Ankündigung

Einklappen
Keine Ankündigung bisher.

Mittwochsfrage #208 Soll das etwa Kunst sein?

Einklappen
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge

    Mittwochsfrage #208 Soll das etwa Kunst sein?

    Was ist für euch in der Literatur Kunst oder auch literarisch wertvoll?

    Schmälern Lesbarkeit, Unterhaltsamkeit, Emotionen und Humor den Kunstanspruch? Darf ein gelungener Text nicht auch Spaß machen? Sind Genre wie Fantasy, Science-Fiction oder Krimi verboten, wenn es Kunst werden soll? Was ist mit Modernität - auch das tabu? Oder denken nur Spießer in solchen Schubladen?

    Was macht einen Text eigentlich kunstvoll? Originalität, ausgeklügelte Plots, durchkomponierte Sprache, kluge Psychologie der Figuren, Vieldeutigkeit, Vielschichtigkeit oder ein aktuelles, brisantes Thema wie Rassismus und alles zusammen?

    Ist das nur eine Frage des eigenen Geschmacks? Oder erkennt ihr auch eine gewisse literarische Qualität, ohne dass ihr den Text aus welchen Gründen auch immer mögt?

    Oder entscheidet über die Qualität schlicht die Zeit?

    Oder reicht es euch aus, einfach gut zu unterhalten? Oder wollt ihr zwar unterhalten, aber nicht nur? Oder sollen andere entscheiden, ob der Text nun Kunst ist?
    Zuletzt geändert von Milch; 17.03.2021, 00:13.

    #2
    Was ist für euch in der Literatur Kunst oder auch literarisch wertvoll?
    Etwas, dass mich, ohne dass ich es merke, zum Nachdenken (über Inhalt, Form, Umsetzung, etc) anregt. Für fünf Minuten oder fünf Jahre.

    Schmälern Lesbarkeit, Unterhaltsamkeit, Emotionen und Humor den Kunstanspruch?
    Im Gegenteil. Also ... nicht für mich.
    Darf ein gelungener Text nicht auch Spaß machen?
    Für mich muss er das. Ausnahmen bestätigen die Regel.

    Sind Genre wie Fantasy, Science-Fiction oder Krimi verboten, wenn es Kunst werden soll?
    Nein.
    Was ist mit Modernität - auch das tabu?
    Was ist Modernität … Ein Bruch mit Traditionen kann natürlich Kunst sein. Doch ich könnte nie ohne konkreten Text entscheiden, ob er meinen Begriff von "kunstvoll", "künstlerisch" oder nur "künstlich" oder "verkünstelt" trifft.
    Oder denken nur Spießer in solchen Schubladen?
    Ich deute den Begriff Spießer mal als Mensch mit geistiger Unbeweglichkeit. Will ja niemand sein. Aber die Schublade Spießertum vermeiden zu wollen, ist Spießertum schlechthin. Jeder darf denken, wie er will, auch in Schubladen, wenn es ihm dann einfacher fällt.
    Anhand eines Sammelbegriffs Kunst definieren oder ausschließen zu wollen, erscheint mir nicht möglich, da ich den Kunstbegriff für etwas sehr Individuelles halte. Kunst liegt für mich immer im Subjektiven, eine Frage, die jeder Rezipient selbst entscheiden darf. Soll.

    Was macht einen Text eigentlich kunstvoll? Originalität, ausgeklügelte Plots, durchkomponierte Sprache, kluge Psychologie der Figuren, Vieldeutigkeit, Vielschichtigkeit oder ein aktuelles, brisantes Thema wie Rassismus und alles zusammen?
    Jedes für sich und alles zusammen in einer Form oder einem Zusammenspiel, die bzw das mir gefällt.

    Ist das nur eine Frage des eigenen Geschmacks? Oder erkennt ihr auch eine gewisse literarische Qualität, ohne dass ihr den Text aus welchen Gründen auch immer mögt?
    Ob ich etwas als Kunst wahrnehme, ist rein subjektiv. Dazu muss es mir inhaltlich oder formal nicht unbedingt gefallen, doch das erleichtert den Zugang natürlich enorm, sonst geh ich da gar nicht näher ran .
    Oder entscheidet über die Qualität schlicht die Zeit?
    Nö. Die Zeit entscheidet vor allem, welche Tontafeln zerbrechen und wieviel Papier weggammelt und welches digitale Speichermedium überdauert.
    Aber natürlich schwimmt nach 200 Jahren Goethe (noch) oben. 700 Jahre dagegen machen einen sprachlichen Unterschied, der sich in einem Verlust der Mainstreambekanntheit niederschlägt.

