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Tod, Zerstörung und das Aufräumen danach

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    Tod, Zerstörung und das Aufräumen danach

    Je nachdem, in welchen Genres man sich bewegt, ist ein gewisses Maß an Schießereien und spektakulären Kollateralschäden üblich. Und hier ist mein Problem: Ich kann das nicht mit ansehen bzw. lesen, ohne mir Gedanken darüber zu machen, welche Folgen das nach sich zieht. Irgendwie bekommen Autoren es hin, einem das Ende trotzdem als "alle Probleme gelöst" zu verkaufen und die ganzen Nachwirkungen unter den Teppich zu fegen. Ich kann das nicht. Ich sitze da und denke, diese und jene Leiche wird doch untersucht und zum Prota zurückverfolgt, das Museum, das bei der Endschlacht verwüstet wurde, hat unwiderbringliche Artefakte verloren, die Explosionen haben vielleicht Unschuldige mit erwischt und die Gebäude drumherum sind jetzt einsturzgefährdet. Und weil ich diese ganzen Auswirkungen nicht ignorieren will, aber auch nicht 120 Seiten Aufräumarbeiten und Strafverfolgung anhängen will, habe ich festgestellt, dass ich meine Actionszenen so runterregle, dass sie eher mau sind. Ich kann einfach nicht mit Lust in der Gegend rumwüsten wie der Hulk. Ich befürchte aber auch, dass das meinen Geschichten nicht gut tut, weil sie dadurch eventuell zu zahm rüberkommen.

    Seltsamerweise scheue ich mich nicht gerade, meine Protas zu quälen, aber ich versuche doch, die Wunden, die sie körperlich und seelisch davontragen, realistisch und damit aufwändig aufzuarbeiten. Den selben Realismus kann und will ich aber eben nicht auch noch für die ganzen Randfiguren und Nebensächlichkeiten in der Geschichte abarbeiten.

    Wie geht ihr damit um? Verwüstet eure Romanwelt nach Herzenslust und pfeift ggf. auf die Auswirkungen, die das hat? Oder haltet ihr euch zurück, um den wenigen Schäden dafür einen stärkeren Nachhall zu geben? Zucken eure Protas wenn's drauf ankommt nicht mit der Wimper, Leute zu töten? Oder schaffen sie sich zusätzliche Kapitel voll Probleme damit, dass sie es nicht tun? Oder habt ihr einfach gegner, deren Tod niemanden juckt? Wie geht ihr damit um?
    Poems are never finished.
    Just abandoned.

    #2
    Hm, spontan würde ich sagen, das alle Handlungen in meiner Welt Konsequenzen haben, nur stelle ich diese nicht erschöpfend dar. Ja, es gibt Schlachten, bei denen sehr viele sterben. Und wenn mein Prota töten muss, tut er das nicht einfach so. Er ist sich dessen bewusst, was die Konsequenzen seines Handelns sind, das er Leben auslöscht, aber auch, das er es tun muss. Gleichzeitig kommen in meiner Geschichte Charaktere vor, die nahe Verwandte verloren haben (also getötet wurden) und deren Trauer findet ebenso Platz. Wenn der Umwelt oder Gebäuden Schaden zugefügt wird, wird auch da deutlich gemacht, welche Folgen das hat und das es irgendwann behoben werden muss. Es gibt nur eine Spezies in meiner Geschichte, die "einfach nur" tötet, aber sie hat kein eigenes Bewusstsein, keinen Willen, sind nicht mal echte Lebewesen. Sie sind einfach nur Werkzeuge, die gelenkt werden.

    Die von dir angesprochenen Punkte kommen also durchaus vor, werden aber nicht lang und breit thematisiert, sondern hier und da unauffällig eingefügt, sodass der Leser sie zwar bewusst wahrnehmen und verarbeiten kann, sich aber nicht belehrt oder durch ein Zuviel gelangweilt fühlt.
    Zuletzt geändert von Nachtmahr; 15.02.2020, 20:15.
    "A writer is a world trapped in a person." Victor Hugo
    "Writing is hard work; it's also the best job I've ever had." Raymond E. Feist
    "Be inspired by others, but when you sit down to write, knock down any walls of doubt, and write like only you can." Lucy Knott

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    • Ankh
      Ankh kommentierte
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      Dodo das ist halt das Problem, unterm Strich ist es immer noch Cyberpunk, und dafür ist es halt generell arg ... zahm. Meine Intention ist ja schon, mal die andere Seite zu zeigen, jemanden, der sich mal gegen diese ganze düstere Gewalt stellt, aber ich habe den Eindruck, dass die düstere gewalt generell zu kurz kommt, weil ich es einfach nicht über mich bringe, die nötige Brutalität aufzubringen, und sei's nur auf dem Papier.

    • Nachtmahr
      Nachtmahr kommentierte
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      Aber genau das ist der Punkt Ankh: Es ist nur auf dem Papier. Wenn du mehr Kampf bzw. Action generell in deine Geschichte bringen willst, steht dir das frei, zumal du damit keinem realen Wesen schadest. Du kannst es aber auch lassen. Ich kenne mich mit Cyberpunk nicht aus, kann mir aber nicht vorstellen, das Gewalt, Kämpfe und dergleichen dort ein Muss sind. Wenn du es aber willst, versuch dich in deinen Prota zu versetzen. Stell dir vor, er wäre in einer gefährlichen Situation. Was würdest du an seiner Stelle tun, besonders wenn jemand der dir nahesteht, ebenfalls dieser Gefahr ausgesetzt ist? Würdest du dich überwinden und zumindest versuchen etwas zu tun, um diese Person zu schützen? Zumal den Passiven die Berührung mit Gewalt durch ihre Passivität leider nicht erspart bleibt, wenn sie sich jemand als Opfer aussucht. Ein Zitat aus dem Herrn der Ringe - Die zwei Türme (Film), fasst das sehr gut zusammen: "Die Frauen Rohans haben gelernt, das jene ohne Schwerter, trotzdem durch ein Schwert sterben können". Wenn du es willst, muss der Beginn der Auseinandersetzung gar nicht von deinem Prota ausgehen, sondern von jemand anderem. Die Frage ist nur, wie er darauf reagiert. Stellt er sich der Bedrohung oder sucht er das Weite?

