Ich will die Frage, ob und wie man Werk und Autor trennen kann, mal noch weiterspinnen: was ist, wenn die moralische Grundhaltung, nach der der Autor als Person bewertet wird, sich seit dem Erscheinen des Werks grundlegend geändert hat?
Ich komme darauf, weil ich gerade eine Biographie über Oscar Wilde gelesen habe.
Wilde war auf dem Höhepunkt seiner literarischen Karriere als er wegen Homosexualität angeklagt und zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. Und das war es mit seiner Karriere. Seine Theaterstücke, die gerade in London gespielt wurden, wurden sofort abgesetzt. Seine Verleger distanzierten sich von ihm. Als er nach der Gefängniszeit wieder ein paar Kleinigkeiten veröffentlichte, war das nur ein schwacher Abklatsch des ehemaligen Ruhms.
Jetzt, Jahrzehnte später, wird er posthum wieder gefeiert. Heute empfinden wir seine Verurteilung als großes Unrecht, und verehren ihn deshalb umso mehr. Denn, wenn man ehrlich ist: Wilde hat wirklich tolle Sachen geschrieben, aber er war auch nicht der Allergrößte. Trotzdem ist der Kult um seine Person und sein Werk heute großer als z.B. um Zeitgenossen Wildes wie William Butler Yeats oder George Bernard Shaw.
"Salome" und "Das Bildnis des Dorian Gray" sind zweifelsohne große Werke, aber wären sie heute auch so bekannt (und geliebt), wenn Wilde nicht so eine extzentrische, interessante und aus heutiger Sicht zu Unrecht verkannte Figur gewesen wäre?
Als Gegenbeispiel will ich Ernst Moritz Arndt anführen.
Arndt war Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung, ein deutscher Patriot, Demokrat, Nationalist, Freiheitskämpfer. Alles aus der damaligen deutschen Sicht nicht nur verständlich, sondern auch lobenswert. Leute wie Arndt haben viel dazu beigetragen, dass wir heute in einem Land namens Deutschland leben.
Trotzdem ... aus heutigem Verständnis gehen Arndts Ansichten vielen Leuten zu weit. Er vertrat die Lehre, dass jedes Volk einen ursprünglichen, "reinen" Zustand habe, der nicht durch Beimischung "fremden Bluts" "verwässert" werden dürfe. Er hatte keine Probleme, auszusprechen, dass er andere Völker hasste - vor allem "die Engländer", "die Franzosen" und "die Juden". Gerade seine antisemitischen und antifranzösischen Schriften sind aus heutiger Sicht Äußerungen, für die man ihn als übelsten Rassisten bezeichnen würde. Nicht umsonst bezeichneten die Nationalsozialisten Arndt als ihren Vordenker, und so mancher AfD-Anhänger beruft sich gerne mal auf Arndt.
Arndts Märchen sind dagegen - ja, einfach schön. Typische Märchen halt. Und im derzeit üblichen Märchen-Hype werden sie wieder herausgeholt, gelesen, und neu umgesetzt. Wobei ich ein ziemlich flaues Gefühl in der Magengrube habe. Dieser unkritische Umgang mit seinen Märchen gefällt mir gar nicht - aber ist das gerechtfertigt? War der Mann nicht einfach nur ein Produkt seiner Zeit, und ich sollte seine Kunst losgelöst davon betrachten? Immerhin war er zu seiner Zeit ja "moralisch im Recht".
Ich komme darauf, weil ich gerade eine Biographie über Oscar Wilde gelesen habe.
Wilde war auf dem Höhepunkt seiner literarischen Karriere als er wegen Homosexualität angeklagt und zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. Und das war es mit seiner Karriere. Seine Theaterstücke, die gerade in London gespielt wurden, wurden sofort abgesetzt. Seine Verleger distanzierten sich von ihm. Als er nach der Gefängniszeit wieder ein paar Kleinigkeiten veröffentlichte, war das nur ein schwacher Abklatsch des ehemaligen Ruhms.
Jetzt, Jahrzehnte später, wird er posthum wieder gefeiert. Heute empfinden wir seine Verurteilung als großes Unrecht, und verehren ihn deshalb umso mehr. Denn, wenn man ehrlich ist: Wilde hat wirklich tolle Sachen geschrieben, aber er war auch nicht der Allergrößte. Trotzdem ist der Kult um seine Person und sein Werk heute großer als z.B. um Zeitgenossen Wildes wie William Butler Yeats oder George Bernard Shaw.
"Salome" und "Das Bildnis des Dorian Gray" sind zweifelsohne große Werke, aber wären sie heute auch so bekannt (und geliebt), wenn Wilde nicht so eine extzentrische, interessante und aus heutiger Sicht zu Unrecht verkannte Figur gewesen wäre?
Als Gegenbeispiel will ich Ernst Moritz Arndt anführen.
Arndt war Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung, ein deutscher Patriot, Demokrat, Nationalist, Freiheitskämpfer. Alles aus der damaligen deutschen Sicht nicht nur verständlich, sondern auch lobenswert. Leute wie Arndt haben viel dazu beigetragen, dass wir heute in einem Land namens Deutschland leben.
Trotzdem ... aus heutigem Verständnis gehen Arndts Ansichten vielen Leuten zu weit. Er vertrat die Lehre, dass jedes Volk einen ursprünglichen, "reinen" Zustand habe, der nicht durch Beimischung "fremden Bluts" "verwässert" werden dürfe. Er hatte keine Probleme, auszusprechen, dass er andere Völker hasste - vor allem "die Engländer", "die Franzosen" und "die Juden". Gerade seine antisemitischen und antifranzösischen Schriften sind aus heutiger Sicht Äußerungen, für die man ihn als übelsten Rassisten bezeichnen würde. Nicht umsonst bezeichneten die Nationalsozialisten Arndt als ihren Vordenker, und so mancher AfD-Anhänger beruft sich gerne mal auf Arndt.
Arndts Märchen sind dagegen - ja, einfach schön. Typische Märchen halt. Und im derzeit üblichen Märchen-Hype werden sie wieder herausgeholt, gelesen, und neu umgesetzt. Wobei ich ein ziemlich flaues Gefühl in der Magengrube habe. Dieser unkritische Umgang mit seinen Märchen gefällt mir gar nicht - aber ist das gerechtfertigt? War der Mann nicht einfach nur ein Produkt seiner Zeit, und ich sollte seine Kunst losgelöst davon betrachten? Immerhin war er zu seiner Zeit ja "moralisch im Recht".
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