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    Schreiben im freien Fall

    Für alle, die es interessiert


    Es gibt zwei Arten von Autoren, die Plotter und die … und da fängt’s schon an. Wer sind die anderen? Pantser? Bauchschreiber? Drauflosschreiber? Discovery-Writer? Irgendwie ist der Begriff für diese Typen schon genauso undefiniert wie das, was die da machen. Plotter haben Methode. Die anderen haben eine Schublade voller verstaubter Romananfänge.

    Halt, Stopp. Die anderen haben auch Methoden. Eine – meine – will ich euch hier vorstellen.

    Ich habe für mich dafür den Begriff Freefall-Schreiben gewählt. Weil man dabei einfach mal einen Schritt ins Nichts macht mit der Einstellung »die Richtung wird schon stimmen«. Geschichte, tu was du willst.

    Man kann dabei natürlich vorher nicht planen, wo man am Ende genau ankommt (sonst wäre man ja ein Plotter), aber das ist für mich auch der Kick an der Sache. Ich lasse mich gerne von meinen Geschichten überraschen. Wenn ich schon beim Schreiben wüsste, wie sie ausgeht, wäre sie mir zu langweilig, um noch Monate damit zu verbringen, sie aufzuschreiben.

    Das klingt jetzt nach extremem Risiko. Man schreibt und schreibt, aber wer garantiert, dass am Ende eine Geschichte herauskommt und nicht ein halbfertiges Manuskript in der Schublade landet, weil man irgendwo steckenbleibt?

    Der Trick dabei ist, der Geschichte zu vertrauen, dass es immer geradeaus geht, der Landeplatz irgendwann schon in Sicht kommt und man die passende Ausrüstung besitzt, dort dann sicher zu landen.

    Und diese Ausrüstung haben wir. Wir alle haben schon tausende Geschichten gelesen. Wir wissen ganz intuitiv, wie Geschichten funktionieren und welche Bestandteile sie brauchen. Der Kurs der Geschichte, die wir schreiben, steckt auch schon vorgezeichnet in uns drin. Wir brauchen keinen Kompass, wir haben die Schwerkraft.


    Jetzt aber genug der Analogien, wie funktioniert das konkret?

    Am Anfang steht eine Idee. Das kann ein Writing Prompt sein. Das kann ein Bild sein, ein Blick aus dem Zugfenster oder eine coole mentale Szenerie, die sich plötzlich mit Leben füllen. Das können Figuren sein, eigene oder fremde, bei denen man sich fragt »was passiert, wenn …?« Und dann fängt das Kopfkino an zu rollen.

    Ein Plotter würde sich jetzt vermutlich hinsetzen und überlegen, worauf das hinauslaufen soll, dann ein paar passende Wendepunkte entwickeln und das Ganze dann mehr oder weniger fein ausarbeiten. Keine Ahnung, wie die das machen. Ich bin kein Plotter.

    Ein Freefaller schreibt einfach mal das Kopfkino hin. So frisch, wie es kommt. Taugt es für eine Kurzgeschichte, einen Roman, einen zehnbändigen Zyklus mit anschließender Verfilmung? Wurscht. Aber für den Fall, dass man für die Verfilmung Halle Berry bekommt, kann man sie ja gleich mit in die Szene schreiben. Die würde sich da mitten im Gefecht gut machen. Mit Piratenhut. Sie stellt ihren Stiefel auf eine Kanone, zieht die Zigarre zwischen den Zähnen hervor und drückt sie an die Lunte.

    Go Wild. Hab Spaß. Schreib. Schreib, bis die Tasten glühen und solange das Kino läuft. Schreib jeden coolen Spruch, der dir einfällt, bevor du ihn wieder vergisst. Die Atmosphäre? Ein bisschen zu blumig, aber egal. Dafür gibt es die Überarbeitung. Die Bewaffnung des gegnerischen Schiffs? Müsste man jetzt drüber nachdenken oder recherchieren, man kann aber auch einfach erst mal ein paar Zeilen freilassen. Zunächst muss sich Ryan Reynolds aus der Takelage schwingen.

