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Fiktion und Wirklichkeit

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    Fiktion und Wirklichkeit

    Beim Lesen eines anderen Threads hat sich bei mir aufgrund einer Aussage eine Fragestellung entwickelt, die ich gerne einmal in die Runde geben möchte.

    Zitat von Victoria

    Ich lese gerne Erotik, bei der es auch düster sein darf. Aber es muss deutlich werden, dass es eine erotische Fantasie ist.
    Wie erreicht man es beim Schreiben fiktionaler Texte generell, zu zeigen, dass es sich um eine Fantasie und nicht um berichtete Wirklichkeit handelt? Und warum ist das überhaupt wichtig? Man möchte als Autor*in doch, dass die Leser*innen das Gefühl bekommen, dass die Geschichte der Wirklichkeit entspricht und eben nicht ausgedacht ist.

    #2
    Ich denke, wenn du nicht extra dazuschreibst, dass die Geschichte biografisch ist oder auf wahren Begebenheiten beruht (und selbst dann ist da oft viel erdichtet), geht ein Leser schon davon aus, dass die Handlung eines Romans erfunden ist. Das hindert ihn nicht daran, sich auf die erdachte Welt einzulassen und mitzufiebern.

    Die Information, wie weit sich der Leser von der Realität lösen muss, um sich auf die Geschichte einzulassen ("willing suspension of disbelief") würde ich in den Einstiegsszenen etablieren. Wenn da gleich am Anfang Superhelden, Dämonen, Zeitreisen. Magie oder SciFi-Technik vorgesetzt werden, dann ist es leichter für einen Leser, diese Elemente zu akzeptieren, als wenn er erst 300 Seiten sehr realistische Schilderungen bekommt, bevor auf einmal ein Dämon um die Ecke schneit.

    Im Falle der Erotikgeschichte geht es denke ich vor allem darum, wie man gewisse Dinge aufnimmt. Wenn du in einem realistischen Buch schilderst, wie eine junge Frau von einer Räuberbande entführt wird, dann empfindest du das als Leser als etwas Negatives, weil es in der Realität eben etwas Negatives ist. Kein Polizist oder Zeuge würde daneben stehen uns sagen "hachja, wie schön für sie, so romantisch!" In einem Nackenbeißerroman ist es aber eine Phantasie, bei der du aufgrund des Genres schon vorher ahnst, dass sich die junge Frau und der Räuberhauptmann demnächst unsterblich verlieben und wilden, nicht-ganz-einvernehmlichen-aber-doch-im-Grunde-erwünschten Sex haben werden. In dem Fall will der Leser gar nicht von einem realistischen Szenario ausgehen, sondern eben eine romantische/erotische Fantasie vorgesetzt bekommen.

    Die Frage ist, wie du das jetzt als Autor deutlich abgrenzt. Du willst ja schließlich nicht als jemand dastehen, der reale Entführungen verharmlost oder gar gutheißt. Ein Weg ist da bestimmt über das Genre, wenn du die Geschichte in ein Heftchen druckst mit einem entsprechenden Bild vorne drauf, weiß die geneigte Oma an der Supermarktkasse, was Sache ist. Im Internet gibt es entsprechende Kategorien, Unterforen, Contentwarnungen, Tags und so weiter, damit sich der Leser nicht ins falsche Genre verläuft.
    Aber ich denke, du kannst auch viel über die Sprache steuern. Beschreibst du die Räuber eher als "ein hochgewachsener, muskulöser Mann mit grünen Augen und einem rauen, wilden Charme" oder als "Täter um die 30, 1,83 m groß, muskulös gebaut, helle Augen, schwäbischer Akzent".
    Poems are never finished.
    Just abandoned.

    Kommentar


    • Elementargeist
      Elementargeist kommentierte
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      Ok, es scheint also im Wesentlichen die Einbettung zu sein, die es ermöglicht, etwas wirklichkeitsgetreu und gleichzeitig fiktional erscheinen zu lassen - das bedeutet also, dass man auf der sicheren Seite ist, sobald man die Wirkungsebene mitdenkt, richtig?

