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Mittwochsfrage #220: Eigenkritik

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    Mittwochsfrage #220: Eigenkritik

    sasun-bughdaryan-e11Oa3kvx4c-unsplash-2.jpgQuelle: Unsplash

    Ich lese in letzter Zeit sehr viel mehr als in den Jahren davor. Gern mir unbekannte Autor*Innen, aber auch mal den einen oder anderen Bestsellerautor. Gerade hatte ich einen nicht mehr ganz aktuellen Roman eines der bekannteren deutschen Schreiber vor der Nase. Und war … perplex.
    Wäre ich sein Testleser, hätte ich garantiert an jedem dritten Satz etwas zu mäkeln. Und das nicht aus dienstbeflissener Schreibratergeber-Sicht (ich erlaub mir auch Dinge, die dort mit Patschern auf die Finger bedacht werden), sondern als schlichter, eskapistischer Konsument fand ich den Text grauenhaft. Roh. Simpel. Plump.
    Die Story war spannend, aber ich konnte nicht zuendelesen.
    Ich hatte an die Bestsellerstory Kriterien angelegt, an denen ich meine eigenen Texte messe. Hm. An denen auch meine Testleser meine Texte messen, oft jedenfalls. Der – sehr erfolgreiche – Autor aus meinem Beispiel aber scheint seinen Texten mehr Freiräume zu lassen.

    Gehen wir zu streng mit unseren Texten, selbst oder gegenseitig, ins Gericht? Fehlt uns eine gewisse Text-Gelassenheit? Hemmt es zu sehr, allen gefallen zu wollen, wenn die Masse gar nicht die Adjektivhorden, schwachen Verben und Floskeln hinterfragt?

    #2
    Ich bin auf jeden Fall streng mit meinen Texten (auch inhaltlich) und mir (nicht mit anderen), selten wirklich zufrieden und nehm ihn bis in die kleinsten Teile auseinander. Das nervt. Ein wenig mehr Gelassenheit, wie bei dem Autor dessen Buch du gelesen hast, würde nicht schaden. Aber vielleicht bezieht er die auch "nur" aus seinem Bekanntheitsgrad, gemischt mit einem Schuss "wird schon werden" (kann man das, schon als Stil getarnte Faulheit bezeichnen oder was ist der wahre Grund?). Und andererseits kann er sich diese Schluderigkeit leisten, ein Neuling nicht. Ich hatte bisher eine Veröffentlichung. Vielleicht bin ich ab der zehnten gelassener.

    Die Textgelassenheit fehlt auf jeden Fall, aber zumindest in meinem Fall, nicht weil ich jedem gefallen will, sondern gute Arbeit abliefern will. Eigentlich wie in allen Lebensbereichen.
    Zuletzt geändert von Nachtmahr; 16.06.2021, 12:10.
    "A writer is a world trapped in a person." Victor Hugo
    "Writing is hard work; it's also the best job I've ever had." Raymond E. Feist
    "Be inspired by others, but when you sit down to write, knock down any walls of doubt, and write like only you can." Lucy Knott

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      #3
      Darf ich fragen: Was wolltest du an dem Bestseller verändern? Welche Sätze hättest du ändern wollen. Ist es ein Autor, der viele Bücher schreibt?

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      • Dodo
        Dodo kommentierte
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        Gute Frage.
        Alles.
        Ich schau nachher nochmal ins Buch, um den größten Nervfaktor zu eruieren.
        Es ist nicht, dass mich ein „Das macht man so nicht“ störte, sondern ich es grauslig zu lesen fand.
        Ja, das ist ein Autor, der Bücher geradezu auswirft. Das halte ich aber eher für unwichtig. Hier gibt es auch User mit hohem Output, die viel eleganter schreiben (wer sich angesprochen fühlt, ist gemeint).

      #4
      Schwieriges Thema.

      Ich lese seit einigen Monaten auch wieder viele Verlagsbücher, da die gut laufenden Bücher aus meinem Krimi-Genre aus Verlagen stammen. Und ja, bei einigen ist es mir schwer gefallen, sie zu Ende zu bringen. Einen habe ich nach dem ersten Drittel nicht mehr weiterlesen können. Was jetzt aber nichts mit dem Schreibstil zu tun hatte.