    So. Und dann? Dann haben wir uns die Seele aus dem Leib geschrieben, dabei gelacht und geweint und als Preis eine wunderbare Szene oder auch gleich ein ganzes Kapitel. So weit waren viele schon mal. Nur leider landet die Szene dann bei den meisten in der Schublade, nachdem man krampfhaft versucht hat, daran noch ein bisschen weiterzuschreiben, aber einfach nicht mehr dasselbe Feuer gefunden hat, und außerdem keine Ahnung, wie es weitergehen soll.

    Sei beruhigt: Du musst keine Ahnung haben. Das macht die Schwerkraft bzw. der innere Geschichtenerzähler schon. Wir sind hier, um Spaß zu haben. Schlagen wir doch einfach mal ein paar Saltos und spielen mit dem Wind.

    Die Figur, die sich da durch die Takelage geschwungen hat, wer ist das eigentlich? Wo kommt er her, wo hat er so gut kämpfen gelernt, und warum trägt er eigentlich pinke Fellhosen und ein dutzend Glasperlenketten? Ich habe ihm in der Szene ein paar Details angedichtet, weil sie in dem Moment spaßig und interessant erschienen und die Szene bunter machten. Spaßige und interessante Details ergeben eine Figur, die das Publikum liebt, also erforsche ich ihn mal ein bisschen näher. Ich stelle mir Fragen über ihn, und die Antworten darauf bringen das Kopfkino wieder ins Rollen. Eine neue Szene! Diesmal geht mein rosabehoster Pirat an Land und wird in der Kneipe von ein paar Landratten ausgelacht, sodass es zu einer filmreifen Fechtszene kommt, Kronleuchter und fliegende Bierhumpen selbstverständlich eingeschlossen.

    Nein, die Szene hat erst einmal keine direkte Verbindung zur ersten, abgesehen davon, dass dieselbe Figur darin vorkommt. Das ist nicht wichtig. Wirklich! Denn wir befinden uns immer noch auf derselben Flugbahn direkt nach unten. Nur an einer anderen Stelle. Wir können nämlich in der Zeit reisen! Ha!

    Die meisten hier schreiben ihr Manuskript auf einem Computer in einem Schreibprogramm. Und egal, welches das ist, man kann darin herumscrollen, Zeilen einfügen und Textblöcke verschieben. Das heißt, ich habe in meinem Dokument nicht zwei völlig unzusammenhängende Szenen, sondern ich habe eine Geschichte mit noch ziemlich vielen weißen Stellen.

    Ich habe aber auch bereits zwei Szenen voller schöner, bunter, spaßiger Details, die mein Kopfkino genauso ins Rollen bringen wie die Idee am Anfang. Ich habe neue Figuren, die ich kennenlernen kann, Schauplätze, die ich erforschen kann, Requisiten, die ich untersuche, ob darin nicht eine Schatzkarte verborgen liegt. Ich stelle mir ganz automatisch Fragen: Wie lernen sich Ryan und Halle kennen? Wie kommen die an ein Schiff, und wo fahren sie damit hin? Wie gut können sie sich leiden und was passiert, wenn der Rum ausgeht? Und was immer mich am meisten inspiriert, wird Gegenstand meiner nächsten »einfach mal drauflos-Szene«.

    Das klingt alles furchtbar konfus und ziellos? Ist es nicht. Die kuriosen Details und Fragen, die ich instinktiv herauspicke und denen ich nachspüre, sind die Dinge, die auch den Leser am wahrscheinlichsten faszinieren. Ganz automatisch, denn ich bin ja auch nur begeisterter Leser des Romans, der da gerade entsteht.

    Ja, im Grunde plotten ich. Und ich betreibe Weltenbau. Und ich entwickle Figuren. Nur schreibe ich halt gleichzeitig auch schon mal eine Rohversion. Alles parallel, und ein entdecktes Detail stupst das nächste an, ohne dass ich mich einenge, indem ich mir künstlich einen Rahmen stecke oder einen Schreibplan verfolge. Ich brauche keinen, weil alles, was ich erfinde, per Definition irgendwo auf meiner Flugbahn liegt.