    • Ankh
      Ankh kommentierte
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      Sofern "mitdenken" einschließt, dass du auch deutlich machst, auf welcher Ebene deine Geschichte gelesen werden soll, ja. Wobei ich die bei grenzwertigen Themen generell deutlicher kommunizieren würde als bei harmlosen, einfach um sicher(er) zu gehen, dass ich keine Grenzen verletze.

    #3
    CN: Gewalt, Gore und BDSM in den Beispielen.


    Ich bin der Meinung, dass jede fiktive Geschichte eine Realität hat. Diese Realität muss nicht unserer entsprechen, in der wir leben. Wenn man Fantasy schreibt und dort Zombies vorkommen, sind diese Zombies (wenn die Story gut geschrieben ist) "echt" und gefährlich und schrecklich und angsteinflößend – und das wird dann auch so von den Lesenden wahrgenommen. Um es zu ein bisschen bildlicher zu machen, nehme ich mal Filme als Beispiel. Ist ein Film auf "Grusel" ausgelegt, werden die Zombies so dargestellt, dass man als die Zuschauenden Angst haben (sollen). Ist es eher ein Zombie-Komödie, wirkt es sogar vielleicht lustig, wenn da mal ein Arm abgerissen wird. Durch das Licht, die Kameraeinstellung, die Musik, die Schauspieler*innen und deren Sprüche wirkt es halt spaßig.

    Ich selbst kann abgerissene Arme sehen, wenn es in einer Komödie oder in einem Actionfilm vorkommt, welche nicht zu realistisch sind. Denn die "Realität" dieser Filme heißt: Upsi, ein Arm weg. Nun ja, dann halte ich meine AK-47 halt mit der anderen Hand und weiter geht's. Hihihi.

    Ich möchte als Zuschauerin wissen, um was für eine Realität es sich handelt. Ist es ein Film wie "Die Hard", wo die Leute einfach mit Schrammen und ein bisschen Blut wieder aufstehen und weitermachen oder bedeuten Verletzungen tatsächlich was?

    Bei Erotik ist es genauso. Da hat Ankh ja auch schon ein prima Beispiel gegeben.

    Als Autor*in geht man ein Commitment mit den Lesenden ein. Und dafür zeigt man zu Anfang einer Geschichte, worum es geht und was es für eine Realität ist. Ebenfalls wie Ankh gesagt hat mit Cover, Klappentext, Produktbeschreibung, Inhaltswarnungen, Vorwort, Duktus, …

    Alles, was danach kommt, ist reines Handwerk.

    CN: BDSM

    Ich glaube, mich daran zu erinnern, dass der erste Band von 50 Shades of Gray nicht gut umgesetzt war. Die Protagonistin hatte Angst vor diesem Typen. Und es wurde schreibhandwerklich so dargestellt wie Angst-Angst und nicht "uh, der Mann ist gefährlich, rrr, es kribbelt in mir, ich hab ein bisschen Angst, aber mich macht es auch an." An einer andere Stelle wurde sie geschlagen, es hat ihr wehgetan und sie wollte nicht mehr. Aber wenn jemand beim Sex oder sexuellem Vorspiel nicht nicht mehr will, weil es wehtut, ist es nicht sexy. Sexy wird es, wenn die Handlung von der Erzählperspektive eingeordnet wird à la "es tut weh, aber gerade das ist anregend, und xy will noch mehr".

    Wenn man sich die aktuellen Diskussionen und Textausschnitte im Forum ansieht, findet man wenig "Lust", auch wenn es der Titel vermuten lässt. Dafür wird zu wenig aus der Perspektive der Submissiven geschildert, sondern mehr die Brutalität der Welt und der Täter. Das Leid der Figur wirkt auch nicht so, als wäre es nötig, um an das Glück zu kommen, sondern – sorry – so, als würde die schreibende Person einfach Bock haben, jemanden leiden zu lassen.

    Das erinnert mich an blutige Folter-Splatter, die ich in meiner Jugend im Gruppenzwang geschaut habe. Ich persönlich habe keinen Spaß daran. Wenn Leute "Gore" cool finden, ist es völlig okay. Ich will nur nicht mit einer düsteren Erotikgeschichte gelockt werden, bei denen ich eher an "Frau verliebt sich in einen Gangsterboss und wird am Ende auch zu einer heißen Gangsterbraut" denke, aber dann Leute abgeschlachtet werden.
    Zuletzt geändert von Victoria; 17.03.2023, 23:01.

