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Wieviel Realität muss sein?

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    Wieviel Realität muss sein?

    Mich treibt gerade eine Frage um.
    Ich habe ein paar größere Änderungen an einem Projekt vor, damit meine Aussage schlüssiger rüberkommt und die Plotline nicht so abgelenkt wird. Dazu müsste ich einen kondensierten Mikrokosmos schaffen, von dem ich aus bereits erfolgter Recherche weiß, dass er SO nicht existiert, wie ich ihn bräuchte. Was einer der Gründe war, weshalb ich es zunächst näher am RL geschrieben habe, doch das reißt meine Geschichte auseinander - zuviele Figuren, zu weit voneinander entfernt.
    Ich selbst bin bei anderen Geschichten immer sehr bereit, meinen Unglauben an den Nagel zu hängen, wenn es der Story dienlich ist, obwohl ich weiß, dass es in der Realität niemals so zuginge wie in dem Erzählten (klassisches Beispiel: Gerichtsmediziner; überhaupt 99% von Krankenhausszenen).
    Deshalb hätte ich kein Problem, meine Flughäfen /Airlines / Bundespolizei so laufen zu lassen, wie ich es will - nicht losgelöst von der Wirklichkeit, aber zurechtgebogen; es wäre möglich, kommt aber mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht im Regelfall so vor. Es liefe aber auch nicht dem Erleben eines Nicht-Flughafenmitarbeiters oder der Logik zuwider (genauso wie ein Nichtmediziner nicht über Idiotie in Krankenhausszenen stolpert).

    Mich würde interessieren: Wie weit weicht Ihr in Euren Geschichten von der "Wahrheit" ab? Wieviel Abweichung toleriert Ihr als Autor und Leser?

    (Der Weltenbauthread suggeriert, dass einige relativ unbarmherzig darangehen.)


    #2
    Mir als Leser kommt es vor allem auf die innere Logik und Authenzität an. Ist die Handlung zutreffend für den Charakter? Macht eine bestimmte Szene Sinn im Rahmen der erzählten Welt?
    Ob die Geschichte sich mit unserer Welt deckt oder nicht, ist für mich eher unerheblich, selbst wenn sie vordergründig in unserer Welt spielen soll. In den meisten Fällen was Bücher, Filme etc angeht, bin ich mir sicher, dass das so wie gezeigt sicher nicht passiert. Das echte Leben ist zu langwierig, um innerhalb von zwei Stunden oder 300 Seiten auf den Punkt zu kommen. Der Autor hat künstlerische Freiheit, seine Geschichte für den Leser lesbar zu machen - das heißt: prägnant und in sich konsistent.
    Wenn es deine Geschichte besser macht, bieg deine Institutionen (Flughafen, Bundespolizei, etc) zurecht. Bürokratie macht keine gute Geschichte

    Als Autor halte ich mich nicht mit 100%iger Realität auf. Selbst wenn ich eine Geschichte schreibe, die auf wahren, selbst erlebten Geschehnissen beruht, schreibe ich die Szenen und Charaktere so um, dass alles besser auf den Punkt kommt. Es muss für den Leser nachvollziehbar und stimmig sein, aber real finde ich eher hinderlich, ganz unabhängig vom Genre.


    Einzige Ausnahme vllt Historische Romane. Die haben ein spezielles Verhältnis zur Realität, da erwarte ich etwas mehr Realität. Aber auch da müssen Abstriche gemacht werden, um das ganze in ein narratives, konsumierbares Paket zu gießen.
    Ayo, my pen and paper cause a chain reaction
    to get your brain relaxin', the zany actin' maniac in action.
    A brainiac in fact, son, you mainly lack attraction.
    You look insanely whack when just a fraction of my tracks run.

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    • Dodo
      Dodo kommentierte
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      Bei historischen Romanen liegt der Maßstab sicher höher ... Ein Grund, dem auszuweichen *schwitz* und in die Steampunkabteilung zu flüchten

    • In-Genius
      In-Genius kommentierte
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      Dodo Steampunk ist immer toll Gerade als "was wäre wenn"-Szenario hat man da etwas Freiheit, wenn's mal nicht so ganz realistisch passt.

    • Milch
      Milch kommentierte
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      Bürokratie so langweilig? Hinter jeder Bürokratie stecken Philosophien, die am Ende nicht so langweilig sind.