    Okay, fein, sagt der skeptische Autor. Irgendwann habe ich dann einen Haufen zugegebenermaßen ganz großartiger Fetzen, die lose irgendetwas miteinander zu tun haben. Sie spielen alle in derselben Welt mit denselben Figuren, sie führen vielleicht inhaltlich an Details entlang irgendwie einer zum anderen, vorwärts oder rückwärts. Aber so ne richtig runde Geschichte ist das nicht, oder?

    Noch nicht. Aber sie wird eine, wenn wir uns aus den Fetzen unseren Fallschirm basteln und damit sanft landen.

    Jetzt wird’s ein bisschen philosophisch, und deswegen ist die Methode nix für Leute, die ein sicheres Geländer brauchen [1]. Aber ich bin überzeugt, dass bei allem, was sich da so nach und nach entwickelt, die Geschichte schon unterbewusst in mir drinsteckt. Wenn zwischen meinen Fetzen Lücken klaffen, durch die der Wind zischt, dann nicht, weil ich irgendwo falsch abgebogen bin (geht eh nicht, weil Schwerkraft) sondern ich habe einfach noch nicht genau genug nachgeguckt und noch nicht alle Fragen gestellt und alle Fetzen gesammelt. Aber das was ich habe, sind alles Teile eines Fallschirms. Was auch sonst? Szenen sind Ausschnitte aus einer größeren Geschichte. Immer. Per Definition. Man muss nur die richtige Geschichte finden. Wenn die Szenen weit auseinanderliegen, dann ist einfach der Fallschirm größer.


    Das hier ist der Punkt, wo ich bewusst und methodisch anfange zu plotten und aus meinen Fetzen meinen Fallschirm nähe.

    Zunächst einmal nehme ich mir die schönsten, buntesten, grandiosesten Fetzen: Die Szenen, die mich überhaupt erst zu diesem Werk inspiriert haben. Sie mache ich zu meinem Zentrum, zu meinen Plotpunkten [2].

    Die erste Szene auf dem Schiff wird vielleicht der zweite Plot Turn. Die Kneipenszene der Hook. Denn die Szenen, die ich mit Zunder geschrieben habe, haben auch beim Lesen das größte Feuer, und sie verdienen eine zentrale Position. Sie sind perfekt, weil sie einfach alles haben, was Spaß macht, weil ich sie völlig frei von irgendwelchen Vorgaben und Plotgerüsten geschrieben habe, in die sie hineinpassen mussten. Sie sind wild und verwegen und überraschend und nonkonformistisch, weil ich nicht einfach einen Hook geschrieben habe, als ich einen Hook brauchte, sondern mir aus meinem Fundus etwas herauspicke, was wunderbar als Hook funktioniert, auch wenn es aus irgendeinem Grund eine Spitzenbordüre hat. Die ist vielleicht nicht nötig, aber hey, sie gibt Charakter.

    Nach und nach passe ich meine anderen Fetzen dazwischen. Das geht leichter, als ihr vielleicht denkt, denn immerhin habe ich diese einzelnen Fetzen ja auch an gedanklichen Linien entlang geschrieben. Da kann schon mal was überstehen. Vielleicht schneide ich es weg, vielleicht lasse ich es dran, je nachdem, wie schön der Zipfel im Wind flattert [3]. Da kann auch mal ne Lücke klaffen, dann schreibe ich die halt einfach zu. Ich weiß ja, dass da was fehlt, und wenn ich die richtigen Fragen stelle, wie ich von Fetzen A nach Fetzen B komme, dann weiß ich auch, was da fehlt und was ich da weben muss. Vielleicht entdecke ich im bereits genähten Teil auch ein interessantes Muster, dann webe ich das da dann gleich mit ein – und klöppel noch ne Spitzenbordüre dran, just for fun.

