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Mittwochsfrage #30: Als Autor das Lesen genießen?

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    #16
    Interessant, wie unterschiedlich ihr da rangeht

    Ich schaffe es zum Glück auch noch, Bücher stressfrei zu lesen. Wobei ich bei besonders guten Büchern auch gerne stilistische Kniffe nebenher beachte.
    Allerdings bin ich bei gewissen Genres bzw. bei Themen, wo ich mich auskenne, eben sehr genau (und damit kritischer). Dazu steh ich auch.

    Dabei handhabe ich es so wie Peter. Bücher von Kollegen, die ich wirklich nicht gut finde, bewerte ich eher nicht, als dass ich wirklich eine 1*-Rezi raushaue.
    Und was Milch erwähnt hat, finde ich interessant. Ich finde zwar schon, dass man als Autor andere Bücher bewerten kann. Aber die Frage ist dann wirklich, was persönliche Meinung ist, was Fakten sind, und wo man vielleicht schon aus Gewohnheit regelrecht nach Fehlern sucht (mir ging es früher mal so, als ich in anderen Foren zum Textebewerten begann. Quasi Gruppendynamik. Hab mich dann erst mal zur Selbstreflexion zurückgezogen.)
    Gleichzeitig zähle ich auch nicht zu denen, die für jedes x-beliebige Buch werben würden oder Fake-Rezensionen schreiben würden. Ich will mich sowohl als Autor als auch als Leser noch in den Spiegel schauen können.

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      #17
      Entweder waren die Bücher, die ich früher gelesen habe, besser. Oder ich war noch nicht so "textsensibilisiert", wie ich es jetzt bin.
      Ich tippe auf letzteres.

      Mir geht es daher wie vielen hier: Mein innerer Lektor liest mit. Gerade jetzt, wo ich in der Überarbeitung meines Romanmanuskripts stecke, stolpere ich beim Lesen meiner Gute-Nacht-Lektüre ständig über Wortwiederholungen. Was mich fuchsteufelswild macht: sich dauernd wiederholende dialogue tags ("fauchte sie", "fauchte er", "brummte sie", "brummte er" usw.). Wenn ich auf dem eReader oder dem Smartphone lese, habe ich's mir zur Gewohnheit gemacht, Grammatik- und Rechtschreibfehler, die mir auffallen, gleich rot zu markieren. In gedruckten Büchern mache ich das nicht, weil ich darin ungern an- oder unterstreiche.

      Bei englischsprachigen Büchern ist der Irritationsfaktor nicht so groß, was an der Fremdsprache liegen dürfte. (Wortwiederholungen fallen mir dort, wie ich festgestellt hab, auch nicht so schnell auf wie im Deutschen.)

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      • Milch
        Milch kommentierte
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        Du bist Autor, du hast einen anderen Blick. Normalleser, die nicht ständig auf Wortwiederholungen achten, überlesen es.

      • Lacerta
        Lacerta kommentierte
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        Es war ein langer Weg, aber: Mittlerweile tendiere ich zum Weglassen der Inquit-Formeln – wenn denn ersichtlich ist, wer spricht.
        Alles mit "sagen" zuzukleistern, würde ich nicht wollen. Doch auch das andere Extrem (händeringend Alternativen einzubauen, von wegen: "erwidern", "entgegnen", "bemerken", "feststellen", sodass sich ja nichts wiederholt) find ich furchtbar.

      • Gast-Avatar
        Gast kommentierte
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        Milch - Meine Frau ist keine Autorin und die findet es selbst bei Kinderbüchern doof, obwohl da Wiederholungen gezielt benutzt werden.

        Lacerta - Richtig so! Wo man es weglassen kann, sollte es auch weggelassen werden. Man kann auch viel umstellen, damit man den lästigen Inquit-Quatsch streichen kann.

