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Mittwochsfrage #258: Geschichten ohne klassische Plotstruktur

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    Mittwochsfrage #258: Geschichten ohne klassische Plotstruktur

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    Eine Geschichte hat normalerweise eine Struktur, damit es einen Startpunkt gibt, eine Entwicklung stattfindet, die zum Ziel führt, welches sich optimalerweise aus dem Anfang ergibt. Alles Runde und schick, roter Faden ist ebenfalls vorhanden.

    Wer ein wust aus Erzählsträngen hat, die scheinbar nicht zusammengehören, dem wird meist empfohlen, die Geschichte zu entwirren und Struktur einzubringen. Manchen fällt es leicht, (nach-)zu plotten, für andere scheint es unmöglich. Aber ist es auch für diejenigen unmöglich, die keine (klassische) Struktur hinbekommen, eine gute Geschichte zu schreiben? Kennt ihr solche Geschichten? Wenn ja, welche und weshalb funktionieren sie? Oder seid ihr der Meinung, dass ohne Struktur nicht geht?


    #2
    Diejenigen, die nicht plotten, geraten oft schneller in diese unentwirrbaren Netze, was manchmal auch zur Aufgabe des Projektes führt.
    Ich denke, es gibt einen Unterschied, zwischen strukturlos und unorthodoxer Struktur. Mein aktuelles Projekt aus der Ecke "tragikomische Liebesgeschichte" würde ich auch zu den Geschichten ohne klassische Struktur zählen. Das bisherige Feedback bemängelt das zum Glück nicht.
    Wahrscheinlich funktioniert es, da es sehr figurenlastig ist. Es geht gar nicht so sehr um den Rahmen, sondern hauptsächlich um das Innere des Protagonisten (und der anderen Figuren).
    Solche Geschichten können also auch funktionieren, ohne einer festen Struktur zu folgen. Ganz ohne diese geht es allerdings wirklich nicht. Zumindest nicht bei längeren, zusammenhängenden Werken.
    http://www.wandern-mit-kindern-in-thueringen.de

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      #3
      Es gibt durchaus Geschichten, die ohne eine klassische Plotstruktur funktionieren, Biografisches zum Beispiel. Das Leben schenkt einem nicht immer einen gleichmäßig runden, sinnvoll aufgebauten Spannungsbogen. Trotzdem oder gerade deswegen ist es spannend zu lesen, weil man nicht vorausahnen kann, wo die Reise hinführt.

      Trotzdem versucht man die Erzählstränge, die man angefangen hat, ja auch irgendwie zu einem Ende zu führen. Oder man sortiert sie aus, wenn sie allzu unbefriedigend ins Leere laufen. Insofern, streng genommen, wenn es ein Ende gibt, dann gibt es auch einen Anfang. Nur die Entwicklung dazwischen ist variabel und folgt nicht unbedingt einem einzelnen roten Faden.

      Ich entwuste gerne Plotfäden und stricke sie dann nett zusammen. Wenn eine unerwartete Farbe dazwischen heraussticht, dann seh ich es als Herausforderung, sie schön mit in den Rest einzuweben. Das ist eines der Dinge, die mir am Schreiben und auch bei der Arbeit am meisten Spaß macht. Vielleicht vermeide ich auf deshalb, allzu strikt vorzuplotten, bevor ich mit dem Schreiben anfange. Das würde mir zu glatt und langweilig.

      Ob die Leser das mögen ist vermutlich eine individuelle Sache. Ich kann mir gut vorstellen, dass es etliche gibt, die es eher nervt, wenn die Geschichte auf einmal in eine ganz andere Richtung abbiegt als erwartet. Ich nähere mich in meiner aktuellen gerade dem Punkt, an dem solche Leser sie mir vermutlich um die Ohren klatschen werden. Bin mal gespannt, ob es auch welche gibt, denen es gefällt.

      Poems are never finished.
      Just abandoned.

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        #4
        Ein Roman ist relativ frei in seiner Struktur, das ist das Kennzeichen von Romanen. Zu viele nicht abgeschlossene Erzählstränge können durchaus verwirrren, bei kürzeren Geschichten kann es anders aussehen, wenn sie in sich eine stimmige Struktur haben. Die Schwierigkeit besteht erstens darin, dass der Leser sich vielen Informationen merken muss. Außerdem muss für verschiedene Perspektiven möglichst eine eigene und einprägsame Sprache entwickeln, das stellt hohe Anforderungen an das handwerkliche Geschick.

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          #5
          Die Plotstruktur, von der wir hier wahrscheinlich automatisch ausgehen, dürfte ja eine sein, die letztlich auf die europäische klassische Antike zurückgehen dürfte, mit dem Drama in fünf Akten nach, äh, wahrscheinlich Aristoteles. Letztlich findet man das Prinzip Anfang, Mitte, Schluss und kurz dem Ende ein Hui-Augenblick wahrscheinlich weltweit. Zumindest irgendeine Form von Aha-Erlebnis kurz vor Schluss.
          Dass es anders als allein auf "unsere Weise" geht, zeigen ja Erzählstrukturen anderer Kulturen; ich kenn mich da überhaupt nicht aus, aber mir kommt es, wenn ich mal Werke von Nicht-Murakami-japanischen oder kanadisch-indigenen Autoren lese, weniger bombastisch und aufbauschend und manchmal einfach nur sprachberauscht vor - sicher, weil ich die ganzen intrakulturellen Verweise nicht bemerke, die sich noch dahinter verbergen. Macht aber nichts, denn die Geschichten unterhalten genauso wie gewohnte Geschichten, vielleicht sogar besser, weil sie Erwartungen durchkreuzen, ohne die Geschichte zu stören.
          Ich weiß allerdings nicht, wie viel Ausprobieren anderer Erzähltechniken hierzulande (im westlichen Kulturraum) von Lesern in kommerziell relevanten Ausmaßen angenommen würde.