    Der Teil mit den Lücken macht vielleicht am meisten Angst, wenn man es noch nie probiert hat, aber er macht auch am meisten Spaß. Irgendwo hier in einer der letzten Mittwochsfragen haben ganz viele gesagt, dass das geilste Gefühl beim Schreiben ist, wenn man das richtige Puzzleteil für den Plot findet. Stellt euch vor, ihr findet dieses Puzzelteil im freien Fall bei 200 km/h.

    Vielleicht machen manche dieser letzten Flicken auch keinen großen Spaß zu schreiben, wenn sie einfach Lückenfüller sind ohne viel Eigenpotential. Das macht nichts. Denn außer den Fallschirm zusammenzuhalten müssen sie nichts tun. Wir haben genug grandiose, bunte, tragfähige Szenen, und diese paar langweiligen winzigen Flicken schaffen wir notfalls auch ohne Spaß, denn das Ende unseres Fluges ist bereits in Sicht.

    Unser Fallschirm ist fertig. Kein durchgestylter, glatter, punktsymmetrisch bedruckter Fallschirm (wobei das nur eine Frage ist, wie lange und gekonnt ihr näht). Sondern der originellste, bunteste, geilste Fallschirm, denn ihr euch vorstellen könnt, und das Publikum wird die Augen aufreißen.

    Und das ist nicht einmal die Hauptsache. Die Hauptsache ist, ihr hattet einen wilden Ritt im Wind. Denn Schreiben soll Spaß machen. Wenn am Ende etwas dabei rauskommt, das euch das Publikum aus den Händen reißt, umso besser. Aber selbst wenn ihr unterwegs die Lust verliert, an dem Ding weiterzunähen, und die Fetzen doch in der Schublade landen, dann sind es keine Handarbeiten, die ihr euch abgequält habt, sondern großartige Fantasien, die ihr in Worte gewebt habt. Und die euch irgendwann aus der Schublade rufen werden und darum betteln, doch nochmal einen Sprung mit ihnen in die Tiefe zu wagen.



    [1] Jahaaa, das sag ich erst jetzt, aber was hast du von einer Methode erwartet, die Freefall heißt?
    [2] Das Schnittmuster, das System, nach dem ihr plottet, könnt ihr euch frei aussuchen, je nachdem, was euch am besten liegt. 7 Punkte, Heldenreise, eigenes Rezept, wurschtegal. Ich nehme hier jetzt mal Begriffe aus der 7-Punkte-Struktur, weil ich in letzter Zeit hauptsächlich mit der gearbeitet habe.
    [3] Da kann auch mal ein Teil überhaupt keine Verwendung finden. Heb ich mir auf für den zweiten Band. Ich habe inzwischen Stoff für mindestens acht.
    Poems are never finished.
    Just abandoned.

    #2
    Das Schönste daran ist: das kann man auch als (Partial-) Plotter. Ich kenne grob meine Richtung und schau dann, dass ich den Fall dahin orientiere. So arbeite ich eigentlich bei fast allen Szenen, die nicht schon vorgefertigt in meinen Kopf gesprungen sind.
    Wenn die spontane Schreibentwicklung nicht in die Richtung geht, auch nicht schlimm, dann lösche ich es, ändere das Ziel, wenn das spontan Geschriebene mich einfach nur umhaut, oder ich muss nur wenig ändern, um mein Ziel zu erreichen. Völlig durch das Buch stürzen ginge für mich nicht, dann öffnet sich der Schirm nicht und ... überall Trümmer und Teile.

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    • Dodo
      Dodo kommentierte
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      Wenn das neue Landegebiet interessanter ist, dann ... muss ich dahin! Bei mir kommt dort häufig der Moment, wo mir offenbart wird, was mein Hirn wahrscheinlich von Anfang an ausgebrütet hat.
      (Ich bin auch der Meinung, dass beim Schreiben wirklich unter der Oberfläche schon verwebt und verwoben wird und man zu Beginn nur ein paar Netzteile oben schwimmen sieht) (Mein Hirn ist jedenfalls so, es verrät mir nicht alles sofort, sondern spricht in Rätseln. Hirn: "Geh noch einmal nach Hause, was trinken!" - Ich: "Ich hab keinen Durst." - Hirn: "Doch." - Ich: "Nein." - Hirn: "Dohoch." - Ich: "Sag mir, was du wirklich willst." - Hirn: *schmoll* - Ich: "Bitte." - Hirn: "Du hast deinen Pass vergessen.")

