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Mittwochsfrage #250: Loslassen

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    Mittwochsfrage #250: Loslassen

    Sobald wir eine Geschichte veröffentlichen, geben wir sie aus der Hand. Dann ist sie nicht mehr nur unsere Geschichte, sondern entsteht ganz neu in allen Lesenden. Als Autor:in haben wir nur teilweise Einfluss darauf, wie die Leserschaft die Geschichte wahrnimmt und welche Bilder und Emotionen sie auslöst – schließlich haben alle Menschen unterschiedliche Erfahrungen, Vorlieben und Vorstellungen. Als Autor:in bewegen wir uns auf dem schmalen Grat zwischen zu viel vorgeben und zu wenig vorgeben. Außerdem fällt es zumindest mir nicht leicht zu akzeptieren, dass ich nur bedingt Einfluss habe auf das, was meine Leserschaft wahrnimmt, ohne sich gelangweilt oder bevormundet zu fühlen. Ich muss loslassen. Aber das empfinde ich als eine der Königsdisziplinen beim Schreiben, weil das gerade am Anfang unheimlich schwer fällt und in meinen Augen viel Erfahrung benötigt.

    Lange Vorrede, kurze Mittwochsfrage: Wie geht es euch mit dem Loslassen? Fällt es euch leicht, die Kontrolle abzugeben? Oder beschreibt ihr im Detail, was ein Charakter sieht/fühlt/erlebt oder markiert jedes Wort in eurer gewünschten Betonung kursiv? Wo ist da überhaupt die Grenze? Oder seht ihr das Ganze komplett anders?
    Wartest du dort hinterm Horizont? Schmiegt die Erde sich so müde an das Himmelreich? Sturm zieht auf mit dunkler Wolkenfront. Ganz egal wie schnell ich lauf, der Abstand bleibt doch gleich. Die alte Sehnsucht ist mein einziger Begleiter. Und trotzdem steh ich auf und gehe taumelnd weiter. — ASP, Ziel

    #2
    Das ist eine spannende Frage.
    Spontan hätte ich gesagt, dass ich gut loslassen kann. Es steht den Leser*innen frei, meine Geschichten gut oder schlecht zu finden, Dinge hineinzuinterpretieren oder auch nicht, Easter Eggs zu entdecken oder auch nicht, die Namen auszusprechen, wie sie wollen ... Und gegen zu viel Kursiv im Text habe ich eine regelrechte Allergie.

    Aber: mit der Frage nach der Betonung hast Du mich erwischt. Ich war einmal in der Situation, dass jemand anderes - jemand, der das gut kann! - eine meiner Geschichten vorgelesen hat. Und er hat einen Satz absolut nicht so gesprochen, wie ich ihn beim Schreiben im Kopf hatte. Da musste ich ganz schön an mich halten, ihn nicht zu korrigieren. Also ist das Loslassen wohl doch schwerer als gedacht.
    Always avoid alliteration.

    Kommentar


      #3
      Ich seh da zwei verschiedene Aspekte in der Frage.

      Der erste ist: Was, wenn Leser die Figuren nicht so wahrnehmen, wie ich mir das vorgestellt habe? Die Antwort ist schlicht: ich muss besser schreiben. Wenn mein großartiger, heldenhafter Held von anderen als aufgeblasenes, egoistisches Arschloch wahrgenommen wird, dann muss ich mir Gedanken machen, woran das liegt und ihn entsprechend anders präsentieren. Oder dazu stehen, dass meine Vorstellung eines Helden auf ein aufgeblasenes Arschloch hinausläuft. Genauso wenn der Leser nicht mitbekommt, was die Figur fühlt: Dann hab ich's schlicht nicht rübergebracht und muss meinen Text dahingehend überarbeiten. Was ich unbedingt vermitteln will, muss ich auch aktiv vermitteln. Wenn's nicht ankommt, ist es nicht die Schuld der Leser.

      Der zweite Aspekt ist, wie gehe ich damit um, wenn die Geschichte nun einmal bereits veröffentlicht ist und nicht so gelesen wird, wie ich es mir vorgestellt hatte? Es gibt einige Beispiele im Netz von Autoren, die da anfangen, mit Lesern zu argumentieren, Kritiker verklagen und versuchen, ihre Texte umzudeuten. Tut das nicht. Es endet nie gut (es produziert aber viele unterhaltsame Stunden für Ankhs mit einem Fetisch für schlechte Geschichten). Entweder nimmt man die Kritik an, lernt daraus und macht es das nächste Mal besser, oder man ignoriert die Kritik und schreibt weiter, wie man will. Niemand hat einen Anspruch auf die Zustimmung der Leserschaft. Die haben alle ein Recht auf eine eigene Meinung. Das Werkzeug des Autors, diese Meinung zu beeinflussen, ist der Text selbst. Wenn der versagt, siehe oben.