      #18
      Als Autor? Ich frage mich, wie Menschen im Allgemeinen noch das Lesen genießen können. Die Qualität auf dem (insbesondere deutschen) Büchermarkt ist zu niedrig. Ob sie gesunken ist, kann ich schwer beurteilen. Vielleicht war sie schon (fast) immer niedrig. Nur gab es früher keine Alternativen, auf die Leute heute zurecht ausweichen. Aktuell würde ich niemandem, der in erster Linie auf der Suche nach einer bewegenden Erzählung ist, guten Gewissens einen zeitgenössischen Roman ans Herz legen. Persönlich lese ich durchaus viel. Klassiker, um meinem Bildungswillen nachzukommen. Sachbücher, um mein Handwerk zu schulen. Und auch aktuelle Romane in englischer Originalsprache, damit ich zumindest nicht die Schändung deutscher Sprache miterleben muss. Von Genießen kann aber keine Rede sein.


      Meine These möchte ich anhand eines imaginären und minimal überspitzten Dialogs illustrieren. Szenario: Die Zombie-Apokalypse ist ausgebrochen und es ist nicht mehr möglich, auf die Straße zu gehen. Ich hänge mit einem Kumpel in der Wohnung fest. Das folgende Gespräch könnte sich in ähnlicher Form (nicht) ereignen:


      Kumpel (aus dem Fenster blickend): Tja, schon übel die Sache. Warte mal, ist das nicht dein Nachbar? Der da gerade von einer Horde zerfetzt wird?

      Ich: Jap, jede Wolke hat einen Silberstreifen. Auch einen Schokoriegel?

      Kumpel: Schokoriegel sind natürlich toll. Keine Frage. Aber ehrlich gesagt hätte ich mehr Appetit auf etwas... mit mehr Substanz.

      Ich: Wir haben doch gesagt, nur 1x wöchentlich Nudeln. "Sparsam ernährt sich das Eichhörnchen", sagt der Hahn und steigt von der Schnecke. Altes Zulu-Sprichwort.

      Kumpel: Nein, nein. Ich meine, Nahrung für Körper und Geist.

      Ich (schief guck): Puh, okay. Ich verlasse das Zimmer, da im Schrank sind meine Magazine. Tu, was du tun musst.

      Kumpel: Nein, verdammt. Ich hätte eher Lust auf eine Geschichte. Du weißt schon, irgendwas mit emotionalem Tiefgang und Wachstum, um uns von der Verwesung unserer Realität abzulenken. Ich sehe, in deinem Regal stehen einige Bücher. Könntest du mir was-?

      Ich: Wooo, warte. Ich weiß, es ist keine einfache Zeit, aber...

      Kumpel: Ich will lesen!

      Ich (beiseite nehm): Nein, du verstehst nicht. Ich stimme dir ja zu. So eine Geschichte wäre wirklich mal eine willkommene Abwechslung. Die Menschlichkeit aufleben lassen, während der Tod uns umzingelt. Sehr allegorisch, geradezu kafkaesk. Gefällt mir. Aber in dem Fall würde ich eine Serie empfehlen. Ich habe zum Beispiel Netflix. Weißt du, die ganzen Schreibtalente der letzten Jahre zieht es in den Serienbereich. Dort wird am meisten gezahlt und auch inhaltlich entwickelt. In puncto Storytelling wirst du zweifellos nichts anderes finden, das so nah am Puls der Zeit-

      Kumpel: Ich unterbreche dich ja nur ungerne, aber wir haben kein Internet mehr. Seit zwei Wochen schon! Und von diesen „Vorreitern“ ist wahrscheinlich auch keiner mehr am Leben.

      Ich: Vielleicht drehen sie ja eine Zombie-Doku... egal, nicht so schlimm. Ich habe hier einige DVDs rumliegen, die können wir...

      Kumpel: Strom haben wir auch nicht mehr.

      Ich: … wie wäre es mit paar Disney-Klassikern auf VHS? An Pocahontas kannst du den Archetypen eines ironischen Endes...

      Kumpel (ungeduldig): Kein Strom!

      Ich: Ja, aber der Kassetten-Dingens verbraucht doch kein Strom.

      Kumpel: Was?

      Ich: Ich dachte, die Rekorder laufen auf Batterie. Oder Feenstaub.

      Kumpel: …

      Ich: Ja schon gut, Herr 4. Semester Informatik. Hättest du mal lieber gelernt, wie man Tomatenbäume auf dem Balkon pflanzt, dann könnten wir jetzt vielleicht Pizza essen. Ich meine ja nur, man hätte es ahnen können.......... (verzweifelt) König der Löwen? Wäre spannend, weil ich vergessen habe, wie der Film...