    • Ankh
      Ankh kommentierte
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      Dodo *lach* genau so geht es mir auch! Auch im Plot. "Die beiden sitzen jetzt da im Garten und sprechen sich aus" - "Häh? Worüber sprechen sie denn?" - "Das ist erstmal egal." - "Wie, egal?! Ich muss doch wissen, worüber sie sprechen?" - "Nö. Das kriegst du schon noch raus. Schreib jetzt hin, dass sie da sitzen und sich versöhnen." - "Aber die haben sich doch gar nicht gestritten?" - "Dann wird's mal Zeit, ihnen einen Konflikt zu geben, oder?" - "Äääääh." Und zack, verarztet der eine in seiner Anfangsszene die Killer des anderen.
      Und warum die allein in einem Kleingarten sitzen, hat sich auch irgendwann von selbst ergeben.

    • Victoria
      Victoria kommentierte
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      Aber tatsächlich ist das Ende bei mir bis zuletzt das variabelste Stück
      Bei Games gibt es doch auch verschiedene Endings …
      Man muss die eigene Geschichte nur ein paar Mal durchspielen, vielleicht hat man irgendwann die Lieblingsversion.

    #3
    So mach ich das auch, mit dem Unterschied, dass ich ungefähr das Land weiß, wo ich landen will.
    Meist leg ich meinem Schreiben ein Lied oder ein Bild zugrunde, finde die ungefähre Flugbahn und schau dann mal, ob ich meinen Lenkdrachen zusammenkriege. Funktioniert schon irgendwie, eben weil man intuitiv weiß, wie Geschichtenerzählen funktioniert und das interessante eh die Details sind, nicht der grobe Rahmen.

    Ding ist, es fällt mir heute schwerer als früher mein Kopfkino anzuschalten und danach zu schreiben.
    Ayo, my pen and paper cause a chain reaction
    to get your brain relaxin', the zany actin' maniac in action.
    A brainiac in fact, son, you mainly lack attraction.
    You look insanely whack when just a fraction of my tracks run.

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    • Ankh
      Ankh kommentierte
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      Die Inspiration ist bei mir auch fest. Manchmal kommt sie spontan, manchmal feile ich an der Grundidee schon eine Weile (zum Beispiel trage ich mich seit einer Weile mit dem Gedanken, einen Krimi in einem Orkstamm anzusetzen. Da war lange nichts weiter als diese Prämisse, bis langsam die ersten Szenen und Figuren Gestalt annehmen.) Ich kann auch nicht irgedneine Idee hernehmen und losschreiben, da muss ich schon überzeugt sein, dass die Potential hat. Insofern bestimmt sich der Landepunkt daraus, dass ich oft lange zögere, bevor ich aus dem Flieger springe.

      Manchmal will das Kopfkino nicht. Wenn das ganz zu Anfang passiert, dann hat die Idee zu wenig Potential. Wenn mittendrin, dann lese ich in die bereits geschriebenen Szenen rein und gucke, was davon mich interessiert. Wie gesagt, oft sind das nur nebensächliche Details, die ich aus einer Laune hingeschrieben habe, die sich plötzlich zu einem Symbol oder Motiv oder Indiz entwickeln, das dann schnell zu einem Plotstang aufblüht. Und wenn gar nichts geht, dann ist vielleicht schon alles gesagt; du hast schon alle Fetzen beisammen und es wird Zeit zu nähen.