      Letztes Jahr habe ich fünf (kurze) Romane beendet und in diesem Jahr bisher drei. Zur Zeit setze ich max drei Monate für eine Geschichte an, exkl.Lektorat und Korrektorat.
      Um vom SP leben zu können, sollte es schon ein Roman pro Quartal sein. (Ja, es gibt Ausnahmen, aber weniger, als man glauben möchte.) Als Verlagsautor vom Schreiben leben zu können, erscheint mir kaum noch möglich. Aber das nur nebenbei.

      Acht bis zehn Wochen ist demnach die Zeit, die ich für den Entwurf und die Überarbeitung aufwenden kann. Ja, da kann nicht jeder Satz mehrmals durch die Zähne gezogen werden, bis er perfekt ist. (Was ich auch mit unendlicher Zeit kaum erreichen könnte.)
      Daher habe ich eine gewisse innere Gelassenheit entwickelt. Ein cooler Plottwist ist mir mehr wert, als eine perfekte Formulierung.
      Es kommt sehr darauf an, für welche Zielgruppe ich schreibe. Meine Urban Fantasy unterscheiden sich in Stil und Mischung deutlich von den Krimis. Die Leser*innen erwarten einen gewissen Schreibstil und lehnen häufig alles Abweichende kategorisch ab. Und ja, es geht um Verkäufe und Einnahmen.

      Es ist wichtig, dass Lisa Mustermann sagen kann: "In dem Restaurant (in dem die Ermittlerin gerade den Mörder festnimmt) waren wir auch, da hat die kleine Chantalle die Pommes in das Aquarium mit den Hummern geworfen. Weißt du noch Erwin?" Rammt ihm den Ellenbogen in die Seite. "Hol mal die Urlaubsbilder."

      Stil ist in diesem Genre nicht unwichtig, aber zweitrangig. Es geht um die Gefühle, die geweckt werden. Die Schreibe muss die Leser*innen abholen und eskapistisch für einige Stunden mitnehmen. Wenn das klappt, bin ich ausgesprochen zufrieden mit mir.
      I love deadlines. I like the whooshing sound they make as they fly by.

      Douglas Adams

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        #5
        Zunächst mal würde ich mich von der Vorstellung verabschieden, dass bekannte Autoren unbedingt besser schreiben als die kleinen unbekannten. Die haben halt in der Vergangenheit einen Verlagsmenschen überzeugt und sind seitdem zur Marke geworden. Ob sie immer noch so gut schreiben wie damals? Wer weiß. Bei einem hohen Output und garantierter Veröffentlichung ist es durchaus denkbar, dass da nicht mehr ganz so viel Sorgfalt aufgewendet wird wie beim allerersten Roman, mit dem man sich beworben hat.

        Es ist aber auch so, dass der durchschnittliche Leser weniger kritisch ist als ein Leser, der ein Dutzend Schreibratgeber im Schrank stehen hat und dessen Auge darauf trainiert ist, Passivkonstruktionen zu entdecken. Ich habe einige Bücher im Schrank stehen, irgendwelches Fantasy- und SciFi-Zeug aus den 80ern, die objektiv gesehen ziemlich schlecht geschrieben sind, und ich kann sagen, dass mir das "schlecht geschrieben" damals gar nicht aufgefallen ist. Da ging es um die Story, vielleicht ging es auch darum, einfach was neues Cooles zum Lesen zu haben. Die einzige Kritik, an die ich mich erinnere, waren zwei Bücher, die mein Bruder und ich in die Sommerferien mitgenommen hatten, und wir waren beide der Meinung, dass es viel besser gepasst hätte, wenn die beiden Bücher die Titel getauscht hätten

        Was heißt das jetzt für uns als Autoren und Testleser (den Lektor lass ich mal weg)? Ich denke, wir sollten uns anstrengen, die beste Version abzuliefern, die wir zustandebekommen. Einen guten Stil zu haben ist keinesfalls ein Nachteil, selbst wenn er von manchen Lesern gar nicht (bewusst) registriert wird. Und es ist sicher auch nicht verkehrt, beim Testlesen stilistische Patzer anzumerken, sofern der Autor das möchte.
        Wir sollten uns aber auch nicht verrückt machen, dass ein einzelner hakeliger Satz uns den erhofften Verlagsvertrag kosten könnte oder uns überlegen fühlen, weil wir einen bestimmten Satz besser hingekriegt hätten als Fitzek oder Eschbach. Geschmäcker sind verschieden und die Maßstäbe, die Leser an einen Text legen, auch. Letztlich kommt es darauf an, welche Maßstäbe du selbst an deinen Text legen willst, bevor du ihn guten Gewissens auf die Welt loslässt.
        Poems are never finished.
        Just abandoned.

