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Mittwochsfrage #110: Alles für die Leser

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    Mittwochsfrage #110: Alles für die Leser

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    Okay, okay. "Alles" ist eine Hyperbel, damit der Satz vollständiger klingt. Eigentlich sollte es "(Was ändert ihr) für die Leser" heißen.
    Habt ihr mal etwas geschrieben, was in euren Köpfen ursprünglich anders war? Damit meine ich nicht gestrichene Sexszenen, weil Eltern und Bekannte sie lesen könnten, sondern Inhalte, die nicht das Leserherz befriedigen (Wiener Schluss?) oder problematisch sind.

    Zum Beispiel hatte ich mal einen Typen, der der Frau eine klatscht (weil er nicht weiß, wie er sie aus ihrer Panikattacke rausholt). Sie nimmt es am Rande mit, geht aber nie darauf ein, es wird auch nie wieder thematisiert (kein "damals, das war nicht in Ordnung von dir). Ich weiß, dass es irritierendere Sachen in Romanen gibt, aber … Nun ja, jetzt schüttelt er sie nur noch.

    Ein zweites Beispiel ist, dass eine Protagonistin in einer Liebesromanze ihre Beine verliert. Vielleicht ist das zu hart? Vielleicht wollen Leser*innen – wenn man sich die schnulzigen Cover so anguckt – lieber Schönheitsidealkörper in fluffigen Romanen haben? Also lieber mit Beine. Aber warum dürfen nur Laufende Fluff haben?


    Was ist mit euch?
    Worüber macht ihr euch Gedanken?

    #2
    Einmal habe ich das Ende einer Fanfiction geändert, weil ich mich nicht so recht traute, den Lesern es so hart hinzustellen. Es ging um Suizid und sollte eigentlich ein Bad End werden, aber ich habe es schließlich zu einem offenen Ende umgebaut, wo die Figur vielleicht oder vielleicht nicht rechtzeitig gefunden wird. Gerade bei Fanfictions hört man immer, ob man das Ende getroffen oder versaut hat und oft hört man Kommentare a la "Ich lese nur Happy Ends/nur Bad Ends!" Das wollte ich damals umgehen, da es mir nicht um den Typ des Endes ging, sondern um den Inhalt der Geschichte.

    Das ist allerdings das einzige Mal, dass ich inhaltlich etwas änderte oder darüber grübelte, etwas zu ändern, um es den Lesern ... angenehmer zu machen? Es gibt natürlich immer die Frage: Muss das so? Kann das besser eingebaut werden? etc, die einfach zum Schreiben dazugehören. Aber ich denke nicht so oft darüber nach, ob mein Geschriebenes den Leser irgendwie ... abschreckt oder besonders erheitert, sondern mehr darüber wie der Text in sich selbst funktioniert.

    Ansonsten überlege ich das oft für Zitate und Liedzeilen, die ich gerne in meinen Geschichten einbaue. Denn selten sind diese Zeilen auf Deutsch und ich muss mir dann überlegen, wie sinnvoll ist es sie in welcher Sprache und mit welchen Mitteln einzubauen oder auch nicht. Das ist jedes Mal wieder eine entscheidende Frage.
    Ayo, my pen and paper cause a chain reaction
    to get your brain relaxin', the zany actin' maniac in action.
    A brainiac in fact, son, you mainly lack attraction.
    You look insanely whack when just a fraction of my tracks run.

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      #3
      Es gibt nicht den Leser, sondern verschiedene, für vieles gibt es Liebhaber.
      Manchmal kann man mit etwas Nebenseitigem mehr Leser gewinnen als mit Mainstream, weil man als Erster eine Nische bedient.
      Am Ende sollte die Geschichte einen erst einmal selbst gefallen.

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        #4
        Ich denke, die Bereitschaft für leser-orientierte Änderungen muss man mitbringen, wenn man veröffentlichen will.
        Das heißt ja nicht, dass man sich verbiegen muss und die ganze Geschichte ändern. Aber wenn man von den Testlesern oder Lekoren das Feedback bekommt, dass manche Stellen mehr oder weniger Tempo vertragen würden, dass eine Figur total verkorkst ist oder eine Stelle unangebrachte Triggerfaktoren beinhaltet, dann sollte man sich da schon Gedanken machen, was man punktuell ändern könnte.

        Wer nur für sich selbst schreibt, der braucht natürlich nie etwas anzupassen. Aber wer für die Lesefreude der Leser schreibt, der muss auch auf deren Erwartungshaltung eingehen.
        Always avoid alliteration.

