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Wie lange würdet ihr eine Geschichte anlesen, die den Hauptkonflikt nicht anreißt?

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    Wie lange würdet ihr eine Geschichte anlesen, die den Hauptkonflikt nicht anreißt?

    So, ich mal wieder. Problem heute: Mein A-Plot fängt erst in der Mitte der Geschichte an.

    Ich habe bereits festgestellt, dass ich die erste Hälfte meiner Geschichten gerne hauptsächlich für World-, Character- und sonstiges -building benutze. Die B-Plots, also alles, was mit der inneren Entwicklung in und zwischen den Figuren zusammenhängt, haben hier eine Menge Raum. Es ist auch nicht so, dass es keine Action gibt, und wenn man weiß, worauf alles hinausläuft, kann man auch die subtil gepflanzten Samen des A-Plots keimen sehen. Aber ich fürchte, die sind diesmal wirklich sehr subtil gepflanzt, so subtil, dass der Durchschnittsleser die Frage, worum es eigentlich geht, erst ab Teil 3 (von 4) richtig beantworten kann. Davor gilt das Bestreben der Protas einem A-Ziel, dass sich an diesem Wendepunkt überraschend von selbst löst und einem B-Konflikt, der sich im selben Moment scheinbar ebenfalls komplett erledigt. Teil 3 wirft dann erst einmal ein völlig anderes A-Ziel in den Raum, und erst am Ende wird klar, dass der Konflikt von Teil 1+2 da doch ziemlich tief seine Finger im Spiel hat.

    Das hat jetzt den Effekt, dass der Leser an diesem Midpoint sich vermutlich fragt, wozu das jetzt alles gut war, weil die Geschichte sich da eben komplett in eine andere Richtung dreht, ohne die Verknüpfungen anzudeuten und, was vielleicht schlimmer ist, ohne, dass die bisher angenommenen Ziele und Konflikte auf eine befriedigende Weise gelöst werden. (Sie lösen sich schon, nur eben nicht befriedigend. Man denke an eine romantisch-verwickelte Dreiecksgeschichte, in der Verehrer 2 auf einmal tödlich vom Bus überfahren wird).

    Ich bin überzeugt, dass das Ganze vom Ende her betrachtet einen schönen, zusammenhängenden Plot ergibt, sonst würde ich das eh nicht so schreiben. Bauchschmerzen macht mir, wie lange der Leser bei der Stange bleiben wird, wenn die Hälfte des Buches überhaupt nicht klar ist, worum es eigentlich vordergründig geht bzw. da ein falsches Ziel angedeutet wird, das dann komplett verpufft. Mal ganz abgesehen davon, ob ihr euch als Leser eventuell verschaukelt vorkommen würdet, wie ist eure Einschätzung aus Autorensicht? Kann man einen Hauptkonflikt erst so spät auftischen? Ich meine damit jetzt den A-Plot, den "der Oberböse plant, die Stadt in die Luft zu jagen, und ihr müsst ihn vor Mitternacht stoppen!"-Actionplot, der bis dahin komplett im Dunkeln munkelt, während die Helden sich mit der Dreiecksgeschichte beschäftigen und damit, die Prinzessin zu retten, der es in ihrem Elfenbeinturm aber tatsächlich total sonne geht und die eigentlich nur darauf wartet, dass die Helden endlich aufkreuzen, damit sie ihnen von der Drohung des Oberbösewichts erzählen kann.

    Poems are never finished.
    Just abandoned.

    #2
    Gute Frage. Bei dem Herrn der Ringe habe ich mich durch hundert Seiten (amüsantes, wenn auch seichtes) BlaBla gekämpft, bevor die Geschichte/der Hauptplot überhaupt begann. Das funktionierte, weil mir klar war, das sich etwas aufbaute, was genau meinem damaligen Lesewunsch entsprach.
    Ich fürchte, heute würde ich das nicht mehr machen, dafür fehlt mir inzwischen die Geduld.