    Oder reicht es euch aus, einfach gut zu unterhalten?
    Ja. Das ist das wichtigste. Und ich glaube, für die noch heute "großen Künstler" war genau das auch in ihrer Zeit wichtig.
    Oder wollt ihr zwar unterhalten, aber nicht nur?
    Das ist das Optimum. Aber nicht jeder muss einen Grund zum Nachdenken in einem Liebesroman oder einer Fantasystory finden.
    Oder sollen andere entscheiden, ob der Text nun Kunst ist?
    Es kann nur jeder einzelne Leser für sich entscheiden. Kein literarisches Kunstgericht in einer Sondersitzung.
    Zuletzt geändert von Dodo; 17.03.2021, 06:46.

    Kommentar


      #3
      Was ist für euch in der Literatur Kunst oder auch literarisch wertvoll?

      Das kommt auf die Art der Kunst an. Wenn sich jemand auf die Kunst versteht, gut und verständlich zu schreiben und dennoch einen gewissen Wert zu vermitteln oder ob jemand etwas künstlich erzwingen möchte. Wenn literarische Kunst zu künstlich wirkt, merkt man ihr die Kunst zwar an, aber sie tangiert mich deshalb oft auch nicht. Die Kunst ist für mich also vor allen Dingen etwas Künstliches natürlich wirken zu lassen.


      Schmälern Lesbarkeit, Unterhaltsamkeit, Emotionen und Humor den Kunstanspruch? Darf ein gelungener Text nicht auch Spaß machen? Sind Genre wie Fantasy, Science-Fiction oder Krimi verboten, wenn es Kunst werden soll? Was ist mit Modernität - auch das tabu? Oder denken nur Spießer in solchen Schubladen?

      Kunst kann man nicht in Schubladen stecken. Sie ist so vielfältig wie kontrovers. Und wenn ich mir den Begriff "moderne Kunst" vor Augen führe, sehe ich keinen Zwiespalt zwischen Kunst und Modernität. Im Gegenteil: War Kunst nicht stets Ausdruck seiner Zeit?


      Was macht einen Text eigentlich kunstvoll? Originalität, ausgeklügelte Plots, durchkomponierte Sprache, kluge Psychologie der Figuren, Vieldeutigkeit, Vielschichtigkeit oder ein aktuelles, brisantes Thema wie Rassismus und alles zusammen?

      Alles und nichts. So einfach lässt sich das nicht greifen.


      Ist das nur eine Frage des eigenen Geschmacks? Oder erkennt ihr auch eine gewisse literarische Qualität, ohne dass ihr den Text aus welchen Gründen auch immer mögt?

      Es gibt Kunst die mir gefällt, solche die mir nicht gefällt und "Kunst", die ich nicht als Kunst definieren würde. Demzufolge erkenne ich auch Texten eine literarische Kunst zu, die ich nicht mag. Das kann ja viele Gründe haben: inhaltliche, stilistische, moralische etc.


      Oder entscheidet über die Qualität schlicht die Zeit?

      Nein.


      Oder reicht es euch aus, einfach gut zu unterhalten? Oder wollt ihr zwar unterhalten, aber nicht nur? Oder sollen andere entscheiden, ob der Text nun Kunst ist?

      Kommt auf das Projekt an.
      http://www.wandern-mit-kindern-in-thueringen.de

      Kommentar


        #4
        Was ist für euch in der Literatur Kunst oder auch literarisch wertvoll?
        Kunst ist etwas, das sich mit dem Zeitgeist ausaeinandersetzt, und mit dem wiederum ich mich auseinadersetzen kann.