    #4
    Nach genau dieser Methode habe ich meine erste richtig erfolgreiche Geschichte geschrieben.
    War eine FanFiction. Ich hatte den Ausgangspunkt und eine grobe Richtung, aber ich hatte am Anfang NULL Ahnung, ob es als romantisches Happy End oder als Drama mit vielen Toten enden würde. Ich hab die Charaktere einfach mal machen lassen.
    Und von allen FanFics, die ich je geschrieben habe, kam diese mit Abstand am besten an. Die Leute haben mitgefiebert. Wenn die Geschichte nicht so gut gelaufen wäre, dann wäre ich nie beim Schreiben geblieben.

    (Im Zuge des PloMo habe ich die Geschichte jetzt nochmal analysiert und festgestellt, dass sie eine ziemlich gute 3-Akt-Struktur hat. Kann also sein, dass man bei der Methode vieles instintiv richtig macht, weil man selbst das Gefühl kriegt "boah, jetzt muss mal wieder bisschen Drama!".
    Aber, dazu muss ich einschränkend sagen: meine Freefall-Geschichte war eine Reihe von Missing Scenes, die sich an der Handlung eines existierenden Buches entlanghangeln. Da ich also meine Geschichte an das Pacing des Original-Romans anpassen musste, kann es gut sein, dass ich unbewusst den Spannungsbogen des Originals imitiert habe.)
    Always avoid alliteration.

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    • Ankh
      Ankh kommentierte
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      Ich denke, dass man unbewusst immer einen Spannungsbogen schreibt, weil wir daran gewohnt sind, eine Geschichte so zu erzählen, wie sie nun einmal funktioniert. Niemand erzählt einen Witz ohne die Pointe und ist davon überzeugt, dass das schon alles war. Wenn man an dem Punkt ist, hört man nicht einfach auf, sondern denkt "und jetzt zum Finale!" Da ist ein innerer Zwang, die Geschichte mit allem auszustatten, was sie braucht, bevor wir das Gefühl haben, sie ist gut so.

    #5
    Ich kann beiden Methoden viel abgewinnen.

    Zum einen das Plotten. Ich kann große Projekte nur geplottet schreiben, da es so viele Bälle sind die man jongliert und keiner sollte runterfallen, dazu brauche ich eine feste Struktur - Szenenliste bspw. Wobei ich immer nur zwei, drei Szenen voraus plane. Aber, die wichtigsten Plottpunkte sind fest.

    Kurzgeschichten schreibe ich im freien Fall. Ich denke mir: So, mal ne Kurzgeschichte. Setze mich hin und schreibe. Es überrascht mich, wohin ich denke. Wenn ich da rumzerren würde und die Handlung in eine andere Richtung schieben würde, ginge es nicht.
    Nein das war ich nicht.
    Ach so, das!
    Ja, das war ich.

    Kontakt: administrator@wortkompass.de

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    • Ankh
      Ankh kommentierte
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      In-Genius Das finde ich spannend. Nach welchen Kriterien legst du die Szenenreihenfolge (wie sie dann gelesen werden sollen) denn fest?

    • In-Genius
      In-Genius kommentierte
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      Ankh In der Regel an der Struktur des Liedes, auf die sich die Geschichte stützt. Ich lasse mich sehr von Liedern inspirieren, die dann beim Schreibprozess meine Kreativität anregen. Ich stelle fest, welche Lied-Teile zu welcher Figur gehören und welcher Hauptpunkt der Geschichte sich dort gut macht (in dem Sinne plotte ich vorher schon ein wenig, nicht nur Freifall hier) und dann schreib ich in chronologischer Reihenfolge drauflos.
      weltatlas hat das schon in Aktion gesehen.

    • weltatlas
      weltatlas kommentierte
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      Hat er und hat funktioniert .

    #6
    Ich glaube, was ich mache, ist ein Mittelding.
    Meine Geschichte hat einen groben Plott - wie sie beginnt, was die wichtigsten Eckpunkte sind und wie sie ausgehen soll.
    Außerdem entwickle ich vorher meine Figuren ziemlich genau.
    Ich weiß wer sie sind, was sie denken, kenne ihre Vorlieben und Abneigungen etc...
    Das ist mir eigentlich das Wichtigste, denn im Grunde lasse ich mich beim Schreiben dann von ihnen leiten.