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        • In-Genius
          In-Genius kommentierte
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          Wenn die romantische Szene zu viel Tempo aus dem Text herausholt und du sie streichst - streichst du sie dann nur für den Leser, damit der sich nicht durch eine langsame, romantische Szene quälen muss - oder siehst du, dass der Text ohne diese Szene besser das erreicht, was er erreichen soll, zB wenn es ein Krimi-Text ist, wo romantische Szenen nicht zum Genre gehören.
          Ist das dann eine Entscheidung für den Text? Oder für den Leser?
          Ich persönlich frage mich nämlich immer, was den Text besser macht. Wozu Lesbarkeit und Lesefreude durchaus gehören, natürlich, aber wenn eine Szene für die Handlung oder die Figur essentiell wichtig ist, muss sich ein Leser auch durch eine romantische Szene quälen, ob er das mag oder nicht. Wenn ich diese Szene streichen kann, war sie dann überhaupt wichtig für den Text? Ein guter Text hat ja auch die Qualität, genau das Notwendige zu sagen - nicht zu viel aber auch nicht zu wenig.
          Immer wenn man etwas streicht, verschiebt oder verändert, ändert man auch den Text. Nur weil Leser eine bestimmte Art von Szene besonders mögen oder eine bestimmte Art von Ende erwarten, heißt das ja nicht automatisch, dass dies die Geschichte in sich besser macht.
          Ich denke, die Bereitschaft für leser-orientierte Änderungen sollte vorhanden sein, aber man sollte als Autor auch nicht alles über den Haufen werfen, um dem Leser zu gefallen. Da gibt es sicher eine Balance.

        • Alys II.
          Alys II. kommentierte
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          Für mich ist es eine leserorientierte Entscheidung. Ich opfere eine gute Szene dem Lesekomfort des Gesamtmanuskripts. (Wäre es eine Szene, durch die der Leser sich durchquälen muss, dann wäre es eine schlechte Szene, die sowieso überarbeitet oder gestrichen gehört. Aber auch eine wirklich gute Szene kann einfach mal raus müssen, damit der Leser atemlos bei der Stange gehalten wird.)

          Ich kann schon nachvollziehen, wenn jemand sagt, durch die verbesserte Lesbarkeit steigt die Gesamtqualität des Textes.
          ABER: Um das aber wirklich beurteilen zu können, müsste man anhand eindeutiger Kriterien festlegen, wann ein Text "gut" ist. Und da würde ich sagen, es gibt durchaus gute Texte - Shakespeare im Original zum Beispiel - die nur schwer lesbar sind. "Gut" reicht da in meinen Augen bei manchen Sonetten schon nicht mehr aus, sie sind für mich brillant und ich kann mir jedes Wort auf der Zunge zergehen lassen. Aber gut lesbar im Sinne von "100 Seiten in 1 Stunde"? Nee. Oder "Ulysses" von James Joyce. Sehr gutes Buch. Lesbar? Nur mit äußerster Mühe.

          Das ist jetzt natürlich nur meine subjektive Einschätzung, dass ich einen Text oder ein Buch "gut" finden kann, obwohl es schwer lesbar ist. Deshalb ist es aber für mich ein Unterschied, ob ich meinen Text "nur" so lange bearbeite, bis er stilistisch-literarisch "gut" ist, oder ob ich ihn zusätzlich auch noch angenehm lesbar machen will.

        • Milch
          Milch kommentierte
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          Je schwerer lesbar es ist, umso mehr muss der Leser für seine Mühe entschädigt werden.
          Bei Ulysses und beim Unendlichen Spaß ist es beispielsweise der Humor.

          Gedichte liest man ja auch nicht im Mordstempo.

        #5
        Ich bin selbst ein Weichei als Leser. Entsprechend mute ich meinen Lesern bestimmt nichts Abseitiges, allzu Tragisches zu. Bad Ends müssen für mich verdammt gut begründet sein und eine tiefere Gerechtigkeit oder einen Gewinn auf anderem Level vermitteln.
        Tragik ist OK, aber nicht, um den Leser partout zu schocken und so faul aus der Comfort Zone zu holen. „Ziemlich beste Freunde“ kann man seicht finden, aber mir gefiel die Balance, mit der man außerhalb der eigenen Comfort Zone gepampert wurde. Aber wie gesagt: Ich bin da eine Lusche, und meine Leser dürfen sich über Happy Ends freuen.
        Zuletzt geändert von Dodo; 10.04.2019, 15:02.

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        • Milch
          Milch kommentierte
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          Ich bevorzuge als Leser in irgendeiner Art Happy Ends.

        • Jane Doe
          Jane Doe kommentierte
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          Ich mag Happy Ends, sowohl in Romanen als auch in Filmen.
          He, das echte leben ist doch tragisch genug, da will ich für mein Freizeitvergnügen lieber ein Happy End

        #6
        Über Vergleiche, Fachbegriffe, das Gefühlsrepertoire meines Prota (bzw. seine Rationalität), stilistische Experimente, Neologismen und vielem mehr. Ich schraube mich da immer etwas runter, um den Leser noch irgendwie zu erreichen und nicht zu erschlagen. Außerdem tut es auch der Geschichte gut, da sie nicht mehr so aussieht wie eine Leinwand auf der 5 Schimpansen mit Fingerfarbe rumgeschmiert haben.
        Nein das war ich nicht.
        Ach so, das!
        Ja, das war ich.