    Kommentar


    • Elementargeist
      Elementargeist kommentierte
      Kommentar bearbeiten
      Deine ausführliche Erklärung ist sehr aufschlussreich und löst bei mir den scheinbaren Widerspruch auf. Danke dafür!

    • Victoria
      Victoria kommentierte
      Kommentar bearbeiten
      Elementargeist
      Das freut mich.

    #4
    In wie weit darf man denn in einer Welt wo ein Fantasywesen über der Realität steht. Also darf dieses Fantasywesen Grundsätze unserer modernen Gesellschaft als schlecht darstellen und diese Aufgreifen und eine semi moderne Lösung anbieten die aber moralisch unvertrettbar ist, so das Fantasywesen, sie doch nicht oder nur bedingt umsetzt.

    Beispiele aus der Vampirwelt

    Der Zweite Weltkrieg war auch für meine Vampire schlimm. Um so etwas wie den Holocaust zb zu verhindern, haben meine Vampire ein Gesetzt erlassen das mein Obervampir zb wenn ein Vampirherrscher sich zu viel rausnimmt oder anfängt zb die Menschen seines Landes zu unterdrücken oder eben sie einzupferchen und systematisch umzubringen. Eben Verbrechen an der Menschheit( ein bisschen Widersprüchlich da es keine Menschen sind, wenn er jetzt Vampirmassenmorde verübt aber ihr wisst was ich meine) begeht. Das da die VampireEU kommen darf und das Lamd einfach ohne Grund besetzen darf und den nennen wir ihn Psychophatischen Herrscher absetzten darf und gegebenenfalls auch töten kann, um eben Unschuldige Leben zu retten.

    Darf ein Roman solche Fragen aufgreifen?
    DA fällt auch zb das Züchten von Lenewesen mit rein. Moralisch totall verwerfliche Dinge die innerhalb dieser Welt romantiesiert werden und die Bewohner der Welt, damit argumentieren, wir tun diese Schlimmen Sachen eben um andere noch schlimmere Sachen zu verhindern und unsere Nachbarn die Menschen zu beschützen.

    Kommentar


    • Elementargeist
      Elementargeist kommentierte
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      Das wäre dann ein Spiegel der Menschheit durch nicht menschliche Wesen. Ist ein übliches Verfahren, z.B. in Form von Parabeln oder Allegorien. Allerdings würde dann auch explizit eine Botschaft im Zentrum stehen, so etwas wie ein Appell. Ist das bei dir beabsichtigt?

    • Ankh
      Ankh kommentierte
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      Du fragst oft "darf ich". Das ist aber eigentlich sinnlos, denn solange du nicht wirklich strafbare Schriften veröffentlichst, darfst du zunächst mal alles.

      Die Frage ist, welche Botschaft transportierst du damit und wie wird diese Botschaft von deinen Lesern aufgenommen? Ist es die Botschaft, die du tatsächlich vermitteln willst und ist sie mit dem Moralempfinden der Leser vereinbar?

      Wenn du von vorneherein weißt, dass die Lösung deiner Figuren für ein Problem moralisch nicht vertretbar ist, dann ist die Frage, was du damit vermitteln willst. Dass deine Figuren einfach eine verkommene Moral haben Und nicht fähig sind, gewaltfreie Lösungen zu finden? Okay. Dass du dafür plädierst, dass wir uns alle ein Beispiel an dieser "genialen" Lösung nehmen sollen? Damit wirst du schnell auf Ablehnung stoßen.

    • Mephistoria Drago
      Mephistoria Drago kommentierte
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      Elementargeist

      Ja das ist beabsichtigt. Meine Vampire wollen vorbild sein. Aber wie es bei Menschen auch böse Menschen gibt, gibt es auch böse Vampire. Vampire die glauben weil sie mächtiger sind, müssten sie die Menschen wie Dreck behandeln. Die Führer der zwölf Länder haben sich aber zu einem Schutzbund zusammengeschlossen. Sie wollen die Menschheit schützen und nicht unterjochen. Sie versuchen Vorbild zu sein.