      Kumpel: Kreis des Lebens.

      Ich (geschockt): Ich glaube, sie haben dich gebissen. Du bist doch kein Mensch mehr.

      Kumpel (ungeduldig): Also, gib mir eines der Bücher.

      Ich (nervös): WARTE! Ähm... wir könnten eine Kerze anzünden und einander mit den Schatten an der Wand was erzählen? Irgendwas mit wilden Tieren oder so. Wie nennt man das?

      Kumpel: Schattenspiel? Herr Storyexperte.

      Ich: Ja, ich hol ein Streichholz.

      Kumpel: Das kannst du doch nicht ernst meinen.

      Ich: Und ob!

      Kumpel: Ich will jetzt ein Buch lesen. So, wie früher. Ich konnte tagelang lesen. Ohne Pause. Von früh bis spät. Gibt es eine bessere Gelegenheit als jetzt, um das wieder aufleben zu lassen? Zeit haben wir jedenfalls genug...

      Ich (blabbernd): Nein, nein, nein... veraltete Erzähltechniken... nostalgische Überhöhung... plumper Inhalt... Langeweile, so viel Langeweile.... Schneckentempo aka "atmosphärisch"... Klischees.... noch schlimmer, Anti-Klischees... ohne Selbstironie oder Humor... Dialogführung mit dem Horizont autistischer Papageien.....geschüttelt, aber nicht gerührt.... Logikfehler... Seelenlose Formulierungen vom Fließband.... Karl Marx würde sich im Grabe umdrehen .. DAS KAPITAL ... (nervös kichernd)

      Kumpel: Reiß dich zusammen und gib mir eine Empfehlung.

      Ich: Lass uns Ketchup an die Wand spritzen und die Sprühmuster nach Freud interpretieren. Bitte. Alles, nur bitte verschone uns.

      Kumpel (steht auf): Jetzt reicht es mir. Ich kann auch selber ein Buch nehmen.

      Ich: Na gut, na gut. Du hast gewonnen. Ich gebe dir ein "Buch". Ist eigentlich egal, welches. In den letzten Jahren hat sich da nicht viel getan. Hier, [füge Titel eines Buches von einem deutschen Bestseller-Autoren der letzten Jahre ein], viel Spaß damit. Hau rein. Nur möchte ich noch ein paar Worte sagen, bevor du die erste Seite aufschlägst.

      Kumpel: Aha?

      Ich (bekreuzigt sich): In der oberen Schublade liegen Tabletten. Ich denke, 20 sollten reichen. Schmerzfrei.

      Kumpel: Wovon redest du?

      Ich: Hör mir einfach nur zu. In paar Stunden, wenn du die letzte Seite dieses wunderbaren Romans gelesen hast, wirst du dankbar für diese Info sein.

      Kumpel: Wenn du meinst.

      Ich: Ich gehe ins Wohnzimmer und höre Chopin. Ich kann es nicht mit ansehen, wie mein bester Freund emotional und seelisch zerfällt. Tatenlos zuschauen, wie die letzte Hoffnung aus seinen Augen schwindet...

      Kumpel: Jetzt wirst du aber dramatisch... wir kennen uns doch erst seit einem Monat! Bester Freund am Arsch! Und gebissen hat mich ja auch keiner...

      Ich (Hand auf die Schulter leg): Es ist schlimmer, mein flüchtiger und doch einziger Freund.... viel schlimmer. Ein langsameres, elenderes Zugrundegehen. Die Schande unserer Literatur. Die ungenutzten Möglichkeiten. Das Potential, das nun kein Mensch mehr je ausschöpfen können wird... (Tränen wegwisch)