      Mir hilft es sehr, mich in meinem Prota hineinzuversetzen. Wenn ich mich dann an seiner Stelle hunderten und tausenden feindlichen Soldaten gegenüber sehe, ist es für mich keine Frage mehr, wie er reagieren muss. Die lebensbedrohliche Situation ist eindeutig.

    • Badabumm
      Badabumm kommentierte
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      Ich weiß nicht mehr genau, weshalb der Killer in „No country for old men“ einen seiner letzten Aufträge ausführt, obwohl der Grund dazu hinfällig geworden war. Es hatte etwas mit seinem Prinzip zu tun, und dass er es „zugesagt“, „versprochen“, „angekündigt“ oder „vereinbart“ hatte. Ein Mann, ein Wort. Man kann also jemanden töten (es wurde nicht gezeigt, aber der Zuschauer geht davon aus, dass er es getan hat), auch wenn es für die Sache nicht mehr wichtig ist, aber einem Kodex entspricht. Dass er es tun muss, liegt also nur in seinen eigenen Wertvorstellungen und ist durch keinen Auftrag oder Fehde mehr begründet. Da entsteht eine Eigendynamik, die übrigens auch bei vielen Serientätern oder Racheengeln gerne gezeigt wird. Der Autor, der versucht, einen solchen Menschen zu schildern, muss sich von unseren humanistischen Wertvorstellungen entfernen, was auch bei Mafia-Themen gerne zum Anlass genommen wird, um eine Art der Moral zu verherrlichen, die konsequent, aber nicht die unsrige ist.

    #3
    Hm, ich frage mich gerade ob es realistisch ist ein Museum in die Luft zu jagen. Hat halt was von "Stirb langsam" und ähnlichem. Kann es genauso gut realistisch sein, wenn kein Gebäude explodiert und drumherum 200 Passanten sterben? Action per se erzeugt keine Spannung und ist auch keine Spannung. Nur weil kein Haus in die Luft fliegt denke ich nicht: Nä! Also .. nä! Wenigstens das Haus hätte ja mal explodieren können. < Das sind sogar eher Gründe, weshalb ich Bücher weglege.
    Also für mich sieht die Rechnung so aus: Action ist ungleich Spannung und deshalb bedeutet wenig Action auch nicht, dass die Geschichte zahm ist.

    Noch mal zu "Stirb langsam": Das explodieren, abschlachten pipapo ist für mich ein optischer Reiz, der eigentlich nur beweisen soll, wie taff die Figuren sind. Die spannenden Stellen waren für mich bspw. die Stellen, wo es zwischenmenschlich brannte. Wo der Anta in die Tiefe stürzte etc. Da gibt es Konflikte.
    Nein das war ich nicht.
    Ach so, das!
    Ja, das war ich.

    Kontakt: administrator@wortkompass.de

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    • Ankh
      Ankh kommentierte
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      Das mit dem Museum ist jetzt nur ein Beispiel, wobei ich eben schon öfter Szenen gelesen habe, in denen tatsächlich wertvolle Artefakte mal so nebenher zu Bruch gingen. Aber es reicht auch schon, wenn bei einer Keilerei eine komplette Inneneinrichtung zu Bruch geht. Vielleicht stört mich das mehr als andere Leser, keine Ahnung. Jedenfalls mache ich mir da Gedanken drüber, während die Autoren es hinterher nicht für erwähnenswert halten, was da alles für die Action geopfert wurde.

    • weltatlas
      weltatlas kommentierte
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      Schon klar, dass es nur ein Beispiel war. Ich finde es generell gräuselig, wenn real Bauwerke mit wertvollem Inhalt oder schlicht Monumente eingeäschert werden. Bei einer Inneneinrichtung von IKEA wäre es mir egaler, dennoch unschön.

      Persönlich finde ich es Effekthascherei. Aber, passt eben zu bestimmten Genre. Erzeugt bei mir aber nur Augenleiern, wenn es eben nur dazu da ist um Coolness zeigen zu wollen.

      Schlimm finde ich generell wenn zu den Kolatteralschäden auch Unschuldige gehören, will ich mir gar nicht vorstellen. Bspw. wenn bei Superhelden mal eben ein ganzer Hochhausgebäudekomplex auf eine viel befahrene Straße in Manhatten kippt. Aber, gab es nicht mal einen Film, wo genau das thematisiert wurde? *grübel*

    • Alys II.
      Alys II. kommentierte
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      weltatlas Tatsächlich kommt das am Rande vor in "Die Unglaublichen", dem Pixar-Film. Da wird es zwar als Comic Relief genutzt, aber von Superhelden gerettete Leute reichen hinterher Klage ein wegen Schleudertrauma, Alpträumen etc., weil die Rettung eben doch recht dramatisch verlief.

      Und es gibt das wunderbare Blog "Law and the Multiverse", in dem zwei Anwälte die Folgen der Handlungen von Superhelden analysieren: alles von Kollateralschäden an Gebäuden bis zu steuerlichen Fragen oder dem elendigen Thema, ob Outfit und Gadgets der Superhelden ihnen selbst gehören oder ihrer Dachorganisation. Sehr lustig zu lesen, aber gibt tatsächlich gute Denkanstöße, wenn man sich über die Folgen von Handlungen Gedanken machen will. https://lawandthemultiverse.com/