    #3
    Das kommt ein bisschen darauf an, in was für einem Genre und für welches Publikum man schreibt. Wenn du dir ansonsten den Anspruch auferlegst, Super Hard SciFi zu schreiben, dann werden deine Leser es nicht so pralle finden, wenn du plötzlich eine große Realitätslücke durchwinkst. Eben weil es in dem Zusammenhang als Fehler daherkommt. Wenn du dagegen allgemein die Realität etwas augenzwinkernd zurechtbiegst und die Geschichte dadurch offensichtlich cooler wird, dann werden dir die Leser so etwas normalerweise verzeihen.

    Um ganz sicherzugehen, kann man das Problem im Text auch ansprechen (-> Held fragt dumm nach, wie sowas möglich ist, und Wissenschaftler hebt an, es mit Technobabbel wegzuerklären), dann merkt der Leser, das Problem ist dir auch schon aufgefallen, aber in deinem Universum gibt es dafür eine Lösung. Es ist so offensichtlich kein Fehler im Plot oder in der Recherche, sondern du trittst dem zu erwartenden Einwand des Lesers entgegen und sagst praktisch "Hör mal, ich weiß, das geht so eigentlich nicht, aber wir nehmen jetzt mal alle an, dass das so funktioniert, okay?"
    Poems are never finished.
    Just abandoned.

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      #4
      Ich habe mit leicher irrealität kein Problem, wenn die Geschichte gut ist. Vieleicht fällt es mir nicht einmal auf, wenn es nicht zu sehr (!) an den Haaren herbeigezogen ist. Wenn ich mir aber denke: Joa, könnte passiert sein, passt es für mich. Außnahmen sind, wi erwähnt, historische Romane.

      Wo ich aber keine Gnade kenne sind Fachwörter. Ich möchte, das Fachwörter korrekt genutzt werden.
      Nein das war ich nicht.
      Ach so, das!
      Ja, das war ich.

      Kontakt: administrator@wortkompass.de

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      • Dodo
        Dodo kommentierte
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        Stimmt, bei falschen Begrifflichkeiten offenbart sich die fehlende Recherche (und somit die Faulheit) des Autoren.
        In meinem Falle sollte ich vielleicht einen Disclaimer einbauen "Leute, ich weiß, dass das in echt anders läuft"

      • weltatlas
        weltatlas kommentierte
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        Genau das wäre mein Problem dabei. Recherchefaulheit. Wenn ich schreibe versuche ich nach bestem Wissen zu recherchieren und Fachwörter kann man leichter nachschlagen, als "Das Leben im Todestrakt des Florida State Prison als Unschuldiger." ... oder sowas.

      #5
      Man moduliert sich die Welt zurecht, aber es sollte bitte kein Klischee sein.
      Man sollte nicht immer auf die gleiche Weise die Welt verbiegen.
      Und bei manchen Sachen habe ich Probleme, wenn es zu häufig passiert, wir haben nun mal ein Rechtsstaat und da gibt es bestimmte Prinzipien.

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      • Dodo
        Dodo kommentierte
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        Ein Klischee berühre ich mit meiner akuten Biegung nicht (oder wer weiß, vielleicht kenne ich kein entsprechendes Klischee ...) - den Rechtsstaat glücklicherweise auch nicht.
        Welche Art Verbiegungen meinst Du damit? Der Arzt/Polizist/Anwalt, der unüberlegt die Schweigepflicht verletzt? Jemand, der sofort verhaftet wird, obwohl es gar keinen begründeten Tatverdacht gibt?

      • Milch
        Milch kommentierte
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        Manche unkonventionellen Ermittlungsmethoden widersprechen dem Rechtsstaat.

      • Dodo
        Dodo kommentierte
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        Stimmt, da dreht sich einem auch manchmal das Hirn um.

      #6
      Ich bin eigentlich ein ziemlicher Realitätsfan. Kann Stunden damit verbringen, irgendein Recherche-Detail herauszufinden.

      Bei dem genannten Beispiel oben mit Bundespolizei und Flughafenabfertigung würde mir wahrscheinlich nicht auffallen, wenn Du etwas zurechtgebogen hast. Wäre ich aber Flughafenmitarbeiter, dann würde es mir sicherlich auffallen und ich würde mich darüber ärgern. Es sei denn, alles spielt in der Zukunft, und es gibt einen schlüssigen Grund, warum das Procedere in der Zukunft anders ist als heute.

