gewählt hat, und dieser sollte man sich auch bewusst sein.
        There is no real ending. It´s just the place where you stop the story.
        Frank Herbert

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        • Kelpie
          Kelpie kommentierte
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          Das erinnert mich gerade an das, was meine Schwester von ihrem Nachhilfe-Kind erzählt hat. Die machen jetzt in der 3. Klasse den 2. Weltkrieg, Holocaust usw. durch und ... nun ja, der Kleine hat nun den Berufswunsch Soldat, weil es ganz bestimmt einen 3. Weltkrieg geben wird und Panzerfahren cool ist.

          Mja.

        • Victoria
          Victoria kommentierte
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          Die Erzieher sollten ihre Kinder kennen und auch die Themen vermitteln können …

          In dem Alter hatten wir Aufklärung in der Schule. Puppen, die Puppen gebären. Da hat mich so geängstigt, dann meine Eltern zur Klassenlehrerin gelatscht sind, um sie zu fragen, was wir denn im Unterricht gemacht haben. Sie hat ihnen das Video in die Hand gedrückt, damit ich es noch mal mit meinen Eltern angucken konnte. Mein Vater – sehr konservativ – fand das Lehrvideo kacke.

        • Dodo
          Dodo kommentierte
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          Kelpie Da hat das Nachhilfe-Kind wohl auch Nachhilfe nötig ...
          Es kommt natürlich auch auf die Lehrer an ... Und auf Eltern, die mal fragen, was in der Schule durchgenommen wird, damit Kind sich auskotzen kann.

        #12
        Meine Ansicht ist, dass der Autor zu einem Standpunkt verpflichtet ist. Er kann aktiv die Handlung bestimmen und ist nicht nur der Beobachter/Leser seines eigenen Films/Textes.

        Was Kinder anbelangt (hab 3 davon), kann ich sagen, dass bereits Szenen, die wir als "unumgänglich für den Spannungsaufbau" völlig gedankenlos aus der Klischee-Konstruktionskiste greifen, bei jüngeren Kindern unangenehme Gefühle verursachen. Einfaches Beispiel: Sympathieträger wird im Verlauf des Abenteuers von seinem Partner resp. seiner Gruppe getrennt. Allein das reicht für Tränen. Selbst älteren Kindern kannst du sagen, dass es am Ende gut geht. Doch die wollen den "spannenden" (gruseligen, bösartigen) Weg dorthin oft gar nicht miterleben.

        Doch offenbar ist es allseits notwendig geworden, sich auch bei Kinderfilmen typischer Thriller- und Horrorelemente zu bedienen. Monster, Kriminelle, fiese Antagonisten, Düsternis...usw. Dieses Überwürzen der Handlung zeigt meines Erachtens erschreckende Einfallslosigkeit einerseits, sowie Abgestumpftheit und Übersättigung andererseits. Dazu kommt eine allgemeine Dressur auf gewohnte Abläufe (erfolgreiche Plots, die bis zum Erbrechen kopiert werden).
        Die Geschichte ist die Speise, der Stil die Würze dazu. Wenn es geschmeckt hat, war es ein gutes Rezept.

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