    ... wenn die Hälfte des Buches überhaupt nicht klar ist, worum es eigentlich vordergründig geht bzw. da ein falsches Ziel angedeutet wird, das dann komplett verpufft.
    Ich fürchte, da wäre ich (spätestens) raus, da ich annehmen würde, die Autorin treibt ihre Spielchen mit mir oder weiß selbst nicht, wohin sie will.

    In meinem letzten Roman brauche ich auch erst eine Weile, um die Beziehung zwischen meinem Ermittlerduo wachsen zu lassen. Ich fand das für den ersten Roman einer Reihe angemessen, aber einige Leser*innen waren kräftig m moppern, dass der Aufbau nicht schnell genug ging.
    Das Problem habe ich versucht durch Einschübe, was parallel im Hauptplot geschieht, zu mildern. Auch wenn sich vieles um die Beziehung der Protas drehte, war doch immer klar, dass der Hauptplot im Hintergrund Geschwindigkeit aufnahm und wohin die Reise letztlich gehen würde.
    Eine komplette Kehrwende hinzulegen, hätte ich mich nicht getraut.
    I love deadlines. I like the whooshing sound they make as they fly by.

    Douglas Adams

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    • Ankh
      Ankh kommentierte
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      Ich kann das total nachvollziehen, ich habe auch schon über Romane gemoppert, die einfach nicht in die Hufe kommen.

      Das mit den Einschüben habe ich mal angedacht, befriedigt mich im Grunde aber auch nicht. Das ist so ein immer wieder eingeworfenes Versprechen des Autors, dass es ganz bestimmt gleich, gleiiich losgeht, nur noch ein paar kurze Kapitel, Ehrenwort, guck, der Oberböse drillert schon die Bombe zusammen! Ich habe bisher immer vermieden, zum Antagonisten zu switchen, weil das für mich vor allem ein Symptom ist, dass auf Protagonistenseite zu wenig passiert, und das behebt man besser damit, dass da eben mehr passieren muss. Nun ist es aber so, dass da in dieser Geschichte durchaus einiges passiert, nur hat das eben alles erst was mit dem Hauptplot zu tun, wenn man ganz am Ende die Zusammenhänge begreift.

      Jedenfalls bestätigst du meine Befürchtung, dass ich das so nicht stehen lassen kann, ohne dass man sich verschaukelt vorkommt. Jetzt brauche ich nur noch eine Idee, wie ich die Bestrebungen der Protas bis zu diesem Punkt nicht ganz so sinnlos ins Leere laufen lasse.

    #3
    Ich werde ein Buch, dessen Stil mich fesselt, nicht weglegen, weil sich plötzlich ein Turn oder Staffelstabwechsel auftut, der mir vielleicht spanisch vorkommt.
    Aber ich gehöre auch zu Lesern, die von bestimmten Autoren ein Telefonbuch lesen würden.

    Vielleicht dürfte der Klappentext mich nicht total auf Plot XY hinlenken, um nicht Erwartungen zu wecken, die in der Mitte des Buchs schon abgefrühstückt sind. Kings "Fairy Tale", das ich gerade las, wird erst in der Mitte klassische Märchenstory, da ändert sich der Faden komplett. Vom Retten eines alten Hundes aus unserem Gegenwartssetting (zu dem Zeitpunkt erfolgreich erledigt) zur Rettung einer Märchenwelt. Die erste Buchhälfte wird zum MacGuffin der zweiten Hälfte. Funktioniert.
    Sind nicht überraschende Geschichten überhaupt die besten? Ich lese ja nicht, um dieselbe Geschichte immer wieder runtergeleiert zu sehen.
    Sagen wir mal so: Wenn ich einen LiRo aus dem Regal ziehe, will ich nicht, dass er sich ab Mitte überraschend (!) in einen Noir-Krimi verwandelt. Dagegen könnte ich bei stringent beibehaltenem Genre in der Mitte von einem Plotfaden und zum nächsten hüpfen. Und in spezial gelagerten Sonderfällen sogar das Genre wechseln.

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    • Ankh
      Ankh kommentierte
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      Ich schwanke noch zwischen Zitronenthread und erstmal Testleser drauf ansetzen, wie schlimm es eigentlich tatsächlich ist (also so Konfetti mit Kritik). Vor allem, weil ich im Moment lieber ein bisschen Schreibmotivation hätte und mich deshalb sogar weitgehend brav vom Anfang her durcharbeite.