        Kontakt: administrator@wortkompass.de

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          #7
          Ich hatte eine ganze Novelle über einen depressiven Workoholiker geschrieben, der seine Jugendliebe suchte. (Für die Schublade) Den Spannungsbogen konnte man mit dem Roller leicht abkurven. Und die Heldenreise-Schablone, so nicht ansetzen.
          Der alte Mann und das Meer hingegen, (Ein alter Fischer fängt einen großen Fisch) wurde damals ein Hit.
          Gut, der (Hemingway)konnte (das) auch schreiben.

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          • Milch
            Milch kommentierte
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            Wenn es gut geschrieben ist, kann auch eine Novelle über einen depressiven Arbeitssüchtigen seines Leser finden. Da kommt es weniger auf die geniale Handlung an, mehr auf die gute, originelle Sprache.

          #8
          Wenn ich nach der letzten Verlagsaussage zu meinem Manuskript gehe, müsste ich mehr Klischee in meine Homo-Love-Story bringen, um die breite Lesermasse zu erreichen. Sprich: Mehr Romantik und/oder Erotik. Vom Setting abgesehen scheint es für den Verlag häusliche Gewalt (Neben der Romanze Hauptthema der Story) nur gegen Frauen/Mädchen zu geben.
          Da ich aber weder Klischees noch Vorurteile fördern will und die Kritikpunkte die ganze Story zerschießen würden, lasse ich die Geschichte so, wie sie ist. Es gibt noch andere Verlage (war auch eher Zufall, mein Manuskript diesem Verlag vorzulegen, da er das Genre eigtl. nicht vertritt).
          Jeder kleinere und größere Höhepunkt in der Geschichte ist das Ergebnis sorgfältiger Figurenentwicklung. Es gibt Romantik in der Geschichte, sehr viel sogar. Sie trieft nur nicht vor Kitsch und Rosenblüten und wasweißich. Romantik ist eine höchst subjektive Sache.
          Lesererwartungen erfüllen heißt für mich, dass meine Romanzen ein Happy End haben und Figuren, die den/die Leser/in berühren. Aber ich werde meine Geschichten, ergo meine Figuren nicht verbiegen.
          "You only cry for help if you believe there's help to cry for." - Wentwort Miller

          "How do I know what I think, until I see what I say?" - Howard Tayler

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            #9
            Also was die Sexualität, Hautfarbe,Geschlecht, Kultur und Realität angeht, werde mich nicht nach dem Leser richten. Die Charaktere werden so geschrieben wie sie mir erscheinen- daher wird es bei mir kein Quotenmännchen/Weibchen was auch immer geben. Sehr oft merkt man ja, dass diese Chars eben nur Quote sind.

            Was ich, darauf richte ich mich ein, zurückschrauben muss sind definitiv Tatort, vor allem aber Beschreibungen von Leichen. Ich merke selber dass das in Richtubg Kathy Reichs geht und damit kommen ja viele nicht klar, da es ha schon etwas plastisch ist.
            ~ We know the songs the sirens sang
            See us dream every tale true ~

            T. Holopainen

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              #10
              Ich glaube, alles was ich "für den Leser" ändere ging bisher in die Richtung, dass ich expliziter mit manchen Dingen bin.
              Beispielsweise bin ich kein Fan davon, Äußerlichkeiten von Figuren zu beschreiben, aber die meisten Leser wollen wohl doch wissen, wie die Figuren aussehen, über die sie da gerade lesen. Gerade was Diversität angeht, ist meiner Meinung nach Beschreibung auch wichtig (um nicht alle Charaktere Default-Weiß in den Köpfen der Leser zu projezieren), und daher kümmere ich mich darum, auch wenn ich eigentlich keine Lust darauf habe.
              Ähnlich ist es, wenn ich LGBT+ Figuren schreibe. Damit ich nicht wie Rowling ende, der ich zwar glaube, dass sie Dumbledore als schwul eingeplant hatte, aber es in einer Zeit, in der LGBT-Figuren noch sehr versteckt waren nicht eindeutig genug eingebaut hat, und ihre nachträglichen Anmerkungen so nur wie Publicitystunts wirken. Ich will genderidenitäten und sexualitäten nicht zu plottwist oder publicity stunts machen, und auch kein unabsichtliches queerbaiting betreiben, also versuche ich, mit solchen Figuren expliziter zu sein, als ich es wohl eigentlich wäre. Aber weil ich es für wichtig halte, also ist es wohl ein freiwilliges sich-verbiegen.

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              • Victoria
                Victoria kommentierte
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                Das will ich auch versuchen. Besonders das zweite.
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