Viele behaupten ja, sie wollen nur gute Unterhaltung machen. Aber gehört zur guten Unterhaltung auch Relevanz wie Diversität? Sie kann auch subtil und poetisch geschehen, sie kann auch ironisch gebrochen sein, sie muss nicht vordergründig belehrend sein.
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Relevanz die hier am meisten unterschätzte Zutat für gute Unterhaltung?
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Was ist Relevanz? Das allein wäre schon Abende füllend ...
"Ich will nur gut unterhalten" bedeutet nicht, dass man alles in Pastell tönt und weichzeichnet. Gute Unterhaltung ist immer relevant. Relevanz ist die Prämissenzutat im Unterhaltungsrezept.
Natürlich gibt es Geschichten, die atmet man am Swimmingpool weg, Schablonen aus allen Genres, Krimi, LiRo, Erotik (vielleicht nicht am Pool), Historie, SciFi, Fantasy ... Die haben auch ihre Berechtigung, es kann einem leid tun um manche Figuren, die vielleicht etwas Interessanteres verdient hätten. Aber solange der Autor mit seinen irrelevanten Figuren, die sich nicht um die Erörterung gesellschaftlicher Fragen unserer Zeit kümmern, den Leser von der Last der Erörterung gesellschaftlicher Fragen unserer Zeit befreit, weil der Leser das will, dann hat der Autor eine große Leistung vollbracht. Das mag demselben Leser (und Autor) zu einem anderen Zeitpunkt langweilig und flach erscheinen, aber zu dem Moment am Pool war die Geschichte das, was er wollte. Cooler Detektive, Pastellfarbe und Sonnenschein, stets super Sex, picobello Mittelalter, Photonenkanonen, Orks (und das alles in einem Buch klingt nach einer guten Idee *grübel*).
Aber zur relevanten Unterhaltung:
Was ist relevant? In meinen Geschichten entscheide ich über diese Frage. Und jeder von Euch in jeder von Euren Geschichten.
Für mich sind vielleicht andere Dinge relevant als für jemand anders. Dass ich das, was ich relevant finde, in meinen Geschichten verbaue, halte ich für unausweichlich.
Ich schreib LiRo (wurde mir irgendwann klar). Mir ist z B wichtig, dass meine Figuren sich nicht durch einen (den einen!) Partner definieren, ihre Ziele müssen ihre Ziele sein. Das gilt für Männer und Frauen, aber ja: Ich achte besonders bei den Frauen darauf. Die Darstellung unabhängiger starker Frauen, die sich auf einen Partner einlassen können, ist mir ein Anliegen. Klischee? Dann gerne. Wenn ich es genau überlege, gilt dasselbe für die Männer, aber da ist es selbstverständlicher (Schock! Wie bin ich denn drauf?).
Es gibt Ausnahmen, aber diese müssen begründet, auf keinen Fall lieblos, fahrlässig oder ungeplant von mir sein, dann wäre die entsprechende Figur hohl.
Gerade bei LiRo schätze ich die Gefahr hoch ein, dass Figur A als einzigem Ziel Figur B nachhechelt. Deswegen lese ich so gut wie keine LiRo (es gibt natürlich Ausnahmen hier aus dem WK und sogar außerhalb ).
Weiterhin relevant für mich: Meine Figuren werden niemals religiös sein. Religion und Religiosität widerstrebt meiner eigenen Auffassung so sehr, dass ich sie nicht mit meinen positiv besetzten Figuren vertreten kann. Ist das immer relevant? Für mich ja. Für die Geschichten? Nicht immer. Für eine ist es plotrelevant. Für die anderen? Nein, liefert aber den einen oder anderen "Gag".
Diversität? Ja, ist relevant, aber keine Botschaft, die ich explizit vermittel. Für mich gehört ein diverser Cast in die "Jetzt-Zeit", ohne dass ich groß nachdenke. Begleite ich eine dieser Figuren, begegnet sie auch Anfeindungen, weil das so ist. Es wird durch den POV vermittelt, kommentiert, der Leser darf aufmerken und entsetzt feststellen, dass die Figur nicht in Pastell und Sonnenschein lebt, sondern in der Welt da draußen, ohne dass ich das zur Prämisse meiner trotzdem (hoffentlich) guten Unterhaltung mache.
Ein belehrender ROMAN-Autor ist das schlimmste, was passieren kann. Falsche Grundrichtung. Wer um des Belehrens belehren will, vordergründig oder hintergründig, muss ein Fach- oder Sachbuch schreiben. Und auch da trennt sich Spreu von Weizen: Ein guter Lehrer belehrt nicht, er unterhält (Es gibt Pathologie-Fachbücher, die lese ich zur Unterhaltung!).
Entsprechend habe ich hohen Respekt vor guter Unterhaltung, wie sie (wie ich glaube) von den meisten hier angestrebt wird.Zuletzt geändert von Dodo; 04.12.2018, 17:10.
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Ich habe Relevanz mal so offen gelassen, man kann es gesellschaftlich oder privat betrachten- (Depression oder Umweltschutz).