    #4
    Ich bin in einem prinzipiell weniger rabiaten Genre unterwegs (allerdings habe ich rabiate Nebenhandlungen), aber eigentlich würde ich auch bei einem rasanten Actionsthriller überlegen: Welche Konsequenz ergibt sich für meine Hauptfiguren? Wenn es eine gibt, dann nehme ich auch dazu Stellung und verbastel es im Plot. Die meisten meiner Figuren würden nie daran gedacht haben, dass sie einmal in die Lage kommen, jemanden - in Notwehr - töten zu müssen. Sie sind dann aber in der Notwehrsituation und Überlebensinstinkte setzen ein. Das schreibe ich so auch hin.
    Ich verwüste die Lebenswelt meiner Figuren wie es passt, aber immer so, dass ich selbst nicht ungläubig die Augen rolle. Nach einem Schlag mit einer Bratpfanne auf den Kopf steht man eben nicht einfach wieder auf. Eine Verfolgungsjagd, bei der reihenweise die Autos explodieren, käme für mich nicht in Frage. Es gibt selbst unter fiktionalen Gesichtspunkten sinnlose Aktionen / Tode, und die finde ich ... sinnlos.
    Es kommt auch darauf an, welchen Effekt man erzeugen will oder mit welchen Mitteln man die Verwüstung darstellt. Tarantinofilme (mit einzelnen Ausnahmen) und Nachahmer hängen mir wegen grotesk übersteigerter Gewalt zum Hals raus. Ebenso Figuren, die ungerührt das Schlachtfeld verlassen und sich nach den Explosionen hinter ihnen vor lauter Coolness nicht einmal umdrehen (abgesehen davon, dass die Druckwelle ... usw). Ich denke auch eher bei diesen überzogenen Nummern daran, dass man die "Helden" zur Rechenschaft ziehen müsste (und würde gern eine Stellungnahme dazu sehen oder lesen), nicht bei den gemäßigteren Action-Aktionisten.

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    • Ankh
      Ankh kommentierte
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      Es geht mir ähnlich, wobei ich dann eben an die Stelle komme, wo ich nicht weiß, ob ein actiongewohnter Leser eine realistische Darstellung überhaupt noch spannend findet. Wenn der es gewohnt ist, dass der Held mit mehreren Schusswunden und Knochenbrüchen noch weiterkämpft, dann ist es halt doof, wenn meiner dagegen mit sowas wimmernd am Boden liegt und den Rest der Geschichte im Krankenhaus verbringt, bzw. da ich ihn ja weiterkämpfen lassen will, kommt er eben mit verhältnismäßig leichten Blessuren davon, die ihm zwar realistischerweise einiges abverlangen, aber der Actionfilmgucker rollt vermutlich nur die Augen und denkt "stell dich nicht so an, ist doch nur'n Kratzer".

    • weltatlas
      weltatlas kommentierte
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      Ganz ehrlich: ich finde es ergreifender und schauriger, wenn es realistisch ist. Diese Karikatur von Actionhelden finde ich persönlich so unrealistisch überzogen, dass es mich absolut kalt lässt.

    • Dodo
      Dodo kommentierte
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      Geht mir ähnlich wie weltatlas Mir ist ein Held lieber, der realistisch scheitert, als ein Übermensch, der einfach übermenschlich weitermacht. Ich sehe zwar gern James Bond, aber mitfühlen tu ich dort nicht, da geht es nur darum, zur nächsten im wahrsten Sinne unglaublichen Actionsequenz zu gelangen. Was auch eher (Sport-)Sensation/-faszination als Spannung ist. Und ich möchte selbst keinen James Bond schreiben (auch nicht in der Romanzenvariante ...).

    #5
    Schreiben wir Actionfilme? Da kann es Eindruck machen.
    Spannung entsteht, wenn Menschen unsicher sind, wie die Handlung ausgeht. Da kann ein Toter, den die Hauptfigur geliebt hatte, viel mehr Dramatik als 153 Statistiktote bieten.

    Marvel erfand die Damage Control, die sich mit den Hinterlassenschaften der Superhelden beschäftigen. Powerless von DC dreht sich um eine Versicherungsgesellschaft, die diese Schäden begleichen muss.
    Zuletzt geändert von Milch; 16.02.2020, 00:48.

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      #6
      Meine Geschichten sind oft sehr persönlich im Sinne, dass sie sehr nah an einer Figur sind und das ausschöpfen, aber eben manche Dinge drum herum nicht leicht zu thematisieren sind dadurch. Das gilt auch für Gewalt und Action, das zwar selten ein Fokus ist aber durchaus vorkommt. Zusätzlich habe ich PoV-Figuren, die Gewalt nicht zwingend als etwas Schlechtes sehen bzw. ihre Taten nicht als was Schlechtes sehen. Es kann daher schon schwierig sein, die Auswirkungen von Gewalt und Action umfassend darzustellen, eben weil in meinem Schreiben Sachverhalte selten mit einem Blick von Außen dargestellt werden und der Blick von Innen stark verzerrend sein kann.

      Beispielsweise habe ich eine Figure, die sich um ihre Umwelt wenig kümmert. Diese Figur will sehr absichtlich den Weltuntergang herbeiführen. Ob da auf dem Weg dorthin Unschuldige in einer Explosion sterben, ist für ihn moralisch unwichtig. Einzig, ob ihn das wieder ins Radar der "Polizei" bringt, ist da wichtig.
      Oder ich hab eine Figur, die aus "verblendeter Liebe" die eigene Schwester vergewaltigt. Er hält das für einen Ausdruck von Liebe und Triebe, gegen die er nicht ankämpfen kann. Ich versuche natürlich in der Reaktion der Schwester zu verdeutlichen, wie furchtbar die Situation eigentlich ist, aber die Nachwirkungen auf ihr Leben werden nicht weiter erzählt, weil sie nicht die PoV-Figur ist. Dass er am Ende einsieht, nicht gut gehandelt zu haben, ist dafür kein Ersatz. Ihr Leid wird schlicht nicht erzählt.

      Ich halte es aber auch nicht für notwendig, dem Leser alles vorzukauen. Zumindest schreibe ich für ein Publikum, dem ich ein gewisses Maß an eigener Denkkraft zutraue und auch verlange. Für das Thema Gewalt/Action traue ich meinen Lesern zu, zu erkennen, dass die PoV-Figuren oft ein verzerrtes Bild auf die Realität haben und die solche Taten, wie sie in Action-Szenen oft vorkommen, ziemlich furchtbar für die Leute sind, die darunter leiden müssen - nur ist das eben nicht die Geschichte, die ich erzählen will. Da muss man eine Balance finden zwischen "welche Geschichte will ich erzählen" und "wie viel anderes kann ich einflechten ohne davon abzulenken". Da können sehr unterschiedliche Antworten bei rauskommen, je nach Schreibstil, Genre und Geschichte.
      Ayo, my pen and paper cause a chain reaction
      to get your brain relaxin', the zany actin' maniac in action.
      A brainiac in fact, son, you mainly lack attraction.
      You look insanely whack when just a fraction of my tracks run.