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        • Ankh
          Ankh kommentierte
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          Dodo Ich denke mal man kann die Schuld leichter auf den Verlagslektor schieben, wenn es nix wird (schließlich ist das nur eine Meinung) als wenn du bei Amazon einen Hagel schlechter Bewertungen bekommst. Aber selbst wenn das Buch vom Verlag genommen wird, heißt das ja nicht unbedingt, dass es dann super läuft. So oder so braucht man als Autor ein bisschen Fell und darf nicht gleich den Herzkasper kriegen, wenn sich jemand negativ über das Buch auslässt. Aufstehen, Krönchen richten, weitermachen. Und nie mit Lesern rumdiskutieren
          Wenn man vor Kritik Angst hat, dann sollte man sich vor der Veröffentlichung/Einsendung um Schreibcoaches, Lektoren, Beta- und Testleser bemühen und das Buch überarbeiten, bis man so dahinter steht, dass einem Kritik egal ist.

        • Dodo
          Dodo kommentierte
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          Ein dickes Fell sehe ich auch als wichtiges Accessoire an. Ich erinnere noch, bei welchem Spruch mir eins gewachsen ist. In Rekordzeit. Sekundenschnell. 😂 Deswegen: schlechte Kritiken haben auch etwas Gutes. Und Dein letzter Satz ist wahrscheinlich genau die Antwort auf: Wann muss man mit dem Schleifen des Textes aufhören? Sobald man dahintersteht.

        • Milch
          Milch kommentierte
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          Wieder zum Zeitgeist, denn ich halte es für wichtig. Zeitgeist und spätere Zeitlosigkeit schließen sich nicht aus, ein Text muss Zeitgeist atmen, um Aufmerksamkeit zu erzielen.
          Die Mittelalterromane mit einem Beruf-in atmeten den Zeitgeist, nämlich Frauenemanzipation. beim ersten Buch, nämlich der Päpstin, war es sogar von der Autorin beabsichtigt. Heute ist solche Mittelalterromane mit in im Titel etwas ausgelutscht.

        #6
        Bei mir kommt das ziemlich auf die Tagesform an, wie selbstkritisch ich mit mir bin. Aber ich bin auch niemand, der einen einzigen Satz ewig durchkaut (dafür habe ich keine Geduld). Für mich muss am Ende das Gesamtbild passen und an manchen Tage finde ich es supi und an anderen kompletter Schrott.
        Ich habe noch keinen Schreibratgeber gelesen, würde aber dennoch behaupten, dass ich die meisten allgemeinen Tipps kenne. Sehe das aber so mit den Ratschlägen: für die einen passen die und sie halten sich strikt daran, die anderen legen sie für sich selbst anders aus. Beides finde ich vollkommen in Ordnung. Ich finde, am wichtigsten ist es, dass man am Ende hinter dem Text steht und mit sich selbst zufrieden ist. Allen gefallen zu wollen, ist sowieso etwas, was man nicht anstreben sollte. Da gibt es immer Leute, denen das nicht gefällt, mit vielleicht Begründungen, auf die man selbst nie kommen würde. Ich habe auch schon Bücher gelesen, die an sich vollkommen in Ordnung waren, aber mich dennoch nicht erreicht haben, wo einfach der Funke nicht übergesprungen ist, ohne dass ich es genau benennen konnte. Irgendwo ist ja am Ende doch vieles Geschmackssache.

        Es gibt so einige Bestsellerautoren, wo mir der Stil nicht gefällt und ich mich frage, was andere an diesen finden. Meist ist der Stil für mich schlichtweg langweilig (zum Beispiel kann ich mit ewig langen Beschreibungen nichts anfangen, andere finden dies gerade ansprechend).
        Ich kann mich schlecht in einen Bestsellerautor hineinversetzen, da ich selbst ja keiner bin, kann mir aber vorstellen, dass man nach einer gewissen Anzahl an Büchern, die man auf den Markt geworfen hat und die bei den Leuten angekommen sind, eine gewisse Gelassenheit entsteht. Vielleicht probiert sich dann der ein oder andere Autor auch etwas aus, weil er sich sicher ist, dass bei seiner Leserschaft selbst so etwas ankommt und nur ein Bruchteil ihn höchstens dafür kritisieren wird. Oder er hat schon immer so geschrieben und wenn es den Leuten gefällt, warum sollte man dann etwas daran ändern?

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