    • Dodo
      Dodo kommentierte
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      Also, ick würd' lesen.

    • Ankh
      Ankh kommentierte
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      Das ist ja schon mal ermutigend

    #4
    Wenn die Figur spannend ist, bleibt man wahrscheinlich am Ball. Ich mag es auch, wenn die Sprache schön gestaltet ist.

    Kann man den anderen Plot nicht irgendwie andeuten?

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    • Ankh
      Ankh kommentierte
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      Was die Figuren angeht, sehe ich eigentlich keine Probleme. Es krankt wohl eher daran, dass sie zu sehr in ihrem eigenen Saft kochen, statt von außen mit Problemen beschossen zu werden.

      Den anderen Plot kann ich schon andeuten, aber je mehr ich andeute, desto mehr läuft die initiale Bestrebung der Figuren ins Leere, und wenn der Leser das weiß, geht ja auch wieder die Spannung flöten. Mir fehlt die geniale Verknüpfung, die diese Bestrebung nicht ganz so irrelevant, sondern dringend und notwendig macht, aber was mir bisher dazu einfällt, ist irgendwie so meh und erzwungen.

    • Milch
      Milch kommentierte
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      Kannst du es durch die Sprache machen, also nicht inhaltlich, sondern stilistisch? Beispielsweise in der Wahl der Metaphern, Oder durch Worldbulding. Hinweise darauf, dass schon mal jemand versuchte, die Stadt in die Luft zu blasen. Sie treffen sich in einem Haus,dass einst eine Ruine war und man es noch erkennt.
      Einheit durch Stil, statt durch Inhalt.

      Ein Roman muss ja eigentlich nicht so stringent sein.

    • Ankh
      Ankh kommentierte
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      Das ist ein interessanter Ansatz. Im Grunde: Ja, kann ich. Da das Ganze um Silvester spielt, ist da sowieso ständig irgendwas physisch am Zünden und Böllern und auch die Gesellschaft hat Pulverfass-Qualitäten, die ich noch stärker thematisieren könnte, genauso wie das Motiv, dass da in mehrfacher Hinsicht die Zeit heruntertickt.
      Ich bin noch nicht überzeugt, ob das schon reicht, aber es ist auf jeden Fall eine Anregung, die ich einbauen werde, danke!

    #5
    Mir geht es so wie Peter. Geschichten, die mir zu langsam gehen, lege ich beiseite. Jetzt kommt aber das schöne Aber: Es gibt Bücher, die mich so sehr in den Bann gezogen haben, dass ich dran geblieben bin, obwohl die Storyline keinen typischen Spannungsbogen hatte. 50 Seiten Vorgeschichte (!), die ich richtig toll fand, und dann noch mal 50 Seiten Alltag im Amazonendorf, bis der Konflikt auftauchte. (Nora Bendzko, Die Götter müssen sterben)
    Ein absolutes Highlight für mich sind auch die Romane von Celeste Ng. (everything i never told you und little fires everywhere). Die Geschichten entwickeln sich sehr langsam, aber mit so einer Vielfalt an Details und Charaktertiefe. Man erfährt immer ein Stückchen mehr, und am Ende, wenn man die Geschichte beendet hat, denkt man Wow. Aus dem zweiten Titel hat man eine Amazon-Serie gemacht, bei der das Tempo angezogen und den Figuren mehr dramatische Konflikte aka Streitereien gegeben wurde. Vielleicht gefällt es dem Mainstream dadurch besser, aber ich fand das kacke.

    tldr; Du scheint genau zu wissen, was du willst, und das Handwerk beherrschst du auch. Es geht eigentlich nur darum, die Mainstream-Zielgruppe mitzunehmen, oder? Würdest du dich für die Leser*innen ändern? Oder würdest du eine Leserschaft aufbauen wollen, die deine Geschichte genau dafür schätzt? Dass du auf diese Weise deine Plots baust, ist ja schon irgendwie deine Handschrift.