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      • Lia Roger
        Lia Roger kommentierte
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        Also ich finde es bei euch beiden echt spannend, wie die Wahrnehmung und Wertvorstellungen eurer Charaktere nicht denen ihrer Umwelt entsprechen - das ist ein ganz interessanter Konflikt. Ich denke auch, die meisten Leser merken, wenn die Wahrnehmung und/oder Wertvorstellungen eines Charakters sich von den eigenen unterscheiden. Das wäre dann bei starker Verzerrung vielleicht ein unzuverlässiger Erzähler, aber dem merkt man ja auch an, dass man ihm nicht alles abkaufen kann.
        Ankh Ich hab irgendwie ein ähnliches Problem ... ich hab nicht direkt Hemmungen, etwas zu zerstören (meine Figuren leiden ziemlich, nur sterben tun die meisten nicht), aber ich hab ziemliche Probleme damit, eine Figur so richtig böse zu machen. Anfangs hab ich noch fiese Antagonisten im Kopf, aber nach und nach gewinn ich sie lieb und dann werden sie immer netter und sind nur unglücklich und unverstanden und können sich ändern ... das war beim RPG-Schreiben immer so ein Muster bei mir. ^^' Ich hoffe ja, dass es beim Romanschreiben nicht zu extrem wird.

      • Ankh
        Ankh kommentierte
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        Lia Roger Das kenne ich. Ich mag aber auch keine Figuren, die einfach so platt böse sind, und sobald man sich Gedanken macht, welche Motive hinter ihren Taten stecken, erscheinen sie einem halt auch nicht mehr so böse, weil sie ja immerhin Gründe haben. Und dann fällt es mir wieder schwer, Leute mit vernünftigen Gründen so weit die Grenzen übertreten zu lassen, dass ich wieder kein Verständnis dafür haben kann ...

      • Lia Roger
        Lia Roger kommentierte
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        Ankh Genau das! Entweder meine Antgonisten sind noch nicht weit genug entwickelt, sodass ich mich noch nicht so richtig in sie einfühlen kann weil ich gar nicht so genau weiß, wie die Figur sich fühlen und wie sie handeln würd (das ist noch das Problem, das ich mit meinen derzeitigen Antagonisten hab, die sind auch noch einigermaßen fies), oder ich verfall in den "Armes Baby"-Modus und dann sind sie nicht mehr fies oder kriegen nen Redemption Arc. Einige haben diese Entwicklung auch schon durchlebt ... die sind jetzt Protagonisten.

      #7
      Solche Folgen sind natürlich wichtig, aber die Frage ist, in welchem Setting und Genre man unterwegs ist und auch welche Zielsetzung man mit der Geschichte verfolgt. Will ich mit knallbunter Popcorn-Action unterhalten oder will ich aufzeigen, dass auch der Action Hero nur ein verletzilicher Mensch ist?
      John McClane hat bestimmt keine Alpträume, obwohl er die Leichen seiner Feinde als lustige Weihnachts-Deko verwendet (Die Hard 1). Jason Bourne hat dagegen eine Amnesie entwickelt, weil er seinen eigenen Job nicht mehr ertragen konnte. Verschiedene Zielsetzung in ähnlichem Genre.

      Wie Du sagst kann man sich natürlich im Aufzeigen der Folgen total verzetteln. Aber ich finde, sowas kann man mit einzelnen, exemplarischen Szenen ab. Der Museumsdirektor kann im Hintergrund über einem zerstörten Artefakt in Tränen ausbrechen, oder der Held kriegt am Tag 1 nach der Museumszerstörung mit, dass sich die halba Stadt auf Twitter über die Zerstörung von Kulturgut echauffiert, während die andere Hälfte dagegenhält, dass Menschenleben ja wohl wichtiger wären als ein paar alte Steine (die Diskussionen zum Brand von Notre Dame fände ich in der Hinsich z.B. gute Beispiele.)

      Wenn es einem mehr um die psychischen Folgen geht, dann kann man ja auch das in einzelnen Szenen abhandeln. Wir schreiben ja auch bei einer Liebesgeschichte nicht seitenlang über die Schmetterlinge im Magen, sondern eine einzelne Szene, in der Char 1 darüber grübelt, ob er Char 2 jetzt Blumen mitbringen soll. Also kann man auch in einer Szene herausarbeiten, dass Char 1 und Char 2 heute abend das Feierabendbier so gar nicht schmeckt, weil sie beide gedanklich noch bei dem eben erlebten Massaker sind.

      Ein Spoiler-Beispiel dazu aus der Peter-Grant-Serie, aus "Die Glocke von Whitechapel". (Cave, ist ein echter Spoiler vom Ende des Buchs!)
      Am Ende ist Peter arbeitslos - einerseits freigestellt, weil einiges polizeiintern aufgeabeitet werden muss, aber auch weil er therapeutische Hilfe braucht. Das ist ziemlich lapidar auf den letzten Seiten als Tell-dont't-Show abgehandelt, aber gerade dieser Erzählstil unterstreicht, wie wichtig es eigentlich für Peter ist. Und auch ein kleiner Quer-Hinweis darauf, dass wohl auch Nightingale mal posttraumatisch psychiatrische Hilfe in Anspruch genommen hat, untermauert das ziemlich.
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      Always avoid alliteration.

      Kommentar


      • Dodo
        Dodo kommentierte
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        Alys II. "Ihr seid in einem Splatterroman unterwegs. Wie bringt Ihr Euer alter ego orginell um die Ecke? Baut aus folgenden Zutaten Eure Szenarien: Kaugummi, Senf, zwei Schnürsenkel, ein Luftballon und ein Igluzelt oder abgesplitterter Nagellack, drei Scheiben Toast, eine Geige, ein Ameisenhügel und eine Taschenuhr."

      • Alys II.
        Alys II. kommentierte
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        Dodo Du hast es nicht anders gewollt: https://www.youtube.com/watch?v=yOEe1uzurKo

      • Dodo
        Dodo kommentierte
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        "... außer, Du bist MacGyver"
        Immerhin, der hatte auch einen Hubschrauber. Aus Kaugummi und drei Scheiben Toast.