      Poems are never finished.
      Just abandoned.

      Kommentar


      • Milch
        Milch kommentierte
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        Der Unterschied zwischen Aufgeblasen und Held ist schon groß, aber es ist logisch, dass unterschiedliche Leser eine Geschichte anders aufgreifen. Ein Leser kann auch eine Geschichte aus welchen Gründen auch sehr merkwürdig interpretieren. Das kann man nur bedingt verändern, wenn man den Text ändert, Man weiß ja nicht, was manche Menschen triggert, Wenn es einer ist, dann ist es nicht so schlimm.

        Ich merke es an Asterix-Verrissen der Alben des neuesten Team, die mich ärgern, weil sie mit Scheuklappen das Heft lesen. Selbst in den neuesten Geschichten kann man intelligente, subtile Anspielungen entdecken, die nur die wenigsten begreifen, aber die begreifen nur wenige. Manchmal muss man auch nachschauen.

      • magico
        magico kommentierte
        Kommentar bearbeiten
        Manchmal muss man auch nachschauen.
        Nach was soll man denn schauen, wenn man gar nicht versteht, dass es eine Anspielung sein soll?

      #4
      Ich sehe es ähnlich wie Ankh. Wenn ich ein spezifisches Bild vermitteln will, muss ich das Bild auch spezifisch malen.
      Wenn rückgekoppelt wird, oha, das ist aber ein Arsch, dann muss ich halt überlegen, ob das Bild OK für mich bzw die Figur ist oder ob ich doch mehr Doch-nicht-SO-ein-Arsch-Merkmale brauche. Dann zurück zum Text.
      Man wird aber nie, nie, nie dasselbe Bild beim Leser hervorrufen, wie man es selbst hat. Ich kann eh nicht kontrollieren, wie der Leser liest, nur grob ahnen und noch gröber lenken, denn es sind meine (unterschiedlich detaillierten) Interpretationen von sehen/fühlen/erleben, die von meinen persönlichen Erfahrungen und Erinnerungen geprägt sind.
      Ich selbst will kein abwegiges Bild erzeugen, kann aber wunderbar damit leben, wenn jemand die beschriebene Wandfarbe hässlich findet, die/den Prota nicht attraktiv findet (was übrigens um so eher der Fall sein wird, je genauer man Nasenflügel links, Nasenflügel rechts beschreibt oder - würg - gleich Namen von "Prominenten" nennt), jemand diese oder jene Örtlichkeit anders wahrgenommen hat als ich oder jemand meinen Stil nicht mag.
      Man kann es nicht allen rechtmachen. Bleibt die Frage, ob man es möglichst vielen rechtmachen soll. Mir persönlich fehlt da der Maßstab von "vielen". Ich kann immer nur für mich sprechen und Testleser*innen zuhören, und auch da weiß ich, dass ich die/den Prota nicht zur/m Machomilliardär*in machen werde, nur weil entsprechende lesende Person drauf steht. Testleser*innen helfen mir aber oft, die Figuren auch für mich besser zu machen.

      Anders, wenn die Story im Prozess der Veröffentlichung steckt, irgendwohin geschickt oder schon veröffentlicht ist: Dann lese ich sie nicht mehr. Habe ich mir schon angewöhnt, als ich noch medizinische VÖ hatte: Niemals lesen, sobald man eh nichts mehr ändern kann. Man entdeckt immer einen Fehler, der für einen selbst kolossale Ausmaße hat. (Im Falle von SP relativiert sich das natürlich, da kann man ja nachbessern, theoretisch). Von daher: Loslassen, wenn es eh zu spät ist, ist für mich kein Problem. Ist wie eine Liebeserklärung: Kriegt man eine vor den Latz oder geht die Sonne auf - egal, man hat's vom Tisch. Immer eine Erleichterung. 😅

      Und ja, ich markiere Wörter in meiner gewünschten Betonung kursiv, wenn ich meine, dass es auch im Kontext mehrere Möglichkeiten gibt, den Satz zu lesen. Wenn möglich, könnte man ihn auch umformulieren, aber manchmal geht das nicht.

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