Heute versucht sich die Unterhaltung eher dunkel zu geben, nichts mit Pastell.
Wer lehren will, sollte es verstehen zu unterhalten, das halte ich auch für richtig, aber dieser lehrt doch. Und ich fürchte, viele Leser wollen auch unterrichtet werden, siehe Schätzing der Schwarm, etliche historische Romane oder die Krimis von Elsberg. Und gute Sachbücher sollten nebenbei ja auch unterhalten, sonst machen sie keinen Spaß zu Lesen, sei es durch Aufregung, durch Humor, durch Spannung oder durch Rührung.
Ich mag gern ein Sowohl-als-auch.
Nehmen wir die Pixar-Filme, beispielsweise Wall-E. Wenn man es sich bedenkt, kritisiert es doch unsere Konsumhaltung und die Wegwerfgesellschaft. Oder "Alles steht Kopf" zeigt uns, wie mächtig Gefühle sind. Niemand wird behaupten, dass diese Filme nicht unterhalten. Durch ihre Relevanz macht es noch mehr Vergnügen, sie sich anzuschauen. Am wenigsten gefiel mir Merida, vielleicht weil mir da die Relevanz fehlte.
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Wenn Unterhaltung heute dunkel ist, dann beinhaltet sie offenbar eine gewisse Schwere? Wie sonst erzeugt man Dunkelheit?
Licht aus im Pastellland wäre schließlich immer noch Pastell.
Dass Thriller immer psychotischer (düsterer) werden, ist auch eine Form von Flachheit, wenn die Psycho(patho)logie dahinter nur Kulisse ist. Aber da ich keine Thriller lese, fehlt mir da die Expertise. Ich unterstelle den LiRo auch nur Pastellfarben, weil die Cover so aussehen Ist eine echte Warnfarbe für mich. Außer am Pool (aber da lese ich sie auch nicht). Ich würde mich aber zur Frage der Relevanz von Literatur jetzt nicht auf meine Farbwahrnehmung reduziert sehen wollen .
Öh ... was ist denn "die Unterhaltung, die sich dunkel gibt"?
Und wo genau wird die Relevanz unterschätzt?
Gerade bei Schätzings Texten halte ich den Grad zum unsympathischen Klugschei*ertum für schmal, weshalb ich außer "Der Schwarm" nichts gelesen habe.
Wirklich intelligent, belehrend und unterhaltsam sind für mich äußerst wenige andere Autoren, die in jedem Satz Relevanz zu einem Thema transportieren. Dann in Form eines Sachbuchs oder ihrer Memoiren (!), weil das Unterhaltungsliteratur in der Konzentration nicht bringen kann und in meiner Erwartung nicht bringen soll. Diese Sachliteratur lese ich durchaus, um mich zu "bilden" - doch ich verzichte dabei nicht auf den Unterhaltungsaspekt. Investigativer Journalismus kann auch Kunst sein.
Kann der Autor nicht unterhalten, verzichte ich auf die entsprechende Bildung (investigativer Journalismus fiele da nicht unbedingt drunter ) durch ihn. Schlechte Lehrer brauche ich nicht (zuviel spürbarer Autor-Lehrer). Ich lese schließlich freiwillig.Zuletzt geändert von Dodo; 04.12.2018, 17:51.
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Ich will mal eine Spaltung machen, Leser dürfen ein Buch nur aus Unterhaltung lesen. Das heißt ja nicht, dass Autoren sich nur auf Unterhaltung schreiben sollte. Ich habe das Gefühl, dass der Leser nicht alles mitbekommen mag, aber dennoch es unterstützt, wenn der Autor sich mehr Gedanken macht.
Das Problem bei Schätzing ist, dass er sich zu gern reden hört.
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Zitat von Milch Beitrag anzeigenViele behaupten ja, sie wollen nur gute Unterhaltung machen. Aber gehört zur guten Unterhaltung auch Relevanz wie Diversität? Sie kann auch subtil und poetisch geschehen, sie kann auch ironisch gebrochen sein, sie muss nicht vordergründig belehrend sein.
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Hm, Relevanz … im Wörterbuch steht "Eigenschaft (in einem bestimmte Zusammenhang) wichtig, bedeutsam zu sein."
In meiner Sicht ist das nicht zwingend etwas, was der Autor entscheiden kann. Er kann es sicherlich versuchen, indem er Thema und Argumente entsprechend herauspickt und sich am Zeitgeist orientiert, aber ob das glückt … Dass Shakespeares Werken heute noch Relevanz zugesprochen wird, liegt ja nicht gerade in seiner Hand. Ich bezweifle, dass er ahnte oder darauf hinarbeitete, hunderte Jahre später immer noch relevant zu sein.