      #8
      Die Frage stellt sich niemand, wenn es um Kriege oder Naturkatastrophen handelt. Was ist denn nun mit Notre-Dame? Ist die geklaute Riesenmünze wieder aufgetaucht? Wer jammert noch über die von Besessenen gesprengten Statuen? Wie viele unwiederbringliche Schätze werden kurz bei Tiefbauarbeiten gesichtet und protokolliert, bis ein Hochhaus oder eine Autobahn das Ganze auf ewig zerstört? Wie viele Tempel und Gräber werden durch Stauseen vernichtet, sogar ein ganzes Weltkulturerbe, wie die Flusslandschaft in China? Nicht zuletzt: Tourismus und Müll zerstören solche Relikte genauso. Die Oder-Flut, Cathrina oder das Erdbeben in Japan oder Haiti... wen juckt das heute noch (so weit ich weiß, leben immer noch Japaner in Auffanglagern...!)? Nur die Betroffenen bleiben damit allein...

      Schlagfertigkeit ist etwas, worauf man erst 24 Stunden später kommt.
      Mark Twain

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      • Dodo
        Dodo kommentierte
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        Aber ... aber ... Doch nicht Sue!
        Whoa, weh täte es mir auch, das zu lesen, aber wenn ich es schreiben will ... Dann schreib ich's. Es ist nur Fiktion, das Skelett nur ein Ding. (Oder doch nicht? Nebenbei: Lesetipp: David Fiffer, Tyrannosaurus Sue)

        Bei Dingen sind es für mich eben nur Dinge, die jeder von uns in unterschiedlichem Ausmaß mit Unantastbarkeit und Unsterblichkeit versehen möchte. Ich verstehe durchaus, wenn sich jemand über fiktiven Zahnabbruch oder das fiktionale Abfackeln von Notre Dame aufregt. Menschen töten sogar andere Menschen wegen symbolisch aufgeladener (oder pekuniär wertvoller) Dinge. Ich finde bei solchen fiktiven Gewaltexplosionen wichtig, dass sie nicht trivialisieren. Dieser Grad zwischen Ich-hab-jetzt-keine-Zeit-mich-mit-dem-Nachspiel-zu-beschäftigen und fauler, vielleicht sensationslüsterner Banalisierung kann schmal sein.
        Selbst wenn Du Deinen Geschichten einen Action-Anstrich verpasst, sind sie weit entfernt von einer Banalisierung von Gewalt und Zerstörung.

        Treibt Dich die Sorge, dass diese Zerstörungsorgien von der Geschichte ablenken? Könnte ich mir bei Deinen Storys nicht vorstellen, weil Deine Storys nicht von der Zerstörung leben.
        Aber klar: Wenn die Action von einer character-driven Geschichte ablenkt, dann stimmt etwas mit der Geschichte nicht. Bei Werken wie Die Hard, Star Wars, auch James Bond ist klar, dass dort die Action die Geschichte ist (wobei Hans Gruber die interessantere Figur war als John McClane ...)

      • Badabumm
        Badabumm kommentierte
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        Ich meine, in einem James Bond mal gesehen zu haben, dass Bond inmitten eines Kampfes eine große Ming-Vase vorm Umkippen und Herunterfallen hinderte. Oder war das doch McClane gewesen..? Als hätte er gerade nichts Wichtigeres zu tun. Warum stellt man so etwas auch immer auf einen Sockel, ohne es festzukleben..?

      • Ankh
        Ankh kommentierte
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        Dodo Meine Sorge besteht eigentlich primär darin, dass meine Geschichten zu zahm und langweilig sind, weil ich's persönlich halt nicht fertigbringe, Figuren und wertvolle Dinge zu vernichten, auch wenn's nur auf dem Papier ist. Wenn ich's täte, würde ich das sicher nicht banalisieren, eher im Gegenteil, dass ich zu viel Aufriss drum machen würde, was dann eventuell den Leser auch wieder nervt. Und wenn ich's nicht tue, befürchte ich eben, sind die Einsätze einfach nicht hoch genug, um die Spannung zu halten. Innere Konflikte sind prima, aber ich denke, sichtbare Schäden lassen sich weniger wegdiskutieren. Es ist greifbarer, dass sie eventuell irreparabel sind.

      #9
      Also ich verwüste meine Welt schon ziemlioch mit Terroranschlägen und Krieg, allerdings kommen darin relativ wenig detaillierte Beschreibungen dieser Zerstörung bzw. der Gewalt selbst vor. Ich hab nun keine Ahnung, ob ich damit ein breites Publikum bediene (das tu ich aber auch aus anderen Gründen nicht), aber es geht in der Geschichte vor allem um die Auswirkungen der Zerstörung - auf die Psyche der Charaktere, auf ihre Beziehungen, auf die Gesellschaft ... das ist das, worüber ich persönlich gern schreiben will, was mich persönlich am meisten interessiert.
      Außerdem stimme ich Milch hierbei zu: "Da kann ein Toter, denn die Hauptfigur geliebt hatte, viel mehr Dramatik als 153 Statistiktote bieten." Allgemein denke ich, Einzelschicksale berühren die meisten Leute mehr als eine riesige Explosion, bei der dutzende, hunderte oder tausende von namenlosen, gesichtslosen Unbekannten umkommen. Ich habe zwar auch ein paar Actionszenen und ein paar Gewaltszenen, aber ich versuche zumindest, die so zu schreiben, dass man einen Einblick in das Innenleben eines Charakters oder mehrere Charaktere gewinnt und es nicht nur darum geht, im letzten Moment aus dem Gebäude zu springen, bevor es in die Luft gejagt wird. Dabei kann ein Charakter sterben oder für eine Weile verschwinden und die anderen trauern oder sich sorgen machen, traumatisiert oder retraumatisiert werden, Schuldgefühle entwickeln, eine angespannte Beziehung sich verändern, wenn die Charaktere einander in Krisensituationen doch helfen und noch vieles mehr. Das finde ich persönlich noch viel spannender als die Adrenalinmenge bei der Flucht.
      Actiongeschichten, in denen es um die reine Spannung und Action geht und die Folgen vernachlässigt werden, haben natürlich auch ihre Daseinsberechtigung und ab und zu bin ich dazu auch in der Stimmung (dann aber eher für einen Actionfilm). Das kann auch Spaß machen (und beim nächsten Kurzfilmprojekt meiner Familie hab ich schon gesagt, ich will die Spionin sein - das wird auch ein reines Action-Coolness-Projekt, wen auch eines, das sich selbst nicht so wirklich ernst nimmt, weil's einfach Spaß macht. ^^) Es ist also natürlich wie immer eine Frage des persönlichen Geschmacks und ich find das eine nicht besser als das andere. Nur beim Schreiben sagt es mir persönlich eben mehr zu, einen anderen Schwerpunkt zu setzen, was m.M.n. auch deutlich besser zur so ziemlich allen Geschichten passt, die ich im Kopf hab.
      There are many ways to make music.