        Schmälern Lesbarkeit, Unterhaltsamkeit, Emotionen und Humor den Kunstanspruch?
        Nein, nicht unbedingt. Aber je "lesbarer" und unterhaltender ein Text ist, desto weniger Fläche zur eigenen Interpretation und Reflektion bietet er oft. Nicht immer, dewegen will ich das pauschal verneinen. Aber es gibt einfach Texte, die in ihrer Plattheit keinen Kunstanspruch für mich haben, aber durchaus lesenswert und unterhaltsam sein können.

        Darf ein gelungener Text nicht auch Spaß machen?
        Wer bezweifelt das?

        Sind Genre wie Fantasy, Science-Fiction oder Krimi verboten, wenn es Kunst werden soll?
        Nichts ist verboten, wenn es "Kunst werden soll". Wobei ich denke, dass viel Autoren nicht das erklärte Ziel haben, "Kunst zu schaffen", sondern einfach eine Botschaft zu vermitteln, und das geht in den genannten Genres sehr gut.

        Was ist mit Modernität - auch das tabu?
        Wie definierst du Modernität und in welchem Zusammenhang soll das tabu sein?

        Oder denken nur Spießer in solchen Schubladen?
        Keine Ahnung. Ich denke nicht gern in Schubladen

        Was macht einen Text eigentlich kunstvoll? Originalität, ausgeklügelte Plots, durchkomponierte Sprache, kluge Psychologie der Figuren,
        Das macht ihn schon mal handwerklich gut.

        Vieldeutigkeit, Vielschichtigkeit oder ein aktuelles, brisantes Thema wie Rassismus und alles zusammen?
        Wenn der Text mich zum Nachdenken über ein Thema anregt, auch über den Plot hinaus, dann ist das schonmal ein guter Anfang. Aber weder kann ich sagen "Wenn X drin ist, ist es automatisch Kunst" noch braucht Kunst unbedingt eine dieser Zutaten.

        Ist das nur eine Frage des eigenen Geschmacks? Oder erkennt ihr auch eine gewisse literarische Qualität, ohne dass ihr den Text aus welchen Gründen auch immer mögt?
        Literarische Qualität in Bezug auf Handwerk erkenne ich ^^ Darüber hinaus muss ich einen Text zumindest so weit mögen, dass ich ihn überhaupt lese, bevor ich mich damit auseinandersetzen kann. Insofern, von meiner Perspektive aus betrachtet, ist es eine Frage des Geschmacks. Aber ich spreche auch Texten, die ich nicht mag, nicht ab, Kunst zu sein. ich kann es dann nur nicht beurteilen.

        Oder entscheidet über die Qualität schlicht die Zeit?
        Nö. Im Gegenteil, Kunst hat immer einen Bezug zu der Umwelt, in der sie entsteht, und mit allzu viel Abstand kann dieser Bezug verloren gehen.

        Oder reicht es euch aus, einfach gut zu unterhalten?
        Ja, sicher. Ich muss nicht jeden Tag in meinem Weltbild erschüttert werden.

        Oder wollt ihr zwar unterhalten, aber nicht nur?
        Wenn ein Text beides kann, ist das prima.

        Oder sollen andere entscheiden, ob der Text nun Kunst ist?
        Ich wüsste nicht, wozu es überhaupt gut sein soll, das zu definieren. Die einzige Frage, die für mich eine Rolle spielt, ist, ob der Text mein aktuelles Bedürfnis befriedigt. Manchmal will ich einfach unterhalten werden. Manchmal will ich mit neuen Sichtweisen gefüttert werden. Entsprechende Texte auszuwählen besteht nicht einfach darin, die Frage "Kunst - ja oder nein?" zu beantworten.
        Poems are never finished.
        Just abandoned.

        Kommentar


          #5
          Ich denke, dass sich die Sicht auf was Kunst ist langsam wandelt. Es müssen nicht mehr nur hoch komplex geschriebene Nachkriegsgeschichten und ähnlich ernste Themen sein, auch wenn diese Art der "Kunst" bisher eher dominiert hat.

          Ein Teil von mir sagt, dass alles schriftliche erstmal Kunst ist.
          Ein anderer Teil von mir sagt, dass der nächste Band einer mittlerweile zweistelligen Serie, die jedes halbe Jahr erscheint, keine Kunst mehr sein kann.

