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Der offensichtliche plot twist.

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    Der offensichtliche plot twist.

    Seit einiger Zeit schaffe ich es doch tatsächlich, mal wieder regelmäßig zu lesen. Romanzen, Fantasy, Krimis. Und leider fällt mir dabei immer wieder etwas auf, über das ich hier gern diskutieren möchte.

    Man stelle sich folgendes Szenario vor: Da gibt es eine Protagonistin und zwei weitere Personen. Eine ist offensichtlich gut, die andere böse. Person A streichelt in ihrer Freizeit gern Hundebabys und ihr Hobby ist es, ehrenamtlich im Seniorenheim zu helfen. Person B sieht schon schrecklich aus, mit ihrer bleichen Haut, ihren fettigen Haaren und dann ist sie noch so furchtbar unfreundlich zu unserer Protagoistin. Die Situation scheint klar. Doch dann, ganz plötzlich, stellt sich heraus: Person A war eigentlich die ganze Zeit über böse, während Person B unserer Protagonistin bloß helfen wollte.

    Schockierend! Oder etwa nicht?

    Leider nicht. Denn der Leser wusste es die ganze Zeit. Es war mehr als offensichtlich. Das ganze Buch über hat er hilflos mitansehen müssen, wie die Protagonistin von einer Falle in die andere tappt und blöde Entscheidungen über blöde Entscheidungen trifft. Dass er die ganze Zeit über wusste, wie es ausgeht, hat den Lesespaß natürlich nicht unbedingt gesteigert.

    Und nun zu meiner Frage: Wie schafft man es als Autor, so etwas zu vermeiden? Welche falschen Fährten sind eurer Meinung nach schon so klischeehaft, dass jeder Leser sie durchschaut? Was sollte man unbedingt vermeiden, wenn man Figuren einführt, die anders sind als sie zu sein scheinen? Wie viel Foreshadowing ist okay, wie viele Hinweise sollte man geben?

    Ich denke, wir alle wollen unsere Leser hin und wieder überraschen. Die Frage ist, wie uns das am besten gelingt, ohne vollkommen unglaubwürdig zu werden. Ich freue mich jedenfalls auf eure Antworten.

    PS: Meine Tastatur verschluckt seit geraumer Zeit gern mal Buchstaben. Ich prüfe natürlich nochmal, was ich hier poste. Es kann aber trotzdem sein, dass sich ein paar komische Fehler einschleichen. In diesem Fall tut es mir leid. ^^'

    #2
    Ich sehe es ähnlich wie Du, viele Dinge kann man mit etwas Lese- (und Fernseh-) Erfahrung vorausahnen. Wobei ich das korrekte Ahnen im TV (und Film) einfacher finde als bei Büchern.
    In Büchern bin ich eigentlich nur enttäuscht, wenn es wirklich ein schon viel beschrittener Weg ist, der mir da als originell verkauft werden soll. Das Buch müsste mich dann schon noch auf einer anderen Ebene überraschen.

    Dein Beispiel beginnt ja schon mit etwas Langweiligem: Eine Figur supergut und superschön, die andere Figur nur böse und hässlich. Die Prinzessin und die Hexe. Die Figuren sind unglaubwürdig; pling, Buch hat verloren. Oh, und dann dreht sich das ganze gegen Ende? Schöne Idee, aber als Leser komm ich nicht dahin, wenn mir nicht irgendwo angedeutet wird, dass A nicht nur gut und B nicht nur böse ist. Da wird das Foreshadowing (was ich mal als pars pro toto für alle Hints nenne, die in Richtung "nicht so gut/böse, wie man denkt") für mich sehr wichtig. Je nachdem, wie dick die gute oder böse Fassade zuvor auf die Figuren aufgetragen wurde, darf dieser Hinweis nicht zu subtil, aber erst recht nicht zu fett sein. Als Autor würde ich dann lieber von vorn herein an der Figurenzeichnung arbeiten.
    (Ich hab in meinen Projekten durchaus solche Konstellationen, weil sie prinzipiell spannend und aus dem Leben gegriffen sind. Aber die Figur muss glaubwürdig sein. Dann müssen die Hinweise nicht die schlechte Charakterzeichnung ausgleichen, sondern die Hinweise stecken bereits in der Figur.)