Extrem wichtig zum Thema Relevanz erscheint mir Zeitgeist, dass man dem "verbreiteten Gedankengut einer Generation oder Epoche" in seinen Werken Rechnung trägt. Der Zeitgeist heute ist beispielsweise eine diverse Gruppe an Stimmen hörbar zu machen, politisch wie künstlerisch. Für den Zeitgeist relevant kann Unterhaltungsliteratur schreiben und sollte sie vermutlich auch, sonst fällt sie schnell unter den Tisch. Nun ist es natürlich schwer, den Zeitgeist zu treffen und relevante Argumente hervorzubringen - wieder etwas, dass ein Autor sicherlich versuchen kann und sollte, aber ob es glückt, ist nicht seine Entscheidung.
Ich denke, ein Autor und Unterhaltungsliteratur kann beides. Genauso wie man sein Werk nach Zielgruppe oder Genre ausrichtet, kann man sich am Zeitgeist ausrichten und so vielleicht etwas gesellschaftlich relevantes schreiben, so man dies anstrebt.
Manchmal strebe ich das an, manchmal strebe ich das nicht an. Wie Dodo schon sagt, schreibe ich seichte Poollektüre für die schnellen fünf Minuten lasse ich die kontroversen Themen eher weg; schreibe ich etwas mit literarischem Gewicht, will ich den Zeitgeist natürlich einflechten und vielleicht schaffe ich Relevanz. Dazwischen gibt es jede mögliche Mischung.
Ob eines davon bessere Unterhaltung oder bessere Literatur ist als das andere, hat viel mehr was mit der Qualität des Schreibens zu tun und wesentlich weniger mit Relevanz vs Banalität.
Es sei aber gesagt, nur jene Literatur überdauert die Generationen und Jahrzehnte, die sowohl unterhaltend schreibt als auch relevant bleibt. Wer also darauf abzielt, der nächste Goethe oder der nächste Shakespeare zu sein, braucht hier die goldene Mitte. Die erscheint mir mehr ein Glücksgriff als kalte Berechnung.Ayo, my pen and paper cause a chain reaction
to get your brain relaxin', the zany actin' maniac in action.
A brainiac in fact, son, you mainly lack attraction.
You look insanely whack when just a fraction of my tracks run.
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Ob eines davon bessere Unterhaltung oder bessere Literatur ist als das andere, hat viel mehr was mit der Qualität des Schreibens zu tun und wesentlich weniger mit Relevanz vs Banalität.
Um es banal zu sagen, die gesellschaftliche Relevanz von heute/ persönliche Relevanz des einen kann die gesellschaftliche Banalität von morgen/ persönliche Banalität des anderen sein. Wer entscheidet darüber?
Blödes Beispiel: Ein Kochrezept mag für den einen (z B mich) das Banalste der Welt sein, jemand anders beginge dafür vielleicht einen Mord. Ein Krimi mit wegen eines Rezeptes ermordetem Koch wäre für mich nicht ansprechend und todlangweilig - es sei denn, es ist geschrieben wie der wildeste Ritt. Für Stil lass ich als Leser den Inhalt liegen (OK, alles ginge nicht durch). Als Autor will ich mir beides abringen.
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Wenn etwas nur für einen Relevanz hat, dann ist es für ein Buch zu wenig. Es sollte für viele relevant sein. Und ich finde, Relevanz ist ein Krititerium für Qualität.
Wie wird über die Güte der Qualität entschieden - konkret: wie wird Relevanz gemessen?
Relevanz hängt auch mit der Kreativität zusammen. Eine Binsenwahrheit macht ein Buch nicht mehr so relevant.
"Leben in einer Diktatur ist nicht gut für Menschen", o wie banal, alltäglich. Weiß doch jeder.
Oder Margaret Meads: "Children must be taught how to think not what to think."
"Rassismus ist schlecht."
"Jede Frau darf selbst entscheiden, ob und wie viele Kinder sie bekommt".
Hm. Schon wieder. Wer entscheidet, was relevant oder Binse ist?Zuletzt geändert von Dodo; 05.12.2018, 06:49.
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Ich stimme zu, dass die Themen alle wichtig sind, aber es reicht, einen neuen Aspekt zu finden. Ich glaube allerdings nicht, dass diese Sachen so zeitlos sind und relativ neumodisch, wenn man in Jahrhunderten denkt.
Wer bestimmt es? Der öffentliche Disput. Vielleicht kann auch ein Autor zeigen, dass etwas von Relevanz ist, weil er es durchdekliniert und so ein Bewusstsein für etwas schafft.
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Manchmal glaube ich, dass etwas nur wegen seiner Relevanz so erfolgreich wird, ich denke da an The Circle, es hat mich eher gelangweilt. Ich gebe zu, dass ich viele Argumente kannte. Wie schafft man es als Autor, es so spannend zu machen, dass es für viele Leser lesenswert ist?
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Speziell bei „The Circle“ fand ich es gut zu lesen, aber: nur unsympathische, hohle Figuren, die zu unvernünftig agieren, noch dazu ein Thema, das mir egal ist. Er erzählt keine Geschichte, sondern maaaahnt. Eggers kann besser.
Daher: Man darf das Geschichtenerzählen nicht vergessen, wenn man seine Botschaft in einen Roman verpacken will. Mit lebendigen Figuren, interessantem Plot ... usw.
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