          Meine Dozentin in der Anthropologie würde vielleicht argumentieren, dass Kunst das Zusammenspiel von handwerklicher Arbeit und deren Wirkung auf den Rezipienten ist, die Illusion von Magie (aka man kann sich nicht vorstellen, wie man das Kunstobjekt herstellen konnte). Vielleicht waren für mich deshalb in meiner Teenager-Emo-Phase tief dunkle oder traurige Geschichten höchste Kunst, mittlerweile aber nicht mehr, weil ich verstehe wie man sie schreibt - Humor hingegen ist für mich zu Kunst geworden, weil ich zwar als Teenager dachte, dass jeder Humor kann, ich aber in meiner Schreibreise eines besseren belehrt wurde.

          Kommentar


          • Dodo
            Dodo kommentierte
            Kommentar bearbeiten
            Mir gefällt tatsächlich der Kunstaspekt, mit dem Du Deine Anthropologiedozentin zitierst, sehr schön: "die Magie". Für mich äußert sich diese Magie in einem Drübernachdenken-wollen. Und ich denke lieber mit einem Schmunzeln über Dinge nach, die vielleicht gar nicht witzig sind, als mit hängenden Mundwinkeln über Dinge zum Lachen.

          #6
          Kunst zeigt sich hautptsächlich in drei Kriterien, gesellschaftliche Relevanz (dazu muss man nicht die Wirklichkeit eins zu eins widerspiegeln), Wille zur Gestaltung und Originalität. So schließen Genre und Lesbarkeit einen Kunstanspruch für mich nicht aus. Oft lösen Genre ihn nicht ein, aber das ist eine andere Frage. Ich weiß nicht, ob es so gut ist, nur Unterhaltung machen zu wollen. Natürlich soll es auch unterhalten, aber nur?
          Zuletzt geändert von Milch; 24.03.2021, 13:54.

          Kommentar


          • Milch
            Milch kommentierte
            Kommentar bearbeiten
            Weiter entwickeln vom Vorbild weg, so dass es kein Anziehbild vom Original mehr ist und selbst irgendwie zum Original wird.

          • Dodo
            Dodo kommentierte
            Kommentar bearbeiten
            Also sowas wie die Twilightsaga und Fifty Shades of Grey?

          • Milch
            Milch kommentierte
            Kommentar bearbeiten
            Die müssen erst den Test der Zeit bestehen.
            Ich dachte eher an Westsidestory, variiert Romeo und Julia, Spiderman, variiert Superman, Breaking Bad variiert stellenweise McGyver.

          #7
          Hehe, ich mag den Eingangspost - nettes Spiel mit Klischees.
          Und ein spannendes Thema. ^^

          Was ist für euch in der Literatur Kunst oder auch literarisch wertvoll?
          Allgemein hatfür mich jeder Text bzw. jedes kreative Werk einen gewissen Wert - selbst, wenn ich den für mich persönlich nicht sehen kann. Alles, was kreativ geschaffen wird, ist Kunst. Nicht alles ist für mich gute Kunst. Manche Sachen sind vermutlich für eine große Mehrheit gute oder keine gute Kunst, was die Illusion objektiver Kriterien kreiert, die zu einem gewissen Grad auch sinnvoll sind, wenn man Kunst erschaffen will, die andere Leute anspricht. Aber letztendlich ist meine Antwort darauf zunächst ein langweiliges, schneeflockiges Alles (was mit der Absicht Kunst zu erschaffen erschaffen wird) ist Kunst und ihr seid alle Künstler.
          Für mich persönlich ist Kunst etwas, was mich in irgendeiner Form anspricht, Emotionen hervorruft, mich mitreißt, zum Nachdenken anregt oder einfach unterhält. Allerdings weiß ich auch Werke zu schätzen, die zwar nicht meinem Geschmack entsprechen, aber so einzigartig oder so beeindruckend in ihrer Ausführung sind, dass ich sie zumindest bewundern und ihnen doch etwas agewinnen.