    Manchmal steht der Weg der Hauptfiguren allerdings fest. In einem LiRo kriegen sie sich am Ende oder nicht, und ich bin mir sicher, der erfahrene Leser weiß so ziemlich ab Lesen des Klappentextes, wo es hingeht. Da hilft nur, dem Leser auf dem Weg dahin den Lesespaß zu vermitteln, den man im Thriller- oder Krimigenre vielleicht noch aus dem Mitermitteln ziehen kann. Und dazu muss man alle Register ziehen, die nicht allein auf "die zickige Verlobte/Ex/Schwiegermutter ist nicht so zickig" beruhen.

    Kommentar


    • In-Genius
      In-Genius kommentierte
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      Gerade bei LiRo finde ich das Setting und die Umsetzung sehr wichtig. Wie du sagst, jeder weiß, wie eine Liebesgeschichte ausgeht. Deswegen finde ich da Neuerungen oder Überraschungen im Setting oder den Figuren sehr spannend, beispielsweise eine Dreiecksbeziehung mit zwei Jungs und einem Mädchen und am Ende sind die Jungs das Paar. Oder Täter(er) und Opfer(sie) einer Mobbingsituation, sie ist taubstumm und er realisiert wie scheiße er war und lernt jetzt Gebärdensprache und er versucht im gemeinsamen Umfeld Bewusstsein dafür zu schaffen, wie man gut damit umgehen kann.
      So macht der Weg zum Ende wieder Spaß statt Langeweile. Und vielleicht lernt man noch was über Menschen, über die man sonst nicht nachdenkt.

    #3
    Zunächst mal hängt das stark vom Genre ab, das du schreibst. In einem Märchen würde ich tatsächlich erwarten, dass die nette Person auch die gute ist und die unfreundliche die böse. Bei einem Thriller sieht das wieder anders aus.

    Ansonsten habe ich mich in den letzten Monaten quer duch meine Agatha Christie - Sammlung gelesen, und habe festgestellt, dass man schon sehr deutliche Hinweise streuen kann, ohne dass der Leser einem auf die Schliche kommt. Ihr Trick ist meiner Beobachtung nach, dass man einfach nicht wahrhaben will, dass die nette Person der Täter ist. Nicht, weil sie einfach nur "nett" ist, sondern weil sie Teil eines Pärchens ist, dem man wünscht, dass es im B-Plot zusammenkommt, oder weil es eine Person ist, mit der man sich identifizieren kann, oder weil man sie wegen einer Finte von vorneherein glaubt ausschließen zu können und sie dann die einzige Figur ist, an der man sich festhält, während man alle anderen verdächtigt.

    Falsche Fährten sind nicht per se schlecht. Wenn dir ein Twist zu offensichtlich ist, dann gib ihn vielleicht nicht gleich auf, sondern dreh ihn einfach noch ein Stückchen weiter, bis er wieder originell ist.

    Poems are never finished.
    Just abandoned.

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    • In-Genius
      In-Genius kommentierte
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      Was Christie da macht, scheinen mir auch "falsche Fährten" zu sein. Man streut mehr Dinge in den Text, als der Twist eigentlich braucht und erst am Ende weiß der Leser, welcher Hinweis handlungsrelevant war und welcher nicht.

    • Ankh
      Ankh kommentierte
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      Christie streut überraschend wenig Irrelevantes, wenn man die Geschichten mal genauer analysiert. Sie setzt die relevanten Fakten eher in Beziehung mit einem anderen Kontext als dem eigentlichen Fall. Z.B. in "Nikotin"
      wird der Leser schon auf der ersten Seite mit der Nase drauf gestoßen, dass der Täter Schauspieler ist, und zwar ein verdammt guter. Ständig wird durch das ganze Buch hinweg gezeigt, wie er je nach Laune in eine andere Rolle schlüpft. Umstehende Personen kommentieren es, bewundern es, amüsieren sich darüber. Dennoch gelingt es ihr, die Tatsache, dass er in einer Rolle sehr wohl am Tatort anwesend war, bis zum Ende gut zu verschleiern.
      Man klammert ihn einfach aus, weil er a) Quasi-Prota ist und b) Love Interest einer sympathischen Figur (und in letzterem liegt dann sogar wiederum das Motiv). Das ist alles phantastisch verknüpft, ohne dass da viele red herrings gestreut werden, und den einen streut der Täter sogar absichtlich selbst.
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    #4
    Zitat von Chandramukhi Beitrag anzeigen
    Und nun zu meiner Frage: Wie schafft man es als Autor, so etwas zu vermeiden? Welche falschen Fährten sind eurer Meinung nach schon so klischeehaft, dass jeder Leser sie durchschaut? Was sollte man unbedingt vermeiden, wenn man Figuren einführt, die anders sind als sie zu sein scheinen? Wie viel Foreshadowing ist okay, wie viele Hinweise sollte man geben?