          Mir gefällt natürlich die gewohnte Western-Plotvariante, so als Gewohnheitstier, aber manchmal nervt sie, nämlich wenn sie mir von Hollywoodblockbustern mit möglichst immer mehr Pyrotechnik und Kollateralschaden als "erzählerischer Höhepunkt"/i ins Absurde oder schon Eklige übersteigert präsentiert wird. Ich weiß noch, wie ich nach "Lost in Translation" völlig gebannt war, dass ein Film so leise und so berührend sein kann - wobei ich auch dachte: Was hat die Geschichte eigentlich erzählen wollen? Und dass diese Frage aufkommt, vermisse ich bei vielen anderen Filmen und Büchern. Hauptsache, es kracht, anstatt die Story allein wirken zu lassen. In dem Krach wird eine Frage nach dem erzählten Thema völlig erstickt.
          Jedenfalls kommt mir "Lost in Translation" wie eine Abweichung von westlich-klassischer Erzählstruktur vor. Scheinbar auch Filme wie "Memento" und "21 Grams" - aber die können nur funktionieren, weil sie in der korrekten Reihefolge eben knallhart der erwarteten Plotstruktur folgen, die der geneigte Zuschauer eben bewusst oder unbewusst kennt und erwartet und im Geiste rekonstruiert.
          Bei mir habe ich schnell festgestellt, dass ich die Fragen "wo ist Dein 1. Wendepunkt" und ähnliches nicht beantworten kann. Mir kommt es auch unwichtig vor. Hauptsache, der Leser liest weiter. Natürlich ist der in gewohnten Plotstrukturen zuhause, aber das bin ich durch das Lesen vieler Bücher auch. Daher schätze ich, dass ich mich der europäischen Erzählnorm nie lossagen könnte. Will ich auch nicht. Im Grunde gefällt mir die Autofahrer-Struktur: Zündung, Anfahren, Herumheizen, Unfall, Versicherungsgedöns (aber nicht Bestatter ). Die Punkte könnte ich wahrscheinlich bei meinen Storys benennen. Vielleicht auch nicht, aber sie sind drin.

          Ob man sich mit mehreren Handlungsfäden im Vorhinein um Struktur bemühen muss ... Ich würde sagen, man sollte wissen, wo sie zusammenlaufen, und unterwegs die Wege festhalten, damit man nicht an der falschen Kreuzung herauskommt (ich muss ja jetzt in meinem Autofahrer-Kontext bleiben). Egal, welcher Erzählstruktur man folgen möchte.
          Zuletzt geändert von Dodo; 29.03.2023, 16:51.

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            #6
            Ich habe in der letzten Zeit keine Bücher gelesen, die bewusst drauf verzichten.
            Dafür habe ich ein Buch gelesen, dass ein sehr, sehr langen Anfang hat und danach alle 6 der 7 Plot-Points auf die letzten... 60 % des Buches quetscht.


            In Marie Graßhoffs "Hard Liquor" passiert am Anfang praktisch nichts Relevantes. Die Prota wird eingeführt, ihr Probleme beleuchtet, aber ein großer Teil davon plätschert nur vor sich hin. Richtig in Fahrt kommt die Story nach etwa 3/5 der Geschichte (kann es schlecht in Prozente ausdrücken), als Tycho das erste Mal von der Behörde festgenommen wird. Danach bleibt es eine Weile auf dem Level, richtig Action mit dem großen Wendepunkt kommt dann bei den letzten 4/5 des Buches. Mich persönlich hat es etwas gestört. Der große Plot-Turn, also die eine Offenbarung, dass ihr Jugendfreund und seine Familie die Antas sind, kommt also praktisch kurz vor Schluss.
            Für mich wirkte es so, als ob sich die ganze Struktur nach hinten verschoben hatte und man nur einen Teil des Anfangs löschen musste, damit es passt.
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            Mich hat das etwas gestört, weil dadurch die gesamte Story erst richtig lahm ist und am Ende total gehetzt wirkt.

            Ich war selbst lange gegen diesen 7-Punkte-Plot, weil ich dachte, dass dadurch Geschichten vorhersehbar werden. Inzwischen sehe ich das deutlich anders. Funktionieren kann es, denke ich, wenn der Autor diese Plotstruktur beherrscht und aktiv mit ihnen spielt, sie bricht oder neu interpretiert. Bis jetzt habe ich das aber noch nicht erlebt. Und ich merke, dass grade neue Serien (RdM, Willow, The Witcher) nur so dahinplätschern, komische Logiklücken haben und teilweise die "Plotturns" nur konstruiert wirken, eben weil sie sich nicht mit den Regeln des Plottens beschäftigen.
            Unter den Masken (2021) - Booksnacks/dp DigitalPublishers
            Nordfriesentote (2021) - Twentysix

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            • magico
              magico kommentierte
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              Dan Simmons' Bücher haben auch oft dieses Phänomen der langen Durststrecke und des quälend langsamen Plotaufbaus.
              Ich mag sie trotzdem, da die guten Stellen überwiegend und die Gesamtheiten der Geschichten stimmen.

            • Gloria Regali
              Gloria Regali kommentierte
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              Gut, in dem Buch kam noch dazu, dass mir das Ende nicht gefallen hat. Wahrscheinlich hat sich das alles aufsummiert ^^ Was ich sehr schade fand, da ich die Idee und die Prota eigentlich toll fand, aber das hat mir alles versaut.
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