          Schmälern Lesbarkeit, Unterhaltsamkeit, Emotionen und Humor den Kunstanspruch? Darf ein gelungener Text nicht auch Spaß machen? Sind Genre wie Fantasy, Science-Fiction oder Krimi verboten, wenn es Kunst werden soll? Was ist mit Modernität - auch das tabu? Oder denken nur Spießer in solchen Schubladen?
          Warum sollte irgendwas davon den Kunstanspruch schmälern? Das, was wir heutzutage als besonders große Kunst ansehen, diente zur Zeit seiner Erschaffung der Unterhaltung, oft der Unterhaltung der Massen. Paganini und Liszt beispielsweise haben nicht nur für ein kleines Publikum elitärer Musikkenner gespielt, und ihre Kompositionen waren modern, innovativ, originell - und wurden entsprechend kritisiert. Reines, seelenloses Angeben und Vorführen von Technik sei es, zum Beispiel. Und die heutige Musik is ja nur Lärm. (Das heißt nicht, dass alles, was heute an Musik produziert wird, genauso anspruchsvoll ist wie Nel cor più non mi sento oder die Ungarische Rhapsodie Nr. 2, und das muss es auch nicht - auch damals war bei weitem nicht alles so schwer). Also was der Zeitpunkt des Erschaffens der Kunst mit dem Kunstanspruch zu tun hat, erschließt sich mir nicht. Noch weniger, warum Unterhaltsamkeit, Emotionen, Humor oder Lesbarkeit den Kunstanspruch schmälern sollten und einen Text nicht etwa kunstvoller macht. Was ich mir aber durchaus vorstellen kann, is dass Leute, die sich gern als intelligentere, überlegene Kunst-, Literatur- oder Musikkenner ansehen würden und Gatekeeping betreiben, solche und ähnliche Meinungen von sich geben.

          Was macht einen Text eigentlich kunstvoll? Originalität, ausgeklügelte Plots, durchkomponierte Sprache, kluge Psychologie der Figuren, Vieldeutigkeit, Vielschichtigkeit oder ein aktuelles, brisantes Thema wie Rassismus und alles zusammen?
          Alles davon kann dazu beitragen. Letztendlich kommt es auf den Text und das Empfinden des*der Leser*in an.

          Ist das nur eine Frage des eigenen Geschmacks? Oder erkennt ihr auch eine gewisse literarische Qualität, ohne dass ihr den Text aus welchen Gründen auch immer mögt?
          Ich wüsste ehrlich gesagt gar nicht, wie genau ich literarische Qualität definieren sollte und was sie ausmacht. Aber ich denke, ich erkenne es schon, wenn jemand sein Handwerk, oder zumindest das, wovon ich gelernt habe dass es zum Handwerk gehört, versteht, auch wenn der Text nicht meinem Geschmack entspricht. Ich weiß, dass viel Zeit, Mühe und Arbeit dahintersteckt, dass diese Person das nicht von heut auf morgen erlernt hat, und das kann ich wie gesagt durchaus zu schätzen wissen. Allerdings glaube ich auch, dass mein Verständnis vom Schreibhandwerk, oder der visuellen Kunst, oder der Musik auch nur einen Bruchteil dessen umfasst, was es alles an Literatur, Kunst und Musik gibt. Es gibt sicher eine Menge Stile, Genres und Werke, insbesondere aus anderen Kulturen die oft genug vernachlässigt werden, die ich gar nicht vollständig verstehe, bei denen mir gar nicht bewusst ist, wie viel Übung und Können dahintersteckt. Insofern ist das eben doch auch persönlicher Geschmack und zumindest zu einem gewissen Grad ankonditioniert.
          Außerdem kann es ja sein, dass es Dinge gibt, die bei uns als No-Go und schlechtes Handwerk gelten und oft nicht gefallen, in einer anderen Kultur aber bewusst als Stilmittel eingesetzt werden und vielen Leuten zusagen? In der indischen klassischen Musik zum Beispiel sind die Töne in einer Tonleiter soweit ich weiß zum Beispiel nicht an eine bestimmte Frequenz gebunden (mal abgesehen davon, dass die Tonleiter sowieso beliebig transponiert werden und Instrumente der Stimme eins*r Sänger*in entsprechend gestimmt werden können), sondern haben viel mehr Frequenzbereiche, in denen sie sich bewegen können - und wo genau in diesen Bereichen sie liegen, hängt davon ab, was gespielt wird. Das ist ganz bewusst und es steckt eine Menge Können dahinter. Für westliche Ohren kann die Musik aber durchaus etwas merkwürdig, gar schief klingen, weil die Intervalle zwischen den Tönen sich von denen, die wir hier in Europa gewöhnt sind, unterscheiden. (Muss es aber nicht. Sucht mal nach Ragini Shankar auf YouTube *_*) So etwas wie objektive Qualitätsmerkmale gibt es also gar nicht wirklich.