      Kommentar


      • Ankh
        Ankh kommentierte
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        Ich habe gerade darüber nachgedacht und festgestellt, dass mir die Zerstörung in einer fremden Welt nicht so viel ausmacht wie auf unserer Erde. Vielleicht auch nicht die Zerstörung von Dingen, die schon vor unserer Zeit zerstört wurden. Ob ich die Bibliothek von Alexandria tatsächlich abfackeln könnte, weiß ich nicht, aber im Zweifelsfalle ist es ja tatsächlich passiert, also kann ich da auch nicht mehr viel kaputt machen ...

        Ich denke auch, dass ein Toter mit Impact besser ist als 150 nebenher. Wobei ich dann wieder an die Grenzen des Genres ecke, denn dann kann ich keine wilden Verfolgungsjagden mit Crashs und keine Schießereien bringen, wenn entweder die resultierenden Toten Raum verdienen oder die spektakulären Szenen prinzipiell ungewöhnlich glimpflich ablaufen. Und so ganz ohne solche Szenen kommt das Genre dann halt doch nicht aus.

      • Dodo
        Dodo kommentierte
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        Ankh Eingeschliffene Cyberpunkfans werden mit dem nötigen "Zynismus" lesen. Ich denke nicht, dass Du für die Action noch für eine zahme Variante eine moralische "Rechtfertigung" bräuchtest.
        Aber wenn Du Dich mit zu hohem Body Count und Kollateralschaden unwohl fühlst, wird es der Leser möglicherweise merken. Schreibe es so, wie Du Dich wohlfühlst, noch bevor Du anfängst, Hardliner-Fanerwartung mit Deinem Stil abzuwägen. Dein Stil bzw Deine Darstellung innerer Konflikte würde einen fehlenden anonymen Body Count und eine fehlende vollständige Einäscherung der Stadt imA problemlos aufwiegen. Dein Maß wird für Deine Story das richtige sein. Vielleicht ist es ja sogar ein Fast-Alleinstellungsmerkmal. Cyberpunk ohne Ruinen, explodierende Autos und sich türmende Leichen Unschuldiger am Wegesrand. Wobei Du ja Ruinen, Fahrzeugwracks und unschuldige Leichen hast. Oder mach Dinge kaputt, die Dich in Deiner Stadt in RL maßlos ärgern.
        Ich würde es so machen. Und in einem anderen Bereich mach ich es so, dass ich ausblende, was die Zielgruppe erwarten könnte, ich muss mich beim Schreiben wohlfühlen, und wenn ich dabei auf meinen Lippen herumkaue und Formulierungen bzw Handlungen abwäge, dann merkt man das der Schreibe an. Also lieber einfach runtertippeln und ignorieren, dass es dem einen zu wenig, dem anderen zu viel sein könnte.

      • Lia Roger
        Lia Roger kommentierte
        Kommentar bearbeiten
        Ankh Also ich würde Dodo auch recht geben, letztendlich ist es wichtig, dass du so schreibst, wie dein Kopf und deine Geschichte es wollen. Wenn dein Ziel nicht gerade ist, die breiten Massen anzusprechen und mit dem Schreiben stinkreich zu werden, dann musst du dir über die Wünsche der breiten Massen auch keine Gedanken machen - und manchmal werden ja auch gerade die Geschichten besonders beliebt, die sich von der Masse abheben.
        Wenn du vor allem Schwierigkeiten damit hast, unsere Erde zu zerstören, dann könntest du dir ja vielleicht neue Dinge überlegen, die zerstört werden können. Deine Geschichte spielt ja in der Zukunft, da wird's bestimmt genug neue Gebäude geben, die in die Luft gejagt werden können. Und deine Charaktere wirken auch so, als würden unschuldige Tote sie nicht kalt lassen - ich denke, sie müssen nicht lange trauern, aber da reicht ja zum Beispiel auch, dass einer die anderen daran erinnert, dass das zwar schlimm ist aber sie es sich nicht leisten können, sich jetzt damit auseinanderzusetzen. Oder du bringst einfach nicht so viele um - es gibt auch Leser, die das lieber mögen. Und die meistern guten Geschichten werden durch mehr ausgemacht als Tod, Zerstörung und Gewalt.
        Ich hab da aber auch so meine Schwierigkeiten und mach mir auch Sorgen, wie's ankommt. Ich hab zwar kein Problem damit, Gebäude und Gegenstände zu zerstören (und dann auf die Folgen einzugehen, wenn sie den Leuten aus irgendwelchen Gründen wichtig waren), und auch nur 1-2-mal auftauchende NPCs kann ich umbringen oder einen Charakter über anonyme Statistiktote betroffen sein lassen. Aber sobald ein Charakter mehr als 1-2 Szenen hat, hab ich Probleme damit, ihn umzubringen und mach mir auch Gedanken, ob z.B. eine "totgeglaubt und dann doch nicht tot"-Storyline für die Leser verarschend wär oder die Trauer bis zum Wiederauftauchen des Totgeglaubten Charakters dann keine Bedeutung mehr hat. Aber ich kann es auch nicht anders schreiben. Da sträubt sich alles in mir und ich denke, wenn ich mich dazu zwingen würde, es anders zu schreiben, wär das für die Leser auch merkbar. Dann doch lieber die Version für zart besaitete und die Massen ignorieren. ^^'

      #10
      Wahrscheinlich hängt das davon ab, welchen Stellenwert das Kulturgut im Roman hat. Dem einen Leser ist es egal, ob ein Gerippe zerstört wird, dem anderen, ob es Notre Dame ist oder der Louvre. Ein dritter Leser wäre bereits traurig über das Verbeulen eines Londoner Doppeldeckbusses. Also muss das Objekt in der Geschichte einen emotionalen Hintergrund erhalten. Dazu muss es nicht mal global, sondern nur für die Geschichte wichtig sein.