      Anhand ihres Langen Lebens haben sie kein Problem wieder ohne Strom dazusitzen. Sie sehen wie die Menschen immer mehr Technologie entwickeln. Sie nutzen diese auch weil sie halt mit der Zeit gehen müssen. Aber ihnen ist das Risiko stärker bewusst.

      Menschen können sich mit , biss der Klimawandel tatsächlich gefährlich wird bin ich lange tot, rausreden.

      Ein Vampir allerdings, der ja nicht diesen natürlichen Tod hat, will die Erde stärker beschützen, weil er es eben noch mit erleben wird.

      Mein Vampire wollen also Vorbild für die Menschen sein. Ich nutze die Vampire, meine Vampire um ein exaktes Abbild der Gesellschaft zu kreiren und sie mit den notwendigen "Moralischen Fehlern" zu versetzten die es nun mal zum überleben einer Solchen Gesellschaft braucht. Gleichzeitig haben sie manche schwächen nicht, die die echte Menschen Gesellschaft hat.

      Warum, nicht auf jedes Haus der Welt Solarzellen. Dann hätten wir doch für Jahrzenhte Strom. Meine Vampire wurden das tun.

    #5
    CN Gewalt

    Für mich stellt sich die Frage, warum ein Autory etwas ausführlich behandelt, was im alltäglichen Leben eher marginal vorkommt und was sich für die meisten Lesys eher "unangenehm" anfühlt, also z.B. Gewalt in allen Formen. Immerhin ist es doch eine bewusste Entscheidung, in welchem Genre ich mich bewege, ich kann mich also schlecht mit dem Spruch "Im Genre xy ist das halt so, das erwartet die Leserschaft" "herausreden".

    Mir fallen da verschiedene Möglichkeiten ein, wie z.B.:
    • Autory möchte eine Botschaft transportieren, z.B. über Missstände berichten, weil es denkt, dass es wichtig ist, dies bekannt zu machen (z.B. Berichte über Kriegsgreuel usw.), auch wenn Autory selbst vielleicht sogar darunter leidet darüber zu schreiben.
    • Autory sieht es als Gelderwerb, ist vielleicht sogar selbst abgestoßen vom Thema, sieht aber gute Vermarktungschancen und betrachtet es daher als notwendiges Übel.
    • Autory bewegt sich persönlich in diesen Gefilden, bzw. ist davon angetan und lebt quasi im Schreiben diese Fantasien in einer Qualität aus, die im "normalen" Leben nicht möglich/opportun ist.
    • Autory will provozieren, um damit eine bestimmte Reaktion bei der Leserschaft hervorzurufen.
    • Autory verarbeitet etwas durch Schreiben, vielleicht ein Trauma, zumindest aber etwas, das so sehr beschäftigt, dass Autory es zu Papier bringen muss.
    Es gibt sicher noch viele weitere Punkte, die in dieser Liste fehlen.

    Der Punkt auf den ich eigentlich hinaus will: Was sagt ein Roman oder eine Geschichte über das Innenleben eines Autory aus?

    Ich denke z.B. an Autoren wie Stephen King, Neil Gaiman, Clive Barker usw., aber auch z.B. an Kafka.

    Wie denkt ihr darüber?
    Zuletzt geändert von Haro; 09.04.2023, 18:28.
    We should retire the expression "avoid it like the plague", given how little effort people put into avoiding an actual plague! - unkonwn source

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    • magico
      magico kommentierte
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      Genau wie du die verschiedenen Möglichkeiten beschrieben hast: Wie viel die Geschichten über die jeweiligen Autorinnen und Autoren aussagen ist ebenso unterschiedlich, wie ihre Absichten. Bei einigen ist es vielleicht besser, dass sie das Schreiben als Ventil haben und bei anderen ist es einfach nur überschäumende Fantasie und Kreativität. Bei allen weiteren dann irgendwas dazwischen.

    • Elementargeist
      Elementargeist kommentierte
      Kommentar bearbeiten
      Das sehe ich ähnlich wie magico. Und es gibt mit Sicherheit sehr oft den Fall, dass Antagonisten in literarischen Werken besonders bösartig sind, damit die Protagonisten ihre Qualitäten umso stärker entfalten können. Z.B. bei GOT habe ich häufig diesen Eindruck.
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