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    • Ankh
      Ankh kommentierte
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      Das mit der Zielgruppe ist eine gute Frage. Ich denke nicht, dass ich je im Mainstream ankomme (wobei ja mitunter sehr seltsame Sachen im Mainstream landen). Ich kann mir gut vorstellen, dass ich direkter auf die Nischen-Zielgruppe zugeschneidert schreiben könnte, aber dann müsste ich vieles weglassen/ runterkürzen, was mir persönlich am Herzen liegt. Andererseits schreibe ich jetzt schon so lange hauptsächlich für mich und würde auch gerne mal von anderen gelesen werden
      Ich will, zumindest bei dieser Reihe, aber eigentlich keine großen Kompromisse machen. Ich bemühe mich schon, eine gute Mischung zwischen persönlichem Drama und Action zu schaffen, auch wenn für mich persönliche das Character-Drama im Vordergrund steht. Die Leute, die es gelesen haben, finden es trotzdem unterhaltsam. Insofern hätte ich lieber eine kleinere Fangemeinde, als meine eigenen Vorlieben rauszukürzen.

      Vielleicht sollte ich für den Publikumserfolg was komplett anderes schreiben, und dann finden die Leute, die es wirklich wollen, darüber mein Herzensprojekt. Das läuft aber dann schon wieder auf so viel zusätzliche Arbeit hinaus, während ich hier schon mit meinen Minimalanforderungen kämpfe D:

    • Peter
      Peter kommentierte
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      Bei Celest Ng bin ich bei dir. Sie schreibt liebevoll detailliert und es macht Spaß zu lesen, auch wenn noch nicht klar ist, in welche Richtung sich die Geschichte entwickelt. Allerdings kenne ich nur little fires. Zur Serie kann ich nichts sagen.
      Die Götter müssen sterben wurde auf Twitter derart gehyped, dass ich mir die Leseprobe runtergeladen habe. Allerdings habe ich es nur bis zur Mitte geschafft und dann zur Seite gelegt. War nicht meins.

    • Victoria
      Victoria kommentierte
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      Ankh
      Das klingt doch eigentlich nach einem guten Plan. Dass du einen langen Atem hast, wissen wir doch alle.
      Ich hätte nämlich auch gedacht, dass du mit etwas Mainstreamigerem beginnst, bei dem deine Handschrift bereits rauskommt. Und wenn sich darauf deine Fanbase gebildet hat, kannst du ihnen dein Herzensprojekt schenken.

    #6
    Die B-Plots, also alles, was mit der inneren Entwicklung in und zwischen den Figuren zusammenhängt, haben hier eine Menge Raum.
    Wenn dieser Part witzig und mitreißend geschrieben ist, brauche ich keinen groß angelegten Handlungsstrang bzw. Spannungsbogen. Die inneren Konflikte bzw. die zwischen den einzelnen Figuren bieten dann genügend Lesespaß. Ist eben eine Ausrichtungsfrage oder für die Lesenden im Vorfeld die Frage, was sie von dem Buch erwarten. Ist das zu Beginn bereits einigermaßen klar, kann man hier sicher die Spreu vom Weizen trennen. Zumindest ein bisschen.
    http://www.wandern-mit-kindern-in-thueringen.de

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    • Ankh
      Ankh kommentierte
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      Mitreißend: Hoffentlich. Witzig ist zumindest dieser Teil eher nicht, weil ich diesmal auf eine andere Stimmung abziele. Vielleicht auch ein Grund, warum ich unsicher bin; witzig zieht immer, Drama kann einem schneller über werden, und generell tut es ein bisschen weh, wenn die Figuren ihre schlechten Seiten offenbaren und die vom Klischee diktierten Hoffnungen am Ende dann doch nicht erfüllen.

    • magico
      magico kommentierte
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      Ach na ja, mit witzig muss nicht immer lustig gemeint sein. Ironisch/sarkastisch reicht mir auch.

    • Ankh
      Ankh kommentierte
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      Ich tu mein bestes. Wahrscheinlich schlecht sich der ein oder andere sarkastische Kommentar von ganz allein mit rein.
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