      Mir stellt sich eher die Frage, dass so gut wie nie hinterher eine Rechnung kommt, egal, wie viele Häuser jemand demoliert hat oder wie viele Oldtimer geschrottet wurden. Der rein wirtschaftliche Aspekt wird grundsätzlich vergessen, vom ethischen mal ganz abgesehen. Im Kampf mag es kurzzeitig egal sein, ob man dem Bösen mit der griffbereiten Stradivari eines über den Schädel gibt - aber hinterher meldet irgendjemand Ansprüche an.

      Schlagfertigkeit ist etwas, worauf man erst 24 Stunden später kommt.
      Mark Twain

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      • Ankh
        Ankh kommentierte
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        Dieser emotionale Hintergrund ist ein guter Punkt. Bei mir persönlich ist dieser Hintergrund einfach schon dadurch da, dass das Objekt in der Realität existiert (ich leide übrigens auch mit jedem für einen Film tatsächlich zerstörtes Auto, je älter, desto schlimmer). Bei anderen offenbar nicht (so ausgeprägt). Daher fällt es mir schwer, einzuschätzen, wie viel emotionale Verbundenheit ich da noch zusätzlich herstellen muss, um die Leser zu erreichen. Aber es ist auf jeden Fall eine Strategie, die ich im Hinterkopf behalten werde.

      #11
      Danke für den Thread.
      Ich habe meinem Zerstörungsdrang mal freien Lauf gelassen und meiner Protagonistin erlaubt einen Londoner Turm, samt seiner 5 Glocken, 4 Zifferblättern und 342 Stufen in ein Trümmerfeld zu verwandeln.
      Mir ist es angenehmer ein einzelnes Bauwerk zu zerstören, das vielen Leuten bekannt ist oder eine Verbundenheit besteht, als eine komplette Stadt dem Erdboden gleichzumachen.

      Dadurch, dass man eine Handlung oder einen Dialog an einen besonderen Ort legt, ergibt sich eine gute Chance die Relevanz zu erhöhen. Genau wie es einen Unterschied macht, ob ich den Louvre abfackele oder einer Lagerhalle im Duisburger Hafen.
      Und ja, ich weiß, dass man an den Rändern der Statistik Leute findet, denen das egal ist oder die sich darüber freuen, aber das sind nicht die Leser, für die ich Geschichten erzähle.


      Jetzt muss ich mir Short Bread zum Knabbern holen.
      I love deadlines. I like the whooshing sound they make as they fly by.

      Douglas Adams

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      • Badabumm
        Badabumm kommentierte
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        James Tiptree Jr hat eine SF-Kurzgeschichte geschrieben („Hilfe“), in der religionsbesessene Außerirdische alle großen Kirchen und Tempel aller Weltreligionen vernichten, weil sie die als Gotteslästerei (an ihrem eigenen Gott, versteht sich) ansehen. Die Autorin schreibt ohnehin gepfeffert und sarkastisch, so hat sie den Prota sowieso als pragmatischen Atheisten angelegt, den Kirchen und so nicht interessieren:

        Da ich hier nur aus meiner Warte erzähle, schenken wir uns mal die Ereignisse, die Geschichte gemacht haben, den stetigen Schwund unserer religiösen Monumente (glauben Sie ja nicht, dass mich Chartres kaltgelassen hat), (...)
        Probleme mit der Abweichung von der Realität hätte ich nicht. Ein Roman ist immer eine Parallelwelt. Und noch mehr, wenn nicht nur Gebäude, sondern auch Personen darin vorkommen, die der echten Welt entlehnt wurden. Allerdings drücken sich die meisten Katastrophenfilme davor, indem sie z.B. einen fiktiven US-Präsidenten einsetzen, der dann ruhig ermordet werden darf oder bestimmte unbeliebte Dinge tut. Ein Katastrophenfilm (oder -buch) ist immer SF, also darf man das.

      • Dodo
        Dodo kommentierte
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        Ankh Die brennende Notre Dame mag weltweit in den Medien gewesen sein, aber wenn es bei einem fiktiven Brand in einer fiktiven Story keine Rolle spielt, welchen medialen / versicherungstechnischen / notfallmedizinischen Impact der Brand hat, dann spielt dieser Impact meines Erachtens keine erzählenswerte Rolle.
        Ich glaube, jeder von uns hat eine andere Grenze, ab wo er sagt: Nein, das kann ich nicht (moralisch/ethisch) unkommentiert lassen, auch wenn mein Narrativum eine Begründung liefert. Bei mir wäre es die Grenze bei Overkill und Over-Damage erreicht. Wobei "Over-" eigentlich schon anzeigt, dass die Begründug aus der Geschichte heraus nicht ausreicht ...

      • Peter
        Peter kommentierte
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        Ankh
        In meiner Geschichte geht es um verschiedene Dimensionen und Realitäten. 😀

      #12
      Ein Roman ist für die Person, die ihn in die Hände bekommt, erst Mal nichts anderes, als ein Haufen bedruckter Blätter. Ob darin ein Bauwerk, das ihm im realen Leben auf emotionale Weise nahe steht, in Schutt und Asche gelegt wird, ist von wenig Belang. Sollte es auf dem Klappentext stehen, ist das höchstens ein Grund, das Buch zurückzustellen.

      Erst wenn es gelingt, in einem Leser Interesse und Empathie für die Figur zu entwickeln, wird aus dem Papierstapel eine Geschichte, die einen Leser mitnimmt. Ob er emotional auf die Vernichtung von XYZ reagiert, hängt – nach meiner persönlichen Meinung – weniger von der gekonnten Beschreibung der Vernichtung ab, sondern von der Beziehung der Figur mit XYZ und deren emotionaler Reaktion.