    Was zwischen den wichtigsten Punkte geschieht, wie einzelne Szenen genau ablaufen, all das entwickelt sich beim Schreiben.
    Jede Szene bis ins kleinste Detail durchplanen, das könnte ich nicht, und das will ich auch gar nicht.
    Ich habe einige Szenen, die ich mir nie vorher hätte ausdenken können, die schlicht durch spontane Ideen meiner Charas entstanden sind, und das sind oft Szenen die ich besonders mag.

    Wie man schreibt ist eine persönliche Sache, hat aber für mich auch viel mit dem Genre zu tun. Einen komplizierten (in sich schlüssigen) Krimi mit vielen Wendungen zu schreiben, stelle ich mir ohne zu plotten sehr schwer vor - aber wer weiß vielleicht gibt es auch Autoren die das hinbekommen.
    Ich arbeite dran ...

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    • Ankh
      Ankh kommentierte
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      Wie das mit dem Krimi klappt, muss ich mal sehen. Intrigen und Geheimnisse bekomme ich mit meiner Methode aber gut hin. Die vielen Wendungen ergeben sich im freien Fall sogar leichter Für die in sich schlüssige Lösung muss man sich dann natürlich an irgendeinem Punkt mal für einen Täter entscheiden und dessen Verhalten darauf abstimmen. Aber irgendwann muss man ja sowieso plotten.

      Ich würde dich deiner Beschreibung nach übrigens eher zu den Plottern einordnen. Nicht alle Plotter plotten mit detaillierter Szenenliste, ein grober Fahrplan von Anfang bis Ende mit Zwischenhalt in A, B und C ist ja auch schon ein Plot.

    • Dodo
      Dodo kommentierte
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      Ich plotte ziemlich genau wie du. Grob, und dann lass ich die Figuren laufen.
      Es rächt sich bei mir immer, wenn ich eine Figur "nicht fertig" habe. Die muss nachträglich noch eingefleischt werden (selbst wenn das keine konkrete Relevanz für die Szene besitzt; ich muss in der Figur Bescheid wissen), erst dann kann ich weiterschreiben.

    #7
    Als ich angefangen hab zu schreiben, hab ich es tatsächlich so in der Art gemacht. Fallen ist schon berauschend. Aber ich hab festgestellt, dass mich ein Patchwork-Fallschirm als Endergebnis nicht befriedigt. Er ist schön bunt, funktioniert recht gut, man landet damit, aber …

    Ich finde es schön, Puzzleteile anzufertigen. Am liebsten 18.000 Teile. Und wenn sie perfekt ineinanderklacken, ist es für mich besser, als "zufällig" ein Puzzleteil zu finden. Um am Ende kann man einen Schritt zurückmachen und die Galaxie bewundern.

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    • Ankh
      Ankh kommentierte
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      Wenn du Spaß dran und eine Routine darin hast, 18000 Puzzlteile zu schnitzen, dann ist das die beste Methode für dich. Ich habe das oben geschrieben für jemanden, der 3 Puzzleteile hat und jetzt etwas ratlos vor den nächsten 17997 steht. Und da sage ich eben, es ist egal, ob du jetzt mit Nummer 4 oder mit Nummer 574 weitermachst. Jedes Teil bringt dich näher zur Galaxie, als wenn du jetzt da stehenbleibst und zweifelst.

    • Victoria
      Victoria kommentierte
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      Ich mag es in den einzelnen Szenen frei zu fallen, so für 5-10 NS. Aber alles andere ist mir zu kreativ!

    • Ankh
      Ankh kommentierte
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      Ich würde mich nicht als sonderlich kreativ bezeichnen, eher im Gegenteil. Wäre ich kreativ, könnte ich die Geschichte vielleicht von vorneherein im Kopf entwickeln und bräuchte nicht hundert winzige Anknüpfungspunkte, um daraus eine zusammenzubasteln. Würde ich einfach strikt nach Schema plotten, käme dabei die wohl generischste und ödeste Geschichte heraus, die man sich vorstellen kann.
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