      Allerdings gebe ich zu: wenn eine Story wirklich, wirklich gut ist und mich packt, dann kann ich da auch mal die Augen zukneifen. Aber die Story muss echt sehr gut sein, dass ich sowas durchgehen lasse.
      Ich hadere gerade bei dem Thema selbst etwas. Bei meiner Pest-Ausschreibung kamen eine Menge Geschichten, die medizinisch jetzt nicht gerade korrekt sind (auch wenn der Autor selbst der Meinung ist, es sei alles richtig). Und wir haben ja gesagt, eine kleine Dosis Phantastik ist ok, wenn die Geschichte gut ist. Also muss ich da ein bisschen locker lassen, sonst sortiere ich zu viele Geschichten aus.
      Always avoid alliteration.

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      • Ankh
        Ankh kommentierte
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        Dodo Wäre es für dich akzeptabel, wenn die Krankheit nicht Lepra hieße, sondern einen erfundenen Namen hätte?

      • Dodo
        Dodo kommentierte
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        Ankh Ja. Motaba-Virusinfektion zum Beispiel
        Oder es folgt eine Erklärung, z B monströs virulente Mykobakterien, die einen perakuten, dramatischen und gore-lastigen Verlauf der sonst lahmarschigen Lepra bedingen, weil a. die Story das genau so erfordert und b. Terroristen in ein osteuropäisches bakteriologisches S7-Labor (gibt es nicht in echt, sähe ich nach) eingedrungen und die Keime freigesetzt haben.

        Ich habe gerade die Erklärung, wieso es bei meinem Piloten und dem restlichen Personal so läuft wie es läuft. *glotz* *ablach*
        Ankh Danke für den Schubs.

      • Ankh
        Ankh kommentierte
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        Dodo Freut mich! ^^ Das meinte ich oben: Wenn du als Autor offen zugibst, etwas erfunden zu haben, weil es die Geschichte nun einmal so braucht, dann sehen es dir die Leser normalerweise gerne nach. Sie wollen sich halt nur ungern für dumm verkauft fühlen.

      #7
      Als Leser würde ich sagen, es muss zur Geschichte passen. Bei einem Actionthriller mit phantastischen Elementen kann das Drumherum ruhig so ausfallen wie in einem Hollywood-Film, auch wenn es mit der Realität nur wenig gemein hat. Dann entsteht im Kopfkino eben ein Actionfilm. Nimmt sich ein Buch selbst nicht allzu ernst, ist mir ebenfalls herzlich egal, ob es auf einem Flughafen realistisch zugeht.

      Anders sieht es bei Büchern aus, bei denen ich von vornherein den Eindruck habe, dass sie authentisch sein wollen. Weiter oben ist schon der Begriff historischer Roman gefallen.

      Viele Geschichten dürften auch irgendwo dazwischen liegen. Solange es glaubwürdig ist, stört es mich in der Regel nicht, wenn die Realität ein wenig verbogen ist.
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        #8
        Ich habe heute einen Artikeln über das Ertrinken, es widerspricht den Baywatch-Klischees. Da wird es schon gefährlich, wenn Menschen falsche Vorstellungen von etwas haben und die reale Gefahr nicht erkennen.

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        • Dodo
          Dodo kommentierte
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          Stimmt, Entsprechendes sollte man nicht für billige Dramatik propagieren. (Es gibt bzgl Ertrinken sogar Lehrvideos für Rettungsschwimmer. Und bei kleinen Kindern ist es noch anders, die gehen einfach nur unter.)

        #9
        Ich schreibe (meist) Geschichten, die in der realen Welt spielen und halte mich an die Wahrheit, die ich kenne. Kenne ich sie nicht, aber ist sie bedeutsam für meine Glaubwürdigkeit, recherchiere ich. Lässt sie sich nicht eruieren, erfinde ich sie, aber versuche sie logisch (passend) zu gestalten.
        Andrerseits erfinde ich fast alle meine Inhalte, tue aber so, als wären sie wahr. Außerdem fabuliere ich gerne, ergänze also die Wahrheit, des schönen Auftritts wegen. In der Summe: Es soll für den Leser einleuchtend sein, wahr nicht unbedingt (und das gilt auch für mich als Leser)
        Für meine Gedichte übrigens recherchiere ich nicht, da kann es blaue Sonnen, hüpfende Hütchen und tosende Ruhe geben, kein Problem.

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        • Dodo
          Dodo kommentierte
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          Ich finde "lyrische" Einflüsse wie tosende Ruhe auch in prosaischen Texten erfrischend, wenn es passt.
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