      Kumpel: Findest du das nicht ein wenig übertrieb-

      Ich (sich wieder fang): Egal. Es spielt keine Rolle mehr. Denk an die Tabletten. Trink genug Wasser. Und wenn du gelesen hast, räum das Buch bitte wieder in den Schrank. Lass es nicht neben dir liegen! Wenn Aliens in 1000 Jahren unsere Leichen finden, werden sie sonst denken, ich hätte dich zu diesem Gräuel gezwungen. Sie werden glauben, ich hätte dich bewusst in die Irre geführt. Dir gesagt: „Lies dieses Buch! Es wird deine Lebensfreude neu entfachen! Hihihi!“ … Ich möchte nicht, dass sie mich für so eine Bestie halten.
      Zuletzt geändert von Palun; 07.10.2017, 07:35.
      "Die Vernunft kann sich mit größerer Wucht dem Bösen entgegenstellen, wenn der Zorn ihr dienstbar zur Hand geht."

      (Papst Gregor der Große)

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      • Gast-Avatar
        Gast kommentierte
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        Hm ... ich könnte dir Peter Richter (89/90) ans Herz legen. Der fällt ein wenig aus dem biederen Rahmen ...

      • Dodo
        Dodo kommentierte
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        *lach* das mit dem Schmunzeln auf den ersten fünf Seiten könnte ich sein. "Taugt nichts" - weg mit dem Buch. Es gibt sogar Pathologie-Fachbücher, die gewitzt geschrieben sind, und sei es nur eine Fußnote, in der steht, dass kein normaler Mensch eine Fußnote liest und die Überschrift "Vorwort" daher in die Fußnote gesteckt wurde, weil sonst auch niemand das Vorwort liest, die Autoren den Inhalt ihres Vorworts aber für lesenwert halten (und darum Kapitel 1 genannt haben).
        Meinst Du mit bieder die Sprache, die Thematik oder das theatralische Sendungsbewusstsein einiger Autoren?
        Ich gehöre zu denen, die gerne das englische Original lesen (weitere Sprachen - *hust* - könnte ich stilistisch gar nicht beurteilen), aber sich bei einer gelungenen Übersetzung auch daran freuen, dass der Übersetzer offenkundig Spaß an der Arbeit (und Sprache) hatte.

      • Gast-Avatar
        Gast kommentierte
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        Bzgl. Übersetzungen: Ich habe mal eine Serie gelesen, bei der ab Teil 4 ein anderer Übersetzer eingesetzt wurde. Teil4 und 5 lasen sich somit, wie die Bücher eines ganz anderen Autoren (im negativen Sinne). So viel Umgangssprache und Wörter, die der Übersetzer scheinbar erst erfunden hatte, habe ich nie wieder in einem Buch gelesen.
        Ich denke also, dass sehr viel mit den Übersetzern steht und fällt. Da kann das Ausgangsmaterial noch so gut sein.
        Ein Hoch auf die fähigen Übersetzer!

      #19
      Auch wenn ich ein bisschen spät dran bin ...

      Ich würde schon sagen, dass ich das Lesen genießen kann, allerdings gelingt es mir nicht den Autor abzuschalten. Dies finde ich aber gar nicht schlimm. Ich sehe es so, dass ich durch das Lesen auch das Schreiben übe. Mittlerweile lese ich auch mit Haftnotizen, Zettel und Stift. Ich finde es interessant neue Vergleiche, Ausdrücke und Wörter zu entdecken.
      Bei manchen Stellen lese ich zwar auch eher schnell und achte nicht auf jedes Wort, teils lese ich aber auch sehr genau.
      Mir fallen natürlich auch Dinge auf, die ich als Autor nicht so ideal finde. Ich persönlich finde das gar nicht schlimm, denn auch daraus lerne ich.
      Nach dem Lesen reflektiere ich gerne das Gelesene und ziehe das für mich Wichtige heraus, frage mich, ob ich meine Kritikpunkte vielleicht in meinen eigenen Texten auch finde und wie ich das verbessern kann. Teils inspiriert mich der Schreibstil anderer Autoren auch und natürlich die Geschichte ansich.
      Ich kann das Lesen also schon genießen, aber ich betrachte es auch als kleine (sehr schöne) "Übung".
      There is no real ending. It´s just the place where you stop the story.
      Frank Herbert

      Kommentar


      • Mona
        Mona kommentierte
        Kommentar bearbeiten
        Das stimmt, durchs Lesen kann man das Schreiben gut üben.
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