          Oder entscheidet über die Qualität schlicht die Zeit?
          Oh nein, definitiv nicht. Klar, bestimmte Werke überdauern die Zeit - was die Zeit überdauert, hängt aber nicht nur von der Qualität ab. Um mal bei der klassischen Musik zu bleiben, weil ich mich da besser auskenn als in der klassischen Literatur, was glaubt ihr warum ich bei meinem Beispiel zwei europäische Männer gewählt hab? Es gibt Gründe, warum Mozart, ein weißer Mann, bekannter ist als sein schwarzer Zeitgenosse Joseph Boulogne, warum Felix Mendelssohn bekannter ist als seine Schwester Fanny Mendelssohn, warum westliche klassische Musik so viel bekannter und verfügbarer ist als Musik anderer Kulturen. Und diese Gründe haben herzlich wenig mit der Qualität oder dem ästhetischen Wert zu tun - wenn überhaupt, dann entsprechen sie dem ästhetischen Empfinden vieler Leute, weil uns das antrainiert wurde. Was nicht heißt, dass diese Werke schlecht sind, oder dass die Leute, die sie erschaffen haben, schlechte Menschen oder weniger wert waren. Absolut nicht. (Überhaupt, ich werd Paganini immer verteidigen, der war nämlich kein Bisschen so, wie die Gerüchte und Verleumdungen ihn dargestellt haben ). Aber dass sie sind nicht automatisch besser als die Werke, die nicht von weißen europäischen Männern stammen, und es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass andere Werke, die genauso gut und wertvoll sind, die Zeit aufgrund von Biases nicht überdauert haben.

          Oder reicht es euch aus, einfach gut zu unterhalten? Oder wollt ihr zwar unterhalten, aber nicht nur? Oder sollen andere entscheiden, ob der Text nun Kunst ist?
          Ich denke, das reicht aus. Persönlich möchte ich natürlich auch noch mehr als das erreichen. Klar. Ich habe Gedanken, Werte und Botschaften, die ich in die Welt hinaustragen will. Ich persönlich lege auch Wert auf Diversität, ich möchte, dass Menschen meine Geschichten lesen und sich in ihnen in irgendeiner Form repräsentiert fühlen. Ich möchte dazu beitragen, Vorurteile abzubauen, indem ich marginalisierte Minderheiten in meinen Geschichten normalisiere. Ich möchte mein Wissen über Dinge, die mich beschäftigen und faszinieren, mit anderen teilen.
          Aber was die Leser*innen meinen Geschichten abgewinnen, liegt letztendlich nicht in meiner Hand. Klar kann ich mich um eine besonders gute Umsetzung bemühen, aber ich habe keine Kontrolle darüber, was in den Köpfen anderer vor sich geht, wenn sie meinen Kram lesen, und ob sie meine Leidenschaft für dieselben Dinge und Themen teilen oder meine Geschichten als seichte Unterhaltung empfinden. Wenn meine Geschichten einfach nur gefallen und unterhatlen, bin ich auch schon zufrieden.
          (Die einzige Ausnahme wäre da, wenn die Leute gehäuft irgendwelche problematischen Botschaften in ihnen sehen oder sie bspw. vor allem Rassisten gefallen, weil sie rassistische Untertöne sehen oder ähnliches. Das wäre für mich ein Anlass, die Geschichten vorerst überall rauszunehmen und gründlich zu überarbeiten, weil das zu sehr meinen Zielen und Werten widerspricht. Allerdings ist das auch mein persönliches Empfinden und wie ich es handhaben würde, keine Universalregel für alle.)
          There are many ways to make music.

          Kommentar

          Lädt...
          X
          Um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen zu Cookies erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung