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Arschlo*** Charaktere - wie gestalten und beschreiben?

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    Arschlo*** Charaktere - wie gestalten und beschreiben?

    Hallo zusammen!

    Verzeiht mir die drastische Überschrift
    Momentan beschäftige ich mich viel mit Antagonisten und habe (bezogen aber auf Filmanalyse) zwei Arten gesehen:
    1. Der Böse mit den "guten Gründen"
    2. Der Böse, der einfach herrlich und gerne böse ist.

    Die Kritik an beiden Arten von Antagonisten sah so aus:
    Die erste Variante handelt zwar irgendwie nachvollziehbar und man kann sich als Zuschauer und Leser in ihn hineinfinden, aber dabei verschwimmen wohl auch mal die Grenzen zwischen Gut und Böse. Offensichtlich fällt es manchen schwer, mit den Guten mitzufiebern, wenn der Antagonist eigentlich ganz nachvollziehbare Gründe hat, auch wenn seine Wege unmoralisch und oft auch sehr, sehr grausam sind.
    Variante zwei macht eher Spaß anzuschauen und auch zu lesen, weil diese Figuren auf ihre böse Weise charismatisch sind. Anderseits haben diese oft keine richtige Motivation und bleiben dadurch flach und wenig nachvollziehbar. Dafür ziehen diese eine klare Grenze zwischen den Helden und den Schurken der Geschichte.

    Da mein Antagonist in meinem aktuellen Projekt recht viel Screentime bekommt, hat er jetzt eine Hintergrundgeschichte und auch eine deutliche Charakterentwicklung. Jetzt habe ich aber das Gefühl, dass mir genau das passiert, was ich oben beschrieben habe. Er ist ein Arsch, er ist fies, gemein und quält meine Prota und seine Schwester seelisch und körperlich, um sein Ziel zu erreichen. Dadurch aber, dass er eben auch eine fiese Vergangenheit hat und sein Motiv auch eher menschlich ist, kann ich ihn am Ende schwer leiden lassen. Weil, ein bisschen verstehe ich ihn
    Irgendwie tu ich mich immer wieder schwer damit, meine Antagonisten einfach "nur böse" zu machen und ihnen "nur" Macht oder zum Beispiel eine Ideologie als Motiv zu geben. Dabei habe ich für mich noch kein Zwischending gefunden. Ein gutes Beispiel war für mich Tante Lydia aus Handmaids Tale, weil sie auf der einen Seite einfach nur grausam ist, aber auf der anderen Seite ab und zu eine für sie logische Menschlichkeit zeigt, auch wenn diese total verquer ist.

    Wie ist das bei euch?

    Liebe Grüße
    Glora
    Unter den Masken (2021) - Booksnacks/dp DigitalPublishers
    Nordfriesentote (2021) - Twentysix

    #2
    Für mich hängt da viel vom Genre ab bzw. dem Level an Realismus, das ich der Geschichte mitgeben will. In einem eher märchenhaften Setting ist es für mich akzeptabel, dass ein Bösewicht böses tut, weil er einfach böse ist. Aber außerhalb solcher Settings befriedigt mich das einfach nicht. Ich finde es spannend, die Psychologie eines Antagonisten zu erforschen und zu verstehen, und dazu gehört nunmal auch, dass er aus seiner Perspektive heraus logisch handelt.


    Ein paar Ideen, wie du nicht ungewollt allzu viele Sympathien für den Antagonisten weckst:

    Du erklärst seine Motive zwar, aber packst da nicht zu viel Emotionalität dahinter, sodass man wenig Sympathie dafür entwickelt: Ein Antagonist, der eine Million stiehlt, um sie an ein Waisenhaus zu spenden, weckt mehr Sympathien als ein Antagonist, der eine Million stiehlt, um sich einen Privatjet zu kaufen. Beide tun dasselbe und haben ein valides Motiv, aber das Motiv selbst ändert stark, wie man sie als Leser wahrnimmt.

    Das Ziel steht in keinem vernünftigen Verhältnis zu dem, was der Antagonist dafür tut. Wenn jemand 17 Omas vergiftet und dann ihre Rentenschecks an das Waisenhaus spendet, dann hält sich das Verständnis der Leser dafür auch eher in Grenzen.

    Du legst den Fokus auf das Leid des Protagonisten bzw. der Opfer statt auf das Ziel des Antagonisten. Wenn ausführlich beschrieben wird, wie dringend das Waisenhaus das Geld braucht, weil Sophiechen und Karli wegen dem kaputten Dach bereits eine Lungenentzündung haben, die bestohlenen aber eher gesichtslose Randfiguren, dann hält man als Leser eher zum Antagonisten (sofern er überhaupt noch als einer wahrgenommen wird und nicht tatsächlich sogar als Held à la Robin Hood). Wenn du dagegen der Geschichte einer alleinerziehenden Mutter folgst, die gerade nach zwei Doppelschichten genug Geld zusammengekratzt hat, um ihrer Tochter einen Geburtstagskuchen zu backen, und die wird dann überfallen und bestohlen, dann empfindet der Leser den Diebstahl aus der Perspektive der Mutter als ungerecht, und das Motiv wirkt weniger nachvollziehbar, wenn die Waisen wiederum nur am Rande erwähnt werden statt ausgearbeitete Figuren zu sein.


    In deinem konkreten Fall könnte daher tatsächlich das Problem sein, dass du dem Antagonisten zu viel Screentime gibst bzw. deinen Protas zu wenig. Jedes Mal, wenn du perspektivisch in den Antagonisten schlüpfst, forderst du damit den Leser auf, seine Sicht einzunehmen, in seine Schuhe zu schlüpfen. Du gibst ihm quasi die Gelegenheit, sich dem Leser gegenüber zu erklären und seine Methoden zu rechtfertigen. Seine Erklärung mag dubios sein, aber er ist dem Leser auf diese Weise trotzdem näher und gewinnt zu einem gewissen Grad Verständnis, als wenn er einfach eine von Außen betrachtete Figur bleibt. Gibst du ihm diese Gelegenheit nicht, dann bildet der Leser seine Meinung allein aus der Perspektive der Protas, die unter ihm leiden und deren negative Gefühle dem Antagonisten gegenüber das Urteil des Lesers stark beeinflussen werden.
    Poems are never finished.
    Just abandoned.

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      #3
      Ergänzend zu Ankhs zutreffenden Anmerkungen: Ich kenn das Phänomen, dass man dem Anta mehr Zeilenzeit zukommen lässt. Und dann noch mehr. Weil's so einen Spaß macht. Bei mir ist das ein untrügliches Zeichen, dass der Prota (mir) zu langweilig und zu sauber ist – der braucht dann noch ein paar spannende Macken / Schwächen, die ich beim Schreiben genauso auskosten kann wie beim Anta.

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        #4
        Danke für euer Feedback. Das mit meiner Prota stimmt tatsächlich, das Problem habe ich (hoffentlich) nun behoben.

        Ich habe meinen Antagonisten nochmal überarbeitet und nun die erste Testleserunde gestartet. Danach werde ich sehen, ob es so passt. Danke euch
        Unter den Masken (2021) - Booksnacks/dp DigitalPublishers
        Nordfriesentote (2021) - Twentysix

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          #5
          Der Anta muss nicht böse sein, er arbeitet nur gegen den Prota. Wenn der Prota ein Serienkiller ist, dann könnte der Anta der Polizist sein, der ihm auf die Schliche kommt.

          Die erste Variante handelt zwar irgendwie nachvollziehbar und man kann sich als Zuschauer und Leser in ihn hineinfinden, aber dabei verschwimmen wohl auch mal die Grenzen zwischen Gut und Böse. Offensichtlich fällt es manchen schwer, mit den Guten mitzufiebern, wenn der Antagonist eigentlich ganz nachvollziehbare Gründe hat, auch wenn seine Wege unmoralisch und oft auch sehr, sehr grausam sind.
          Wie Ankh schon gesagt hat, das Problem ist nicht so sehr die Nachvollziehbarkeit des Antas, sondern dass der Leser mehr mit dem Anta mitfiebert als mit dem Prota. Wenn der Prota allein durch Sympathie nicht mithalten kann, kann man ja noch andere Gründe einbaue, sich das Gelingen des Prota zu wünschen. Bei dem Serienkiller kann das einfach sein, dass der Leser weitere spannende Aktionen des Killers sehen will, die ihm verwehrt bleiben, wenn er Killer eingesperrt wird. Bei mir ist ein konkreter Fall so, dass ein Gelingen des Prota ihm erlaubt, endlich einen geheimen Ort zu betreten, den der Leser (hoffentlich) kennenlernen will.

          Variante zwei macht eher Spaß anzuschauen und auch zu lesen, weil diese Figuren auf ihre böse Weise charismatisch sind. Anderseits haben diese oft keine richtige Motivation und bleiben dadurch flach und wenig nachvollziehbar. Dafür ziehen diese eine klare Grenze zwischen den Helden und den Schurken der Geschichte.
          Ich bin mir nicht sicher, ob das Problem damit überhaupt gelöst wäre. Denn interessant soll der Bösewicht ja schon sein, das heißt, wenn er schon keine nachvollziehbaren Gründe hat, muss er dennoch unterhaltsam sein. Makaber lustig vielleicht, oder beeindruckend durch seine Stärke. So oder so läufst du also wieder Gefahr, dass er dem Prota den Rang abläuft.

          Ich glaube, das Problem hat gar nicht so viel mit Antas zu tun als einfach mit Nebencharakteren, die den Protagonisten in den Schatten stellen. Aber statt diese Charaktere künstlich uninteressanter zu machen würde ich eher den Prota interessanter machen, oder eben andere Gründe einbauen, um mit dem Prota mitzufiebern.

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          • Gloria Regali
            Gloria Regali kommentierte
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            Danke
            Ich persönlich mag "Bösewichte" mit Geschichte und Charakter lieber. Das mit dem Prota aber stimmt schon, wenn der uninteressant ist, hilft es nicht, den Antagonisten blasser aussehen zu lassen. Ich bin ja mehr der Filmmensch als Leseratte (zu meinem Leidwesen) und muss da an das ewige DC vs. Marvel Thema denken. Marvel hatte die besseren Helden und oft stumpfe Bösewichte. Bei DC kann ich es nicht genau sagen, aber ich fand deren Helden fast immer total öde und lieblos.
            Grandios fand ich ja Hans Landa von Inglorious Basterds. Er war ein Arsch, von ganzem Herzen böse, intelligent und sehr bedacht. Die "Helden" (die ja alle keine Helden in diesem Sinne waren), waren aber ebenfalls klug und herrlich fies. Im Endeffekt kämpfte da "Böse" gegen "Böse", wobei die "Helden" im Vergleich zum Hans Landa noch bessere Motive hatten.

            Keine Ahnung, warum ich das schreibe, ging mir nur grade durch den Kopf. Da ich total auf Antihelden stehe, muss ich immer wieder daran denken ^^

          #6
          Aber ich denke, ich weiß, was mein Problem war.
          In den Projekten davor habe ich viel Zeit in meine Antihelden gesteckt, die Antagonisten agierten mehr aus dem Hintergrund und kamen erst zum Ende hin richtig zum Vorschein. Dadurch lag der Fokus auf meinen Helden und deren Macken.
          Dieses Mal wollte ich einen gutenm tiefsinnigen Antagonisten schaffen. Da sich meine Prota und ihr Gegner die ganze Zeit am selben Ort aufhalten (wie bei Handmaids Tale befindet sie sich die meiste Zeit in seinem Zuhause), sollte mein Anta eben nicht nur ein stumpfer Bösewicht sein. Dabei habe ich wohl meine Prota etwas aus den Augen verloren, auch deshalb, weil die Schwester des Antas als „zweite Antiheldin“ auch mehr in den Fokus gerückt ist.

          Ich warte jetzt auf das Feedback der Testleser. Je nachdem, was sie sagen, habe ich es gut bearbeitet oder eben nicht
          Unter den Masken (2021) - Booksnacks/dp DigitalPublishers
          Nordfriesentote (2021) - Twentysix

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          • Ankh
            Ankh kommentierte
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            Ich denke, es kommt auch viel darauf an, wie du die Sache am Ende auflöst. Eine böse Hexe kann man getrost in den Ofen stoßen, ohne, dass ihr jemand nachtrauert. Wenn du aber einen Konflikt hast, bei dem der Leser auf beiden Seiten gute Argumente erkennt, dann hofft er vielleicht auch auf eine etwas diplomatischere Auflösung, bei der nicht plötzlich eine Seite nuancenlos als richtig und die andere als falsch stehen bleibt.

          • Gloria Regali
            Gloria Regali kommentierte
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            So habe ich es versucht, zu lösen. Meine Prota ist moralisch auch nicht ganz sauber, wenn natürlich auch das Opfer in der Geschichte. Am Ende gewinnen und verlieren beide etwas, aber mein Anta deutlich mehr als meine Prota. Daher bin ich sehr auf das Feedback gespannt. Nur weil es für mich funktioniert, muss es der Leser ja nicht auch so sehen.

          • Ankh
            Ankh kommentierte
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            Wird schon! Ich drück die Daumen, dass es gut bei den Testlesern ankommt
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