      "Es ist unwichtig, was passiert, sondern wem es passiert" gilt auch in diesem Fall. Daher ist es auch unwichtig, was, wie viel und wie grausam etwas vernichtet wird. Das Maß der emotionalen Bindung mit der Protagonistin ist entscheidend. (finde ich)

      Und ja, egal wie professionell eine Person schreibt, wir können niemanden zu Emotionen zwingen, sondern nur den Raum schaffen, in der sie erlebt werden können.
      I love deadlines. I like the whooshing sound they make as they fly by.

      Douglas Adams

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        #13
        Geht mir ähnlich. Ich persönlich hab zwar ein weniger ausgeprägtes Problem mit (einzelnen) Dingen, die kaputt gehen – könnte problemlos über eine abfackelnde Notre Dame schreiben oder auch ein zerstörtes Museum. Aber was ich überhaupt nicht abkann, sind

        A. überdimensionierte Zerstörungs-Orgien, wie sie gerne im Action-Genre und in Superhelden-Stories stattfinden. Wo dann so viel kaputt ist, dass ne ganze Stadt neu aufgebaut werden muss und man die Rauchsäulen noch vom All aus sehen kann. Bäh. Das ist mir einfach zu drüber, dazu kann ich selbst keine Beziehung mehr herstellen. In diesen Momenten verlässt mich jegliches Interesse an der Geschichte.*

        B. menschliche Kollateralschäden. Genau, ne richtig "coole" Verfolgungsjagd kommt nur ganz schwer ohne zumindest ein paar einzelne Tote oder zumindest Schwerverletzte aus. Die könnte ich auch nicht einfach "liegen lassen". Ich muss die Sirene vom Rettungswagen hören, und meine POV-Figur muss definitiv drüber reflektieren, was da passiert ist. Nur darf sie das auch wieder nicht zu lang / zu intensiv tun, weil es (mich) dann nervt, moralisierend wird oder Mimimi. Und vor allem die Geschichte aufhält.

        Die Kollateralschäden ganz wegzulassen ist aber auch keine Lösung, weil dann der Realismus flöten geht. Wobei gerade du das ja schon mal ziemlich gut hingekriegt hast! Aber das kostet einen Haufen Zeit an Detailarbeit. Und man kann es nicht beliebig oft wiederholen.

        Das ist halt das Dilemma, wenn man einerseits coole Action schreiben will und andererseits ein Weichei ist


        * Bei Dystopien störts mich z.B. weniger, da gehört das ja oft zum Setting und macht den größeren Rahmen der Geschichte aus. Ist aber auch nicht mein Lieblingsgenre.
        and it's not what we think
        rather the opposite
        it's staring at the end of you.

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        • Badabumm
          Badabumm kommentierte
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          Das übernehmen Pegida und AfD...

          PS Ich glaube, ursprünglich waren Zombies ja Arbeitssklaven im karibischen Raum, durch Woodoo entstanden. Es war also nicht zwingend so, dass sie nicht wieder hätten zurückverwandelt werden können, wenn der Zauber endete...

        • Zwielicht
          Zwielicht kommentierte
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          allerdings ist es Definitionssache, inwieweit das Töten von Lebewesen, um ein Ziel zu erreichen, ein Kollateralschaden ist oder nicht.
          Badabumm Okay, dann reiche ich hier mal meine Definition nach: "menschliche Kollateralschäden" = das Verwunden bzw. Töten von Unbeteiligten. Mit Betonung auf dem letzten Wort. Deshalb "kollateral". Irgendwie war das für mich selbsterklärend: Wenn eine Figur einen Zombie tötet, damit dieser nicht umgekehrt sie tötet, hat das nMn nix mit kollateral zu tun. Und möglichst viele Zombies abschlachten ist ja auch nur ... vorausschauende Selbstverteidigung.

          Also jetzt mal unabhängig davon, ob die lebendig sind oder nicht.
          Zuletzt geändert von Zwielicht; 19.02.2020, 18:44.

        • Dodo
          Dodo kommentierte
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          "Vorausschauende Selbstverteidigung"

          In dem Film Collateral bezeichnet auch der Auftragskiller die Tötung Unbeteiligter als Kollateralschaden, den er niedrig halten will. Das erzeugt eine fiese Spannung, denn damit zwingt er einen Taxifahrer, ihn zum nächsten Auftragsopfer zu fahren, ohne Hilfe zu holen oder jemanden zu warnen etc.

        #14
        Alter Thread, aber bei mir grade aktuell:

        Genau so eine Situation habe ich in meinem neuen Projekt. Prota wird angegriffen, legt dabei aus Versehen eine ganze Straße in Schutt und Asche. Prota und zwei Freunde flüchten aus der Stadt, während die anderen ihrer Gruppe versuchen, die Medien und Bürger zu beruhigen. Dabei schieben sie den Antas die Schuld in die Schuhe, die wiederum bei denen auftauchen und sinngemäß fragen "warum zum f*** gebt ihr uns die Schuld, wenn eure Magierin sich nicht unter Kontrolle hat?"

        Ich habe mich das nämlich auch schon so oft gefragt, warum ganz selbstverständlich ganze Städte vernichtet werden. Zahlt das die Versicherung? Gibt es eine extra "Alien- und Superheldenversicherung?" Haben die Avengers eine teure Haftpflicht, die dann einspringt? Was zählt da noch als Kollateralschaden und wann ist es Vorsatz? Oder wird das von Steuergeldern bezahlt? Was ist mit den Toten? Ist das Mord oder fahrlässige Tötung? Warum kommt es nie zu einer Gerichtsverhandlung?
        Gut fand ich, dass das in "Captain A: Civil War" endlich mal aufgegriffen wurde, dass die Superhelden nicht unkontrolliert wüten dürfen. Klar wäre ich glücklich, wenn eine Alieninvasion verhindert wird. Wenn aber dabei mein Zuhause zerstört wird, würde ich schon gerne wissen, wer mir den Schaden (von Dingen ohne bezifferbaren Wert wie Geschenke und Erinnerung mal ganz zu schweigen) ersetzt.
        Unter den Masken (2021) - Booksnacks/dp DigitalPublishers
        Nordfriesentote (2021) - Twentysix

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