    Ich denke, wir alle wollen unsere Leser hin und wieder überraschen. Die Frage ist, wie uns das am besten gelingt, ohne vollkommen unglaubwürdig zu werden. Ich freue mich jedenfalls auf eure Antworten.
    Guch mal in der Mittwochsfrage hier: https://wortkompass.de/forum/handwer...eckte-hinweise
    Da haben schon ein paar Leute auf das Thema Bezug genommen. Vielleicht hilft Dir das ja weiter.
    Always avoid alliteration.

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      #5
      Danke schonmal für die Antworten, Leute.

      Mir ist noch eingefallen, dass es cool wäre, vielleicht ein paar Positiv- oder Negativbeispiele zu sammeln. Einige wurden ja freundlicherweise schon genannt.

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      • Alys II.
        Alys II. kommentierte
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        Was ich beim Thema Plot-Twists fast immer empfehle: "The Murder of Roger Ackroyd" von Agatha Christie. (Auf Deutsch, glaube ich, "Alibi".) Plot-Twist auf der vorletzten Seite, ganz klar dafür gedacht, den Leser zu überraschen, und man hat es echt nicht kommen sehen - aber wenn man es dann liest, dann kommt dieser Moment, wo man sich denkt: das hätte ich seit Seite 3 wissen können.

      #6
      Ich finde das kommt auch ganz darauf an, was dein Ziel als Autor ist: geht es dir darum, den Leser oder die Figur zu schockieren? Geht es dir um den Plot oder die Emotionen dahinter?

      Im 1. Harry Potter war der große Plottwist, dass nicht Snape sondern Quirrel der Böse ist. Im 2. war der große Plottwist, dass Ginny die Kammer des Schreckens geöffnet hat. Beides hat gut funktioniert, weil Harry mit beiden Charakteren wenig zu tun hatte - wesentlich weniger, als mit denen, die er verdächtigt hatte. Aber letztendlich ging es JKR auch nicht darum (nehme ich an), den Leser zu schockieren, sondern Harry in eine emotionale Situation zu stecken. Im Stein Der Weisen muss er sich damit abfinden, die ganze Zeit dem falschen hinterher gerannt zu sein. in Die Kammer Des Schreckens geht es gar nicht um den Schockmoment, sondern darum, dass die Schwester seines besten Freundes in Gefahr ist.
      Zu den HP Büchern und Mystery allgemein kann ich dieses Video empfehlen: https://www.youtube.com/watch?v=D_Y0NFHNhgg

      Ich persönlich bleibe einfach weit weg von dem großen Schock-Moment, denn er interessiert mich nicht.

      Klar ist ein 6th Sense-Plottwist großartig - aber davon gibt es mittlerweile so viele, die nur auf dieses eine Reveal zusteuern, und dabei alles andere drum herum vergessen. Vor allem wenn man das Gefühl von Anfang an bekommt, dass ein Plottwist bevorsteht.
      Es ist einer der Gründe, warum ich die neusten Star Wars Filme, trotz ihrer mannigfaltigen Probleme, mag:
      Es wirkt als sei Rey's Familie wichtig, essentiell. Man erwartet einen Plottwist, weil Rey ihn erwartet, es kann ja wohl nicht sein, dass sie nur ein zurückgelassenes Kind ist. Aber nein, es gibt keinen Plottwist, ihre Eltern waren unwichtig, ihre Herkunft ist nichts besonderes - alles andere wäre einfach nur vorhersehbar gewesen. Und so konzentriert sich der Plot auf Reys Gefühle und nicht auf den Schockmoment.
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      Soviel zu meinen 2 Cent.
      Zuletzt geändert von Ena; 25.03.2019, 20:13. Grund: ups, spoiler nicht richtig versteckt

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      • Milch
        Milch kommentierte
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        Wobei gleichberechtigten Verdächtige eigentlich so bei echten Kriminalfällen nie vorkommen.
        Ein anderes Problem bei Krimis sind für mich die vielen Enthüllungen, die eigentlich Konsequenzen haben müssten, selbst wenn es nicht Täter wären. Ich meine damit keine strafrechtlichen Konsequenzen, sondern Reaktionen wie Überraschungen.

      • Chandramukhi
        Chandramukhi kommentierte
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        Na ja, in echten Kriminalfällen kommt es auch selten vor, dass der Täter völlig überraschend ist. Von daher sind alle Krimis ein wenig unrealistisch. Im echten Leben sind Verbrechen halt etwas "langweiliger".
        Aber ich bin generell kein riesen Krimifan. Irgendwie sind die meisten Krimis für mich erstaunlich enttäuschend.

      • Dodo
        Dodo kommentierte
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        Echte Kriminalfälle sind wohl eher selten Krimis. True Crime-Stories wirken entweder aufgebläht oder beruhen auf wirklich spektakulären Fällen.

        Unverzeihlich blöd find ich bei Krimis, wenn der Plot-Twist / die Lösung des Falls auf einem Recherche-Fehler des Autors beruht. Wenn also irgendeine Spur von vornherein in die richtige Richtung gedeutet hätte, aber die Spurensicherung zu dumm (schlecht recherchiert) war. Wenn der Rechtsmediziner der Täter ist und als alleiniger Rechtsmediziner mit dem Fall betraut ist (*augenroll*).

      #7
      Falsche Fährten sind schon gut, allerdings müssen sie originell sein. Vielleicht kann man sich auch mit nicht ganz so plakativen Figuren behelfen, eine Figur nur nett, die andere Figur nur scheiße, vielleicht reicht es, wenn sie etwas komplexer sind.
      Bei manchen Geschichten weiß man, wie es endet, aber deswegen müssen sie nicht schlecht sein, manchmal ist es auch wichtig, was auf den Weg passiert.

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      • Chandramukhi
        Chandramukhi kommentierte
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        Ich sehe das ähnlich wie du. Figurenkonstellationen, in denen die eine super nett ist, die andere ein totales Arschloch, sollte man vermeiden, da sie erstens stumpf sind und zweitens die Protagonisten oft auflaufen lassen. Denn eine Heldin, die das böse Treiben einer anderen Figur nicht bemerkt, weil sie ja so nett und freundlich ist, wirkt schnell einfach nur hohl, genau wie ein Kommissar, der für einen der Verdächtigen blind zu sein scheint.
        Mal ganz abgesehen davon, dass ich mich als Leser von vornherein verarscht fühlen würde.

      #8
      Zitat von Chandramukhi Beitrag anzeigen

      Man stelle sich folgendes Szenario vor: Da gibt es eine Protagonistin und zwei weitere Personen. Eine ist offensichtlich gut, die andere böse. Person A streichelt in ihrer Freizeit gern Hundebabys und ihr Hobby ist es, ehrenamtlich im Seniorenheim zu helfen. Person B sieht schon schrecklich aus, mit ihrer bleichen Haut, ihren fettigen Haaren und dann ist sie noch so furchtbar unfreundlich zu unserer Protagoistin. Die Situation scheint klar. Doch dann, ganz plötzlich, stellt sich heraus: Person A war eigentlich die ganze Zeit über böse, während Person B unserer Protagonistin bloß helfen wollte.

      (...)

      Ich denke, wir alle wollen unsere Leser hin und wieder überraschen. Die Frage ist, wie uns das am besten gelingt, ohne vollkommen unglaubwürdig zu werden. Ich freue mich jedenfalls auf eure Antworten.
      Ich denke, Du hast es schon gut verdeutlicht: Das Wichtigste ist wohl, nicht zu sehr in Klischees zu verfallen und keinen zu großen Holzhammer zu verwenden. Und dazu zählt für mich, Charaktere zu erschaffen, die nicht unbedingt nur gute oder nur böse Eigenschaften besitzen (was ja meistens auch der Realität entspricht). Ich glaube also, dass man dank differenzierten, ausgewogenen Charakteren den Leser tatsächlich im Ungewissen (oder zumindest im Restzweifel) lassen kann.

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